Heft 5-6/2005
Oktober
2005

Ein Sargnagel für das Komplott

Will Eisner, der 1917 als Kind jüdischer Einwan­derer aus Österreich in Brooklyn geboren wurde, hatte mit Comics wie Blackhawk, Sheena, Queen of the Jungle oder The Spirit bedeutenden An­teil an der Entwicklung der US-amerikanischen Comic-Kultur in den 1930er und 1940er Jahren. Seit seinem „Graphic Novel“ A Contract With God, mit dem er 1978 das Genre graphisch und inhaltlich weiterentwickelte, gilt er als einer der ganz großen Comic-Künstler in den USA. Mit seiner Arbeit „Das Komplott“ schloss der im Jän­ner 2005 verstorbene Zeichner sein Lebenswerk ab. Diese, seine letzte und politischste Arbeit, die sich mit der Entstehung und Rezeption der „Pro­tokolle der Weisen von Zion“ beschäftigt, liegt nun in deutscher Übersetzung und mit einer Ein­führung von Umberto Eco und einem Nachwort von Eric Bronner vor.

Die Urheberschaft dieses „den Juden“ zuge­schriebenen Machwerks, in dem die „finsteren Pläne“ einer angeblichen jüdischen Weltver­schwörung erörtert werden, wurde bereits weni­ge Jahre nach seiner Entstehung im zaristischen, russischen Geheimdienst vermutet. Erst nach der Öffnung der sowjetischen Archive konnte jedoch der russischer Historiker Michail Lepechin zweifelsfrei nachweisen, dass die „Protokol­le“, die im zwanzigsten Jahrhundert in zahllosen Übersetzungen in aller Welt ihren Siegeszug an­traten, vom russischen Geheimdienstmitarbeiter Matwej Golowinski 1898 verfasst worden waren. Will Eisner erzählt jedoch nicht nur diese Entste­hungsgeschichte des antisemitischen Machwerks nach, sondern auch dessen Rezeption, die trotz aller frühen Aufklärungsversuche, die auf die Fälschung hinwiesen, eine populäre Verbreitung der Hetzschrift in deutschen, französischen, por­tugiesischen, spanischen, arabischen, englischen, japanischen und anderen Übersetzungen erfuhr.

Will Eisner hat sich — wie er in seinem Vorwort schreibt — mit seiner Arbeit selbst das Ziel ge­setzt „dieser Propaganda auf leicht zugängliche Art und Weise offensiv zu begegnen.“ Ob seine Hoffung, dass sein Werk „vielleicht einen wei­teren Nagel in den Sarg dieses schrecklichen, vampirähnlichen Betrugs schlagen kann“, auf­gehen wird, bleibt angesichts eines zunehmend globalisierten Antisemitismus — der als Ressentiment für rationale Argumente nicht zugänglich ist — abzuwarten.

Will Eisner: Das Komplott. Die Wahre Geschichte der Protokolle der Weisen von Zion. Deutsche Verlags­anstalt (München, 2005)

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