ZOOM 4+5/1996
Oktober
1996

Kaltes Kriegsspielzeug

Wie die amerikanischen Waffenlager entdeckt wurden, und was sich in ihnen fand.

Swanee Hunt hatte es eilig, als sie am Samstag, den 20. Jänner 1996, zu Kanzler, Vize und Verteidigungsminister eilte, um einem Bericht der amerikanischen Tageszeitung „Boston Globe“ gerade noch zuvorzukommen: Zwischen 1951 und ’55, entschuldigte sich die Botschafterin, seien im Westen Österreichs von der CIA 79 – von ursprünglich 82 geplanten – Waffenlager angelegt worden. „Peinlich“ sei die ganze Angelegenheit, aber bereits Geschichte.

Nach offizieller Darstellung wurde die Affäre vom neuen CIA-Chef John Deutch persönlich ins Rollen gebracht. Beim Durchforsten alter Akten, genannt „housecleaning“, sei man auf die Waffenlager gestoßen. Bereits Ende Dezember ’95 hatte Deutch den amerikanischen Kongreß informiert. Ein Informant in der CIA spielte die Papiere daraufhin dem „Boston Globe“-Journalisten Paul Quinn-Judge zu.

Am folgenden Montag entschuldigten sich die USA offiziell bei Österreich, die Regierungen seit 1955 nicht über die geheimen Waffendepots unterrichtet zu haben. „Was falsch gelaufen ist“, so der Sprecher des US-Außenministeriums Nicholas Burns „ist der Umstand, daß die aufeinanderfolgenden Regierungen seit der Eisenhower-Administration einfach beschlossen haben, mit der österreichischen Regierung nicht darüber zu reden.“

Das State Departement gab, wie bei solchen Anlässen üblich, Beruhigungsparolen aus: Nein, die Waffen seien von niemandem sonst benützt worden, es habe keine US-Aktionen gegeben, die Waffen „in Schuß“ zu halten und so weiter. Geheime Waffenlager zum Kampf gegen kommunistische Machtübernahmen habe es in der Zeit des kalten Kriegs schließlich auch in anderen europäischen Ländern gegeben. Über den Zweck der Lager und darüber, ob die dazugehörige Operation heute noch einsatzbereit sei, schwieg sich Washington naturgemäß aus. Einige Informanten von Paul Quinn-Judge gehen davon aus, daß auch der österreichische Gladio-Ableger zumindest bis zum Auffliegen des NATO-Geheimdienstes im Jahr 1990 einsatzbereit war. Eine interessante Mitteilung wußte Burns schließlich doch noch zu vermelden: Es sei Anweisung erteilt worden, eine Aufstellung zu erarbeiten, „welche anderen Programme noch oder nicht mehr existieren“. Die russische Botschaft ließ ihrerseits mitteilen, von all dem nichts gewußt und erst aus der Zeitung davon erfahren zu haben.

Auf österreichischer Seite gab man sich offiziellerseits reichlich betreten und erstaunt: Von den Lagern habe man nichts gewußt. Unabhängig davon, ob österreichische Stellen nun konkret über diese Waffenlager informiert waren oder nicht, ob dieses Wissen im Laufe der Jahre verloren gegangen ist oder nur von den Eingeweihten konsequent geheim gehalten wurde – die zur Schau gestellte Indignation war wenig angebracht. Der Historiker Christian Stifter: „Bedenkt man, daß die österreichischen Regierungsstellen von der geheimen Remilitarisierung Österreichs nicht nur gewußt, sondern diese in entscheidender Weise mitinitiiert haben, ist das Mißtrauen, das hier gegenüber dem ehemaligen Partner in der heißen Phase des kalten Kriegs an den Tag gelegt wurde, völlig fehl am Platz.“

Noch in derselben Jännerwoche reiste eine Delegation von Diplomaten und Experten der CIA, des Außen- sowie des Verteidigungsministeriums an, sodaß Swanee Hunt am folgenden Montag dem Innenminister erleichtert die Lagepläne übergeben konnte. Die „peinliche Berührtheit“ der USA ging so weit, daß diese sich in der ersten Aufregung sogar bereit erklärt haben sollen, die Kosten für die Räumung zu übernehmen.

Der frostige Winter verzögerte die Bergung der brisanten Ware, sodaß erst am 23. April das erste Lager in Weißenbach bei Lofer unter Leitung des Entminungsdienstes des Innenministeriums geräumt werden konnte. Das Bundesheer wurde zum Assistenzeinsatz befohlen. Während das Innenministerium Munition und Sprengstoff entsorgt, werden die aufgefundenen Waffen dem Bundesheer übergeben. Ein Großteil wird zur Freude aller Militaria-Fans versteigert. Die Bergung der Waffen soll bis Herbst abgeschlossen sein.

Was PartisanInnen benötigen

Sechs der 79 Waffenlager wurden schon vor Jahren geräumt. Durch Zufall war man auf sie gestoßen, meist bei Baggerarbeiten in einer Schotter- oder Kiesgrube. Der Großteil der 66 bis Anfang September ausgehobenen Depots befand sich in der amerikanischen Besatzungszone in Salzburg (27) und Oberösterreich (33). Ende August wurden vier Lager im steirischen Ausseerland geräumt – im Zentrum der bereits von den Nationalsozialisten in den letzten Kriegsmonaten als Rückzugsgebiet vorgesehenen sogenannten Alpenfestung. Bei einem der in der Nähe von Bad Mitterndorf und des Pötschenpasses angelegten Depots erlebten Bundesheer und Innenministerium – wie schon in anderen Fällen zuvor – eine unangenehme Überraschung: Es war bereits vor Jahren geplündert worden. Erstaunlich ist die Lage der beiden zuletzt geleerten Lager. Sie befanden sich weiter östlich als alle anderen, tief in der britischen Besatzungszone – in Wildalpen und in Weichselboden im Hochschwabgebiet.

Die ersten geräumten Lager (Weißenbach bei Lofer/Sbg., Dietach bei Thann/OÖ, Munderfing, Bezirk Braunau/OÖ) waren von eher bescheidenem Umfang. Sie enthielten zwischen 36 und 90 kg Sprengstoff, maximal sechs Karabiner und Pistolen mit dazugehöriger Munition und – im Weißenbacher Lager – zwei Dutzend Handgranaten und ein Panzerabwehrrohr samt Geschossen. Alles in allem vermitteln diese Funde jedenfalls nicht den Eindruck, Österreich sitze „auf einer riesigen Munitionskiste“ (Manfried Rauchensteiner). Während in ihnen zwar eine durchaus „brauchbare“ Menge Sprengstoff lagerte, hätte mit der geringen Zahl an Waffen pro Lager nicht einmal eine zehn Mann hohe Partisanengruppe in den Krieg ziehen können. Andere Depots waren allerdings umfangreicher. Die größte Menge Kriegsmaterial fand sich im östlichsten Lager in Weichselboden. Unter einem Stadl vergraben rosteten in 185 Kisten Waffen und Sprengstoff für mehr als 100 Mann vor sich hin.

Die Mischung aus Waffen, Sprengstoff und je nachdem auch Handgranaten, Panzerabwehrrohren, Zielfernrohren, Verpflegung, Sanitätsmaterial und Anleitungen für den Guerillakampf, wie sie sich in jeweils leicht wechselnder Zusammensetzung bereits in den vor Jahren geräumten Lagern fand, entspricht genau den Funden in anderen westeuropäischen Ländern. 139 solcher Geheimdepots für den Partisanenkampf wurden etwa in Italien zutage gefördert, 50 in der Schweiz, 20 in den Niederlanden und 6 in Belgien. Die ausgebuddelten Waffen waren zumeist zum Schutz gegen Feuchtigkeit in Ölpapier eingewickelt und daher bis zum heutigen Tag voll funktionsfähig. Die Ausrüstung stimmt auch weitgehend mit einer Inventarliste für die „Basisausrüstung“ von 100 Mann überein, die von Christopher Simpson in den National Archives in Washington ausgehoben wurde. [1]

Das mysteriöse Gold wurde bislang – zumindest offiziell – nicht gefunden. Aus anderen Ländern sind derartige Funde aber durchaus bekannt. Der wertvolle Stoff in Form britischer Sovereigns und französischer Napoleon-Dukaten war als devisenunabhängiges Zahlungsmittel für PartisanInnen gedacht.

Quellen:
apa, 22., 23., 24.1. und 11.9.1996;
Der Standard 23.1., 26.4., 27./28.4., 8.5., 24./25.8. und 11.9.1996;
News 4 & 5/96;
Die Presse 27.4.1996.
Karabiner, Maschinenpistolen, Handgranaten, Sprengstoff:
Von der CIA in Österreich vergrabene Partisanenausrüstung

Zufällig entdeckte Waffenlager

Nach Bekanntwerden der jetzigen Waffenlager stellte das Innenministerium eine Liste von sechs bereits in der Vergangenheit geräumten Lagern auf, und zwar:

  • 1953 Stadl-Paura/OÖ
  • 1960 Windischgarsten/OÖ
  • 1988 Neukirchen am Großvenediger/Sbg.
  • 1989 Neukirchen am Großvenediger/Sbg.
  • 1993 Tenneck/Sbg.
  • 1993 Sulzau/Sbg.

Über die ersten beiden Funde wurden alle Akten vernichtet. Bei den anderen Lagern handelte es sich um kleinere Depots, in denen sich die übliche Mischung Kriegsmaterial befand. In den beiden größten in Neukirchen fanden sich insgesamt 88 kg TNT, 40 kg Plastiksprengstoff, 354 Handgranaten, 297 Reizstoffhandgranaten, 2 Panzerfäuste mit 33 Geschossen, 150 kg Infanteriemunition, einige Waffen, Spezialzünder, Taschenlampen, Feldstecher, Sanitätsmaterial und Hunderte Bücher mit Anleitungen zum Partisanenkrieg.

Neben diesen Lagern in der ehemals amerikanischen Zone listet der Entminungsdienst auch einen Fund aus dem von den Franzosen verwalteten Tirol auf. Im Mai 1995 wurde in Fliess, Bezirk Imst, ein unterirdisches Lager mit Verpflegungsvorrat und Sanitätsmaterial gefunden. Interessant ist, daß sich gerade in dem einzigen, bislang bekannten Tiroler Lager keine Waffen (mehr?) befanden.

1974 stieß man zufällig auf ein weiteres, bislang nicht eingeordnetes Lager in Klaus im Bezirk Kirchdorf an der Krems/OÖ. Aus den dort aufgefundenen Bedienungsanleitungen, die als Druckdatum das Jahr 1951 trugen, läßt sich schließen, daß auch dieses Lager zum Komplex der „covert operations“ gehörte.

Dies sind längst nicht alle bekannten Waffendepots. Der Historiker Arnold Kopeczek hat bereits 1992 in seiner Dissertation eine große Zahl an weiteren Funden dokumentiert. Waffen und Ausrüstungsgegenstände fanden sich demnach unter anderem an weiteren Orten in Salzburg (Golling, Wals, ...) und Oberösterreich (im Gebiet westlich der Enns: Kirchdorf an der Krems, Micheldorf, Windischgarsten, ...), in den sechziger Jahren in Kärnten (Paternion, Loibl-Paß, ...), aber auch in Niederösterreich (in den Bezirken Baden, Lilienfeld und Scheibbs).

Quellen:
Arnold Kopeczek: Fallbeispiele des Kalten Kriegs in Österreich 1945–1965, Diplomarbeit, Wien, 1992;
apa, 22.1.1996;
News 4/96.

Britische Waffenlager

Vor mehr als dreißig Jahren führten Waffen, die am Schwarzmarkt aufgetaucht waren, zur Entdeckung geheimer Waffendepots in der britischen Besatzungszone. Im Juli 1965 entdeckte die Staatspolizei in einem aufgelassenen Bergwerksstollen in der Nähe von Windisch-Bleiberg geplünderte Waffen-, Munitions- und Sprengstoffkisten. Die britischen Behörden übermittelten daraufhin eine Liste aller Lager. Das Bundesheer hob 33 Depots in Kärnten und der Steiermark aus. Manche Lager konnten nicht mehr gefunden werden, andere waren bereits geplündert. Die Waffen gingen in den Besitz des Bundesheeres über.

Simon Preston, ein ehemaliger Agent des britischen Geheimdienstes, ist überzeugt, daß Waffen aus diesen Verstecken 1956 in Ungarn zum Einsatz kamen. In einem Gespräch mit der „Presse“ erzählte Preston, daß er im Frühjahr 1952 vom militärischen Auslandsgeheimdienst MI 6 nach Österreich geschickt worden war, um zusammen mit drei weiteren Offizieren sechs Waffenlager im Gebiet der Kor- und der Saualpe an der steirisch-kärntnerischen Grenze anzulegen. Pro Versteck wurde nur ein Österreicher eingeweiht. Dieser hätte im Ernstfall mit Fallschirmen abgesprungene

MI-6-Mitarbeiter zum Depot führen müssen. Eine Liste mit Namen und Adressen strammer AntikommunistInnen war der Gruppe zuvor übergeben worden. Selbst die britischen Soldaten, welche die für die Depots vorgesehenen Erdlöcher ausgraben mußten, waren nicht eingeweiht. Nach dem Anlegen der Lager mußten die Agenten in der Nähe geeignete Absprungzonen für Fallschirmspringer auskundschaften und kartographieren.

Quelle:
Die Presse, 12. und 13./14.4.1996.

Der Partisan ist immer gut gelaunt

Aus heutiger Sicht reichlich kurios ist das in zahlreichen Exemplaren in einem Salzburger Waffenlager gefundene „Handbuch für Guerillas“. Aus diesem konnten die angehenden PartisanInnen von der richtigen Schreibweise des Wortes „Guerilla“ („in der heute gebräuchlichen Rechtschreibung wird es nur mit einem ‚r‘ geschrieben“) bis hin zum lautlosen Töten einiges lernen: „Ein kleines Messer oder eine Rasierklinge genügen, um eine Gurgel durchzuschneiden. Eine andere geräuschlose Art des Tötens ist Erstechen. Während Du das Messer einstößt, mußt Du den Feind am Aufschreien hindern, indem Du ihm von hinten die Hand über den Mund hältst.“ Heute kann man so etwas beim Jagdkommando des österreichischen Bundesheeres oder in Videos von Hans Jörg Schimanek jr. lernen.

Der Vorschlag, den Feind mit Hilfe einer „mit spitzen Bambusstäben“ errichteten Sprengfalle zu töten, weist darauf hin, daß das „Handbuch“ eher für den Einsatz in anderen Weltgegenden gedacht war. Außer Disziplin, dem Umgang mit Waffen, Sabotage und ähnlichem lehrt der Leitfaden auch die Überwindung von Kampfangst: „Mache Witze und sei immer in guter Stimmung.“

[122 Pistolen oder Revolver mit je zwei Ersatzmagazinen für die Pistolen und 2000 Schuß Munition, 28 Maschinenpistolen „M-3“ mit 100 Ersatzmagazinen und je 200 Schuß Munition, 20 Karabiner „M-1“ mit 100 Ersatzmagazinen und 5400 Schuß Munition, 34 Gewehre „M-30“, 4 Maschinengewehre „M-1919“, 200 Handgranaten, Panzerfäuste, Munition, Sprengstoff und Sanitätsmaterial.

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