Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser!
Vor kurzem richtete die grüne Abgeordnete Terezija Stoisits den Appell an die anderen Parteien, das Thema „Ausländer“ aus dem Wahlkampf auszusparen. Die Angst ist klar. Wieder würde auf dem Boden der in den letzten Jahren geschürten AusländerInnenfeindlichkeit und auf dem Rücken der systematisch Entrechteten um WählerInnenstimmen geworben, und es ist leicht auszumalen, wer dabei als Sieger hervorgehen wird.
Und dennoch sollte der Appell nachdenklich stimmen. Nicht, um ein einzelnes Thema in jene Wahlkämpfe einzufordern, die schon seit Jahren ohne Inhalte, Programme oder Ziele geführt werden. Doch kann man den Zustand der Rechtlosigkeit und Willkür für AusländerInnen von Seiten der Regierung, den geschürten Rassismus durch rechte Parteien und den kontinuierlichen Terror gegen AusländerInnen und jene, die sich solidarisieren, unwidersprochen hinnehmen? Kann man sich vor Wahlen ducken und hoffen, daß das Schlimme nicht von Schlimmerem überholt wird?
Daß der Weg nicht funktioniert, Haider zu verhindern, indem seine Politik mit „demokratischen Mitteln“ ausgeführt wird, haben die Sozialdemokraten die letzten Jahre bewiesen.
Österreich steckt sicher nicht in einer Staatskrise, aber in einer Krise der traditionellen Parteienlandschaft, d.h. in einer politischen Krise, in der eine inhaltliche Opposition innerhalb und außerhalb des Parlaments zum Sparkpaket, zu den herrschenden wirtschaftlichen, sozialen und politischen Vorstellungen, Maßnahmen und Gesetzen fehlt.
Es ist an der Zeit, aus dieser vorweggenommenen Emigration zurückzukehren und wieder politisch handlungsfähig zu werden, mit Vorschlägen, die über den Rahmen des von Meinungsforschungsinstituten erhobenen politisch Machbaren hinausgehen.
Sicherlich besteht die Gefahr, daß diesem Herbst der Zweiten Republik ein langer Winter folgt. Aber dann ist die Notwendigkeit, die herrschende Hegemonie zu brechen, noch dringlicher.
Auch wir haben mit diesem Herbst schwer zu käpfen. Daher erhalten Sie diese Nummer sehr spät, wofür wir uns bei Ihnen entschuldigen wollen. Nachdem im Sommer die Publizistikförderung durch Angriffe von ÖVP und FPÖ auf alle alternativen Gruppen und Medien gefährdet war, ist sie nun auch durch die Neuwahlen bedroht. Wir können nur hoffen, daß der Beschluß der Publizistikförderung im Ministerrat noch gefällt wird. Diese Nummer konnten wir in Zusammenarbeit mit der BOKU finanzieren, wofür wir uns herzlich bedanken. Für jene StudentInnen, die unsere Zeitung zum ersten Mal in den Händen halten, wollen wir besonders auf die Beiträge über Gentechnik und Landwirtschaftspolitik der EU hinweisen.
Wir bitten alle, die von der Notwendigkeit alternativer Medien überzeugt sind, uns weiterhin durch Abonnements und Spenden zu unterstützen.
