Wurzelwerk, Wurzelwerk 33
Oktober
1984

Landwirtschaft am Plafond

Biologisch-ökologische Anbauformen als einzige Alternative

Unsere Landwirtschaft hat derzeit mit großen Problemen zu kämpfen, die als Folge einer sehr stark technisch orientierten Produktion mit hohem Fremdstoffeinsatz auftreten. Die Verwertung der Agrarüberschüsse zählt zu den brennendsten Problemen der Agrarpolitik. Sie sind die sicht- und spürbarste Folge einer landwirtschaftlichen Erzeugung mit hohem Einsatz von Zukaufbetriebsmitteln, zum Teil auch einer Landwirtschaft, die den organischen Betriebskreislauf aufgegeben hat.

Die steigenden Kosten der Verwertung dieses Überschusses verschlingen Unmengen von Geld, das in anderen Bereichen zur Förderung der Landwirtschaft Verwendung finden könnte. So betrug z.B. das Agrarförderungsbudget des Bundes im Jahre 1983 rund 2,1 Milliarden Schilling. Die Kosten der Überschußverwertung für Milch und Getreide, die im gleichen Jahr einerseits aus Bauerngeldern und andererseits aus Budgetmitteln des Bundes aufgebracht werden mußten, betrugen hingegen rund 4 Milliarden Schilling.

Auf dem pflanzenbaulichen Sektor entstehen die Überschüsse durch den hohen Einsatz von Zukaufdüngemitteln, vor allem von Stickstoff, der unter hohem Einsatz von Energie (importiertes russisches Erdgas) aus der Luft geholt wird. Für eine Tonne Reinstickstoff werden 1.100 m3 Erdgas benötigt.

Auf dem Milchsektor entstehen wesentliche Überschüsse durch den Import von Futtermitteln.

Symbolcharakter

Man wird sicher nicht fehl gehen, wenn man feststellt, daß unsere immer mehr Verwertungskosten verursachenden Überschüsse importiert, also eingekauft sind in Form von Düngemitteln oder in Form von Rohstoffen (Energieaufwand) und in Form von Futtermitteln. Von letzteren importierte Österreich im Jahre 1981 550 Millionen kg. Der hohe Verbrauch dieser Zukaufbetriebsmittel erweist sich, wie wir sehen, immer mehr zum Nachteil für die Landwirtschaft: Hohe Mengenproduktion drückt den Preis, führt dadurch zum Kaufkraftschwund landwirtschaftlicher Produkte und vergrößert die Einkommensunterschiede der Landwirtschaft.

Der Einsatz von Zukaufbetriebsmitteln hat die starke Konzentration der landwirtschaftlichen Erzeugung in immer weniger Betrieben möglich gemacht und dadurch zu einem enorm großen Verlust landwirtschaftlicher Arbeitsplätze geführt. Die Lebensmittelversorgung in Krisenzeiten ist als Folge der großen Abhängigkeit von Zukaufsbetriebsmitteln gefährdet

Die bäuerliche Freiheit und Unabhängigkeit ist durch immer größere Abhängigkeit verloren gegangen.

Weltweit gesehen ist die landwirtschaftliche Situation erschütternd: Der Westen produziert Überschuß, mitunter landen Tonnen von Getreide am Meeresgrund, Obst und Gemüse verfaulen. — Die 3. Welt Länder produzieren fast ausschließlich für den Export, um den Lebensstandard von einigen wenigen zu sichern, während ein Großteil hungert bis verhungert. Das größte landwirtschaftliche Problem, dem wir alle in Zeiten wie diesen Aufmerksamkeit schenken sollten, ist jedoch folgendes: Wie lange werden die von sauren Regen übersäuerten und von Spritzmitteln übersättigten Böden noch standhalten?

Es steht uns nicht zu noch länger zu warten, bis der Acker streikt, bis er tot ist, was bei Fortdauern der jetzt angewandten Anbaumethoden in absehbarer Zeit zu erwarten ist. Jetzt müssen die notwendigen Schritte unternommen werden, um die Lebensmittelversorgung auch für die ferne Zukunft sichern zu können.

Es muß zunächst festgestellt werden, daß spezialisierte Landwirtschaftsformen unökologisch sind. Weil in einer gesunden Natur Vielfalt vorherrscht und zwischen den einzelnen Lebewesen gewisse Gleichgewichtszustände bestehen, müssen einseitig spezialisierte Landwirtschaftsformen als nicht naturkonform bezeichnet werden.

Von Versteppung bedroht: Kornkammer Marchfeld

Hier nur einige Beispiele ökologisch unerwünschter Folgen:

Die Struktur vieler Böden verschlechtert sich. Dies zeigt sich dadurch, daß der Gärezustand vieler Böden ungünstiger und der Energieaufwand bei der Bodenbearbeitung zur Erreichung einer wenigstens mechanischen Gäre größer geworden ist.

Bei Verzicht auf eine Fruchtfolge oder bei weitgehender Einschränkung derselben läßt die natürliche Bodenfruchtbarkeit nach, dadurch steigt der Bedarf an Zukaufdüngemitteln.

Die Intensivierung und Spezialisierung hat ganz allgemein zu größerer Krankeits- und Schädlingsanfälligkeit der Pflanzen geführt. Dies erfordert wiederum einen höheren und regelmäßigeren Einsatz von Pfanzenschutzmitteln.

Durch die immer häufigere Verwendung von chemischen Pfanzenschutzmitteln hat man ungewollt immer widerstandfähigere Schädlinge gezüchtet, die die Entwicklung immer wieder neuer, wirksamerer Mittel erfordert. Gleichzeitig wurden auch die Nützlinge entweder direkt oder indirekt (Verlust der Nahrungsgrundlage) dezimiert.

Durch eine einseitige Bodennutzung und durch Anwendung von chemischen Unkrautbekämpfungsmitteln ist es ungewollt zu immer schwerer bekämpfbaren Unkrautmonokulturen gekommen.

Es hat kaum einen Sinn, der Frage nachzugehen, wer an dieser Entwicklung Schuld ist. Tatsache ist, daß es so nicht weitergehen darf. Die Neubesinnung auf die »Ökologie als Produktionsfaktor« muß oberstes Ziel sein.

Das heißt konkret:

Steigerung der natürlichen Fruchtbarkeit des Bodens.

Ein bestens gepflegter, schonend bearbeiteter und mehrseitig genutzter Boden mit ausreichendem Humusgehalt kann sehr viel mehr Eigenleistungen erbringen, die man ansonsten mit Zukaufdüngemitteln ersetzen muß.

Einsparung an Zukaufdüngemitteln durch bessere Pflege und Nutzung der Wirtschaftsdünger.

In den letzten Jahrzehnten wurde ein viel zu großer Teil der Aufmerksamkeit wie der Mittel der Prüfung der Nützlichkeit von Industrieprodukten gewidmet und ein viel zu kleiner Teil jener Mittel, die die Natur dem Bauern zur Verfügung stellt.

Nährstoffgewinnung mit Hilfe der Natur Sicherung der Pflanzengesundheit durch Kulturmaßnahmen.

»Bodengesundheit ist Pflanzengesundheit«.

Schädlingsabwehr und Schädlingsbekämpfung mit natürlichen Mitteln.

Gute, abwechslungsreiche Pflanzenbestände und futterschonende Heuwerbung.

Gesunde Tiere durch gesunde Böden und naturnahe Haltungsmethoden.

Die Natur als Produktionsfaktor oder mit anderen Worten den »Segen der Erde« kann man umso mehr nützen, je mehr man nach den Grundsätzen eines organischen Betriebskreislaufes wirtschaftet.

DIE NATUR KANN DEM AM MEISTEN HELFEN, DER SICH AN IHRE GRUNDSÄTZE HÄLT.

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