Streifzüge, Jahrgang 2022
März
2022

Drohender Kollaps im Osten

Die Invasion der Ukraine ist für Russland ein Desaster, die Verluste sind hoch, daran besteht kein Zweifel. Die Mängel der russischen Militärmaschine, ja der autoritären Machtstruktur im Kreml, die diesen imperialistischen Eroberungskrieg verbrochen hat, treten krass zu Vorschein. Derzeit berichten westliche Medien gerne über die Erfolge um Kiew, wo Russlands Vormarsch stockt und russische Truppen sich eingraben, oder über die ukrainische Gegenoffensive vor dem südukrainischem Cherson, westlich des Dnjepr.

Dennoch heißt das nicht, dass Russland mittelfristig den Krieg nicht gewinnen kann. Entschieden wird der Krieg im Osten, im Donbass und im Oblast Lugansk, wo ein Großteil der kampferprobten ukrainischen Armeeverbände und der fanatisch kämpfenden Nazi-Formationen stationiert ist, die etwa in Mariupol gegen tschetschenische Söldnertruppen Kadyrows kämpfen. Und gerade hier verzeichnen russische Truppen langsam stetige Geländegewinne, in denen Folge große Teile der ukrainischen Armee eingekesselt werden könnten.

Eine militärische Niederlage verläuft oftmals nicht graduell – etwa, indem sich die unterlegenen Truppen langsam zurückziehen können, um neue Verteidigungslinie einzunehmen. Im Osten der Ukraine droht eher ein plötzlicher Zusammenbruch der dort kämpfenden ukrainischen Armeeverbände, sollten Separatisten und russische Armee den Druck aufrechterhalten können. Es wäre ein „Kipppunkt“, bei dessen Überschreiten der koordinierte militärische Widerstand kollabiert. Ein Rückzug der vor Donezk eingegrabenen ukrainischen Einheiten, in deren Rücken von Norden und Süden die Versorgungslinien (langsam, ineffektiv, aber beständig) von russischen Truppen abgeschnitten werden, scheint aufgrund der russischen Luftüberlegenheit in dieser Region kaum noch möglich.

Für äußere (westliche) Beobachter käme dieser Zusammenbruch, der Folge andauernder gradueller Abnutzung ist, sehr überraschend. Der durchaus wahrscheinliche Zusammenbruch der ukrainischen Armee im Osten würde zum Wendepunkt des Krieges. Es stellt sich letztlich die Frage, ob die ukrainische Führung nicht Gefahr läuft, ihre Verhandlungsposition zu überschätzen und ihre Karten beim derzeitigen Verhandlungspoker zu überreizen, wenn sie nicht bald zu einem Verhandlungsabschluss kommt. Je weiter Russlands Armee vordringt, je größer die russischen Verluste, desto weitreichender die Forderungen Putins, dessen Verhandlungsposition sich – zumindest in der Ostukraine – durch militärische Erfolge verbessern wird.

Weitere Analysen zum aktuellen Konflikt finden sich auf www.konicz.info

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