Streifzüge, Heft 3/2001
Oktober
2001

Abschied von den Streifzügen – Willkommen im Café Critique

Auf Grund der Gegensätze in der Einschätzung von Nationalsozialismus und Antisemitismus, von Nation, Krise und postfaschistischer Gesellschaft, von Israel und dem Massenmord im World Trade Center, sowie auf Grund des Distinktionsbedürfnisses der verbleibenden Redakteure haben sechs der neun Mitglieder der Streifzüge-Redaktion – Stephan Grigat, Alex Gruber, Thomas König, Florian Markl, Tobias Ofenbauer, Gerhard Scheit – den Kritischen Kreis verlassen. Im Folgenden Stellungnahmen dazu und der Hinweis auf eine neue Gruppe unter dem Namen Café Critique.

Was den konkreten Fall betrifft:Adorno und Horkheimer schrieben einmal über das leere Erschrecken. Mittlerweile ist dieses leere Erschrecken sehr beredt geworden. Die uneingestandene Faszination, die von den antisemitischen Massakern vom 11. September ausgeht, wird mittlerweile,wenn auch in etwas rationalisierter Form und theoretisch aufgepeppt,sogar von den Teilen der Linken heraus posaunt, die man bis vor diesem Datum noch zu den Reflektierteren zählte. Wer aber von „Talibanern“ und „Amerikanern“ schwadroniert, oder sich auch noch zu der jeder argumentativen Kritik unwürdigen Auslassung versteigt, es wäre in der gegenwärtigen Situation letztlich egal, ob die USA ein Regime in Kabul installieren oder die Taliban Washington übernehmen, der sollte doch schon auch mal „konkret werden“ und seine Pläne für etwaige Betroffene einer solchen Katastrophe darlegen.

Das pathische Rationalisieren von Antisemitismus beruht auf dem gemeingefährlichen Auslöschen jeder Differenz. Der Vorwurf der reaktionäre Parteinahme für das „kapitalistische System“ ist jedoch schnell bei der Hand.Wer aber über jene Linke zu Gericht sitzt,die meint, dass es noch immer etwas Schlimmeres als den Kapitalismus in den westlichen Zentren gibt,der zeigt damit nur die eigene Ignoranz gegenüber der tatsächlichen Gefahr,die er wohl nie zu verstehen gewillt war: die Möglichkeit der negativen Aufhebung der bürgerlichen Gesellschaft, wie sie der Faschismus und im besonderen der Nationalsozialismus vorexerziert haben und wie sie am 11. September ebenfalls ihren Ausdruck fand.

Tobias Ofenbauer

An einigen Fragen hatte sich bereits abgezeichnet, daß es nicht mehr möglich ist, einen prekären Diskussionszusammenhang zu bewahren, für den die Streifzüge und der „Kritische Kreis“ eine gewisse Bekanntheit erlangt haben dürften. Es war nun nicht das Thema Haider, sondern die Situation nach dem 11. September, wodurch er sich als vollkommen entbehrlich herausgestellt hat. Die Diskussion darüber ist schlagartig auf eine wahnwitzige Ebene geraten, auf der sich kein Ressentiment mehr erhellen und kein kritischer Gedanke mehr fassen läßt. Hier hatte sich zweifellos etwas aufgestaut, und zur Entladung fand sich in der Erklärung der Bahamas-Redaktion endlich ein Anlaß, um nicht zu sagen: ein Vorwand.

Aber: alle größeren Auseinandersetzungen, an denen ich in über fünf Jahren in den Streifzügen besonders Anteil genommen habe, drehten sich im Grunde um das Verhältnis der Kritik zu Auschwitz; in einem Kreis, in dem zwanghaft davon abgesehen wird, daß die islamistischen Selbstmordattentate antisemitischen Charakters sind, oder in dem eben das gleichgültig ist, haben solche Auseinandersetzungen ohnehin jeden Sinn verloren. „Café Critique“ heißt mittlerweile der neue kritische Kreis, in dem sie weiterhin möglich sein sollen.

Gerhard Scheit

„Café Critique“ wird allein schon aus finanziellen Gründen auf die Herausgabe eines eigenen Printmediums verzichten und sich auf das Organisieren von Veranstaltungen, die Produktion von Radiosendungen und die Betreuung einer Internetseite konzentrieren. Die Radiosendungen werden im Rahmen von Radio Context XXI laufen. Im Internet waren die Streifzüge bisher nur im Rahmen der Papyrothek von Context XXI vertreten. „Café Critique“ übernimmt diese Seite und wird sie zu einem eigenständigen Medium umgestalten. Derzeit ist die Seite noch unter der Adresse http://contextXXI.mediaweb.at/streifzuege erreichbar. Insbesondere für die weitere Organisation von Veranstaltungen sind wir auf finanzielle Zuwendungen angewiesen. Wer die Arbeit von „Café Critique“ unterstützen möchte, spende bitte auf folgendes Konto:Bank Austria, Nr. 007 403 81 330, BLZ 20151,Verwendungszweck: Café Critique.

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Stephan Grigat