FORVM, No. 203/II
November
1970

Als Goldmann (†) eintrat

Unser Freund Lucien Goldmann ist tot. Wir wissen keine bessere Ehrung, als die Sätze zu wiederholen, mit denen er — vor rund 1000 Studenten im übervollen Hörsaal 1 der Wiener Universität — seinen Eintritt in den Internationalen Redaktionsbeirat des NEUEN FORVMS, am 5.4.1963, bekanntgab.

Ich will Ihnen sagen, warum ich, als Soziologe, aus soziologischen Überlegungen diese Einladung angenommen habe. Ich habe schon öfters geschrieben und gesagt, daß durch die Entwicklung der heutigen modernen Gesellschaft eine Annäherung zwischen allen echten Marxisten und echten Christen notwendig ist und praktisch entstehen wird. Nicht nur, weil es eine gemeinsame Tradition gibt: die christliche Tradition der Hoffnung auf eine bessere Welt, aus der dann unter Ausschaltung und Ablehnung der Transzendenz der Marxismus entstand. Sondern vor allem, weil heute in den westlichen, entwickelten Gesellschaften immer mehr gemeinsame Probleme auftauchen, die uns einander näherbringen.

In der Entwicklung der Welt gibt es die bedeutende Hoffnung, die unglaubliche Hoffnung der sozialistischen Umwandlung. Und die Studentenbewegungen sind wahrscheinlich die ersten Kräfte einer neuen Entwicklung. Es geht darum, diesen Kräften eine praktisch mögliche Form zu geben, eine Form, die aktiv zur gesellschaftlichen Veränderung beiträgt. In diese Richtung drängt heute alles, was irgendwie interessiert ist am Menschen, an seiner geistigen Entwicklung, an der Entwicklung des Individuums.

Die beste christliche und die beste marxistische Tradition haben diese Werte immer verteidigt, wenn sie auch in bestimmten Punkten auseinandergingen, ich würde sagen: in Fragen, die heute weniger wichtig sind, angesichts jener dringenden Probleme unserer Welt. Wir haben dieselben Probleme, dieselben Gegner und dieselben Freunde.

(langanhaltender Applaus)

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