Grundrisse, Nummer 33
März
2010

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

Vorweg müssen wir uns bei unserem Autor Bahman Shafigh vielmals entschuldigen. In der letzten Ausgabe wurde sein Name falsch, ohne „h“ geschrieben. Auf unserer Webseite (www.grundrisse.net) wurde dieser Fehler sofort behoben, für die Printausgabe der Nummer 32 ist dies rückwirkend leider nicht mehr möglich.

Alice Pechriggl untersucht in ihrem Text: Agieren. Aspekte und Psychotropen des Handelns den Handlungsbegriff im Spannungsfeld zwischen politischem Handeln, welches sich seiner Ziele und Motive bewusst, sowie des Agierens, welches von unbewussten Wünschen und Ängsten geleitet ist. Diese Thematik wird mit der Tatsache verknüpft, dass Frauen aus der Sphäre der politischen Dimension – als Frauen – ausgeschlossen werden. Robert Zion schlägt uns im Anschluss an das jüngste Buch von Hardt und Negri Common Wealth eine spinozianische Grundlegung der Linken vor. Dieser sehr umfangreiche Text musste geteilt werden, den zweiten Teil findet ihr in der nächsten Ausgabe der grundrisse. Die Spinoza Rezeption durch Robert Zion orientiert sich sehr stark an den Auffassungen von Deleuze. Gegen diese Interpretation der Philosophie Spinozas hat Karl Reitter einige kritische Bemerkungen verfasst. Robert Zion hat darauf kurz geantwortet. Diese Texte findet ihr im Anschluss an Zions Artikel. Philippe Kellermann untersucht in Marxistische Annäherung an den Anarchismus? die Auseinandersetzung mit anarchistischen Positionen durch Wolfgang Fritz Haug. Der Autor kommt zum Schluss, dass eine tatsächliche, ernsthafte Beschäftigung mit der anarchistischen Strömung keineswegs geleistet wird. Dies, obwohl vieles dafür spricht, den Konflikt zwischen Marxismus und Anarchismus als tendenziell obsolet zu überwinden.

Der Artikel Barrikaden und Barrieren: MigrantInnen im Griechischen Dezember von AktivistInnen des Clandestina Network hätte eigentlich schon in der vorherigen Ausgabe der grundrisse, dem Themenheft über Krise und globale Revolten, erscheinen sollen. Da jedoch einerseits unsere Übersetzungskapazitäten zu gering waren und wir andererseits der Studierendenbewegung aufgrund der aktuellen Ereignisse einigen Raum geben wollten, wurde sein Erscheinen auf diese Nummer verschoben. Die AutorInnen weisen darauf hin, dass der Text nun etwas veraltet erscheinen könnte, nicht in dem Sinn, dass er nicht mehr gültig wäre, sondern dahingehend, dass er sich nicht auf die momentan heißen Themen bezieht, im Besonderen was die Kämpfe um die Staatsbürgerschaft betrifft. Ebenso wird auf die gegenwärtigen heftigen sozialen Auseinandersetzungen in Griechenland nicht Bezug genommen. Dennoch beinhaltet dieser Text wichtige und für das Verständnis der aktuellen Situation nützliche Informationen.

In Kritische Bemerkungen zum Marxverständnis von Marcel van der Linden und Karl Heinz Roth setzt sich Karl Reitter mit der Darstellung des Marxschen Denkens auseinander, wie es im Vorwort und Nachwort des Sammelbandes Über Marx hinaus. Arbeitsgeschichte und Arbeitsbegriff in der Konfrontation mit den globalen Arbeitsverhältnissen des 21. Jahrhunderts entwickelt wird.

Den Reigen der Buchbesprechungen eröffnet Max Henninger mit einer alternativen Sichtweise auf The Coming Insurrection: dieser Text wurde in der letzen Ausgabe von Fuzi besprochen. Elisabeth Steger rezensiert den Roman Wo ist Elisabeth? wie auch den von Eva Egermann und Anna Pritz herausgegebenen Sammelband Class works — weitere Beiträge zu vermittelnder, künstlerischer und forschender Praxis. Torsten Bewernitz informiert in einer Sammelbesprechung über die neue Debatte um den Begriff des Klassismus und zeigt dessen Defizite und Verkürzungen auf. Den Abschluss bildet die Besprechung des Buches Die verschlungenen Pfade des Kapitals mit Texten von und Interviews mit Giovanni Arrighi, das nach dessen Tod posthum auf Deutsch herausgegeben wurde, durch Minimol.

Abschließend noch ein Ausblick auf die nächste Ausgabe: Neben dem zweiten Teil des Artikels von Robert Zion werdet ihr aller Voraussicht nach unter anderem auch einen längeren Text von Max Henninger Nach dem Operaismus sowie eine Analyse der aktuellen Situation im Iran durch Bahman Shafigh finden.

Aus aktuellem Anlass möchten wir euch auf einen Prozess aufmerksam machen, der weit über die unmittelbar darin Involvierten hinaus die Möglichkeit politischer Aktivitäten insgesamt bedroht. Am Dienstag, dem 2. März 2010, hat am Landesgericht Wiener Neustadt einer der größten politischen Prozesse der Zweiten Republik begonnen. Den Betroffenen wird vor allem die Bildung und Mitgliedschaft in einer Kriminellen Organisation vorgeworfen. Diese konstruierte Organisation soll für alle legalen und illegalen Aktionen mit Tierrechtsbezug seit den 1980er Jahren in Österreich verantwortlich sein. Mit diesem Gerichtsverfahren sollen auch die bereits eingeführten erweiterten und noch zu beschließenden neuen Überwachungsbefugnisse der Polizei legitimiert werden. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es noch zu früh für eine erste Einschätzung des Prozessverlaufes. Der Ausgang dieses Prozesses wird jedoch jede Form der politischen Organisierung in Österreich maßgeblich beeinflussen.

Vorerst sind Prozesstermine bis Juni 2010 angesetzt, wobei jede Woche zwei bis drei Tage verhandelt werden soll. Es ist davon auszugehen, dass das in den ersten Wochen sicherlich bestehende große Interesse am Prozessgeschehen im Laufe der Zeit abflauen wird. Wir rufen daher dazu auf, das Landesgericht Wiener Neustadt über die ersten Prozesstage hinaus zahlreich zu besuchen, den Prozess zu beobachten sowie an den hoffentlich weiter stattfindenden Solidaritätskundgebungen in Wiener Neustadt und anderswo teilzunehmen.

Nähere und aktualisierte Informationen auf http://antirep2008.lnxnt.org

Wenn ihr diese Ausgabe der grundrisse in Händen haltet, wird der Bologna-Gipfel der europäischen BildungsministerInnen in Wien und Budapest sowie die Kampagne „Bologna burns“ und der Gegengipfel voraussichtlich bereits vorbei sein. Wir hoffen, die Gipfel-Zeit von 11. bis 13. März war reich an heißen politischen Auseinandersetzungen!

Eure grundrisse-Redaktion
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