Feministische Differenzen
Jutta Sommerbauer hat eine umfassende Positionsbestimmung und Kritik des postmodernen Feminismus veröffentlicht. Dabei gibt sie nicht nur den Stand der feministischen und postfeministischen Debatte wieder, die stark vom postmodernen Diskurs von Theoretikerinnen wie Judith Butler geprägt ist, sondern kritisiert deren Ansatz der Differenzen und Identitäten, die sich letztlich in immer kleinere Identitäten aufspalten ließen und die gesellschaftlichen und ökonomischen Bedingungen und Interessen von Frauen oft außer Acht lassen. Jutta Sommerbauer geht es dabei nicht darum, zu einem weißen heterosexuellen Mittelstandsfeminismus der Siebzigerjahre zurückzukehren, sondern die problematischen Aspekte postmoderner Identitätspolitik zu kritisieren und dem Beliebigwerden feministischer Theorie etwas entgegenzusetzen. Die Differenzen-Debatte eignet sich für die Autorin in ihrer derzeitigen Form kaum als Anknüpfungspunkt für gesellschaftskritische feministische Belange. Daher wäre für eine Theorie, „die eine Analyse und Kritik von Gesellschaft bezweckt, die Kategorie Geschlecht eine äußerst relevante Kategorie.“ Die Kritik einer universal verstandenen „Schwesternschaft“ durch postmoderne Feministinnen habe dabei zwar eine breitere Thematisierung von Fragen der Sexualität oder Herkunft von Frauen ermöglicht, zugleich jedoch die Kritik des Geschlechterverhältnisses und der Gesellschaft in den Hintergrund treten lassen. Die durchaus auch zurecht kritisierte „Ehe“ zwischen Marxismus und Feminismus ist damit von einer mit der Postmoderne abgelöst worden. „Doch ähnlich wie in früheren Theorien-‚Ehen‘ zeichnet sich eine feministische Unterordung unter die jeweilige Großtheorie ab.“ Dabei reflektiere der postmoderne Feminismus die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nur ungenügend. Die Verwerfung der sogenannten „Großtheorien“ ist dabei insbesondere vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Transformation des Kapitalismus, der Staatlichkeit und der Geschlechterverhältnisse, der einen gesellschaftstheoretisch begründeten Feminismus umso notwendiger machen würde, paradox.
Mit ihrer Tendenz zur einseitigen Pluralisierung stellt die Differenzen-Debatte keine überzeugende Lösung der Fragen von Gleichheit und Differenz dar, da sie ihr gesellschaftsveränderndes Potential verloren hat. „Abgesehen von der Verharmlosung gesellschaftlicher Zwänge durch die Strapazierung des Differenzen-Gedankens, entfällt auch eine strukturtheoretische Betrachtung, ein Einlassen der Theorie auf die sie umgebenden gesellschaftlichen Verhältnisse, in diesem Konzept weitgehend.“
Dieser Kritik stellt Sommerbauer ihre Forderung nach einem Feminismus „jenseits von Identitätspolitik und Dekonstruktion“ gegenüber. Dass sie hier als positives Beispiel für eine Anbindung an gesamtgesellschaftliche Veränderungspotentiale die Clean Clothes-Kampagne oder Verbindungen zur Antiglobalisierungsbewegung anführt scheint zwar auf den ersten Blick schwer nachvollziehbar, allerdings kommt sie auch hier rasch zur Kritik, dass Engagement, solange es sich „auf der Ebene von pseudoradikalen Forderungen, die an den Staat gestellt werden, bewegt oder in moralisierenden Aufrufen zum ethischen Konsum kulminiert“, kaum revolutionäres Potential entfalten könne.
Überhaupt tut es dem Buch gut, dass sich die Autorin im Gegensatz zu „konstruktiven Kritikerinnen“ nicht ständig bemüßigt fühlt auf Alternativen zu verweisen oder mit fertigen Konzepten für einen neuen Feminismus aufzuwarten. Ihr Buch ist keine Handlungsanleitung für Feministinnen, sondern Kritik im besten Sinne des Wortes. Eine solche bezieht ihre Berechtigung aus sich selbst und ist damit beste politische Praxis in dürren Zeiten wie diesen.
Jutta Sommerbauer: Differenzen zwischen Frauen. Zur Positionsbestimmung und Kritik des postmodernen Feminismus. Unrast Verlag, Münster 2003, 133 Seiten, EUR 13,—
