Grundrisse, Nummer 16
Dezember
2005

Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Erst kommt die Werbung, dann das Editorial: Um unserer Freude über das Erscheinen der deutschen Übersetzung von Paolo Virnos „Grammatik der Multitude“*) Ausdruck zu verleihen und sie mit unserer Freude über das eine oder andere neue Abo kombinieren zu können, präsentieren wir hiermit das vorweihnachtliche Besinnungsangebot: Zu allen neuen Zweijahresabos, die bis zum hohen Feste bei uns einlangen, verschenken wir eine Grammatik!

So, jetzt geht´s aber los: Wie mittlerweile fast zur Gewohnheit geworden, ist auch dieses Editorial wieder ein Patchwork verschiedener Texte. Aber auch die Textarten dieser grundrisse, mit der wir den vierten Jahrgang unseres Zeitschriftenprojekts abschließen, sind dermal (noch) vielfältiger: Den Anfang macht die Übersetzung eines längeren Gesprächs von Martine Lemire und Nicolas Poirer mit Toni Negri, welches ursprünglich in der französischen Zeitschrift „Le Philosophoire“ publiziert wurde. Es folgt eine Kritik der Wertkritik von Jürgen Albohn sowie eine Antwort darauf von Gerold Wallner, Mitglied des wertabspaltungskritischen Exit-Projekts. Um den Zugang zu dieser Debatte zu erleichtern, haben wir weiter einführende Bemerkungen der Redaktion dazu verfasst. Ihr findet diese weiter unten.

Nemo Klee stellt „theoretische und persönliche Überlegungen“ zu den Verbindungen und Verstrickungen kollektiver Gedächtnisformen hinsichtlich von Herrschaft und Befreiung an, Robert Foltin wiederum erinnert sich an das Familiensystem im Fordismus. „Bonjour, Tristesse...“ von Slave Cubela widmet sich in seinem Essay einer Studie zweier Bourdieu-Schüler über die Transformation von ArbeiterInnenklasse, Organisationsform, Bildung und Industriestuktur in der französischen Autoindustrie. Paolo Virnos Buch „Die Gramatik der Multitude“ ist, wie oben bereits erwähnt, nun endlich auch auf Deutsch erschienen. Wir freuen uns besonders, euch „Zwei Anmerkungen“ vom Autor dazu präsentieren zu können (ihr findet übrigens unter http://not.priv.at/keineuni/Paolo_Virno aktuelle Informationen über den grundrisse-workshop im Rahmen des KeineUni-Projektes). In den Buchbesprechungen setzen wir uns mit Karl-Heinz Roths „Zustand der Welt“ und einem im Westfälischen Dampfboot Verlag erschienenen Sammelband zu Sozialen Bewegungen in Lateinamerika auseinaner.

Doch zurück zum Patchwork. Die Aufstände in den Pariser Banlieues dominierten auch hierzulande die Medien. Vom rechtskonservativen Feuilleton bis hin zu etatistisch linksradikalen trotzkistischen Kleingruppen wurde „falsche Politik“ konstatiert, wo doch deren jeweils „richtige“ sich auf längst überkommene gesellschaftliche Zustände orientieren sollte. Wir dokumentieren dagegen ein Flugblatt der „Indigenen der Republik“ - mit einer kurzen Einleitung.

Nicht zuletzt werdet ihr vielleicht schon etwas eigenartiges inmitten dieses Heftes bemerkt haben. Unser einzigartiges, nur einem Teil der Auflage beigefügtes Poster „dokumentiert“ Streetart aus Vienna, so auch die Bildleisten im Heft. Wohl bekomms! - und beachtet bitte die diesbezügliche Werbeeinschaltung auf der hinteren inneren Umschlagseite ... Und weil wir gerade beim Werben sind: Die grundrisse sind seit kurzem Mitglied im Internetkooperationsprojekt www.linksnet.de.

Abschließend noch vielen Dank an: Stefan Almer und Stefan Nowotny für die Übersetzung des Gesprächs mit Toni Negri, Claudia Wratschko für jene des MIR-Flugblattes, Klaus Neundlinger für die der beiden Anmerkungen Paolo Virnos. Ohne euch wäre der von uns als notwendig erachtete Blick über den deutschsprachigen Tellerrand bedeutend mühsamer!

Dieses war der erste Streich, gutes Lesen, gutes Feiern und alles Gute wünscht sogleich

die gundrisse-redaktion

Bemerkungen zum Artikel von Jürgen Albohn & zur Antwort von Gerold Wallner

In diesem Heft findet ihr einen Artikel von Jürgen Albohn, der die Grundlagen der so genannten Wertkritik selbst einer kritischen Betrachtung unterzieht, sowie eine Antwort von Gerold Wallner (Exit), der diese auf unser Angebot, eine Replik zu verfassen, geschrieben hat (Von der ebenfalls zur Antwort eingeladenen Krisis-Gruppe erhielten wir keinen Text). Wer nun mit diesem Diskus wenig vertraut ist, wird möglicherweise Probleme haben, Kritik und Antwort entsprechend einzuordnen oder nachzuvollziehen. Daher seien hier ein paar klärende Worte angebracht.

Wie Albohn richtig ausführt, ist der Ausdruck „Wertkritik“ ein Oberbegriff, auf den sich inzwischen die unterschiedlichsten politischen Gruppen berufen, die mittlerweile ein ausgesprochen polemisches, ja feindseliges Verhältnis zueinander pflegen. Auf die Wertkritik beruft sich einerseits die antideutsche Initiative Sozialistisches Forum Freiburg, die ideologisch und personell eng mit dem ça ira-Verlag verbunden ist. Anderseits auch die seit ihrer Spaltung keineswegs freundschaftlich verkehrenden Zeitschriftenredaktionen von Krisis (in Österreich „Streifzüge“) und Exit. Zudem haben sich die verschiedenen Gruppen durchaus sehr unterschiedlich entwickeltet und mehrmals den Schwerpunkt ihrer Argumentationen verschoben.

Auch wenn innerhalb des wertkritischen Milieus gerne darauf gepocht wird, sie hätten „nichts“ mit anderen Tendenzen gemeinsam, so muss dies doch relativiert werden. Zumindest als geteilter Ausgangspunkt für später divergierende Entwicklungen sind zweifellos bestimmte theoretische Momente festzustellen, und nicht zufällig berufen sich fast alle WertkritikerInnen auf das Buch von Moishe Postone, „Zeit, Arbeit und gesellschaftliche Herrschaft“ (In der Nr. 10 der grundrisse findet ihr dazu eine ausführliche Kritik). Diese gemeinsamen Momente, die Albohn durchaus trefflich in seinem Artikel herausarbeitet, lassen sich schlagwortartig folgendermaßen zusammenfassen: Die Kritik an der kapitalistischen Gesellschaft wird fast ausschließlich auf Basis des ersten Abschnitts des Marxschen „Kapitals“ – insbesondere des Fetischkapitels – entwickelt. So, als sei mit der Kritik an Ware, Wert und Geld schon alles Wesentliche gesagt. Aus dieser Verkürzung resultiert auch eine eigentümliche Sprachregelung. WertkritikerInnen sprechen kaum vom Kapitalverhältnis sondern bevorzugen Ausdrücke wie „warenförmige Vergesell-schaftung“, „subjektlose Herrschaft“, „Warenpro-duktion“ oder „Arbeitsgesellschaft“, mithin alles Begriffe, die ausschließlich auf die Kritik von Geldzirkulation und Arbeitsethos abzielen. Klassen und Klassenkampf werden als notwendiges „Zubehör“ der kapitalistischen Vergesellschaftung angesehen, jedenfalls nicht und niemals in der Lage, den Kapitalismus zu überwinden und deshalb von so geringem Interesse, dass es sich kaum lohnt, deswegen den Kopf zu heben.

Wenn nun Gerold Wallner in seiner Antwort darauf hinweist, Albohn hätte die jüngsten Entwicklungen der nun mehr Wertabspaltungskritik nicht berücksichtigt, so ist dies zweifellos zutreffend. Es ist aber eine Sache, die – wenngleich auch inzwischen historischen – Grundlagen der Wertkritik kritisch darzustellen, eine andere, auf die Weiterentwicklung eben dieser Grundlagen einzugehen. Zweifellos hat sich der Diskurs der Krisisgruppe, insbesondere nach der Spaltung in Krisis und Exit, transformiert. Während etwa noch im 1999 erschienenen „Manifest gegen die Arbeit“ der kommende Zusammenbruch des Kapitalismus auf ganzen Kontinenten und in wichtigen Sektoren beschworen wird – („Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch die Finanzmärkte der kapitalistischen Zentren in den USA, der EU und Japan kollabieren.“ http://www.krisis.org/diverse_manifest-gegen-die-arbeit_1999.html, abgefragt am 5.12.05) – verschiebt sich, insbesondere im Umfeld der Exit-Redaktion, der Diskurs in Richtung einer sehr allgemeinen und klassenübergreifenden Kritik am Vergesellschaftungsmodell des „warenproduzierenden Patriarchats“. Der von Wallner favorisierte Begriff des „modernen Ensembles“ soll offenbar ein Theorieprojekt anzeigen, das die (Waren)Gesellschaft als totalitären Zusammenhang interpretiert und als dessen konstituierende Momente, insbesondere „Subjekt“, „Wert“ und „Arbeit“, zu dechiffrieren wären.

Vorbemerkung zum Flugblatt der M.I.R.

Denn die einen sind im Dunkeln
Und die andern sind im Licht.
Und man siehet die im Lichte
Die im Dunkeln sieht man nicht.
(Bert Brecht, Dreigroschenoper)

Zur Topographie jeglicher Herrschaft zählen unabdingbar Zonen der Unsichtbarkeit und der Lautlosigkeit. Wer das Pech hat, in eine solche Zone gestellt zu sein, der und dem wird der Subjektstatus abgesprochen. Abgesehen von den subversiven Möglichkeiten, die das auch beinhaltet, bedeutet das jedoch vor allem, zum Objekt polizeilicher, bürokratisch-sozialstaatlicher, pädagogischer, psychologischer und sozialarbeiterischer Aktivitäten degradiert zu sein. Werden solche Zonen zu Problemzonen für die Herrschaft, irrlichtern die Scheinwerfer der Öffentlichkeit kurzfristig über das Gelände bis sie zur nächsten Sensation des Nachrichtengeschäfts weiterziehen.

Auch das grelle Licht solcher temporären Nachrichtenhypes ändert jedoch nichts an dieser Grundverfasstheit. In den Diskursen über die notwendige Reorganisation der Herrschaft zeichnet sich gerade auch der so genannte moderate Flügel der Machtelite durch striktes Festhalten an den Strukturen der Repräsentation aus:

„Sie“ bekommen nicht das, was sie wollen und fordern, und was ihnen selbstverständlich zusteht, sondern das, was „wir“ ihnen in unendlicher Großzügigkeit gnadenhalber gewähren und als für „sie“ gut erachten. Auch wenn vorgeblich Verständnis heischend davon gesprochen wird, dass brennende Autos eben die Sprache der Sprachlosen seien, ist das nicht nur empirisch Unsinn – die überwiegende Mehrheit in den Banlieues spricht ganz ausgezeichnet Französisch –, sondern bringt vor allem das Festhalten an der überkommenen Verteilung der Sprecherpositionen zum Ausdruck. Das Problem ist ganz und gar nicht die vermeintliche Sprachlosigkeit der Subalternen und Ausgegrenzten, sondern die „Gehörlosigkeit“ der Machteliten, wenn andere als die lizensierten Verdächtigen die Stimme erheben.

Die grundrisse dokumentieren dagegen ein Flugblatt des „Mouvement des Indigènes de la République“ („Bewegung der Indigenen der Republik“), das diese ziemlich zu Beginn der Rebellion publiziert haben. Es ist durch eine Reihe von Zufällen in unsere Hände gelangt und kann selbstverständlich nicht als die maßgebliche Stimme der Bewegung gelten. Es ist aber in jedem Fall eine Stimme eines Teils der Bewegung, die gehört werden soll, wenn es darum geht, neue Sprachen zu entwickeln, die für das Hervorbringen einer anderen Welt unverzichtbar sind.

Von den „Indigenen der Republik“ am Mittwoch, den 9. November 2005 in Umlauf gebracht:

Nein zur kolonialistischen Ausgangssperre!

Es ist kein Verbrechen zu revoltieren!
Die wirklichen Brandstifter sind die Machthaber!

Die permanente Brutalität der Polizei, die Verachtung für den Schmerz der Menschen nach dem Tod der Jugendlichen, dem Tränengasangriff auf eine Moschee, den unverantwortlichen Äußerungen der Staatsautoritäten, die Provokationen der Machthaber, die nur aus politischem Kalkül heraus handeln und deren Interesse sich auf Wahlergebnisse beschränkt, haben die Rolle des Sprengmeisters übernommen, Feuer an die Lunte gelegt und die Sache zur Explosion gebracht. Sie haben die Revolte ausgelöst, die schon lange unter den indigenen und indigenisierten Jugendlichen der Armenviertel geschwelt hat. Man spricht nun davon, Truppen in die Viertel zu schicken, um die Revolte niederzuschmettern. In der Logik eines Bürgerkrieges wird Repression gegen die Revolte erwogen.

Opfer vielfacher Diskriminierungen, Objekte von sozialer Verachtung und Polizeigewalt werden ihrer Zukunft beraubt, deklassiert und zurückgesetzt. Sie werden durch das Schulsystem in Bildungssackgassen manövriert und dürfen sich nicht versammeln, werden stets verdächtigt, an allem Übel schuld zu sein, kurz sie werden ihres Rechts auf Respekt und Würde beraubt. Die Jugendlichen drücken mit ihrer spektakulären Revolte aus: „Wir haben kein anderes Mittel uns Gehör zu verschaffen!“ Gegenüber dieser unerträglichen institutionalisierten sozialen Gewalt ist ihre Revolte mehr als legitim, ja heilsam. Es ist eine politische Reaktion. Wenn das aber als Verbrechen dargestellt wird, brutale Repression als Antwort kommt und dazu dann auch noch die Verachtung hinzukommt, so wird von den Machthabern noch Öl ins selbst entfachte Feuer geschüttet.

Die Revolte bestätigt die Analyse, die die Bewegung der Indigenen der Republik bereits in ihrem Gründungsappell im Jänner 2005 vorgeschlagen hat. Die Antwort der staatlichen Institutionen auf die gegenwärtige Situation ist nur ein weiteres Beispiel für die koloniale Verwaltung der immigrierten Bevölkerung, und zwar unabhängig davon, ob sich das herrschende Regime als rechts oder links versteht. Dominique de Villepin ist die aktuelle Inkarnation dieses Prinzips. So hat der Premierminister den Ausnahmezustand ausgerufen und damit den Präfekten die Möglichkeit gegeben, Ausgangssperren über die Armenviertel zu verhängen. Er stützt sich dabei unmittelbar auf ein Kolonialgesetz, das 1955 beschlossen worden ist, um die algerische Nationalbewegung niederzuschlagen. Es ist dasselbe Gesetz, das benutzt wurde, um die Demonstrationen der Algerier am 17. Oktober 1961 im Blut zu ersticken und das 1984 unter der sozialistischen Regierung von Laurent Fabius in Kanaky ebenfalls angewandt wurde. Wir müssen die Kontinuität dieser Praktiken daher nicht beweisen. Es ist dieselbe ideologische Matrix, die die Kolonialverbrechen ermöglicht hat, die auch die Art und Weise strukturiert, wie die Bevölkerung aus den ehemaligen Kolonien, die in diesen Vierteln zu wohnen gezwungen ist, gesehen werden und wie die Institutionen mit ihnen umgehen.

In diesem Kontext ist auch der neuerdings aufgetauchte Vorschlag zu sehen, schon mit 14 eine Lehre beginnen zu können, was die gesetzliche Schulpflicht bis 16 in Frage stellt. Diese Errungenschaft versucht die Rechte schon seit langem zu unterwandern und sie erkühnt sich jetzt, das als eine Maßnahme zugunsten der Enterbten zu präsentieren. In Wirklichkeit ist das aber nichts anderes als die zynische Ankündigung, dass die Sklaven von heute auch die Sklaven von morgen sein werden. Die Form, die die Revolten angenommen haben, führt zu Gewaltanwendungen und Schäden, deren Opfer wiederum die Bevölkerung der Armenviertel ist. Wir möchten den Betroffenen und denen, deren Güter beschädigt oder zerstört wurden, unsere volle Solidarität ausdrücken. Der für die Situation verantwortliche Staat soll sie unverzüglich für die gesamten erlittenen Schäden entschädigen. Die Jugend der Armenviertel besteht auf ihrer Würde und fordert ihr Recht, in legalen Verhältnissen leben zu können und dass ihr mit Respekt begegnet wird. Das ist eine hochpolitische soziale Forderung, die von ihrem Prinzip her völlig richtig und auf die eine politische Antwort zu finden notwendig ist.

Im Folgenden sollen nun gewisse Forderungen erhoben werden:

Selbstverständlich muss der Innenminister aus der Regierung geworfen werden, wenn er nicht von selbst demissioniert. Das gilt auch für den Premierminister, der die Repression öffentlich gutheißt, die sein Regierungskollege organisiert. Wir machen uns jedoch keine Illusionen über die Effekte solcher Demissionen. Wenn es auch ein notwendiger symbolischer Akt ist, so ist es doch keine Lösung und es ist schon gar nicht das wichtigste Ziel unseres Kampfes. Wir kämpfen nicht für einen Clan der Machtelite gegen den anderen! Wir machen uns keinerlei Illusionen über die tatsächlichen Ziele und Absichten der Politik, sei sie nun rechts oder links, da sie ohnehin nur auf die Macht schielt und ihr geistiger Horizont bei den nächsten Wahlen endet.

Hunderte Jugendliche sind im Zuge der Ereignisse bereits durch die Kräfte der Polizei angehalten und inhaftiert worden. Wir fordern ihre sofortige Freilassung. Es muss anerkannt werden, dass die Vorwürfe, die ihnen gemacht werden, einen rein politischen Charakter haben. Die gerichtliche Verfolgung dieser Jugendlichen, die eine Provokation darstellt, ist sofort einzustellen. Die Revoltierenden sind weder „Abschaum“ noch „Gesindel“, sondern sie müssen als das verstanden werden, was sie sind. Es darf daher auf eine politische Revolte auch nur eine politische Antwort geben.

Große Teile von Seine-Saint Denis und anderen städtischen Gebieten werden gemäß einer Logik des Bürgerkriegs von tausenden CRS-Einsatzgruppen und anderen bewaffneten Kräften regelrecht okkupiert. Wir fordern den sofortigen Abzug der Repressionskräfte. Die Anwesenheit dieser Repressionskräfte und – noch extremer – des Militärs tragen nicht zur öffentlichen Sicherheit bei, sondern sie fachen die Krawalle nur weiter an. Sie zielt auf die Würde und stellt gleichzeitig eine Kollektivbestrafung dar, die wir ablehnen.

Hunderte Bewohner aus den revoltierenden Vierteln haben große Schäden erlitten. Sie müssen sofort entschädigt werden. Das ergibt sich logisch aus der Legitimation der Intervention durch die Staatsmacht, die ja beansprucht, dass die Verantwortung für die derzeitige Situation zur Gänze dem Staat zuzukommen hat.

Es ist unumgänglich, Licht in die Vorkommnisse zu bringen, die die Revolte ausgelöst haben, also die Wahrheit über den Tod von Zyad Benna und Bouna Traoré und die Tränengasattacke auf die Moschee von Clichy-sous-Bois herauszufinden. Eine unabhängige Untersuchungskommission muss gebildet werden, der Vertreter der Bewohner und Akteure des Feldes angehören. Die Arbeit dieser Kommission, die Licht in die Handlungsweise der Polizei während der Dauer der Vorfälle bringen soll, muss finanziell gewährleistet werden.

Die Ausrufung des Notstands verstärkt auf skandalöse Art und Weise Isolierung und Einhegung der Armenviertel. Dem muss unverzüglich ein Ende gesetzt werden. Die Bewegungsfreiheit muss wiederhergestellt werden und garantiert bleiben.

Die auf den Gesetzen Perben, Sarkozy, Chevènement und Vaillant beruhenden Sicherheitsmaßnahmen müssen aufgehoben und die Gesetze selbst müssen zurückgenommen werden.

Wir fordern eine entschiedene Politik des Kampfes gegen die Diskriminierung in allen Bereichen und sofortige Maßnahmen gegen Prekarität, Arbeitslosigkeit und Ghettoisierung:

  • Schaffung qualitätvoller und stabiler Arbeitsplätzen sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich,
  • Garantie realer Gleichheit in Erziehung und Fortbildung,
  • Maßnahmen zur Verbesserung der Wohnbedingungen und der Lebensqualität in den Armenvierteln, unter anderem eine Anbindung an ein öffentliches Verkehrsnetz, das diesen Namen auch verdient und daher gratis zur Verfügung gestellt wird,
  • Wahlrecht und Bürgerschaft für Nichtfranzosen und Legalisierung aller Sans Papiers.

Wir laden dazu ein, überall wo es möglich ist, Diskussionen und öffentliche Versammlungen abzuhalten, um alle notwendigen Vorkehrungen zur Koordination von Aktionen zu treffen, die geeignet erscheinen, die Regierung in die Knie zu zwingen.

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