Das aktuelle Interview
Dr. Rudolf Bretschneider ist Leiter des Fessel-Meinungsforschungsinstituts und Autor zahlreicher Publikationen. Das folgende Gespräch führte R. Weninger:
Dr. Bretschneider: Das ist tatsächlich statistisch kaum relevant zu erfassen, auch nicht bei großen Media-Analysen. Jedenfalls aber betrachte ich Alternativ-Blätter als wichtiges Verständigungsmittel unter den jeweiligen Interessierten.
Umweltbewußtsein ist meines Erachtens nach stark durch die Tätigkeit großer Massenmedien gewachsen, womit nicht gesagt ist, daß nicht problembewußte Personen oder Kleingruppen grundsätzliches Material aufbereitet und herangebracht haben.
Eine Bewertungsfrage: Das seinerzeitige Volksbegehren versuchte mit großem Aufwand Personen zu gewinnen, die sich für eine Neuauflage einer Volksbefragung engagieren. Angst-Argumente sind keine überzeugenden, gewinnenden Argumente, weil Angst auf beiden Seiten Fixierungen erzeugt. Im Sinne aller Beteiligten sollten Angstmomente hintangehalten werden. Das Argument mit den Arbeitsplätzen dürfte nicht sonderlich ziehen.
Prinzipiell sieht man einen wachsenden Problemkreis, deutlich geworden erst in den letzten 5, 6 Jahren, bezüglich Versorgung und Preis. Es existiert eine große theoretische Sparbereitschaft mit teilweise praktischen Früchten. Das sind vor allem die gesunkenen Verbrauchsziffern in Haushalten und bei den PKW, ausgelöst durch die Preissituation und das allgemein wachsende Informationsniveau. Wichtig ist es, zu wissen, wo man wirklich sinnvoll sparen kann. Für sehr sinnvoll erachte ich die EVA (Energieverwertungsagentur); Werbemittel für Energiesparkampagnen sind jedenfalls eine vernünftige Investition, ebenso wie Innovationen auf dem privaten und gewerblich industriellen Sektor.
Die deutlich gestiegene Bereitschaft der Bevölkerung, im Haus Energie zu sparen, stellt eine zunehmende Marktchance dar.
Man sollte Etikettierung und Konfrontation nicht überbewerten. Die historischen Wurzeln derartiger „Schubladisierungen“ liegen oft weit auseinander.
„Vernetzung“ am Informationssektor ist immer gut, zahlreiche neue Aspekte treten dabei in den Vordergrund. Ich hielte es für nicht unbedingt positiv, wenn daraus Organisationsmuster, Parteienstrukturen, etc. nach konventionellem Schema entstehen sollten, verweise in diesem Zusammenhang etwa auf das Folgeproblem der Korrumpierung. Dem Fermentcharakter derartiger „Gegenkulturen“ entspricht es eher, etablierte Organisationsmuster zu unterwandern und zu durchwirken, obzwar auch dieser Weg Risken birgt.
Das möchte ich bezweifeln. Die verhängnisvolle Wechselwirkung von Provokation, Agitation einerseits und den Massenmedien andererseits bedingt es, daß man z.B. „radikale“ Maßnahmen setzt, um in die Medien zu kommen. Freilich entsteht „Radikalisierung“ auch durch Ignoranz oder Demotivation. Wenn die „Obrigkeit“ jahrelang nicht reagiert, auf berechtigte Anliegen, kommt es zwangsläufig entweder zu Apathie oder Demonstration.
Mögliche Reaktionen der Bevölkerung auf Qualitätsverschlechterungen sind sektoral unterschiedlich. Beim Wasser ist eine gewisse Umstellung schon im Gange. Der Slogan vom guten Hochquellwasser hat nicht mehr die Relevanz, die er vor 20 Jahren noch hatte. Bei der Luft sind „Alternativen“ schwieriger, aber das Verlangen nach gesunder Luft ist stark gestiegen. Das äußert sich im Wunsch nach mehr „Grün“ in der Stadt wie auch in der Mobilität aus der Stadt heraus. Was zusätzliche neue Probleme aufwirft.
Die Frage ist umfassend nicht zu beantworten. Ich möchte aber ein Element herausgreifen: Eine Verwaltung sollte sich nicht von vorneherein für alles „zuständig“ erklären. Notwendig wäre es, daß man sich wieder jener „sozialen Netze“ besinnt, die da sind oder da waren, seien es historisch-traditionell gewachsene Vereinigungen oder junge Vereine, Beziehungsgeflechte oder Initiativen, daß man großen Wert auf soziale Momente aus Eigeninitiative legt und Rahmen, Größe oder Etabliertheit vernachläßigt, weil diese Inhalte oft umbringen. Beispielsweise kommen Selbstversorgungstendenzen, von wo auch immer, allmählich wieder zum Tragen. Wichtig wäre es, solche zu pflegen, bevor sie endgültig abgestorben sind.
