FŒHN, Heft 22
 
1996

Der Nach-F-er

Haider selber gibt es gar nicht. Er ist nur nocheinmal das, was ohnehin schon ist. Das Österreich zuerst hat er von Thomas Klestil, der es von Alois Mock hat, und die Dritte Republik hat er von Andreas Khol, der sie von der Steirischen ÖVP hat. Angefüllt hat er die hohle Phrase mit Bestimmungen aus der Schweizer Verfassung. Wenn Haider braun ist, dann ist er braun vor allem vom Abkupfern. Die Bewegung hat er begrifflich von der SPÖ gestohlen und inhaltlich von Berlusconi, bei dem er gleich auch die Regierung der Fachleute hat mitgehen lassen. Er kann nicht anders. Als er das Bündnis 90 von Demokratischem Forum und Grünen in Deutschland gesehen hat, hat er ebenso unwillkürlich zulangen müssen (Bündnis 98) wie bei der Mißgeburt Österreich, die er bei Adolf Hitler entdeckt hat. Er bedient sich politisch links und rechts, zeitlich vorn und hinten. Die Freiheit, die ich meine hat er dem deutschen Freiheitsdichter Max von Schenkendorf (1783-1817) durch, während er die Aktiv-Card der Bündnisbürger dem CA-Jugend-Service stibitzt hat. F wie fladern, das bei Haider großgeschrieben wird. Dem Kreisky, der 1969/70 von 1400 Experten ein Regierungsprogramm erstellen ließ, hat er seine 1000 Experten gepfost, die ihm den Vertrag mit Österreich aufsetzen sollen, den er dem Sprecher der Republikaner im US­-Repräsentantenhaus, Newt Gingrich, („Vertrag mit Amerika“) gestohlen hat. Wenn er sein Konzept „Dritte Republik“, wie er ankündigt, fortan „Mehr Demokratie wagen“ nennen will, so hat er diesen Begriff dem Willy Brandt entwendet. Es ist alles schon da, was er erst bringt. Zwischendurch äfft sich der Nach-F-er selber nach, etwa, wenn er sich in einem Wahl-Clip im Oktober 1995 als Schutzpatron der Österreicher bezeichnet, was er schon im Oktober 1993 getan hat. Das Jeanshemd, in dem sich Haider 1994 österreichweit plakatiert hat, hat er B. Clinton vom Leib gerissen, der sich darin im US-Wahlkampf 1992 im „Rolling Stone“ groß präsentiert hat. Und von welchem Beutezug stammt der blaue Schal? Handelt es sich um die Stola des Pfarrers von Feistritz oder um den Halsschmuck eines Fans von Austria Memphis? (Nein, sagt A. Kordesch, ehemaliger österreichischer Staatsmeister der Magie und nochmaliger Kärntner FP-Geschäftsführer: „Der blaue Schal vom Jörg, das war meine Erfindung.“ - Kärntner Kleine Zeitung, 29.3.90) Haider, in seine zusammengefladerten Bauteile auseinandergenommen, bleibt gar nicht mehr übrig. Und soll gefährlich sein? Weil die amerikanischen Präsidenten durch den Wahlkampf joggen, joggte er 1994 durch sein Wahlkampf- Video („Ein Mann geht seinen Weg“), ein Wahlwerbemittel, das er auch in den USA geklaut hat. Wenn die ÖVP, wie Haider sagt, eine „Kopiermaschine“ ist, dann ist die FPÖ eine einzige Blaupauseanstalt. Davon, wie er sich beim US-amerikanischen Trendforscher J. Nashbit bedient und beim Philosophen K. Popper, wie er sich von Vaclav Havel ein Stück herunterschneidet und eines von Viktor Frankl, wollen wir hier gar nicht reden, noch weniger, wie er ohne Genierer Ingeborg Bachmann oder Rosa Luxemburg herbeizitiert, um seine „Grundsatzerklärungen“ aufzubessern. Um Haider vorwerfen zu können, er stehle, müßte man ja in der Lage sein, sich vorzustellen, er könnte auch nicht stehlen. Haider, der ständig davon redet, wie sich andere bereichern, woher hat der seine Wut auf Diebe? Steckt bei ihm, der z.B. im Fernsehen am 21.9.94 erstmals ein Taferl mit Aktivbezug und Pensionsanspruch des steirischen AK-Direktors Zacharias herauszieht (und damit die TV-Konfrontation mit Vranitzky und die nachfolgenden Wahlen gewinnt), vielleicht gar Selbsthaß des Diebes dahinter? Das besagte Taferl jedenfalls hat er dem US-amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Ross Perot abgejagt, der es zwei Jahre zuvor erstmals in seinen TV-Auftritten eingesetzt hat.

Das beste Persil, das es je gab
(Keine Fotomontage!)

Bekanntlich kehrt der Täter immer wieder zum Tatort zurück. So hat sich Haider zuletzt innerhalb von nur 12 Monaten dreimal in den USA umgetan. Was ihm die Show-Politik dort vorhüpft, F-t er hier nach. „Weil es keine Schande ist, für uns das abzukupfern, was dort gut ist.“ (News, 17.8.95) Die FPÖ hat in zwei Dutzend Ländern sogenannte „Freundschaftsgruppen“ eingerichtet.

Während die „Freundschaftsgruppe“ mit Ägypten etwa von der Abgeordneten Ute Apfelbeck geführt wird und die mit Ungarn vom Abgeordneten Gerulf Murer, leitet jene mit „Amerika“ Jörg Haider höchstpersönlich. Auf die Trends dort hatte er es schon spitz, als er seine Generalsekretärin Heide Schmidt zur Ausbildung in ein zweimonatiges Politseminar in den USA gesteckt hat. „Natürlich interessiere ich mich auch für die neuen Tendenzen in den USA“, sagt Haider (Frankfurter Hefte 7/95), weil „man nicht alles, was gut ist, selbst erfinden muß“ (Kurier, 21.5.95). Sein begehrlicher Blick fällt da z.B. auf das radikale Konzept der Republikaner für einen Verwaltungsabbau („lean government“) und vor allem auf die sogenannten Denkfabriken (think-tanks), wie er sich eine in Wien nachbauen möchte (Standard, 20.10.94). Weil es in diesen Häusern, wo darüber gebrütet wird, wie die Macht des Geldes über die Welt gefestigt werden kann, immer etwas abzustauben gibt, werden die führenden US-„Denkfabriken“ von Haider immer wieder heimgesucht. Im Juni 1994 war er im Cato Institute und im Hudson Institute, im Dezember 1994 hat er sich in die Heritage Foundation eingeschlichen, und im Mai 1995 hat er nacheinander Rand Corporation, Cato Institute und Heritage Foundation einen „Besuch“ abgestattet.

So hetzt Haider, man muß sagen paniscb, aber man nennt es wohl dynamisch, von Ostküste zu Westküste, immer unterwegs mit begehrlichem Blick, in Los Angeles und in Washington (1995), am Broadway und im Pentagon (1994). Seine häufigen US-Touren lohnen sich doppelt, weil das Auftreten im Ausland eine höhere Aufmerksamkeit im Inland garantiert, vor allem aber, weil er noch immer mit vollem Gepäck von diesen Beutezügen zurückgekommen ist. Zuletzt hatte er darin zum Beispiel die ganze Vorwahlbewegung, mit der er in die nächsten Wahlen gehen will, mit allem, was man dazu braucht: Wahlkonvent, Wahlkreiskonvent, Landeswahlkonvent, Bundeswahlkonvent, Konventkarte, Wahlfrau/Wahlmann usw. Da wimmelt’s nur so von Pools und Boards und Cards. „Der politische Schneeballeffekt dieser Vorwahlbewegung in der öffentlichen und veröffentlichten Meinung ist enorm“, liest man in einem internen FPÖ-Schreiben, „und mit den Auswirkungen der ‚primaries‘ in den ersten Bundesstaaten bei den Präsidentenwahlen in den USA zu vergleichen.“ Die FPÖ als Recyclingbetrieb. Und was da alles hereinkommt! Kein Wunder, daß die alte Bude fast total ausgeräumt werden mußte. Nebst diesem Schrott aus den Vereinigten Staaten wird jede Menge Blech aus Italien angekarrt. So soll aus den politischen Fan-Clubs von Silvio Berlusconis Forza Italia Haiders Bürgerbewegung 1998 gebastelt werden. Eingebaut werden sollen dabei auch ein paar Trümmer von der Lega-Bewegung und ein paar achtlos weggeworfene Stücke der SPÖ. Recycler Haider: „Wir haben ein großes historisches Vorbild: das ist die Sozialdemokratie, die sich doch immer als Bewegung und weniger als Partei verstanden hat. (... ) Die Oppositionsphase der Sozialdemokratie von 1966 bis 1970 ist, wenn ich ehrlich bin, für uns in vielfacher Weise ein Vorbild.“ (Frankfurter Hefte 7/95)

Die FPÖ ist in zwei Jahren fulminanten Wählerzustroms z.B. in Salzburg um ganze 77 und im Burgenland um ganze 78 neue Mitglieder gewachsen (Tätigkeitsbericht 1992-1994), krebst bei einer Stimmenzahl von 1 Million noch immer bei einem Mitgliederstand von 43.000 herum. Es fehlt fester Boden. Man hat keine Namen und Anschriften der Leute, die einen wählen. jetzt soll die Partei außerhalb der Partei, dort wo die Leute sind, neu auf­gebaut werden. Man will einen Info-Kreis um die Haiderwähler ziehen, um so wenigstens ihre Postadresse zu erfahren, sie sodann in einen Aktiv-Kreis zusammendrängen, von wo aus sie mittels Partei-Karte in das Zentrum der „Bürgerbewegung 1998“ gelockt werden sollen. Möglich, daß dieser ganze Plunder schon demnächst aufgrund von überwältigendem Desinteresse wieder eingestampft wird. Haider, der weniger dem Volk aufs Maul schaut als auf Marktforschung hört, wollte ja auch einmal die FPÖ abschaffen, „weil der Begriff Partei kein Werbeträger mehr ist. Partei ist heute werblich nicht mehr zu brauchen.“ (Kleine Zeitung, 19.10.94) Der Haider-Diktator, das ist der Markt. Wenn Umfragen der ÖVP- und SPÖ-nahen Meinungsforscher ergeben, daß der Nationalstolz in Österreich besonders ausgeprägt ist, will Haider die FP umgehend „neu positionieren“ und zu einer „österreichischen politischen Bewegung“ machen mit einem „starken Bekenntnis zu Österreich“ (TT 17.8.95). In eigenen Erhebungen mittels Fragebögen wird z.B. von der Wiener FPÖ auszukundschaften versucht, „ob aus der Diskussion um die Ausländergesetze die Luft draußen ist“. (R.Pawkowicz im Standard, 19.6.95) Ganz klar, daß sich die FPÖ immer auf jene Begriffe stürzt, die in der Marktuntersuchung als die „am meisten sympathischen Begriffe“ erhoben werden: „Heimat“, „Sicherheit“, „Ordnung“ (IMAS-Instiut – TT,26.8.95) Im Standard bescheinigt sogar ÖVP-Meinungsforscher P. Ulram fast bewundernd Haider „großes Talent im Umgang mit Umfragedaten“ (31.8.95).

Umfragen über alles!
Aus dem internen Protokoll der Bundesparteivorstandssitzung (7.10.1991)

Alles ist ausgetüftelt, auch wenn manchmal stark danebengetüf­telt wird. Haiders Strategie war, könnte man sagen, angelehnt an die der Bundesländer-Versicherung. Punkt eins ist, sich mit welchen Mitteln auch immer einen hohen Bekanntheitsgrad auf dem Markt zu erstreiten. Was der Bundesländer-Versicherung mit ihrem berühmten Bundesländer-Skandal passiert ist, hat sich Haider mit kalkulierten Nazisprüchen selbst errackern müssen. Punkt zwei ist, wie das neue Versicherungs-Direktorium damals sagte, den erworbenen hohen, negativen Bekanntheitsgrad jetzt mit positiven Inhalten zu füllen (Presse, 13.1.87). Darin versucht sich Haider seit geraumer Zeit. Alles läuft nach auf dem Markt bereits erprobten Konzepten. Dazu gehört auch die Skrupellosigkeit, gleichzeitig einander absolut widersprechende Forderungen aufzustellen, denn das „sichert einen Vorsprung gegenüber den beiden Regierungsfraktionen“, wie Haider-Vize N. Gugerbauer einmal sagte. „Ich glaube, daß diese unterschiedlichen Positionen dynamisierend wirken.“ (MOZ, 1/89) Es ist kaufmännisches Prinzip der FPÖ, die Menschen so zu verwirren, daß sie nicht mehr wissen, wo vorne und wo hinten ist. Oh heilige Einfalt, den Marktstrategen Haider mit Argumenten überzeugen oder der Unredlichkeit überführen zu wollen! Als ob man ihn verbessern müßte! Er weiß, was er tut. jeder Umfaller ist vorgesehen (1992 für EU / 1994 gegen EU, 1985 für Atom / 1994 gegen Atom, 1989 für Neutralität / 1991 gegen Neutralität, 1987 gegen Verstaatlichte / 1995 für Verstaatlichte, 1986 gegen Thomas Bernhard / 1995 für Thomas Bernhard). Wenn er meint, eine Audienz beim Papst haben zu müssen, verschafft er sich eine Audienz beim Papst (1993), und wenn er einen Besuch im Holocaust-Museum braucht, geht er, ferngesteuert wie er ist, ins Holocaust-Museum (1994).

Der Weg auf den Markt ist schmal: ein Strich. Sie gehen ihn alle, die etwas zu verklopfen haben. Wie oft ist OMO umgefallen (blaues Pulver, flüssig, Megaperls)! Ist nicht Vranitzky 1986, als er Kanzler geworden ist, wieder flugs in die Kirche eingetreten? Mit welchen gezielten Tabu-Brüchen hat sich Benetton nach vorne gepusht! Das Gesetz, das wirklich zählt, ist das Gesetz des Marktes. Punkt.

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