Heft 6-7/2003
Dezember
2003

Das „zweite Geschlecht“ und das „Dritte Reich“

Was passiert, wenn Frauen sich als Frauen denken und den Nationalsozialismus begreifen wollen? Worin liegt der Grund für die Kapitulation der bürgerlich-demokratischen Frauenbewegung vor dem Faschismus?

Die Tat der KZ-Wächterin gegenüber ihren Opfern bleibt eine Machtausübung und Vergewaltigung. Die Frage nach der Mittäterschaft, der Verstrickung mit dem Täter, steht im Zusammenhang mit ihrem eigenen Untergeordnetsein, ihrer eigenen Bedrohung durch die Mächtigeren. Sie trägt Verantwortung für ihre Tat in dem Maße, wie sie Macht ausübt, wenngleich sie nicht verantwortlich ist für ein System, in dem sie selber untergeordnet ist.

Hier spricht ein Bewusstsein, wie es Claude Lanzmann in seinem Film „Shoah“ an den kleinen Leuten gezeigt hat, an den Eisenbahnern, den Nachbarn der Deportierten, den Helfershelfern und den Rädchen im Getriebe. Der Gedanke ist klar: die Bilanz umfasst Licht- und Schattenseiten, Soll und Haben, und sie umfasst Faschismus und Weiblichkeit.

Kappelers Aussage bündelt den Punkt der maximalen Übereinstimmung von feministischer Wissenschaft, Politik und also Ideologie. Sie bildet den „point of no return“. Denn hier haben wir die drei zentralen Theoreme der feministischen Diskussion: erstens die Frau als Unterdrückte und als Opfer, zweitens die Frau als Täterin und/oder Mittäterin und drittens das frauenverachtende Patriarchat. Indem Kappeler den Nationalsozialismus als patriarchales System definiert, bewegt sie sich im Mainstream des feministischen Bewusstseins: Die feministische Theorie erblickt das Wesen des Nationalsozialismus in jener Trennung, die er zwischen Männern und Frauen zieht, in einer Spaltung der Menschheit und einer generellen Abwertung ihres weiblichen Teils, die wiederum auf den Grundwiderspruch von Patriarchat und Weiblichkeit zurückführt. Nichts anderes sei der Faschismus als der ultimate Exzess des Patriarchats.

Das Nachdenken und Forschen der Frauen als Frauen über den Faschismus führt auf eine befremdliche Konsequenz. Diese Methode der Geschichtsschreibung mündet ihrer Tendenz nach darin, die Wahrheit des Faschismus exklusiv für jede der unzähligen Interessengruppen zu schreiben, aus denen eine bürgerlich-pluralistische Gesellschaft besteht. Aber das Forschen und Nachdenken der Frauen als Frauen über den Faschismus führt nicht nur auf diese beschriebene befremdliche Konsequenz, sondern sie offenbart eine systematische Defizienz. War der NS wirklich der Kampf der Männer als Männer gegen die Frauen als Frauen? Wenn das stimmt, dann hätten die Nazis sich umstandslos mit den männlichen Juden verbünden können, um gemeinsam gegen deutsche und jüdische Frauen vorzugehen. Dass sie es nicht getan haben, das kann dieser Feminismus nicht einfach nur nicht erklären – er muss es vielsagend beschweigen.

Die Vorstellung vom „patriarchalen NS-Staat“ hat die Meinung, die Frauen als Frauen seien Opfer gewesen, unmittelbar zur Folge. Es herrscht ein unheimliches Bedürfnis, die Frauen als Frauen zu entlasten, sie im nachhinein um ihre Tat zu bringen, weil sie doch nur als „fremdbestimmte, willenlose Objekte funktionieren konnten“. Diese Form feministischer Entsorgung der Vergangenheit arbeitet damit, dass nicht die Frauen, ihre materiellen Motive und politischen Strategien zum Gegenstand der Untersuchung gemacht werden, sondern dass sie sich vielmehr am Frauenbild des NS und seiner Frauenpolitik abarbeitet. Weil die Frau als bürgerliches Subjekt nicht vorkommen darf und weil sie unmittelbar als Frau genommen werden muss, verfällt diese Untersuchung keinesfalls in Ideologiekritik und betreibt eine alternative Ideengeschichte, von der unterstellt wird, sie spiegele das eigentliche und handlungsleitende Denken des Staates und/oder der Faschisten treulich wieder. Daraus erwächst die Möglichkeit, selbst überzeugte Nationalsozialistinnen zu Opfern zu stilisieren, das heißt die Frauen um ihren eigenen historischen Faschismus zu betrügen. Eine „Aufsichtsmaschine“ oder „Gebärmaschine“, zu der die Frauen nach Renate Wiggershaus degradiert wurden, braucht sich über ihre eigenen Impulse, Beweggründe und Interessen keine Gedanken mehr zu machen. Die faschistische Frau ist dann ein Knopfdruckwesen, ein Instrument, deren Motor außerhalb ihrer selbst liegt. In dieser Perspektive wird selbst das bescheidene Stückchen Eigenverantwortlichkeit, das Susanne Kappeler der KZ-Wächterin immerhin zusprach, ohne weiteres zurückgenommen.

Zwei Spielarten

Die Theorie vom „patriarchalen NS-Männerstaat“ hat eine harte und eine weiche Variante. In beiden Varianten findet sich mitunter eine Gleichsetzung von Antifeminismus und Antisemitismus, in der eine Verharmlosung von Auschwitz beschlossen ist, die ihresgleichen sucht. Die harte Variante definiert das Patriarchat als die absolute Herrschaft der Männer als Männer. Ihnen soll es gelungen sein, die Rasse der Frauen zu willenlosen, willfährigen und dumpfen Objekten zu formen. Die Macht der Männer sei es, die seit der chauvinistischen Machtergreifung von Adam Hitler die Gattungsgeschichte bestimmt – und der NS sei bloß eine besonders böse Ausgabe dieses fundamentalen, aber sich gleichwohl immer wieder anders darstellenden gesellschaftlich basalen Tatbestandes.

Die weiche Variante bemüht sich, die historische Dialektik zumindest zu simulieren und sich dem Vermittlungsproblem irgendwie zu stellen. Während die Opferthese den NS als die radikale Negation der Frau als Frau auffasst, sieht die geschmeidigere These der Mittäterinnenschaft eine Negation der Negation am Werk. Wo die Opferthese den Ausschluss bis an sein Extrem – den Tod – vorangetrieben sieht, da gewährt ihr weiches Pendant eine durch eben diesen Ausschluss produzierte äußerste Intensivierung und Konzentration des Weiblichen in den Frauen. So schreiben Annette Kuhn und Valentine Rothe: „Gerade in den Extremsituationen des nationalsozialistischen Terrorregimes, als traditionelle Rollenvorstellungen versagten, werden nachfaschistische und nachpatriarchalische Normen sichtbar.“

Diese – erkenntnistheoretisch betrachtet – elegante Dynamisierung der feministischen Theorie, drückt sich um die Kritik gerade der als männlich wie weiblich missverstandenen bürgerlichen Sekundärtugenden. Denn waren es nicht gerade die traditionellen Geschlechtscharaktere, die es den Individuen erlaubten, sich für „Extremsituationen“ zu ertüchtigen und ihre Gewissensbisse im Befehlsnotstand zu bewältigen – so sie denn welche hatten? Und waren es nicht gerade die Frauen, die Arierstolz, Demut und weibliches Selbstbewusstsein erschreckend gut miteinander zur deutschen Identität zu verknüpfen wussten, die Frauen also, die als Mütter und Kameradinnen ihren militanten Männern das seelische Futter gaben, an dem sie an der Front und im Lager zehren konnten? Wie lobend spricht doch Rudolf Höß von seinem Heimchen, das ihm nach langem Vernichtungstag Kraft und Liebe spendete, und zwar unbezahlt! Hatten nicht die Männer, die in Nürnberg zum Tod verurteilt wurden, ganz normale Frauchen, die sich aller Kniffe weibliche Verhaltens zu bedienen wussten – Frauen wie die des Generalgouverneurs von Polen, Frank, die gerne den Krakauer Judenmarkt besuchten und den Preis für weibliche Accessoire mit Todesdrohungen herunterzuhandeln wussten, Frauen wie Karin Göring, die sich mit Kind und Gatte vergiftete – aus Angst vor Deutschlands Niederlage.

Die Qualitäten, die das Patriarchat im Ausschluss der Frauen an ihnen produzierte, steigerten sich im Faschismus nicht zum Widerspruch, sondern sie wurden zum Moment der Reproduktion der Volksgemeinschaft als eines Mordkollektivs.

Gleichheit und Differenz

Die Frage ist, woher es kommt, dass dieser Feminismus sich verdächtig fleißig für die Details der internen Hierarchie der Volksgemeinschaft interessiert und dabei den Fakt, dass diese intern stark differenzierte faschistische Gesellschaft bis zum letzten Kriegstag monolithisch geschlossen ihre wirklichen und imaginierten Feinde bis aufs Messer bekämpfte, souverän ignoriert. Warum führt die erkenntnistheoretische Aporie des Feminismus diesen dazu, den Antisemitismus und die Vernichtung der europäischen Juden nicht denken zu können?

Der Antisemitismus steht – wie der NS insgesamt – quer zur Theorie vom Patriarchat. Weil die Theorie ihn nur um den Preis ihrer Selbstaufgabe und ihres Selbstdementis als Ideologie und geistigen Lobbyismus erklären könnte, muss sie ihn rationalisieren und bis zur heimlichen Apologie verdrängen. Dieser Tatbestand ist es, der die Vergeschlechtlichung der Analyse als theoretischen Ausdruck der Emanzipation der Frauen zur Teilhabe an der bürgerlichen Subjektivität durchschaubar macht. Indem die Frauen als Frauen denken, denken sie sich als Bürger und damit als Volksgenossen.

Seit den frühesten Zeiten einer eigenständigen Artikulation der Frauen als Frauen – seit Mary Wollstonecraft und Olympe de Gouges – haben sie am Problem von Gleichheit und Differenz zu knabbern und, dadurch vermittelt, am Problem des historischen und funktionalen Status der überwältigenden Dominanz von Männern an den Hebeln von Ökonomie, Kultur und Politik. Die Produktivierung der Gesellschaft und die bürgerlichen Revolutionen, die dem Kapital zum Sieg verhalfen, wurden von Männern angeführt – aber wie verhält sich diese historische, bis heute nach- und fortwirkende Tatsache zum systematischen Status der neuen Produktionsweise? Ist das Geld männlich? Ist das Kapital männlich, obwohl es seine Neutralität schon im Titel führt? Und seit dieser Zeit wurden Frauen, die nichts anderes wollten als Bürgerinnen zu werden, entweder geköpft – wie Olympe de Gouges – oder diskriminiert. Die bürgerliche Revolution, die mit dem Anspruch auf Gleichheit, Allgemeinheit und Universalität auftrat, wollte sie doch für die Frauen nicht gelten lassen. Die Frauen wurden in eine objektiv dilemmatische Position gedrängt – sie wurden wegen ihres Geschlechtscharakters über den grünen Klee gelobt und angehimmelt, und sie wurden im gleichen Augenblick eben dieser Qualitäten wegen aus der bürgerlichen Gesellschaft ausgeschlossen und aufs „Private“ verwiesen, das selbst wieder eine öffentliche Funktion war. Dass ihr „Privates“ selbst Teil der Reproduktion des Ganzen ist, darauf pochen sie bis heute und fordern „Lohn für Hausarbeit“. Aber sie können mit dem Widerspruch nicht zurechtkommen, dass das gesellschaftlich Notwendige noch keineswegs das öffentlich Anerkannte darstellt, und ebenso wenig mit dem Widerspruch, dass der ihnen zugeschriebene Geschlechtscharakter nur die subjektive Aneignungsform und Rationalisierung ihrer Lage war und keineswegs von Natur. So fingen die Frauen an, als Frauen zu denken, also zu rationalisieren. Das lag im Zug der Zeit, und auch die Arbeiter dachten sich als Arbeiter und verfielen so auf die Idee der „Anerkennung des Werts der einfachen Arbeit“ statt die Abschaffung der Lohnarbeit vorzubereiten.

Indem sich die Frauen als Frauen denken, verfehlen sie die Erkenntnis ihres Dilemmas und verstehen es doch zugleich. Sie verfehlen es, indem sie dem Mann das Kapitalprinzip als sein Wesen zuschreiben, und sie verstehen es, indem sie die Kapitalfunktion, die bis zur Gründung einer feministischen Bank in New York ausschließlich von Männern repräsentiert wurde, in ihrer empirischen Unmittelbarkeit nehmen. Indem sie für ihre Rechte als Frauen und gegen die Männer eintreten, organisieren sie ihre eigene Kapitalisierung und bereiten die Vollendung der Geschlechtsneutralität des Kapitals vor.

Indem sich Frauen als Frauen verstehen wollen, bringen sie sich langsam, aber mit Methode um die Vernunft. Der Faschismus bringt historisch an den Tag, was in der erkenntnistheoretischen Aporie logisch beschlossen ist. Im gleichen Augenblick, in dem sich der bürgerliche Staat nicht mehr als Staat der Bürger aufführt, sondern seine weibliche Geschlechtsmaske heraushängt und Mutterkreuze verteilt, wissen sie nicht mehr, ob sie sich nun in ihrem Wesen anerkannt oder in ihrem Schein verachtet fühlen sollen. Ihre Gleichheit mit den Männern wird hergestellt – aber nicht unter den Auspizien des bürgerlichen Rechtsstaates, sondern unter Regie des Rasseamts. Der Maßstab der Vergleichung ändert sich zwar radikal, aber die Gleichheit tritt ein. So sehr sind die Frauen auf das Denken ihrer selbst in Wesen und Erscheinung hereingefallen und so fasziniert waren sie davon, sich ihre geschlechtliche Unmittelbarkeit als gesellschaftlichen Auftrag umzudeuten, dass sie die faschistische Definition dieser Unmittelbarkeit als Affirmation ihres Geschlechts verstehen müssen. Wen braucht es da noch zu wundern, dass die bürgerlich-demokratischen Frauenverbände Arierinnenparagraphen erlassen und die Jüdinnen in dem Moment als undeutsch und lebensunwert ausschließen, in dem der Staat Männer und Frauen zum deutschen Volk vereinigt und die „artgemäße“ Reproduktion der Gattung zur Haupt- und Staatsaktion erklärt?

War der NS also nicht „frauenfeindlich“? Aber gewiss! Nur war er in demselben Maße „frauenfeindlich“, wie er auch „männerfeindlich“ war, das heißt nur insoweit, als er dem politischen Projekt sich verpflichtete, das, „was deutsch ist“, das heißt die Kriterien der Zugehörigkeit zum Kollektiv – das heißt unbedingte Loyalität und absolute Kapitalproduktivität – in die Menschen hineinzuzwingen. Nicht „frauenfeindlich“ ist der NS in genau dem Sinne gewesen, als es keinen prägnanten Zusammenhang zwischen der NS-Rassenideologie und einer spezifischen, die Männerfeindlichkeit qualitativ überschreitenden Frauenfeindlichkeit gibt. Es gab genug Nationalsozialistinnen der ersten Stunde, die sich das „Dritte Reich“ als Abschaffung des Patriarchats dachten und dafür eintraten. Der Faschismus hat die Frau als Frau als funktional Gleiche und different Anerkannte auf den Begriff gebracht.

Frauen, die als Frauen denken, sind unfähig, die Gleichheit der Menschen anders zu denken denn als repressive Vergleichung. Indem sie die erst noch zu erkämpfende Gleichheit ohne Zwang nur in der Perspektive entweder der Vergleichung mit den bürgerlichen Männern oder der kollektiven Differenz zu antipartriarchalen Frauen zu denken vermögen, haben sie ihren eigenen potentiellen Faschismus immer schon bejaht.

Bildnis eines ermordeten Kindes
Zeichnung von Aat Breur

Kapital und Arbeit, Mann und Frau

Der faschistische Souverän, der Kapital und Arbeit in sich versöhnt, muss zugleich bestrebt sein, den Gegensatz von Mann und Frau aufzuheben. Das eine ist die Bedingung einer gelingenden Akkumulationsstrategie, das andere die Voraussetzung einer Kriegsstrategie, die sich mit den Mitteln der „Rassenpolitik“ um ein wehrfähiges Menschenmaterial bemüht – und das heißt in einem sich „pronatalistisch“ wie „antinatalistisch“ verhält und also Bevölkerungspolitik treibt. Die Versöhnung von Kapital und Arbeit im als „Führer“ personifizierten faschistischen Souverän bedeutet, dass er die Arbeiterklasse von ihrer bisherigen politischen und ökonomischen Vertretung enteignet, um sich die Arbeit anzueignen – und er tut dies mit dem Versprechen von „Gemeinnutz vor Eigennutz“, „Anerkennung des Werts der einfachen Arbeit“ und Vollbeschäftigung. Die Arbeiterbewegung zerschlägt er und transformiert sie zur deutschen Arbeitsfront, um sich das Geheimnis der mehrwertschaffenden Arbeit unmittelbar anzueignen. Die Frauenbewegung zerschlägt er und transformiert sie zur Reichsfrauenschaft, um sich das Geheimnis der Produktion und Reproduktion des wehr- und arbeitsfähigen Lebens anzueignen. Er enteignet die Arbeiter ihrer Parteien und Gewerkschaften, indem er die Arbeiter als Verkörperung der Arbeit affirmiert. Und er enteignet die Frauen ihrer Bewegung für die Gleichberechtigung als bürgerliche Subjekte, indem er die Frauen als Frauen, das heißt in ihrem unmittelbaren Geschlechtscharakter affirmiert. Rigide entlarvt er das Wesen der Arbeiterbewegung als Kult der Arbeit und das der Frauenbewegung als Kult der fruchtbaren Natur. Indem er den Schein der Arbeiter- wie Frauenbewegung zerstört, eignet er sich das Wesen der Arbeit und das der Weiblichkeit an. Es versteht sich, dass er damit das bürgerliche Subjekt Frau in einige Schwierigkeiten versetzt, löst er doch das Problem von Gleichheit und Differenz tatsächlich, wenn auch auf seine faschistische Weise – Gleichheit mit den Männern im Kampf gegen die Juden, Differenz in der arbeitsteiligen Reproduktion der Gattung. Hier liegt der Grund für die Kapitulation der bürgerlich-demokratischen Frauenbewegung vor dem Faschismus, die nicht in der Lage war, sich dem wirklichen Problem der Gleichheit und Differenz zu stellen.

So ist es kein Wunder, dass die Frauen, sowie sie sich als Frauen anfangen zu denken, in die Aporie hineingeraten, dass sie, indem sie ihre Differenz zum Mann als Mann herausstreichen, gerade ihre Gleichheit und das heißt funktional gleiche Brauchbarkeit für die Staatsräson unterstreichen. Indem sie auf ihre geschlechtliche Unmittelbarkeit als auf die Darstellung des Wesens ihrer Weiblichkeit pochen, haben sie schon ihre gesellschaftliche Vermittlung unter der Form der bürgerlichen Subjektivität akzeptiert. Der Staat wiederum, der sie als bloße Gebärmutter behandelt, reduziert sie im gleichen Maße, wie er sie befriedigt. Daraus folgt, dass die Frau als formell dem Mann gleichgestelltes bürgerliches Rechtssubjekt und damit als egales Objekt des Souveräns, als faschismusträchtig sich sowohl in ihrer geschlechtsunmittelbaren Identität wie in ihrer gesellschaftlichen Funktionalität erweist.

Wenn es stimmt, dass in Sachen des bürgerlichen Staates und insbesondere seiner faschistischen Gestalt die These, er sei ein Ausdruck des Patriarchats, nur im gleichen Maße richtig ist wie die, dass er einen Ausdruck des Matriarchats darstellt, dann ist erwiesen, dass es im aporetischen Schema eines bestimmten feministischen Denkens allseits keinen Ausweg gibt als den, die Flucht nach vorne anzutreten und sich mehr oder weniger offensiv zum bürgerlichen Staat zu bekennen.

Entweder kann die Theorie des Patriarchats unsere Vergesellschaftung erklären – und dann gibt es keinen Grund, beim NS einen Ausnahme zu machen –, oder diese Lehre kann nicht den Antisemitismus und schon gar nicht Auschwitz begreifen – dann gibt es nicht den geringsten Anlass, sie für irgendeinen Gegenstand für kompetent zu halten. Ein Drittes gibt es nicht, und Relativierungen tragen nur zur Verharmlosung bei.

Solange die Frauen sich nicht weigern, sich als Frauen zu denken, spielen sie ihren Part mit bei der Sabotage der kritischen Vernunft.

Der Beitrag basiert auf einem Text über „Rasse“ und „Geschlecht“ im Feminismus aus dem Jahr 1993.


Literatur

  • Johanna Beyer/ Franziska Lamott/ Birgit Meyer (Hg.): Frauenlexikon. München 1983
  • Ilse Bindseil: Elend der Weiblichkeit, Zukunft der Frauen. Freiburg 1991
  • Gisela Bock: Zwangssterilisation im Nationalsozialismus. Opladen 1986
  • Gisela Bock: Geschichte, Frauengeschichte, Geschlechtergeschichte. in: Geschichte und Gesellschaft, Nr. 14, 1988
  • Gisela Dischner (Hg.): Eine stumme Generation berichtet. Frauen der dreißiger und vierziger Jahre. Frankfurt/M. 1982
  • Ulrich Enderwitz: Antisemitismus und Volksstaat. Freiburg 1991
  • Lerke Gravenhorst/ Carmen Tatschmurat: TöchterFragen. Freiburg 1990
  • Susanne Kappeler: Vom Opfer zur Freiheitskämpferin. in: Institut für Sozialpädagogik der TU Berlin (Hg.): Mittäterschaft und Entdeckungslust. Berlin 1989
  • Claudia Koonz:: Mütter im Vaterland. Freiburg 1991
  • Annette Kuhn/ Valentine Rothe: Frauen im deutschen Faschismus. Düsseldorf 1982
  • Margret Lück: Die Frau im Männerstaat. Frankfurt/M. – Bern – Las Vegas 1979
  • Sigrid Metz-Göckel: Die zwei (un)geliebten Schwestern. Zum Verhältnis von Frauenbewegung und Frauenforschung im Diskurs der neuen sozialen Bewegungen. in: Ursula Beer (Hg.): Klasse Geschlecht. Bielefeld 1987
  • Dorothea Schmidt: Die peinlichen Verwandtschaften – Frauenforschung zum Nationalsozialismus. in: Heide Gerstenberger/ Dorothea Schmidt (Hg.): Normalität oder Normalisierung? Münster 1987
  • Gerda Szepansky: „Blitzmädel“, „Heldenmutter“, „Kriegerwitwe“. Frauenleben im Zweiten Weltkrieg. Frankfurt/M. 1986
  • Rita Thalmann: Frausein im Dritten Reich. München – Wien 1984
  • Christina Thürmer-Rohr: Vagabundinnen. Berlin 1987
  • Renate Wiggershaus: Frauen im Nationalsozialismus. in: Johannes Beck u. a. (Hg.): Terror und Hoffnung in Deutschland 1915 – 1933. Reinbek 1980
  • Christine Wittrock: Weiblichkeitsmythen. Das Frauenbild im Faschismus und seine Vorläufer in der Frauenbewegung der 20er Jahre. Frankfurt/M. 1982
Eine Nachricht, ein Kommentar?
Vorgeschaltete Moderation

Dieses Forum ist moderiert. Ihr Beitrag erscheint erst nach Freischaltung durch einen Administrator der Website.

Wer sind Sie?
Ihr Beitrag

Um einen Absatz einzufügen, lassen Sie einfach eine Zeile frei.

Hyperlink

(Wenn sich Ihr Beitrag auf einen Artikel im Internet oder auf eine Seite mit Zusatzinformationen bezieht, geben Sie hier bitte den Titel der Seite und ihre Adresse bzw. URL an.)