Heft 3-4/2001
Juli
2001

Musik-Aktivistin

Einige Stationen auf dem Weg der Sängerin und feministisch-politischen Künstlerin Kathleen Hanna.

Die eigene Position als „Star“ zu problematisieren ist etwas, das selbst Persönlichkeiten aus dem sogenannten Underground selten genug versuchen. Kathleen Hanna, Ex-Sängerin der amerikanischen Riot-Punk-Formation Bikini Kill, Feministin und Spoken-Word-Künstlerin, hat einmal die notwendige Verknüpfung der Sichtbarkeit des Stars mit der Macht- und Beziehungslosigkeit des Publikums mit folgenden Worten beschrieben:

The star is on the stage and the audience is on the floor (because you need to be on stage so that people can see you). But while people are looking up to you, they´re not looking right next to them at the person who might really need to be talking to. In some instances, the stage/fan set-up prevents relationships with each other. People focus on the star and live vicariously. I think that has to do with capitalism, which dehumanises everyone into robots. The more people get abused by their families and by sexism, racism, classism, and homophobia, and able-body-ism and stuff, the more numb people have to become. And the less we can actually deal with any real confrontation, because confrontation may remind us of all this other stuff, and that´s real scary. So we avoid being healthy enough or safe enough to feel a lot of stuff. [1]

Auch ist dieses Zitat aus dem Jahr ’95 paradigmatisch für Hanna’s damalige Aktivitäten, als sie gemeinsam mit ihrer Band Bikini Kill u.a. den ruhigstellenden Charakter der massenkulturellen Unterhaltung kritisierte — „Reject All American“ war nicht umsonst der Titel von Bikini Kill’s letzter LP. Auch machte die Band im damaligen Kontext der Riot-Grrrl-Bewegung die Vereinzelung der zwar wohlgenährten und mehrheitlich weißen suburban girls zum Thema, die relativ privilegiert, häufig jedoch in der Zwangseinheit der nuclear family sexuellem Missbrauch und der Gewalt einer Erziehung zur Weiblichkeit ausgesetzt sind. Nach dem Ende von BK 1998 war die Suche nach einer Struktur, die Kollektivität ohne Nivellierung ermöglicht, nach wie vor präsent, und Hanna arbeitet(e) zwischenzeitlich in anderen Projekten und teilweise verschobenen Kontexten.

Neues Terrain

Julie Ruin hieß ihre neue Persona, und als diese veröffentlichte sie eine CD auf dem Indie-Label Kill Rock Stars. Es waren dies erste Versuche im Feld der Elektronik und damit eine zweifache Abkopplung von der Szene, die sie bisher getragen hatte: Denn nicht nur musikalisch wurden neue Wege abseits von Gitarre und Co. beschritten, auch ein Ortswechsel von der West- zur Ostküste leitete ein individuelles Platz-Suchen ein. Dennoch bezog sich Kathleen Hanna — wenngleich alleine mit einem sehr persönlichen Zugang arbeitend — auch damals stark auf gesellschaftliche Bedingungen: In „I wanna know what love ist“ verband sie beispielsweise den Refraintext des Foreigner-Love-Songs mit gerappten Strophen, die realexistierende Gewaltverhältnisse wie (Hetero-)Sexismus und Vergewaltigung zur Sprache brachten. Wie kann Liebe in dieser Gesellschaft aussehen? ist die Frage, die sich beim Hören des Lieds aufdrängt.

Julie Ruin öffnete neues musikalisches Terrain für punk-feministische Artikulationen, und dieses besetzt Hanna aktuell unter dem Namen Le Tigre gemeinsam mit Johanna Fateman und J.D. Samson (die als Neubesetzung für die Filmemacherin Sadie Benning eingestiegen ist). Sampler und Drum-Computer dienen Le Tigre der „Entführung“ von Punk aus dem Gitarren-Umfeld; vor einem rein ästhetisch motivierten Rumspielen steht der transparente Prozess des Sich-Aneignens und spielerischen Erlernens der Musiktechnologien, ihrer Verwendung als Werkzeuge. Dass Le Tigre dies speziell aus einem feministischen Blickwinkel tun — nämlich das vermeintliche Paradoxon Frauen und Technik mitreflektierend — ist offensichtlich: Nicht um die „hysteria of male expertise“ gehe es, sondern um die Entdeckung einer „magic world of our unmade art“.

Kollektivität

Le Tigre arbeiten als Kollektiv, zu dem jede ihre speziellen Kenntnisse beisteuert. Als feministisches Kunst-Projekt bezogen sie sich auf der ersten Platte vor allem kritisch auf die Kunst-Szene bzw. auf feministische Traditionen. „From the Desk of Mr. Lady“ ist der Titel der neuen EP, die an die musikalischen Formen der Vorgängerin anknüpft. Motive, die schon bei Julie Ruin zu finden waren, wie die Verknüpfung von Popsong-Samples und „netten“ Liebeslied-Melodien mit einer textlichen Ebene, die vom Gegenteil spricht, finden sich auch hier wieder.

Inhaltlich scheinen sich Le Tigre von der Kunstkritik des Erstlings nach „Außen“ gewandt zu haben. Mit ungewohnter Plakativität geht die Band gegen zeitgeistige Beliebigkeitsvorstellungen oder eine modische Kritik vor. Jedoch sprechen Le Tigre auch ein — vom sich rational wähnenden Umfeld oft mobilisiertes und im Selbst sich festsetzendes — anachronistisches Gefühl an („It feels so 80s/ Or early 90s/ To be political“), bevor für Action — „Destroy the Right Wing“ — plädiert wird. Ein anderer Song greift die rassistischen Strukturen im New Yorker Police Department an und endet mit der Aufforderung: „Bring me Giuliani´s Head“ ... Gründe genug also, um wieder einmal das revolutionäre Tanzbein zu schwingen.

Le Tigre: From the Desk of Mr. Lady, Mr. Lady Records/Trost 2000.

[1Princess Magazine, Nr.1/95

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