Der Konflikt im Westsudan aus der Geschlechterperspektive
Frauen sind durch Vertreibung und Vergewaltigungen besonders von der Krise im Sudan betroffen.
Krieg wird von der Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung an der Universität Hamburg wie folgt beschrieben: „Ein Charakteristikum des weltweiten Kriegsgeschehens ist, dass es ‚den Krieg‘ nicht gibt. Dies gilt hinsichtlich der Zusammensetzung der Kriegsakteure, der Art der verwendeten Waffen, sowie des Maßes der internationalen Einbindung. Kriegsakteure sind heute zentral organisierte Militärapparate, desintegrierte und sich über kriminelle Aktivitäten finanzierende Armeeteile, breite soziale Bewegungen, Guerillaorganisationen mit staatsähnlichen Funktionen, staatlich unterstützte paramilitärische Einheiten, lokal finanzierte, zersplitterte Guerillagruppen, Privatarmeen, Söldner und zwangsrekrutierte Kinder.“ [1]
Nach Websters Third New Dictionary wird Konflikt so definiert: „As noun it means act of striking together; clash, competition or collusion. As a verb intransitive the word conflict means to contend with or against another in strife or warfare to show variance, incomparability, opposition or disharmony.“ [2] Aus dieser kurzen Definition geht hervor, dass Konflikte soziale Phänomene sind, die bei Kollision, Konkurrenz oder Unvereinbarkeit von divergierenden gesellschaftlichen Interessen auf zwei oder mehreren Ebenen auftreten. Deshalb ist ein Konflikt auch eine Art von natürlicher gesellschaftlicher Wechselwirkung zwischen Subjekten einer Gesellschaft. Diese Wechselwirkungen gilt es im Folgenden zu durchleuchten. [3] Lewis Coser definiert Konflikte als „set boundaries between groups within a social system by strengthening group consciousness and awareness of identity of groups within this system“. [4] Waylen analysiert Gewalt in Bezug auf „Dritte Welt Länder“ anhand der vier politischen Kategorien Kolonialismus, Revolution, Autorität und Demokratisierung. Diese kombiniert sie mit den Themen Geschlecht, Konflikt und Gewalt. Damit gelingt es ihr auch, die aktive Teilnahme von Frauen an antikolonialistischen revolutionären und nationalen Befreiungsbewegungen sichtbar zu machen.
Alle diese Kategorien haben selbstverständlich geschlechtsspezifische Implikationen, ob für Frauen, die in den repressiven Wohlstandsbürokratien dienen, oder für Frauen in Widerstandsbewegungen. Hierzu gibt es allerdings noch verhältnismäßig wenige ausführliche Arbeiten. Macauly veranschaulicht, dass Frauen eine zentrale Rolle für die Demokratisierung haben können, zugleich verweist sie auf die Gefahren der Privilegierung eines Geschlechts oder anderer gesellschaftlicher Gruppen. Sie veranschaulicht, wie arme LandarbeiterInnen, indigene Bevölkerungen, ethnische Gruppen und verarmte städtische BewohnerInnen aus politischen Prozessen ausgegrenzt bleiben, selbst wenn sie das formale Recht zu wählen erworben haben.
Fehlende Friedenskultur [5]
Eine Kultur des Friedens lässt sich als (...) Gesamtheit aller Werte, Verhaltens- und Lebensweisen definieren, die auf der Achtung vor dem Leben, der menschlichen Würde und den Menschenrechten, auf der Ablehnung der Gewalt einschließlich jeder Form von Terrorismus sowie auf der Achtung der Prinzipien der Freiheit, Gleichheit, Solidarität, Toleranz und Verständigung zwischen Völkern, Bevölkerungsgruppen und Individuen beruhen. [6]
Seit einiger Zeit gibt es im Sudan auf Druck der USA wieder Friedensverhandlungen, die aber auf zwei Parteien begrenzt sind: die Regierung und das Sudanese Peoples Liberation Movement (SPLM). Fast die gesamte Zivilgesellschaft wird ausgeschlossen und keine einzige Frau nimmt an den Verhandlungen teil, obwohl die sudanesischen Frauen mehr als 50 Prozent der Bevölkerung darstellen. Die Dauerhaftigkeit eines möglichen Verhandlungserfolges ist sehr fragwürdig, da wie erwähnt trotz der enormen Vielschichtigkeit der Gesellschaft nur zwei Gruppen ohne jegliche weibliche Miteinbeziehung einander gegenüber sitzen und darüber hinaus die enorme Kluft zwischen Arm und Reich seitens der Regierung ignoriert wird.
Es ist nicht zu übersehen, dass die Schulmaterialien bzw. die Medien keine Friedenskultur vermitteln. In der Grundschule wird nur ein Gedicht unterrichtet, welches auf den Frieden zwischen SüdsudanesInnen und NordsudanesInnen eingeht. Friedenserziehung sollte aber grundlegend vom Kindergarten an beginnen. Da dies aufgrund der mangelnden Strukturen im Sudan nicht möglich ist, sollten Ersatzstrategien entwickelt werden, in die die gesamte Zivilgesellschaft involviert werden sollte.
Es wurde nun ein Friedensabkommen zwischen der Regierung in Khartoum und der SPLM abgeschlossen, das den bereits erwähnten Beschränkungen unterliegt. Nun ist zu überlegen, welche Strategien für die außergewöhnlichen Probleme wie Armut, wirtschaftliche und politische Instabilität und nicht zuletzt die Situation der Binnenflüchtlinge entwickelt werden sollen. Die Nachkriegssituation muss aufgearbeitet werden, vor allem was Gewalt gegen Frauen betrifft. Es mangelt an einer geschlechtsspezifischen Kriegsfolgenbewältigung. Es müssen Modelle der Konfliktlösung, Entmilitarisierung und für den Wiederaufbau entwickelt werden, an denen Frauen aktiv mitwirken können. Die fehlende Zulassung von Frauen an der Erarbeitung der Friedensverträge und die mangelnde Bezugnahme auf Frauen in denselben lässt allerdings Zweifel daran aufkommen, dass Frauen als wesentliche Friedenserhalterinnen anerkannt werden.
Vergewaltigung als politisches Unterwerfungsinstrument
Die politische Krise in Darfur ist nicht neu und daher ist es kein Zufall, dass die Situation dramatisch explodiert ist. Es wird einerseits in den internationalen Medien bzw. Debatten über Völkermord, ethnische Säuberung und Vergewaltigung von Frauen berichtet, andererseits spricht die Regierung von internationalen Interventionen bzw. Strategien gegen den Sudan, um das Land aufzusplittern. Die Regierung gibt nicht zu, dass Vergewaltigungen als Kriegswaffe eingesetzt werden.
Ich werde auf die Konfliktursache in Darfur nicht ausführlich eingehen, da aus meiner politischen Perspektive sich alle Konflikte bzw. Kriege um Ressourcen und Machtverhältnisse drehen. In Darfur gab es und gibt es immer wieder Konflikte um Wasser und Weideland. Der Westsudan bzw. das Darfurgebiet wurde und wird von allen Regierungen vernachlässigt bis die Situation Anfang 2003 eskalierte: Plünderungen, Gewalt, Vertreibung von Menschen, vor allem von Frauen und Kindern. Doch von offizieller Seite werden Frauen unsichtbar gemacht. Im Gegensatz zu den Berichten in internationalen Medien werden die Vergewaltigungen bzw. die allgemeine Situation in den sudanesischen Medien verschwiegen. In einer Analyse der sudanesischen Medien kam ich zu dem Ergebnis, dass die Regierung nun unter dem Druck der sudanesischen bzw. internationalen Zivilgesellschaft zugibt, dass es Vergewaltigungsfälle gibt, [7] obwohl sie, aus „Rücksicht“ auf die internationalen Interessen an sudanesischen Ressourcen, immer versucht hat, die Realität in Darfur zu verschweigen. Nicht nur Amnesty International, das einen umfassenden Bericht über Gewalt an Frauen zusammengestellt hat (siehe Kasten), sondern auch einige sudanesische NGOs haben darüber berichtet. Vergewaltigung wird in diesem Zusammenhang als politisches Instrument für die Unterwerfung der so genannten Feinde gesehen, und somit werden die Frauen dadurch geopfert. Die Frage ist, ob Vergewaltigung als Kriegsmethode in der sudanesischen Politik neu ist, [8] denn schon seit Jahren kam es, wie zuletzt im Südsudankrieg zu Vergewaltigungen von tausenden Südsudanesinnen. [9]
Mariam el Sadig zufolge, [10] die über Vergewaltigungen von Frauen in Nord- und West-Kordofan berichtet hat, sind diese Frauen im Alter von 12-70 Jahren. Eine Frau wurde zehn Mal vergewaltigt, bis sie gelähmt war. Auch im Flüchtlingslager Mandela wurden im März vierzig Vergewaltigungsfälle bzw. einige Schwangerschaften festgestellt.
Zusammenfassend sollten Strategien für die psychologische und medizinische Betreuung der Frauen entwickelt werden, vor allem für jene, die sich nun als Flüchtlinge im Tschad befinden. Die Frauen brauchen für die Überwindung ihrer Traumata Hilfe, um ihr Leben wieder normalisieren zu können.
Entscheidend ist auch, dass die Frauen motiviert werden, sich in der Politik zu engagieren und sie in alle Friedensverhandlungen zu involvieren, da eine bedenkliche Frage gestellt werden muss: Ob ein Frieden im Sudan ohne Miteinbeziehung von Frauen, die 54 Prozent der gesamte Bevölkerung ausmachen, überhaupt möglich ist und dauerhaft sein kann?
[1] Cilja Harders / Bettina Roß: Geschlechterverhältnisse in Krieg und Frieden. Perspektiven der feministischen Analyse internationaler Beziehungen. Opladen 2002: S. 9.
[2] Webster’s Third New Dictionary, 1993, Chicago: Encyclo- paedia, and Ominee’s New Somali Dictionary, 1996.
[3] Vgl. Adane Tekie Ghebremeskel: Conflict and conflict management in the Horn ofAfrica. The case of Somalia. Universität Wien, Dissertation, 1999: S. 20.
[4] Zitiert nach Adane Ghebremeskel: Lewis Coser: The Fun- ctions of social conflict. 1959: S. 34.
[5] Vgl. Ishraga M. Hamid: Vergessene Frauen am Rande des Lebens. Soziökonomische Analyse der Situation intern vertriebener Frauen im Sudan. Wien 2004.
[6] UNESCO 2001, Art. 60.
[7] www.sudanile.com 24.09.04.
[8] Vgl. Ishraga M. Hamid: Vergesse Frauen am Rande des Lehens. Wien 2004.
[9] www.sudaneseonline.com Board discussion August 2004.
[10] Unveröffentlichte Kopie eine Vortrages von Maraim El
Sadig El Mahadi an der Khartoum Universität vom 08.09.2004.