Café Critique, Jahr 2006
Februar
2006

Karikaturen? Welche Karikaturen?

Seit der arabische Fernsehsender al-Jazeera über die Veröffentlichung einiger Cartoons in Dänemark berichtete, befindet sich die islamische Welt in Aufruhr. In der Zeitschrift „Jyllands-Posten“ waren im September vergangenen Jahres 12 Karikaturen abgedruckt worden, die nun, so ist Presse- und Fernsehberichterstattung zu entnehmen, unter den Muslimen weltweit „Empörung“ hervorriefen, weil in ihnen der Prophet Mohammed beleidigt worden sei. Seit Tagen äußere sich dies in gewaltsamen Ausschreitungen gegen dänische und andere europäische Einrichtungen. Der „Dialog der Kulturen und Religionen“, so wird in der alarmierten Öffentlichkeit allerorts eindringlich gewarnt, sei in Gefahr. Die „Debatte um die Mohammed beleidigenden Karikaturen“ beherrscht alle Nachrichtenkanäle. Doch die oftmals als „Proteste“ verniedlichten gewalttätigen Ausschreitungen in Beirut, Damaskus oder Teheran haben nur sehr vermittelt mit diesen Cartoons zu tun. Was dieser Tage in der islamischen Welt zu beobachten ist, hat mit „spontanen Ausbrüchen“ von „Erniedrigten“ in etwa so viel gemein, wie der Beginn der al-Aksa-Intifada in den palästinensischen Gebieten im Herbst 2001.

Ein Islamist auf Reisen

Ahmed Abdel Rahman Abu Laban, ein 60 Jahre alter Palästinenser, lebt seit 1993 in Kopenhagen. In der dänischen Öffentlichkeit wurde er bislang als moderater islamischer Intellektueller gesehen, der des Öfteren im Fernsehen zu Fragen des Islam Stellung nahm und Regierungsvertretern als Vertreter der muslimischen Gemeinde Dänemarks begegnete. Doch Abu Laban hat auch ein zweites Gesicht. Wie einst Yassir Arafat predigte er in einer Sprache über Liebe und Toleranz, während er in einer anderen Sprache Hass verbreitete. So pflegte der öffentlich für Toleranz eintretende und sich als Opfer der „Islamophobie“ präsentierende Abu Alan beste Kontakte zur ägyptischen „Gamaa Islamiya“ – jener Terrororganisation also, deren Anführer Ayman al-Zawahiri seit Jahren als rechte Hand Osama bin Ladens fungiert und als Chefideologe der al-Qaida gilt. [1]

Nachdem Abu Laban zunächst die weitgehend erfolglosen Proteste dänischer Muslime gegen die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen in „Jyllands-Posten“ geführt hatte, begab er sich mit einer Delegation von Mitstreitern auf eine Reise durch den Nahen Osten, um den dänischen Konflikt zu internationalisieren. Dabei traf er unter anderem mit dem Sekretär der arabischen Liga, Amr Moussa, sowie dem Großscheich der al-Azhar-Universität, Mohammed Sayyad Tantawi, zusammen. Im Gepäck hatte die Delegation neben den 12 mittlerweile berühmt gewordenen Karikaturen auch weitere Bilder, die zwar niemals in einer dänischen Zeitung veröffentlicht worden waren, den Gesprächspartnern gegenüber aber den Eindruck verstärken sollten, der Islam und die Muslime in Dänemark seien Opfer einer Kampagne der Erniedrigung und Verhöhnung. Auf einem der hinzugefügten Bilder ist ein Mann zu sehen, der mit einer Schweinenase und Schweineohren verkleidet ist; der Delegation zufolge eine besonders abscheuliche Beleidigung des Propheten. Wie sich mittlerweile herausgestellt hat, handelte es sich dabei um ein Foto miserabler Qualität, auf dem in Wahrheit der Gewinner eines französischen Wettbewerbs im Imitieren von Schweinequieken abgebildet ist. Der Mann, ein Franzose namens Jacques Barrot, hatte mit dem Propheten oder dem Islam nicht das Geringste zu tun. [2]

Als besonders bedeutsam sollte sich ein Treffen der muslimischen Delegation aus Dänemark mit Yusuf al-Qaradawi erweisen. Der 1926 in Ägypten geborene und seit den frühen sechziger Jahren in Katar lebende al-Qaradawi ist ein in der islamischen Welt hoch angesehener Rechtsgelehrter und gilt als geistlicher Führer der Moslembruderschaft. Besondere Berühmtheit erlangte al-Qaradawi in den letzten Jahren vor allem in seiner Eigenschaft als Fernsehprediger, der in seiner von al-Jazeera ausgestrahlten Sendung „Die Scharia und das Leben“ regelmäßig zu aktuellen Fragen Stellung bezieht und dabei etwa Selbstmordattentate legitimiert. Bedeutsam war das Treffen mit al-Qaradawi vor allem, weil von diesem schließlich die Initialzündung zum Start der „Proteste“ ausging.

Damaskus und Teheran

Die aus Dänemark angereiste Delegation hatte ihre Arbeit getan; vermutlich war sich Abu Laban nicht im Klaren darüber, welchen Stein er ins Rollen gebracht hatte. Für die folgenden Ereignisse boten die dänischen Karikaturen jedenfalls nur einen bereitwillig aufgenommen Anlass. Gleich mehrere Akteure sahen nun die Gelegenheit gekommen, durch das Entfachen der bislang andauernden Gewaltwelle ihre politische Agenda voranzutreiben. Die Verantwortlichen der aktuellen Ereignisse sind denn auch nicht in Kopenhagen zu finden, sondern in Damaskus und Teheran. Zumindest drei wichtige Parteien müssen genannt werden.

Zum einen sieht sich die Moslembruderschaft nicht zu Unrecht im Aufwind. Bei den ägyptischen Parlamentswahlen im Dezember vergangenen Jahres hatten ihre Vertreter beachtliche Erfolge erzielt (sie gewannen 88 von 454 Mandaten, was beinahe eine Versechsfachung ihrer Parlamentssitze bedeutete). Die Wahlen in den palästinensischen Autonomiegebieten am 25. Jänner 2006 endeten gar mit einem Erdrutschsieg der Hamas, der palästinensischen „Abteilung“ der Moslembruderschaft, die 74 von 132 Sitzen und damit die absolute Mandatsmehrheit erringen konnte. Mit ihrem Triumph geriet die Hamas freilich unter starken außenpolitischen Druck. Israel stellte die Zahlung von Geldern aus palästinensischen Steuern ein und kann sich – wenig überraschend – Verhandlungen mit einer von der Hamas gestellten palästinensischen Führung nicht vorstellen. Ob, an wen und wie lange internationale Sponsoren in Zukunft Gelder verteilen werden, ist bislang unklar. Die EU, seit Jahren Hauptfinanzier der Autonomiebehörde, will die Zahlungen zwar momentan noch fortsetzen, macht die Unterstützung in Zukunft aber von bestimmten Bedingungen abhängig. Die Hamas müsse den Terror einstellen, Israel anerkennen und in Verhandlungen im Rahmen eines wie auch immer aussehenden „Friedensprozesses“ eintreten. Die Hamasführung machte hingegen sofort deutlich, dass sie keinerlei Notwendigkeit dafür sehe, von einer Politik Abstand zu nehmen, die ihr eben erst einen so überwältigenden Erfolg gebracht hat.

Zum anderen hat der Iran seinen Konfrontationskurs mit Israel und weiten Teilen der internationalen Staatengemeinschaft deutlich verschärft. Seit seinem Amtsantritt treibt Präsident Ahmadinejad einerseits eine ungeheure, israelfeindliche und antisemitische Kampagne voran, während er andererseits das iranische Atomwaffenprogramm forciert und damit ein militärisches Eingreifen Israels, so weit es dazu überhaupt in der Lage wäre, oder der Vereinigten Staaten riskiert.

Die syrische Führung schließlich steht wegen ihrer Unterstützung der im Irak operierenden Mörderbanden, seiner Unterstützung von Terrororganisationen (Hamas, Palästinensischer Islamischer Djihad und Hisbollah, um nur einige zu nennen) sowie seiner Verwicklung in die Ermordung des libanesischen Politikers Rafiq al-Hariri und seiner Rolle bei der Destabilisierung des Libanons unter enormem internationalem Druck.

Das As im Ärmel

Unter diesen Umständen hatten alle drei Akteure großes Interesse daran, durch eine Aufsehen erregende Kampagne ihre Positionen zu stärken. Um Gedanken an internationale Eingriffe und forcierte regime changes entgegenzuwirken, eignet sich für den Iran wie für Syrien nichts besser, als die dieser Tage in die Welt ausgestrahlten Bilder der Unruhe und Gewalt auf den Straßen der islamischen Welt, sowie die Zuspitzung der Auseinandersetzung auf eine Frage verletzter religiöser Gefühle, verursacht durch den ungläubigen Westen. Vor dem Hintergrund der anhaltenden, als „Widerstand des Volkes“ verklärten Terrorwelle im Irak, dienen die Angriffe auf europäische Einrichtungen der Absicht, jedem deutlich vor Augen zu führen, womit „feindliche“ Invasoren im Falle des Falles zu rechnen hätten. Der Iran versucht darüber hinaus durch sein Engagement, die islamische Welt für das eigene Atomwaffenprogramm zu instrumentalisieren: Im „Clash of Civilizations“ hätten die Gläubigen ihre Diktaturen vor dem ungläubigen Westen und, wie könnte es anders sein, vor den „Zionisten“ zu schützen. Dass die Ausschreitungen sich bislang auf europäische Einrichtungen beschränken, ist taktischer Natur. Dem Iran ist klar, dass sein Atomwaffenprogramm in Israel und den USA auf eindeutige Reaktionen stößt. Doch ob die Europäer im Falle des Falles auch ein militärisches Eingreifen unterstützen würden, bleibt dahingestellt.

Syrien hingegen benutzt die Ausschreitungen, um den internationalen Druck ein wenig abzuschwächen, und gleichzeitig den Libanon weiter zu destabilisieren, aus dem es seine Truppen erst Ende April 2005 zurückgezogen hat. So wurde bei den Ausschreitungen in Beirut auch eine christliche Kirche angegriffen, in der gerade eine Messe abgehalten wurde; bei etlichen der beteiligten „empörten Demonstranten“ handelte es sich um Palästinenser und Syrer, die mit Bussen aus dem Bekaa-Tal in die libanesische Hauptstadt gebracht wurden – aus jenem Gebiet im Osten des Libanons also, in dem unter fachkundiger Anweisung durch Syrer und Iraner Militante gleich mehrerer Terrororganisationen in Ausbildungslagern gedrillt werden. Die Involvierung dieser Kräfte macht auch klar, warum die Ausschreitungen in Beirut nach einem Tag durch Sicherheitskräfte, zumindest vorläufig, wieder beendet wurden: Sie dienten eben auch der Untergrabung der Souveränität der libanesischen Regierung und der Verschärfung der internen Auseinandersetzungen, und dies wurde wohl verstanden. Es ist davon auszugehen, dass der weitere Verlauf in Ägypten ähnlich aussehen wird, denn hier wird das Regime Hosni Mubaraks besorgt auf Aktionen aus Reihen der Islamisten reagieren. Ob Ausschreitungen in Beirut oder Kairo in Zukunft unterbunden werden können, ist dennoch fraglich.

Die Hamas schließlich kann darauf spekulieren, dass die Gewalt die erhoffte Einschüchterung des Westens zur Folge haben wird. Zumindest in Europa ist zu erwarten, dass sich viele Stimmen erheben werden, die angesichts der Eskalation fordern, nicht noch weiter „Öl ins Feuer“ zu gießen, nicht weiter den „Zorn“ der arabischen und muslimischen Welt auf den Westen zu „provozieren“ – und deshalb die palästinensische Autonomiebehörde auch trotz der Führung durch die Hamas weiter zu finanzieren. Sie kann sich darauf verlassen, dass auch diesmal die Reaktion nicht ausbleiben wird, die die Geschichte des palästinensischen Terrorismus der letzten Jahrzehnte geprägt hat: Der Terror und die Gewalt wurden praktiziert, weil sie erfolgreich waren; weil beinahe jede Aktion auch im Westen ihre politischen Fürsprecher fand; weil sich auch diesmal jene finden werden, die auf die Gewalt nur mit der Rationalisierung reagieren, die Gewalttäter würden nur aufgrund des Ausmaßes der „Unterdrückung“ und „Erniedrigung“ zu derart drastischen Mitteln greifen. [3] So hat etwa der Theologe Hans Küng bereits erklärt, es werde zu einer gefährlichen Eskalation kommen, wenn der Westen weiter eine Politik verfolge, die muslimische Ressentiments fördere. Nicht islamistische Hetzer, sondern der Westen müsse zur „Selbstbesinnung“ kommen und akzeptieren, dass er schwere Fehler gemacht habe. Nicht etwa die palästinensischen Führungen, denen die Verhinderung und Zerstörung des jüdischen Staates immer wichtiger waren, als die Erlangung eigener Staatlichkeit, nein, der Westen habe seit Jahrzehnten die Entstehung eines Palästinenserstaates verhindert, und bekäme nun eben die Rechnung für seine arrogante Politik präsentiert. [4] Die gerne zu Rate gezogenen „Islamexperten“, von Michael Lüders bis Peter Scholl-Latour, stehen schon bereit, um diese Sichtweise der Dinge weiter zu vertiefen.

Der Zeitplan

Die Indizien deuten darauf hin, dass die Weichen zu den Unruhen der vergangenen Tage im Jänner dieses Jahres gestellt wurden; Drehscheibe des ganzen Unterfangens war vermutlich Damaskus.

Am 19. und 20. Jänner, knapp eine Woche vor den palästinensischen Wahlen, befand sich der iranische Präsident Ahmadinejad auf Staatsbesuch in Syrien. Im Laufe seines Aufenthaltes traf er sowohl mit dem syrischen Präsidenten Bashar Assad, als auch mit den Führungsspitzen der in Syrien ansässigen und vom Iran mitfinanzierten palästinensischen Terrororganisationen zusammen. Darunter befand sich auch Khaled Mashal, politischer Führer der Hamas in Damaskus. (Während des Staatsbesuches sprengte sich ein Selbstmordattentäter des Palästinensischen Islamischen Djihads in Tel Aviv in die Luft und verletzte 31 Menschen. Die Führer der Organisation, die nach Angaben des israelischen Verteidigungsministers Shaul Mofaz im Jahr 2005 mehr als 10 Millionen Dollar aus iranischen Quellen erhalten hat, nahmen derweil am Treffen mit dem iranischen Präsidenten teil.)

Am 28. Jänner traf eine Delegation der Hamas unter Führung von Mashal in Damaskus mit dem syrischen Präsidenten Assad zusammen. Noch am selben Tag wurde der Hamasführer von Hassan Nasrallah kontaktiert, dem Führer der im Libanon operierenden, von Syrien und dem Iran unterstützten Hisbollah. Einige Tage nach den palästinensischen Wahlen reiste eine Delegation der Hamas unter der Führung von Khaled Mashal nach Teheran, um erneut mit Präsident Ahmadinejad zusammen zu treffen. Der Anstoß zum Beginn der orchestrierten Kampagne kam schließlich aus Katar. In seiner Sendung auf al-Jazeera hetzte der einflussreiche Moslembruder al-Qaradawi gegen die vermeintlich gotteslästerlichen Karikaturen und gab damit den Startschuss für ein Unternehmen, das mit den skandalisierten Cartoons in Wahrheit kaum etwas zu tun hatte.

Dass die gewalttätigen Ausschreitungen nicht als spontane Reaktionen verärgerter Muslime begannen, sondern Teil eines organisierten Feldzuges waren, wird vollends deutlich, wenn man einen Blick auf deren Schauplätze wirft. Weder Damaskus noch Teheran sind Orte, an denen einfach auf den Straßen demonstriert werden kann, es sei denn, die Regime stehen hinter den Demonstrationen. Tatsächlich beteiligten sich in Teheran nur einige hundert Menschen an den Angriffen auf die Botschaften Österreichs und Dänemarks – eine nicht gerade beeindruckende Zahl, angesichts einer Stadt mit über 7 Millionen Einwohnern. Vom brodelnden Zorn der muslimischen Massen kann keine Rede sein, stammten die „Protestierenden“ doch überwiegend aus den Kreisen islamistischer, regimetreuer Studentenverbände. Journalisten berichteten darüber hinaus, sie seien bereits Stunden vorher über Orte und Zeitpunkte der Attacken informiert worden. Die Repressionsapparate wären, im Iran wie in anderen nahöstlichen Diktaturen, mit Sicherheit in der Lage gewesen, die angegriffenen Botschaften zu schützen, erhielten jedoch offenkundig die politisch motivierte Order, nicht mit aller Macht einzugreifen. Die Busse, mit denen „Demonstranten“ nach Beirut gefahren wurden, mussten im Vorhinein organisiert worden sein. Je länger die Kampagne anhält, und je weiter sie sich in der islamischen Welt ausbreitet, desto mehr häufen sich die Hinweise auf eine sorgsame Planung. Wie kommen zum Beispiel Afghanen oder Jemeniten von einem Tag auf den anderen an hunderte dänische Flaggen, um diese mediengerecht in Brand zu setzen?

Die Religion des Friedens

Die westliche Öffentlichkeit ist seit Tagen vergeblich darum bemüht, die Frage zu beantworten, wie ein paar Karikaturen nur solche Reaktionen hervorbringen konnten. Vergeblich ist dieses Unterfangen, weil es scheitern muss: Es ist nun einmal nicht vernünftig zu begründen, was die bereits vor Monaten erfolgte Veröffentlichung einiger Zeichnungen mit Demonstranten in London zu tun haben sollten, die auf Plakaten ankündigen, der wahre Holocaust stehe noch bevor, die Forderung erheben, die Feinde des Islam müssten geköpft werden, oder verkünden: „Europe is the problem, Islam is the answer.“ Hier geht es nicht um spontane Empörung, sondern um die politische Agenda von Islamisten. Ihre Führer bemühten sich denn auch, ihr besonderes Verständnis der „Friedlichkeit“ und „Dialogbereitschaft“ des Islam kundzutun. Hisbollahführer Nasrallah predigte auf dem parteieigenen Fernsehkanal, dass sich heute niemand trauen würde, den Propheten zu beleidigen, wenn das einst von Khomeini verkündete Todesurteil gegen den Schriftsteller Salman Rushdie nur vollstreckt worden wäre. Er sei überzeugt, dass hunderte Millionen Muslime bereitstünden, um sich für die Verteidigung der Ehre Mohammeds zu opfern. [5]

Hamasführer Mashal predigte am 3. Februar in Damaskus in einer von al-Jazeera ausgestrahlten Rede, worum es ihm bei der Affäre um die Karikaturen wirklich geht: Der Islam werde siegreich sein und die Führerschaft über die Welt wiedergewinnen. Nun sei der Tag gekommen, an dem der prophezeite Sieg über die Juden wahr werde. Israel müsse vor seinem sicheren Tod erniedrigt und gedemütigt werden. Schon morgen werde die islamische Nation auf dem Thron der Welt sitzen. Die Feinde müssten wissen, dass sie gegen die Armee Allahs kämpften, gegen Menschen, denen der Tod für die Ehre Allahs wichtiger sei, als das Leben. [6]

Derartig mörderischer Größenwahn hat mit dem Bild nicht viel gemein, dass Apologeten aller Herren Länder von der „Religion des Friedens“ zeichnen. Es soll gar nicht bestritten werden, dass die Allmacht- und Vernichtungsfantasien eines Khaled Mashal und seiner Moslembrüder durchaus extreme Positionen im zeitgenössischen Islam darstellen. Doch wenn immer auf den gemäßigten Islam verwiesen wird, der ganz andere, friedliche, dialog- und verständigungswillige Positionen vertrete, so bleiben Vorsicht und Skepsis geboten. Wenn es denn diese Muslime gibt, die mit dem Islamismus nichts zu tun haben wollten, wo sind ihre Wortführer? Ist etwa in den vergangen Tagen ein bloß im Westen nicht zur Kenntnis genommener Aufschrei der Empörung durch die arabische und islamische Welt gegangen? Wo sind die maßgeblichen islamischen Autoritäten, die sich gegen die politische Funktionalisierung des Islams zur Wehr setzen? Eine nüchterne Betrachtung muss leider zu dem Schluss kommen, dass gerade die maßgeblichen islamischen Gelehrten und Autoritäten die Proteste nicht nur nicht verurteilt haben, sondern sich im Gegenteil, wie Großscheich Tantawi von der al-Azhar-Universität in Kairo, an deren Spitze gestellt haben.

[1Vgl. Vidino, Lorenzo: Creating Outrage. Meet the imam behind the cartoon overreaction, www.nationalreview.com, 6. Februar 2006

[2Duo hogs top prize in pig-squealing contest. Father-son team oinks way to victory in French cult competition, http://www.msnbc.msn.com/id/8959820, 8. Februar 2006

[3Vgl. Dershowitz, Alan M.: Why Terrorism Works. Understanding the threat, responding to the challenge, Yale University Press 2002

[4„Doppelbödigkeit der westlichen Politik muss ein Ende finden“, www.dw-world.de, 9. Februar 2006

[5Vgl. www.memri.org. Special Dispatch Series No. 1088, 7. Februar 2006

[6Vgl. www.memri.org. Special Dispatch Series No. 1087, 7. Februar 2006