ZOOM 3/1996
Juni
1996
Walter Manoschek (Hg.)

Die Wehrmacht im Rassenkrieg

Der Vernichtungskrieg hinter der Front

Dieses Buch bringt etwas nahe, näher: die saubere Wehrmacht des Dritten Reichs, die anständi­ge Wehrmacht des Führers Adolf Hitler, die Wehrmacht der „Partisanensäuberungen“, die Wehrmacht des Zweiten Welt­kriegs, die Wehrmacht der „zu Unrecht Verdächtigten“, die Wehrmacht des Kurt Waldheim.

Nicht zu Unrecht kommt Reinhold Gärtner dann in sei­nem Beitrag über Kriegerdenkmäler auch zum Schluß, daß „der Eindruck erweckt wird, daß im Zweiten Weltkrieg Österreich durch die Wehr­macht verteidigt worden sei“, suggerieren doch die Krieger­denkmäler den Kurzschluß zwi­schen der Monarchie, dem Nationalsozialismus und dem heu­tigen Österreich — und nicht nur gewisse Personen und de­ren Kriegserzählungen.

Auf diese von „männli­chen“ Werten getragenen Er­zählungen zielt Ela Hornung ab, wenn sie verschiedene Er­zähltypen analysiert und ihre Methode an Hand zweier Beispiele anschaulich werden läßt.

Im Beitrag von Walter Ma­noschek „Partisanenkrieg und Genozid“ wird das Vorgehen der Wehrmacht in Serbien the­matisiert. Auch nicht zu Un­recht, denn „an keinem anderen Kriegsschauplatz waren Öster­reicher in einer solchen Dichte vertreten“. Hier, in Serbien, betrieben „unsaubere“ Wehr­machtsteile eine Vernichtungs­politik gegenüber JüdInnen und ZigeunerInnen, die Kommuni­stInnen kamen erst später dran. So weist Manoschek auf den Be­fehl des Generals von Schröder hin, der schon sechs Wochen nach Besatzungsbeginn folgen­des anordnete: „Die Definition, Registrierung und Kennzeich­nung der Juden und Zigeuner mit gelbem Armstreifen, ihre Entlassung aus allen öffentlichen Ämtern und privaten Betrieben, die ‚Arisierung‘ ihres Grundver­mögens und die Einführung der Zwangsarbeit“. Sie zählten auch bald zu den Geiseln, in der Be­satzungsdiktion und wohl auch in deren Köpfen: JüdInnen und KommunistInnen. Mit dem Be­ginn des serbischen Widerstandes wurde der Geiselmord dann alltäglich. Der Militärbefehls­haber in Serbien ab September 1941, General Böhme, motivier­te in Anspielung auf 1914 seine Truppen folgendermaßen: „Ihr seid die Rächer dieser Toten“ — dieser Ex-Österreicher kannte seine Ex-Österreicher. Die serbi­sche Zivilbevölkerung galt somit als hinterlistiger Feind, der zu büßen hatte: „Massaker waren die Regel, nicht die Ausnahme.“ Und „nach der Niederlage ver­wandelten sich die führenden Balkanoffiziere zu ideologiefrei­en, vaterländischen Pflichterfül­lern“.

Zumindest als schwierig zu bezeichnen ist der Beitrag von Hannes Heer „Bittere Pflicht“, der sich, frei nach Theweleit, Klein und anderen, auf die Erinnerungs- und Gedächtnisfunk­tionen oder auch Dysfunktionen konzentriert. Schwierig wegen seiner assoziativen Spekulatio­nen über Texte von Kriegserzäh­lungen, deren Analyse sofort übergeht zu psychoanalytischen Typisierungen der Erzähler, wo­mit deren Nichtverantwortlichsein weiter fortgesetzt wird. Hier wird nachträglich entlarvt, um den zitierten Wehrmachtsan­gehörigen gegenüber ihre objek­tive und subjektive Beteiligung ausspielen zu können. Man ist über den Aufwand dafür er­staunt. Schließlich ist Lügen ein alltäglicher Vorgang, umso mehr notwendig für Kriegsverbrecher und Massenmörder gegenüber einem möglichen, manchmal tatsächlichen Strafgericht kurz nach 1945. Hier wären Diskurs­analysen der Nachkriegsjahre an­gebrachter. Nicht Unbewußt­heit, nicht Unbewußtsein, im Gegenteil, ein hoher Grad an Be­wußtheit setzte Erzählungen in Gange, die bis heute ihren festen Platz in der österreichischen und deutschen Mentalität haben und halten.

Ob die „Erosion der Gewis­senskultur“ nach 1918 zum Ver­ständnis beiträgt, da sie ja eine Gewissenskultur vor 1918 vorausetzt, ist nur eine der zugege­benerweise interessanten Spe­kulationen, aber Identitätspsy­chologie und totale Macht, The­weleit und Kittsteiner, Kraut und Rüben ist zuviel gewollt. Wenn man das alles fassen will, mit großem Griff, dann geht sehr schnell „die Sprache flö­ten“. Zitat: „Sie wurden zu Plünderern, Kriminellen, Spio­nen, Perversen umgemodelt.“ Wie man damals halt so model­te. Eigentlich schade, wegen der interessanten Gedanken.

Wolfram Wette untersucht unter dem Titel „Rassenfeind“ die Ungenauigkeit der Feindbil­der in der Wehrmachtspropa­ganda, wo Antisemitismus und Antislawismus miteinander eng verknüpft im hitlerischen, na­tionalsozialistischen und SS-Feindbild erschienen. Ob aber das jetzt nur auf Hitler allein zurückging oder nicht, bleibt unerklärt. Er zieht das Fazit: „Indem sie Elemente der rassi­stischen Ideologie transportier­ten, wurden die militärischen Befehle selbst zum Träger der NS-Propaganda.“

Weitere wichtige Beiträge kommen von Raul Hilberg, der Erforscher des Churban, Man­fred Messerschmidt, Bertrand Perz, Hans Safrian und Christi­an Streit. — Kaufen und lesen.

Walter Manoschek (Hg.): Die Wehrmacht im Rassenkrieg — Der Vernichtungskrieg hinter der Front. Picus Verlag, Wien 1996, 223 S., öS 298,—

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