ZOOM 7/1996
Dezember
1996

Decentralized World Wide Networker Congress

Looking for a man with postal uniform and rucksack! It could be the net mail man!

Am 1. Jänner 1992 starteten die beiden MailArtistInnen Angela und Peter Network (Angela Pähler und Peter Küstermann) aus Minden (Germany) auf Anregung des Aktionskünstlers Hans-Ruedi Fricker diese wohl einzigartige Aktion in der Kunstgeschichte. Gekleidet in einer ausgedienten Postuniform samt Dienstkrawatte, übersät mit Kunst-Buttons, Pins und Postabzeichen machten sie sich auf den langen Weg durch die Adreßlisten, besuchten in der Folge 350 MailArtistInnen in der ganzen Welt und brachten, tauschten, transportierten insgesamt rund 200 Kilogramm Kunst. Als kreative PostbotInnen (Net Mail Postmen) besuchten sie KünstlerInnen in fast allen europäischen Ländern, in Amerika und Rußland, in China, Afrika, Indien und Australien; der postale Arm reichte bis nach Tasmanien. Dabei war die Route touristisch nicht perfekt, sondern kurvig und winkelig. Peter Küstermann: „Künstlerinnen leben oft isoliert in ihrer kreativen Welt. MailArt, das Verschicken kunstvoll gestalteter Briefe, Telefon, Fax und neuerdings das Internet sind zwar Formen der Kommunikation, ersetzen aber nie den persönlichen Kontakt von Mensch zu Mensch.“ Darum haben sich die beiden MailArtistInnen entschlossen, die Menschen hinter den Namen persönlich kennenzulernen und den „Decentralized World Wide Networker Congress“ abzuhalten. Mit all der Sympathie und Antipathie, die solches mit sich bringt. Angela Pähler: „Positive Enttäuschung führt zu Freundschaft.“ Als Stützpunkte und Depots fungierten Hongkong, Moskau und das heimatliche Minden bei Hannover. Gewaltig ist die Energie, die eine solch weitschweifige und minutiöse Reise abverlangt: „In Finnland mußten wir mit unseren Posttaschen durch einen See schwimmen, in Japan wurden Peter die Haare vom Performance-Künstler und MailArtisten Shozo Shimamoto kahl geschoren und sein nackter Schädel im Rahmen einer Performance mit einer Friedensbotschaft bepinselt“ (siehe Head Networking Japan, ZOOM 6/96). Zug und Bus waren die häufigsten Reisemittel; aber wenn alle Anschlüsse kippten, mußten die beiden des öfteren im Freien übernachten oder/und auf Schusters Rappen kilometerweit ihre schweren, prall mit Kunst, Kommunikation, einer Dia-Show und persönlichem Hab und Gut gefüllten Rucksäcke bis zum nächsten Congress schleppen. Schließlich findet MailArt nicht nur auf Briefpapier statt, auch eine Flasche Bier mit MailArtBotschaft außen drauf wurde ungeöffnet über lange Distanzen transportiert. Exotische Objekte wie künstlerisch gestaltete Känguruh- und Hirschhornknochen mußten besonders „fragile“ gehandhabt werden, auch sämtliche Fotos einer Liebesgeschichte waren mit dabei. So erfuhren die zwei anhand von insgesamt 173 „dezentralen Weltkongressen“ – bei denen man über die Rolle von MailArt, Kunst, persönliche Einstellungen und Reflexionen sprach, gemeinsames Schaffen und Aktionen praktizierte, viel KunstPost aus aller Welt überreicht bekam und selbst mit auf den Weg gab – viel Gastfreundschaft bei KünstlerInnen aus aller Welt. Wie läßt sich ein solches Projekt, das bereits mit drei prallen Tagebuch-Ordnern und einem handgemachten, handcolorierten, handcollagierten Buch in 500 Stück Auflage dokumentiert ist, finanzieren? Peter Küstermann: „Man lebt dafür und nicht davon.“

Statistics:

  • 173 DNC congresses
  • over 100.000 kilometers
  • more than 50 borders
  • ca. 350 networkers
  • 4000 registered pieces of Net Mail estimated postage saved: $ 20.000,–
  • 500 letters plus 500 phone calls before and during the project
  • over 150 trains
  • over 160 buses
  • over 100 taxis
  • over 200 car rides
  • only 35 flights
  • one horse carriage
  • 10 ship-boatrides
  • one surf board
  • 4 pairs of Birkenstocks
  • ca. 50 subways
  • 7 loops to Minden
  • more than 200 kilos carried
  • over 50 color photo films
  • communication in 6 languages
  • minimum –45° C (Sibirien)
  • maximum +45° C (Australien)
  • our names got misspelled 68 times and so on and on ...
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