Café Critique, Jahr 2010
September
2010

Eidgenössische und andere Mullahfreunde

Deutschland, der wichtigste westliche Handelspartner des Iran, hat seine Geschäfte mit dem Regime der Mullahs und Revolutionswächter im ersten Halbjahr 2010 deutlich ausgebaut. Die Exporte stiegen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 14 Prozent. Die Importe sind um 88 Prozent gewachsen. Die deutsche Industrie liefert vor allem qualitativ hochwertige Maschinen, chemische Produkte und Metalle in den Iran, auf welche die iranische Wirtschaft dringend angewiesen ist. Auch die illegalen Geschäfte scheinen weiterhin zu florieren. So sollen der Staatsanwaltschaft zufolge eine Reihe von Klein- und Mittelbetrieben aus Nordrhein-Westfalen in Lieferungen verwickelt sein, die direkt dem Atomwaffen-, Raketen- und Kampfdrohnenprogramm des Iran dienen.

Ob sich an den legalen Milliardengeschäften durch die neuen EU-Sanktionen, deren konkrete nationalstaatliche Anwendung immer noch unklar ist, etwas ändern wird, lässt sich noch nicht sagen. Die für das iranische Regime immens wichtige Europäisch-Iranische Handelsbank in Hamburg ist Anfang September jedenfalls nicht auf deutsche oder EU-Initiative, sondern durch Maßnahmen der US-Regierung vom Zugang zum internationalen Finanzsystem abgeschnitten worden.

Kaum jemand in der EU scheint bisher gewillt zu sein, auch politsch eine schärfere Gangart einzuschlagen und eine konsequente Isolierung des Regimes zu betreiben. So soll die Reise einer offiziellen Delegation des Europäischen Parlaments, die schon für Anfang des Jahres geplant war, aber nach Protesten abgesagt wurde, im Herbst nachgeholt werden. Die damalige Planung sah Treffen mit Manouchehr Mottaki, dem Außenminister und Eröffnungsredner der Teheraner Konferenz der Holocaustleugner, und mit dem religiösen Führer Ali Khamenei vor, der Israel als „Krebsgeschwür“ bezeichnete und dessen Vernichtung als einzig mögliche „Lösung“ des Nahost-Konflikts propagiert.

Vom iranischen Regime, das auf eine Signalwirkung der Herbstvisite für andere Länder hofft, wird die geplante Reise schon jetzt bejubelt. Die deutsche Grünen-Politikerin Barbara Lochbihler, die die Iran-Delegation des Europäischen Parlaments leitet, ist von den Entwicklungen der vergangenen zwei Jahre offenbar völlig unbeeindruckt und wiederholt unbeirrt ihr Mantra: „Wir suchen den Dialog“. Solch ein Dialog ist nicht nur verwerflich, er wird auch zu nichts anderem führen, als dem iranischen Regime weiterhin eine Legitimität zuzugestehen, die es bei seiner eigenen Bevölkerung schon längst verloren hat.

Kommende Woche will Mahmoud Ahmadinejad wieder vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen sprechen. Österreich hat angekündigt, anders als im vorigen Jahr der Rede des iranischen Präsidenten demonstrativ fernzubleiben, was Außenminister Michael Spindelegger aber nicht daran hindert, Mottaki, den er im April in Wien empfing, als „Partner“ zu bezeichnen und weiterhin den „Dialog“ mit dem iranischen Regime zu predigen.

Von besonderem Interesse wird sein, wie sich die Schweiz, die derzeit die Kooperation mit dem iranischen Regime dermaßen unverfroren wie sonst kaum jemand in Europa betreibt, in der UN-Generalversammlung verhält. Die Schweiz unterstützt ohne jegliche Forderung nach Gegenleistungen den Beitritt des Iran zur Welthandelsorganisation, um den sich das Regime seit 14 Jahren bemüht. Die Schweizer Zeitung Sonntag hat das dazu veranlasst, das Land als „Irans treuesten Verbündeten in der westlichen Welt“ zu bezeichnen.

Dafür sprechen auch die hervorragenden Wirtschaftskontakte. Zum bisher wichtigsten Geschäftsabschluss kam es 2008. Im Zusammenhang mit der Trans-Adria-Pipeline (TAP), an der neben dem schweizerischen Energiekonzern EGL und der norwegischen Statoil seit Anfang Juli auch der deutsche Konzern Eon beteiligt ist, schloss EGL ein Milliardengeschäft mit der staatlichen National Iranian Gas Export Company ab. Jährlich sollen 5,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus dem Iran geliefert werden (Jungle World 14/08).

In einem Hearing des US-Kongresses wurde gefordert, den Deal angesichts der neuen Sanktionsbeschlüsse abermals zu überprüfen. Der US-Botschafter in der Schweiz und israelische Stellen formulierten erneut ihre Einwände. Lilly Frei, die Pressesprecherin von EGL, sagt, dass „gewisse Kreise“ in den USA weiter Kritik am Iran-Geschäft üben würden. Trotz mehrfacher Nachfrage war sie nicht gewillt zu erläutern, wen sie mit den „gewissen Kreisen“ meint. Roland Vock vom Staatssekretariat für Wirtschaft in Bern versucht die Kritik mit der Ausrede abzuwehren, dass es sich beim EGL-Geschäft um einen privaten Vertrag handele. Allerdings ist der Vertragsabschluss mit der Unterstützung von Außenministerin Miche­line Calmy-Rey zustande gekommen, und das Unternehmen EGL gehört zu 91 Prozent der Axpo-Gruppe, die sich vollständig in Kantonsbesitz befindet. „Wir übernehmen Verantwortung für unser Handeln“ heißt es in der Selbstdarstellung der Axpo. Was „Verantwortung“ hinsichtlich der Tatsache bedeutet, dass jede Firma, die im großen Stil Geschäfte mit Irans Regime macht, zwangsläufig dessen Politik mitfinanziert, bleibt das Geheimnis des Konzerns.

Während die Pipelinemanager seit den neuen Sanktionsbeschlüssen kolportieren, ein Bezug von Erdgas aus dem Iran über die TAP sei unwahrscheinlich, verkündete die EGL auf ihrer Website noch bis vor wenigen Tagen, der Vertrag ermögliche, „dass Europa über die Trans Adriatic Pipeline (…) erstmals von den weltweit zweitgrößten Erdgasvorkommen im Iran profitieren kann“. Noch allerdings fließt kein iranisches Gas, und noch fehlen Transitrechte für die Pipeline. Aber es hat nicht den Anschein, als sei irgendjemand in der Schweiz ohne starken Druck von außen gewillt, vom Milliardengeschäft der EGL zurückzutreten, das die Regierung auf Dauer zum strategischen Partner des antisemitischen Regimes macht. Auch in Italien, dem Land, das als Hauptabnehmer der Gaslieferungen im Gespräch ist, regt sich bisher kaum Kritik am Iran-Geschäft.

Ganz ähnlich wie in Österreich oder Deutschland haben sich auch in der Schweiz in den vergangenen Jahren Politiker auf die hohe Kunst verlegt, die Entwicklungen im Iran stets so zu kommentieren, dass man sich gerade noch als Teil jenes Westens begreifen kann, der zumindest in seinem Selbstbild weiterhin für individuelle Freiheit und Rechtsstaatlichkeit einsteht, aber zugleich das islamistische Regime bloß nicht durch konkrete Maßnahmen wie etwa den Abbruch der diplomatischen Beziehungen oder öffentliche Kontakte mit der säkularen und demokratisch-rechtsstaatlichen iranischen Opposition verärgert. Die Schweiz gibt sich neutral, ist aber bis auf weiteres eine Gehilfin des iranischen Regimes, und sie wird davon wohl nur abrücken, wenn der internationale Druck weiter steigt.

Eine gewisse Veränderung hat es in der Haltung Österreichs gegeben. Nachdem die Verhandlungen über das Milliardengeschäft der OMV mit dem iranischen Regime vorerst abgebrochen worden sind, sieht sich Außenminister Spindel­egger dazu veranlasst, die europäischen Konkurrenten der OMV zu ähnlichen Schritten anzuhalten. Mit dem EGL-Geschäft sei er zwar nicht vertraut, aber zum jetzigen Zeitpunkt seien „solche Geschäfte sicher keine gute Idee“. Bisher hält das allerdings auch österreichische Firmen wie die aus den Hermann-Göring-Werken hervorgegangene Voestalpine oder die Grazer Maschinenbaufirma Andritz nicht davon ab, an ihrem Iran-Geschäft festzuhalten.

All das zeigt, dass die bisherigen Sanktionsbeschlüsse zwar ein gewisses Umdenken bei wichtigen europäischen Akteuren andeuten, aber bei weitem nicht ausreichen, um dem iranischen Regime die Fortsetzung seiner Projekte, sei es das Nuklearwaffenprogramm, sei es die innerstaatliche Mobilmachung gegen die Opposition, unmöglich zu machen. Immer drängender stellt sich daher die Frage, was passieren muss, wenn das Scheitern der bisherigen Iranpolitik für alle offensichtlich geworden ist.

leicht gekürzt erschienen in der Nr. 37/2010 der Jungle World

Modifizierte Fassungen bzw. Auszüge sind in der Presse und der Wiener Zeitung erschienen.

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