Café Critique, Jahr 2008
 
2008

Die europäischen Steigbügelhalter der Mullahs

Die Schweizer stehen nicht allein mit ihren Iran-Geschäften

Die Schweizer sind ihrem EM-Kooperationspartner Österreich nicht nur in fußballerischen Belangen voraus. Während die Österreichische Mineralölverwaltung (OMV) immer noch über ihren 22-Milliarden-Euro-Deal mit dem iranischen Regime verhandelt, hat die Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg letzte Woche einen Vertrag über die jährliche Lieferung von 5,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas ab 2011 ratifiziert. Die Gas-Lieferungen sind auf 25 Jahre angelegt und werden dem iranischen Regime, das seine eigene Bevölkerung seit fast 30 Jahren terrorisiert, Israel vernichten will und offensichtlich nach Nuklearwaffen strebt, Milliardenbeträge in die Staatskasse bringen. Auf Wunsch der iranischen Seite war Außenministerin Micheline Calmy-Rey bekanntlich eigens zur Vertragsratifizierung nach Teheran gereist. Bereits daran wird deutlich, dass es dem iranischen Regime bei derartigen Geschäften nicht nur um erfolgreiches Wirtschaften geht. Die Außenhandelsbeziehungen werden stets auch als Instrument eingesetzt, um im politischen Streit um das Nuklearprogramm und gegen die US-amerikanischen und israelischen Isolierungsbemühungen propagandistische Erfolge zu erzielen. Die Sozialdemokratin Calmy-Rey kam dieser Intention mit ihrem Teheran-Besuch, bei dem man sie herzlich lachend samt Kopftuch mit Präsident Ahmadinejad sehen konnte, nach.

Doch die Schweiz steht keineswegs alleine. Auch Firmen beispielsweise aus Holland, Norwegen und Spanien erfreuen sich bester Kontakte nach Teheran. Der britische Handelsgigant Balli Group plc wurde wegen Iran-Exporten gerade vom US-Department of Commercemit Sanktionen belegt. Die französische Total wird trotz des verschärften Tonfalls des französischen Präsidenten weiterhin große Beträge im Iran investieren. Auffällig ist jedoch, dass es mit Deutschland und Österreich gerade die Nachfolgestaaten des Nationalsozialismus sind, welche die vor allem von den USA und Israel getragenen Bemühungen, das Regime in Teheran ökonomisch und politisch konsequent unter Druck zu setzen, unterlaufen. Dieser Druck wäre dringend notwendig, um die militärische Option zum Stopp des inakzeptablen iranischen Nuklearprogramms, die in jedem Fall dramatische Konsequenzen für Israel und wohl auch für Europa hätte, doch noch zu vermeiden.

Der iranische Handelskammerpräsident Khamoushi schwärmte bereits 2006: „Österreich ist für uns das Tor in die Europäische Union.“ Die österreichischen Ausfuhren in den Iran haben sich seit 2002 annähernd verdoppelt, belaufen sich derzeit allerdings nur auf rund 400 Millionen Euro. Vergleicht man das mit den deutschen Exporten in den Iran, die sich schon lange im Milliarden-, nicht im Millionenbereich bewegen, wird deutlich, dass erst das anvisierte Milliarden-Geschäft der OMV, das von der Bundesregierung in Wien unterstützt wird, Österreich zu einem langfristigen strategischen Partner der Mullah-Diktatur befördern würde. Gegen diesen Deal hat sich Ende letzten Jahres die Plattform STOP THE BOMB – Bündnis gegen das iranische Vernichtungsprogramm gegründet. Mit einer international angelegten Online-Unterschriftenaktion macht sie mit prominenten Unterstützern wie beispielsweise Beate Klarsfeld, der Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek und dem niederländische Schriftsteller Leon de Winter gegen Geschäfte mit dem iranischen Regime mobil.

Deutschland ist mit seinen Iran-Exporten von 3,5 Milliarden Euro im Jahr 2007 einer der zentralen Handelspartner des Iran. Siemens, traditionell ein im Iran besonders aktives Unternehmen, wickelt gerade den Verkauf von Lokomotiven im Wert von 450 Millionen Dollar ab. Nach Expertenschätzungen sind zwei Drittel der iranischen Industrie von deutschen High-Tech-Produkten abhängig. Die weiterhin hervorragenden Wirtschaftsbeziehungen Deutschlands zum Iran stehen im krassen Gegensatz zur Rhetorik von Kanzlerin Merkel. Bei ihrem Israel-Besuch hatte sie Premier Olmert hinsichtlich des Iran versichert: „Die Bedrohungen, die Sie sehen, sind auch unsere“ und angekündigt, sich entschieden für weitere Sanktionen einzusetzen. Sollte sie es allerdings ernst meinen mit ihrer Israel-Solidarität, bräuchte sie nicht darauf zu warten, bis endlich weitere Sanktionen der UN oder der EU verabschiedet werden. Schon heute könnte sie sich konsequent gegen Geschäfte deutscher Unternehmen mit der Mullah-Diktatur im Iran stellen und beispielsweise dafür sorgen, dass die Hermes-Bürgschaften, mit denen die deutsche Regierung Auslandsgeschäfte absichert, für Iran-Geschäfte nicht nur wie in den letzten zwei Jahren gesenkt, sondern komplett gestrichen werden.

Die deutsche Bundesregierung setzt auf eine „freiwillige Selbstkontrolle“ der deutschen Konzerne und rätgroßen Unternehmen wie der Deutschen Bahn und E.on-Ruhrgas von Geschäften mit dem Iran ab. Vor diesem Hintergrund bekommt auch die demonstrative Unterstützung, welche die österreichische und die schweizerische Regierung der OMV und der EGL bei ihrem Iran-Engagement gewähren, besondere Bedeutung. Doch trotz der Positionen der deutschen Kanzlerin versichert gleichzeitig Herbert Honsowitz, der deutsche Gesandte in Teheran, dass „die deutsche Botschaft versucht, die Verbindungen privater Firmen zwischen beiden Ländern zu erhalten und zu verbessern“. Der Politikwissenschaftler Matthias Küntzel hat auf eine Art Doppelstrategie der deutschen Politik aufmerksam gemacht: Während Merkel verbal auf Handelsbeschränkungen drängt und auch forderte, „dass die Handelswege nicht über Umwege doch wieder zu Iran führen“, spricht ihr diplomatisches Personal eine andere Sprache. Honsowitz plaudert ganz offen aus, dass ein Großteil der deutschen Exporte indirekt über Dubai in den Iran gelange, was auch unterstützenswert sei. Angesichts dieser Zweigleisigkeit muss man vermuten, dass es sich bei Merkels Lippenbekenntnissen in erster Linie um eine geschickte Strategie handelt, die deutschen Konzerne aus der Schusslinie der Kritik zu bringen.

Diese Kritik kommt vor allem aus den USA, in denen es der Iran Sanctions Act ermöglicht, Strafmaßnahmen auch gegen ausländische Firmen zu verhängen, die im großen Stil mit dem Terrorregime in Teheran Geschäfte treiben. Offensichtlich sind aber Firmen wie die Axpo-Tochter EGL oder die teilstaatliche OMV in Österreich gewillt, die angedrohten Sanktionen aus den USA in Kauf zu nehmen. Anders als etwa die UBS, die ihre Geschäfte mit dem Iran 2006 offiziell eingestellt hat, scheinen für die österreichischen und schweizerischen Energiekonzerne die Gewinne im Iran, wo man zudem die mächtige US-Konkurrenz nicht zu fürchten braucht, schwerer zu wiegen als eventuelle Einbußen am US-Markt. Doch einmal abgesehen von der moralischen Frage nach der Berechtigung der Unterstützung eines Regimes, das Krieg gegen seine eigene Bevölkerung führt und über seine Verbündeten Hisbollah und Hamas Israel bekämpft, bleibt dabei auch ein ökonomisches Risiko außer Acht: Es sind derartige Geschäfte, die jegliche Sanktions- und Isolationsbemühungen gegenüber dem antisemitischen Apokalyptiker-Regime in Teheran zum Scheitern verurteilen und dadurch einen Krieg in der Region, der durchaus auch massive Konsequenzen für im Iran tätige Firmen haben könnte, immer wahrscheinlicher werden lassen.

zuerst erschienen in Tachles, Nr. 13, 2008

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