FORVM, No. 255
März
1975

Arme Männer!

Die Frauen brauchen Euch nicht mehr. Sie machen Sexitus

Dies ist der Abschiedsbrief der französischen Feministin Annie C. an ihren Freund. Sie richtet diesen Brief aber auch an alle anderen Männer, die von ihren Frauen bereits verlassen sind oder befürchten müssen, noch verlassen zu werden.

Arme Lieblinge,

es gelingt Euch sicher nicht, die Furien zu zähmen. Je mehr Ihr sie versteht, je mehr Ihr ihnen helft, desto weniger lieben sie Euch. Frauen sind undankbar. Sie träumen von einer männerlosen Gesellschaft. Sie machen „sexitus“.

Ihr habt so viel für den Kampf der Frauen getan. Ihr wollt nichts mit den geilen Phallokraten zu tun haben, die es auszurotten gilt. Ihr haltet Euch für „Feministen-Männer“. Ihr meint, dafür besser geeignet zu sein als gewisse Frauen. Aber unser Vertrauen hat Risse bekommen. Wir ziehen eine „Feindin“ einem Mann vor, der vorgibt, unser Freund zu sein.

Ihr wißt nicht mehr, was Ihr machen sollt, um uns zu gefallen und zu beruhigen. Euer offizielles Ziel ist die vollständige Gleichheit von Mann und Frau. Aber Euer unbewußtes Ziel ist es, unsere Revolte zu verhindern. Ihr stellt Euch gegen eine Wirklichkeit, in der Ihr nicht die Hauptrolle spielt.

Eure Angst zeigt sich in paranoiden Reaktionen. Ihr habt ja so viel von uns verstanden. Ihr habt ja so viel für uns getan. Jetzt fühlt Ihr Euch von uns auf den Schwanz getreten. Es ist zum Verzweifeln.

Ihr gehört zu den ganz wenigen Männern dieser. Welt, die zu bewundern sind. Deshalb wollen wir Euch einige Ratschläge geben, damit Ihr Euch nicht so verloren vorkommt:

  1. Der Frauenkampf gehört den Frauen, haltet Euch da raus;
  2. denkt zuerst über die Männergesellschaft nach;
  3. beginnt individuell und kollektiv diese Gesellschaft in Frage zu stellen. Bleibt nicht stecken bei der Suche nach Eurer Männlichkeit.

Später können wir vielleicht die Diskussion wieder aufnehmen. Momentan begnügt Ihr Euch damit, Euch zu verteidigen und zu schützen. Aber Ihr überlegt nicht eine Sekunde lang, daß wir nicht nur die Phallokratie im allgemeinen bekämpfen, sondern jeden einzelnen Mann.

Ihr macht es Euch zu leicht, wenn Ihr gegen die Feministen schimpft. Noch seid es Ihr, die unter Potenzzwang stehen. Es stimmt, daß wir Euch verlassen haben. Obwohl wir wissen, daß Ihr keine mittelalterlichen Tyrannen seid, obwohl Ihr einen B-Mollton angeschlagen habt, obwohl Ihr Euch an die Brust schlagt und in „mea culpa“-Rufe ausbrecht. Ihr wißt gar nicht, wie weit wir uns schon von Euch entfernt haben.

Es ist nicht so schwer, die sexuelle Diskriminierung in unserer Gesellschaft aufzuzeigen. Schwieriger ist es, den männlichen Chauvinismus, der in jedem Mann schlummert, zu entlarven. Schaut Euch einmal selber an, und Ihr werdet verstehen, warum wir genug von Euch haben und von der Welt, die von Euch regiert wird.

Schaut Euch an, und Ihr werdet verstehen, warum wir die Monumente Eurer Macht hassen, das lächerliche Zurschaustellen Eurer Potenz.

Schaut Euch an und kümmert Euch um Euch selbst.

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