Kindesmißbrauch
Kindesmißbrauch ist in Österreich nicht verboten. Kindesmißbrauch wird in Österreich nicht geächtet. Kindesmißbrauch wird in Österreich verordnet.
Kindesmißbrauch hat in Österreich Tradition.
An die Schulleitungen des Bez. Imst.
Der k.k. Landesschulrat hat mit Erl. vom 20. Oktober d. Js. Nr. 3195/1 folgendes eröffnet:
Unser Vaterland, von allen Seiten vom Feinde bedroht, ruft neuerlich seine Bürger zur Teilnahme an der III. Kriegsanleihe auf. Die Schulleitungen werden daher nach allen Kräften auf die Schuljugend zur Beschaffung der Mittel für die Verteidigung des Vaterlandes einzuwirken haben. Insbesondere ist der Schuljugend nahe zu legen, daß sie ihre Eltern und Verwandte zur eifrigsten Teilnahme an der III. Kriegsanleihe bewege.
Der k.k. Bezirkshauptmann und
Vorsitzende des Bezirksschulrates:
Odenthal
- Kindesmißbrauch März 1938: (aus einem Schulaufsatz)
Am Montag in der Schule wurde das Lied der Deutschen aufgeschrieben und gelernt Am Dienstag wurde der Deutsche Gruß „Heil Hitler“ gelernt. Am Mittwoch den 16. März kam deutsche Polizei nach Sölden. Wir Schüler mußten auf den „Adolf Hitler“ Platz hinunter gehen und sie mit dem Gruß „Heil Hitler“ empfangen. Einige von der Polizei gaben jedem Schüler ein(e) Schokolade. Nachher wurde gesungen.
Wenn sich nichts ändert, kann sich nichts ändern. Ein ähnliches System wird immer zu ähnlichen Mitteln greifen.
Ob über ein k.k. Kriegsbureau oder über die Propagandaabteilung im faschistischen Ständestaat, ob übers Reichsministerium für Volksaufklärung oder heute über Public Relation-Abteilungen, die Mächtigen suchen immer den direkten Zugriff auf das Denken der Menschen.
Heute wie damals werden Kinder benützt. Wird Ihnen Gewalt angetan.
Wird das besondere Autoritätsverhältnis in der Schule brutal ausgenützt.
Die Vereinigung Österreichischer Industrieller rühmt sich in ihren internen Leistungsbilanzen: „Durch zahlreiche Vorträge, Veranstaltungen in Schulen, durch Abhaltung von Lehrerseminaren sowie publizistische Tätigkeit wurde der notwendige Informations- und Meinungsbildungsprozeß in Sachen EG-Beitritt unterstützt.“ (VÖI- Jahresbericht 1990) Auch die Bundeswirtschaftskammer protzt damit, „Seminare für Lehrer über wichtige EG-Themen veranstaltet“ zu haben (T. Wirtschaft, 26.7.91).
Eine „Volkswirtschaftliche Gesellschaft“, die ihr Geld von verschiedenen Kapitalisten-Vereinen erhält, am meisten von der Industriellenvereinigung, hat ein mehr als 1,5 kg schweres „Medienpaket“ „EG — Über sich hinauswachsen“ an Österreichs Schulen verschickt. Bereits bei der zweiten Auflage dieser „Handreichung“, wie der Unterrichtsminister dieses tendenziöse Druckwerk nennt, kriecht der Staat vor den Lobbys zu Kreuze und läßt es „im Auftrag des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst“ erscheinen. Zur gebotenen Ausgewogenheit nur soviel: Das Transitproblem kommt in der dicken Mappe vor lauter EG-Vorteilen praktisch nicht vor. Dafür ist aber Platz, um die Warner vor „dem Beitritt“ niederzumachen:
„Zu den EG-Kritikern in Österreich zählen nicht zuletzt linkssozialistische, linkskatholische sowie linksintellektuelle Splittergruppen, die in derzeit rund 12 Organisationen zu finden sind.“ (Seite 106) Die Industriellenvereinigung, die Geld wie Dreck hat, hat selbst ein 2,3 kg schweres „Medienpaket“ „Europa — unsere Chance / Unterrichtsmaterialien“ an die Schulen geschickt. Übrigens wurde auch diese Keule, zumindest in Teilen, vom Ministerium gutgeheißen.
Die Industriellenvereinigung, die das Geld hat, Politiker zu bezahlen, hat auch das Geld, einen reißerischen EG-Videofilm herumzuverschenken.
Aber wehe, die Lehrer parieren nicht so, wie es die Industriellen (von den Politikern) gewohnt sind!
„Die Industrie ist von der mangelnden Ausrichtung des Unterrichtes auf ein geeintes Europa enttäuscht.“ berichtet der Standard von einer Pressekonferenz der Industriellenvereinigung. Das Problem liege „in einer nicht sonderlich weiterbildungswilligen und durch ‚Grün-Propaganda‘ mit Vorurteilen belasteten Lehrerschaft“. (Standard, 7.9.90) Mit Vorurteilen belastet, das ist gerade etwas, was die Industriellenvereinigung nicht ist. „Industrie kritisiert EG-Skepsis der Lehrer in Österreich“ übertitelt die Tageszeitung ein anderesmal eine Klage dieses Vereins. „Die Bereitschaft und das Engagement der Lehrer, die Jugend über die EG und die Chancen der europäischen Integration zu informieren, seien zuletzt deutlich gesunken. Es reiche nicht mehr aus, die Lehrer nur mit Unterlagen zu versorgen. Das Unterrichtsministerium müsse mehr tun.“ (TT, 7.8.91)
Genau die, die hauptberuflich von Entstaatlichung reden, fordern — wenn’s um die Abrichtung des Nachwuchses geht — den Staat auf, zu handeln. Sie zeigen damit, daß sie den Staat halt als Werkzeug in ihren Händen betrachten. Und dieser zeigt durch seine Reaktion, daß er sich auch selbst nur als Werkzeug in ihren Händen betrachtet. Also rennt der Minister, wenn ihm gepfiffen wird. Eine „Österreichwoche“ in den Schulen (Erl. Z 16 950/12-25/91) wurde unter das Motto „Unser A in Europa“ gestellt: „unter Bezugnahme auf die aktuelle EG-Diskussion wird (...) insbesondere der Schuljugend Einblick in die wirtschaftlichen Zusammenhänge geboten“. Eine eigene „Publikation zum Schwerpunktthema“ für Lehrer und ein „Poster, der für den Aushang in den Schulen bestimmt ist“, wurde beigestellt, auch ein Computerspiel. Zudem wurde ein Aufsatzwettbewerb abgeführt und eine fünfteilige Schulfunksendung „Wo ist Europa?“ ausgestrahlt.
„Für den schulischen Bereich besteht zwischen dem Bundeskanzleramt und dem Bundesministerium für Unterricht und Kunst ein enger Informationsaustausch“, bestätigt das Staatssekretariat im Bundeskanzleramt, das für die flächendeckende EG-Propaganda zuständig ist. „Für den Herbst sind eine Reihe von Aktionen in Planung.“ (Schreiben vom 27.8.91)
1938 haben die staatlichen Kinderverzahrer die Schülerinnen und Schüler eingespannt, um bei der Volksabstimmung über den bereits vollzogenen Anschluß Österreichs an das Dritte Reich das gewünschte Ergebnis zu erzwingen. „So wurden die Kinder angelernt, den Erwachsenen beim Begegnen zuzurufen ‚Stimmts mit Ja!‘“ (Pfarrchronik Längenfeld/Ötztal).
Heute werden die Kinder wieder benutzt, um die Volksabstimmung über den EG-Anschluß Österreichs zum richtigen Ausgang zu führen.
Der Geschäftsführer der Werbeagentur Grey Austria, die üblicherweise Corega Tabs Plus, Natreen und Frolic anpreist, rät den mit der EG-Kampagne befaßten Branchenkollegen: „Da muß Basisarbeit geleistet werden. Von den Lehrern zum Beispiel, dort, wo das Wissen nach Hause getragen wird.“ (a3 boom!, Aug. 91)
Auf eine Demokratie fehlen auch heute Kilometer.
