FORVM, No. 13
Januar
1955

Der Potemkinsche Dorftrottel

Versuch einer brieflichen Begriffs-Klärung

Der Begriff des „Potemkinschen Dorftrottels“ entstammt der im FORVM Nr. 12 erschienenen Glosse „Die fröhlichen Ostlandfahrer“, die sich mit einer von den Kommunisten aufgezogenen Propagandareise österreichischer Wissenschaftler in die Sowjetunion befaßte. Diese Glosse wurde auch von der Tagespresse mehrfach aufgegriffen und zitiert, von der demokratischen mit Zustimmung, von der kommunistischen im Gegenteil, oder, wie es bei Wilhelm Busch heißt: „Die beiden sehn sich ins Gesicht — Der eine froh, der andre nicht“. Das sowjetische Besatzungsorgan („Österreichische Zeitung“ vom 14. Dezember 1954) war so unfroh, daß es den „Potemkinschen Dorftrottel“ sogar in einen simplen „Dorftrottel“ umfälschte und dem Verfasser mit der originellsten Waffe aus der Rüstkammer kommunistischer Polemik zuleibe rückte.*) Nicht ganz so leicht machte es sich einer der in Mitleidenschaft gezogenen Reiseteilnehmer, der sich gegen den Potemkinschen Dorftrottel brieflich zur Wehr setzte. Zum besseren Verständnis des nachfolgenden, ein wenig einseitig geratenen Briefwechsels sei die betreffende Stelle aus der Glosse „Die fröhlichen Ostlandfahrer“ nochmals wiedergegeben:

„Der grundsätzliche Einwand gegen diese fröhlichen Ostlandfahrten entspringt ja keineswegs der Besorgnis, daß man den Teilnehmern Patemkinsche Dörfer vorführen könnte, deren geschwindelte Fassaden sie für echt nehmen, sondern daß sie angesichts der echten Fassaden, die man ihnen verführt, ihrerseits zu Potemkinschen Dorftrotteln werden und aus der einwandfreien Echtheit des ihnen Vorgeführten den Schluß ziehen, es müsse auch das, was man ihnen nicht vorführt, echt und einwandfrei sein und alles in bester Ordnung“.

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