FORVM, No. 230/231
März
1973

Mitarbeit als Strategie

Auszüge aus dem Entwurf „Grundsätze der Politik“

5/2/1. Längst sind die materiellen Bedingungen für eine soziaiistische Organisation der Gesellschaft in den kapitalistischen Staaten Westeuropas herangereift. Durch die überholte kapitalistische Produktionsweise wird die Entwicklung der Produktivkräfte in einem noch nie dagewesenen Ausmaß gehemmt und pervertiert. Aber die Krise tritt in neuen Formen zutage. Der Druck der Arbeiterbewegung und die Systemkonkurrenz mit den Übergangsgesellschaften erzwangen Eingriffe in den kapitalistischen Wirtschaftskreislauf, durch die es gelang, besser als früher die Vollbeschäftigung zu garantieren, eine langsame, aber stetige Steigerung des Lebensstandards der Massen zu sichern und damit in den Perioden der Prosperität eine gewisse Stagnation der Klassenkämpfe, eine relative Passivität der Arbeiterschaft zu bewirken.

Diese Passivität nimmt in dem Maß ab, als die gesellschaftlichen Möglichkeiten und damit auch die gesellschaftlichen Bedürfnisse zu einer Aufhebung der verdinglichten Herrschaftsverhältnisse drängen. Es ist unrealistisch und fatalistisch darauf zu warten, daß das Kapital sich selbst entlarvt, daß es seiner Verwertungsschwierigkeiten nicht mehr Herr wird und Katastrophen anzettelt. Gerade die als Antwort auf die Kämpfe der Arbeiterbewegung ausgeheckten Gängelungs-, Lenkungs- und Kontrollmechanismen des Staates und der „Wirtschaftspartner“ werden dem wirksam begegnen können.

Der entscheidende Widerspruch des Kapitalismus besteht nicht in den Gegensätzen der Einzelkapitalien untereinander, er liegt in der Schere von Realität und Möglichkeit, in der Fesselung der Produktivkräfte, in den sich an den wachsenden Möglichkeiten der Produktivkräfte organisierenden steigenden Erwartungen der Arbeiterklasse, in ihren höheren Forderungen und in der Unmöglichkeit, diese auf kapitalistischer Grundlage (ohne weitgehende Kompromisse) erfüllen zu können.

5/3/1. Die Entfaltung der Produktivkräfte und der Vergesellschaftung der Arbeit äußert sich in der steigenden Abhängigkeit der verschiedenen gesellschaftlichen Bereiche voneinander. Das hat die Ausweitung der inneren Widersprüche des Kapitals auf allen Ebenen zur Folge. Der Städtebau, das Sozial- und Gesundheitswesen, die Kommunikationssphäre rücken immer mehr in der Öffentlichkeit zu Problemen auf. Hier werden besonders kraß die irrationalen Wirkungen der an Tauschwerten ausgerichteten kapitalistischen Produktionsweise deutlich. Privateigentum und Profitorientierung treten in Gegensatz zu gesamtgesellschaftlichen Erfordernissen. (Zum Beispiel Autolobbies, Grundstückspekulation, die Abhängigkeit der Projektfinanzierung von Gewerbesteuer und damit auch interessenmäßige Abhängigkeit von den Unternehmern behindern eine den Wünschen und Bedürfnissen entsprechende Stadtplanung.)

5/3/2. Die Beeinflussung, Manipulation der kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Meinungen aller Teile der Bevölkerung ist wesentlicher Bestandteil der Herrschaftsausübung in jeder Form der Klassengesellschaft. Je geringer die Möglichkeiten gewaltsamer Machtausübung durch offene Unterdrückung sind, um so größer die Bedeutung dieses Elements der Klassenherrschaft. Den politischen und wirtschaftlichen Interessen der kapitalistischen Gesellschaft Rechnung tragend, trägt es aber gleichzeitig einen immanenten Widerspruch in sich, indem es zwar Tatsachen, Inhalte und Hintergründe verschleiert, durch seine bloße Wirkung jedoch auch Bewußtsein, Urteil, Fähigkeit zur Differenzierung herausfordern und fördern kann.

5/3/3. Diese Fragen müssen in einer revolutionären Strategie einen bedeutenden Platz einnehmen. Überall dort, wo das Kapital dem gesellschaftlichen Fortschritt hemmend gegenübersteht oder diesen in eine absurde Richtung drängt, gilt es zu intervenieren. Denn die Arbeiterschaft wird erst dann bereit sein, das große Wagnis einer revolutionären Machtergreifung auf sich zu nehmen, wenn sie eine prinzipielle Alternative vor Augen hat, wenn sie sich In die Lage versetzt sieht, die Ursache für alle Mißstände der derzeitigen Gesellschaftsordnung zu erkennen und zu beseitigen. Indem das Kapital in seinen verschiedenen Einflußbereichen bekämpft wird, kann es in der unmittelbaren Wahrnehmung als das elementarste Herrschaftsverhältnis verallgemeinert werden.

5/3/4. Primäres Ziel wird dennoch die Verankerung in den Betrieben und Produktionsstätten sein. In der Fremdbestimmung der Arbeit, der hierarchischen Ordnung des Betriebes ist der Grundwiderspruch zwischen Lohnarbeit und Kapital am unmittelbarsten wirksam. Die mit regelmäßiger Beständigkeit auftretenden Lohn- und Arbeitskonflikte wirken von allen sie betreffenden Fragen auf die Arbeiterschaft am meisten handlungsmotivierend. Es ist leichter, dort ein solidarisches Handeln zu erreichen, wo die Gemeinsamkeiten in der täglichen Arbeit und Tätigkeit bereits fest verwurzelt sind. Der Arbeiter muß nicht aus seinem gewohnten Erfahrungs- und Lebensbereich heraustreten, um sich mit anderen in einer gemeinsamen Kampffront zu vereinigen. (Die künstlich geförderte Atomisierung der Menschen außerhalb der Produktionssphäre senkt ihre Bereitschaft, sich für etwas gemeinsam einzusetzen.) Betrieblicher und außerbetrieblicher Kampf stehen in einer wechseiseitigen Beziehung zueinander. Der eine ist Bedingung des anderen.

5/4/1. Alle seine Krisen wird das Kapital stets auf Kosten der lohnabhängigen Klassen zu lösen versuchen. Der hier einsetzende Widerstand der Arbeiterklasse war immer der auslösende Moment von offenen Klassenkämpfen, sei es gegen den drohenden Verlust von Arbeitsplätzen in strukturschwachen Industrien, sei es gegen die Intensivierung der Arbeitsbelastungen, gegen steigende Inflation oder politische Vorstöße der Kapitalisten. Klassenkämpfe beginnen meist als Abwehrkämpfe, sie helfen solidarisches Bewußtsein zu entwickeln, bereits Erreichtes zu sichern und zu erweitern. Solange aber diese Kämpfe von den Arbeitern nicht im Bewußtsein geführt werden, die kapitalistische Qualität des Lebens in Frage zu stellen und damit einen Schritt weiter zur sozialistischen Revolution zu bewältigen, sondern bloß um gewisse Unzulänglichkeiten des Systems zu beseitigen, Härten zu mildern und Übergriffe zurückzuweisen, werden diese Kämpfe, sobald ein gewisser Erfolg sich einstellt, sehr bald abbröckeln und abrupt abbrechen. Durch Abwehrkämpfe läßt sich keine Kontinuität der antikapitalistischen Bewegung herstellen, ihre Logik entspricht weitgehend der Logik des Kapitalismus.

5/4/2. Daher ergibt sich die Notwendigkeit, den Klassenkampf offensiv zu führen, nicht nur Übergriffen des Kapitals zu begegnen, sondern selbst Forderungen zu stellen, die die Verfügungsgewalt des Kapitals in Frage stellen (z.B. Arbeiterkontrolie) und bei den Auseinandersetzungen stets den fortschrittshemmenden Charakter des Kapitals, seine historische und gesellschaftliche Überholtheit offenlegen.

5/4/3. Die Inhalte solcher Forderungen sollten an drei Bedingungen gemessen werden:

  1. Inwieweit sie die Lage der Arbeiterschaft bessern.
  2. Inwieweit die alleinige Verfügungsmacht der Kapitaleigner eingeschränkt wird, ohne sich dabei selbst der „Sachlogik“ des Einzelkapitals oder des Gesamtkapitals zu unterwerfen.
  3. Inwieweit sie das Endziel, die politische und ökonomische Machtergreifung der Arbeiterklasse, propagandistisch vorbereiten.

5/4/4. Damit distanziert man sich von drei Richtungen: von denjenigen, die es für möglich halten, die materielle Lage der Arbeiterklasse auch innerhalb des kapitalistischen Systems zu heben; weiters von den Ideologen der Sozialpartnerschaft, für die Mitbestimmung mehr ein Mittel zur Disziplinierung als autonome Gegenmacht bedeutet; und schließlich von jenen, die ein friedliches Hineinwachsen in den Sozialismus für möglich halten und die Strategie der langsamen, aber sicheren Aushungerung der Kapitalisten vertreten.

5/4/5. Solange das Kapital die Führung in der Gesellschaft innehat, solange wird es auch imstande sein, Errungenschaften und Initiativen der Arbeiterbewegung in seinem Sinne zu integrieren. Es ist daher falsch, mechanisch zwischen antikapitalistischen und reformistischen Forderungen zu unterscheiden, sein Heil krampfhaft in solchen Forderungen zu suchen, denen scheinbar, meist verbal, ein Sprengsatz innewohnt. Nicht die Reformen an sich, sondern ihr Stellenwert innerhalb der Klassenkämpfe machen sie zu einem entweder systemstabilisierenden oder sozialistisch mobilisierenden, systemsprangenden Element.

5/5/1. Im Abschnitt über die Klassenstruktur in Österreich wurde bereits die Tatsache der Zurückdrängung des Mittelstandes und der Bauernschaft hinsichtlich ihrer Größenordnung und Bedeutung festgehalten und es wurde auf die Erweiterung und Differenzierung der Arbeiterklasse hingewiesen. Die politischen Hauptbemühungen können demnach nicht mehr primär in der. traditionellen Bündnispolitik liegen, in dem Versuch, durch ein Minimalprogramm, durch eine Volksfrontstrategie. etc. Teile der nichtproletarischen Klassen für den proletarischen Klassenkampf zu gewinnen, sondern es kommt darauf an, eine Aktionseinhelt der verschiedenen Fraktionen innerhalb der Arbeiterklasse herzustellen.

5/5/2. Die Trennung von Hand- und Kopfarbeit, von produktiver und unproduktiver Arbeit, von materieller und immaterieller Produktion, die schärfere Form der Ausbeutung der Frau und der Lehrlinge — Resultat vorkapitalistischer und kapitalistischer Arbeitsteilung — erschweren die Herausbildung eines einheitlichen Solidaritäts- und Kampfbewußtseins. Aber diese äußeren Unterscheidungsmerkmale der verschiedenen Teile der Arbeiterklasse treten immer mehr hinter das ihnen gemeinsame Verhältnis zurück, nämlich ihre Unterjochung und Fremdbestimmung durch die kapitalistischen Produktionsverhältnisse.

5/5/3. Trotzdem erscheint es notwendig, die unterschiedlichen Bedingungen der Teile der Arbeiterschaft zur Entwicklung von Klassenbewußtsein zu berücksichtigen, um so in der Agitation bei den von den verschiedenen Arbeiterfraktionen auch verschieden wahrgenommenen Erscheinungsformen des Widerspruchs von Lohnarbeit und Kapital ansetzen zu können. Das bedeutet, daß alle möglichen Elemente, die zur Entfaltung von Klassenbewußtsein beitragen (z.B. die veränderte Struktur des Arbeitsprozesses, höhere Qualifikation der Arbeitskraft und dazu relative Dequalifizierung eines Großteils der technischen Intelligenz innerhalb des Arbeits- und Verwertungsprozesses) zu berücksichtigen sind, da sonst eine verkürzte Betrachtungsweise entweder zur Aufgabe sozialistischer Zielsetzungen oder zur Überbetonung bestimmter Wirkungsbereiche verbunden mit der Heraufbeschwörung bestimmter Avantgarden (Jugend, Intelligenz, manuelle Arbeiter etc.) führen könnte.

5/6/1. Je weniger der Klassenkampf und das Klassenbewußtsein entwickelt, um so leichter ist es möglich, die verschiedenen Fraktionen des Proletariats schon durch ihre Existenzbedingungen zu zersplittern und gegeneinander auszuspielen. Insofern zeigt das unter der Arbeiterklasse und ihren Organisationen herrschende Verständnis der Lage der weiblichen Arbeiterbevölkerung auch die Reife der gesamten Arbeiterklasse. Die Existenzbedingungen eines Großteils der berufstätigen Frauen sind weitaus schlechter als die der Männer. Erstens sind die Frauen zumeist in unqualifizierten Berufen beschäftigt und bekommen selbst bei gleicher Qualifikation und Leistung niedrigeren Lohn. Zweitens bilden hauptsächlich die Frauen der Arbeiterklasse ein ständiges Arbeitskräftereservoir, das je nach der Konjunkturlage ausgeschöpft werden kann. Diese Benachteiligung der Frauen hängt zusammen mit ihrer Familienrolle. Zum einen hat die Frau in der Familie die Aufgaben der Reproduktion und Heranziehung einer neuen Arbeiterbevölkerung und der Regeneration der Arbeitskraft des Mannes. Diese Einschränkung der Frau auf die Familienrolle wirkt sich in der Erziehung von Mädchen dahingehend aus, daß ihnen als eigentliche Aufgabe die Vorbereitung auf ihre Familienrolle vorgestellt wird und deshalb auch der Berufsbildung. der Mädchen, wie sich statistisch nachweisen läßt, geringere Bedeutung gegeben wird. Weiters betrachten die Frauen infolge ihrer Bindung an die Familienrolle ihre Berufstätigkeit als gerade notwendigen Nebenerwerb, sie empfinden die Beschränkung auf die Haushaltstätigkeit nicht als Arbeitslosigkeit; derart eignet sich der Haushalt als Pufferzone für die Abdämpfung von Wirtschaftsrezessionen. Weiters führt die für die Frauen unerträgliche Belastung durch die Doppelrolle die schlechteren Existenzbedingungen herbei. Da den Frauen neben ihrer Berufstätigkeit weiterhin die Belastung, nämlich der Haushalt, mehr oder weniger aufgebürdet bleibt, bleibt ihnen die Möglichkeit, sich beruflich zu qualifizieren, versagt.

5/7/1. Politik erschöpft sich nicht einfach in der Verkündung von Grundsätzen. Sie orientiert sich an der Bewegung der Klasse, und zwar nicht einer abstrakten, theoretisch erdachten Klasse, sondern der Arbeiterklasse wie sie wirklich ist: mit bestimmtem Bewußtsein und in hohem Maß in bestimmter Weise organisiert. Daher stellt sich uns die Frage, welche Haltung wir gegenüber den gesellschaftlich wirksamen Organisationen der österreichischen Arbeiterschaft einnehmen.

5/7/2. Der Widerspruch zwischen ihrer derzeitigen objektiven Funktion als stabilisierendes Moment des kapitalistischen Systems und dem Zwang, Impulse und Stöße von der Klasse aufzunehmen, auf die sie sich als Wahlpartei zum größten Teil stützt, ist für die SPÖ unaufhebbar. Dieser Widerspruch prägt die Politik der SP in der Regierung (wie in der Opposition), er findet sich wieder in den noch schaumgebremsten, bei den ersten größeren Klassenkämpfen sicher schärfer werdenden Auseinandersetzungen zwischen „Wohlfahrtsstaatssozialisten“, die der Arbeiterschaft weismachen wollen, in Österreich gebe es gar keinen Kapitalismus mehr, dem reformistischen Gewerkschaftsflügel, in dem noch vage sozialistische Zielvorstellungen vorhanden sind, der auf Ausgleich und Herrschaftssicherung bedachten Parteibürokratie und den kleinen isolierten Gruppen von Trägern marxistischen Gedankengutes.

5/7/3. Die gegenwärtige Politik der Sozialdemokratie als Ganzes gesehen wirksam bekämpfen, bedeutet gleichzeitig die eigentliche Triebkraft des Geschehens, das Kapital, an den Pranger stellen und der Demagogie der authentischen Klassenparteien des Kapitals ÖVP und FPÖ begegnen. (Z.B. in der Inflationsfrage.) Mechanistisch vereinfachend jede Differenzierung von vornherein abzulehnen und jede Maßnahme der SP-Regierung, die unumgehbare Wünsche der Werktätigen in gefilterter Form widerspiegelt, als „gefährliche Illusionen schaffend“ zu verteufeln, ist falsch. Keine dieser Maßnahmen sprengt den gegebenen kapitalistischen Rahmen, dem sich die SPÖ verpflichtet fühlt. Aber so reagieren, heißt rein defensiv agieren, heißt auf jeden Versuch verzichten, solche, auf den Widerstand der Bourgeoisie stoßenden Initiativen weiterzutreiben und damit Bewußtsein zu bilden, heißt die Herausbildung eines linken Flügels in der SPÖ erschweren und potentielle Möglichkeiten der Aktionseinheit mit Arbeitern und Angestellten, die der SPÖ angehören, verspielen.

5/8/1. Die KPÖ vermag, nicht zuletzt wegen ihrer sektiererischen Politik, auch in dieser entscheidenden Frage keine Alternativen anzubieten. Ihre Politik zielt nicht auf eine möglichst breite Aktionseinheit, um im Kampf gegen das Großkapital und seine Hauptparteien ÖVP und FPÖ die SPÖ einem starken Druck ihrer Basis auszusetzen, der innerhalb der SPÖ Polarisierungsprozesse auslösen könnte. Im Gegenteil, die KPÖ arbeitet objektiv auf den Sturz der SP-Regierung hin, oft in fatalem Gleichklang mit der ÖVP, und sie ebnet faktisch einem Bürgerblock den Weg. Eine solche Entwicklung nach rechts würde allen Interessen der Arbeiterklasse widersprechen und die Bedingungen für die politische Arbeit der gesamten Linken verschlechtern.

5/8/2. Alle verbale Radikalität, alle Ansprüche auf die Führungsrolle in der Linken („einzige linke Kraft“ usw.) können nicht darüber hinwegtäuschen, daß die KPÖ mit einer solchen Politik jede konkrete sozialistische Perspektive aufgibt, soweit diese nicht in den Paar-Prozente-Mehr bei den diversen Wahlen für die KPÖ sich ausdrückt. Die verhängnisvolle Rolle der völlig unkritischen Apologetik der KP-Führung gegenüber jedem politischen Schritt der Länder des sowjetischen Einflußbereiches (die selbst unter den anderen kommunistischen Parteien der kapitalistischen Länder in dieser primitiven Form selten anzutreffen ist) raubt ihr auch den letzten Rest der Glaubwürdigkeit bei den Massen.

5/8/3. Dies macht selbst minimale Ansätze von Aktionseinheit mit der KPÖ oft von vornherein fragwürdig. Dazu kommt, daß die KPÖ, ausgehend von ihrer anmaßenden Haltung, „einzige linke Kraft“ in Österreich zu sein, nicht einmal in Fragen der antiimperialistischen Einheitsfront sich politisch korrekt zu verhalten weiß, ja diese sogar zu Prestigezwecken ausnützt. Die Ablehnung jeder Form von Sektierertum unsererseits verpflichtet uns nichtsdestoweniger überall dort, wo es ohne Preisgabe politischer Grundsätze möglich ist und die revolutionäre Sache es erforderlich macht, auch mit der KPÖ temporäre Aktionsbündnisse einzugehen.

5/9/1. Die Weichen in Richtung Sozialismus werden in den Betrieben gestellt, deshalb muß die politische Tätigkeit in den Betrieben Schwerpunkt jeder revolutionären Aktivität sein. Das schließt heute die Tätigkeit in Gewerkschaften notwendigerweise mit ein.

5/9/2. Der ÖGB ist heute die entscheidende Klassenorganisation zur Wahrnehmung der unmittelbaren materiellen Interessen des österreichischen Proletariats, in ihrer ökonomistischen Beschränktheit und in objektivem Zusammenspiel mit den Trägern des kapitalistischen Systems die dialektische Wechselwirkung zwischen Führung und Basis, bzw. ihrem aktuellen Bewußtseinsstand widerspiegelnd. Jeder Versuch, derzeit neben dem ÖGB eine „rote Gewerkschaft“ zu bilden oder antigewerkschaftlich aufzutreten, isoliert nur von der Masse der Arbeitenden und schadet der Entwicklung einer revolutionären Arbeiterbewegung. Politische Agitation in den Betrieben mit einhergehender Verankerung in den Gewerkschaften ist der Prozeß, in dem der Widerspruch zwischen Einzelinteressen bestimmter Teile der Arbeiterschaft und dem Gesamtinteresse der Arbeiterklasse positiv gelöst und aufgehoben wird.

5/9/3. Das setzt voraus, daß im täglichen Kleinkampf für die Interessen der Kollegen Vertrauen erworben wird und durch kontinuierliche Information und Aktivierung zum direkten Engagement bei der Lösung der betrieblichen Probleme das Selbstvertrauen der Mitarbeiter gestärkt wird. Dies ist die Schule der Arbeiterselbstverwaltung, welche die höhere Schule der selbstverwaltenden sozialistischen Gesellschaft bedeutet. Die im täglichen Klassenkampf gewonnenen Erfahrungen sind aber auch die praktische Lehre dafür, daß die Arbeiter die undemokratischen Strukturen des ÖGB durchschauen lernen, daß sie erkennen, daß die Politik der Sozialpartnerschaft, die parteipolitische Transmissionsrolle des ÖGB im Widerspruch steht zur Notwendigkeit einer Gewerkschaft als Organisation des Klassenkampfes, um die Interessen und nichts als die Interessen der Arbeiterschaft zu vertreten und durchzusetzen.

5/9/4. Ausgehend von diesen Überlegungen werden wir alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten wie Ortsgruppen, Fachgruppen, Leitungen usw. des ÖGB ausnützen, um den Kampf für die Demokratisierung, Entbürokratisierung und Politisierung der Gewerkschaft zu führen. Die fraktionelle Zusammensetzung des ÖGB macht es ‚notwendig, in jener Fraktion zu arbeiten (derzeit „Arbeitsgemeinschaft für Gewerkschaftliche Einheit“), in der wir unsere Auffassungen von gewerkschaftlicher Arbeit am effektivsten verwirklichen können und mit der wir in den wesentlichsten Fragen wie Kampf gegen die Sozialpartnerschaft, gesellschaftliche Rolle der Gewerkschaft, Demokratisierung und Entbürokratisierung des ÖGB übereinstimmen.

Sozialdemokratie und Sozialismus im NF

  • Bruno Kreisky: Ich bin kein Liberaler. NF-Gespräch mit Wilhelm Burian und Lutz Holzinger, NF Feb. 1973.
  • Olof Palme: Die Kapitalisten spielen mit. NF-Gespräch, NF Feb. 1973.
  • Jakob Moneta: SPD unter Unternehmerdruck, NF Jan. 1973.
  • Komplette NF-Literaturliste: NF Jän. 1973, S. 16.
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