Nur tote Blätter sind gute Blätter?
Neuerlich wurden drei Zeitschriften – akin, Die Alternative und ZOOM – von der Bundesregierung unter Bruch der Verfassung von der Publizistikförderung ausgeschlossen.
Sie kennen den von ÖVP-Klubobmann Andreas Khol vor geraumer Zeit aufgespannten Verfassungsbogen, unterhalb beziehungsweise außerhalb dessen er je nach Wetterlage politische Freunde und Feinde ortet? Jenes Bauwerk, das, wäre es errichtet, mit ähnlichen statischen Problemen zu kämpfen hätte wie sizilianische Mafiabauten? Und Sie erinnern sich noch an die letztjährigen Kalamitäten um die Publizistikförderung, als die Bundesregierung auf Erpressung der ÖVP hin vier Zeitschriften (EKG, Die Linke, Unitat und ZAM) trotz Erfüllung der gesetzlichen Kriterien von dieser ausschloß?
Nun, bekanntermaßen lassen ideologisch motivierte Täter, einmal erfolgreich, von ihren Handlungen nicht freiwillig wieder ab. Daher boten Khol & Co. dieses Jahr eine Neuauflage ihres skandalösen Vorgehens aus dem Vorjahr, was in Folge zu einem regen Verkehr unter erwähntem Verfassungsbogen führte.
Ende November blockierte die ÖVP die Beschlußfassung der Publizistikförderung im Ministerrat. Sie forderte, zwei ihr nahestehende Publikationen (Academia und Couleur) zu fördern, obwohl diese die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllten. Gleichzeitig sollten elf Alternativmedien (akin, Die Alternative, an.schläge, ArbeiterInnenstandpunkt, AUF – Eine Frauenzeitschrift, Juridikum, Lambda-Nachrichten, Revolutionärer Marxismus, Rosa-Lila Buschtrommel, UNITAT und ZOOM) entgegen der Empfehlung des überparteilichen Fachbeirats ausgeschlossen werden. Khol hatte in ihnen „Enunziationen“ ausgemacht, die zu fördern „im Sinne einer wehrhaften Demokratie nicht vertretbar“ sei.
Die politischen Ansichten des Herrn Khol sind im Bundesgesetz über die Förderung politischer Bildungsarbeit und Publizistik nicht als Kriterien vorgesehen. Gegen sein seltsames Begehr protestierten daher auch Grüne, Liberales Forum, die Vereinigung alternativer Zeitungen und Zeitschriften (VAZ), die inkriminierten Medien und die Journalistengewerkschaft. Letztere brachte das Kholsche Begehr auf seinen Begriff: „Wirtschaftszensur“.
Die SPÖ ging trotzdem in die Knie. In einem Gespräch zwischen Khol und seinem Widerpart auf Seiten der SPÖ, Peter Kostelka, wurde der Gesetzes- und Verfassungsbruch paktiert: Keine Förderung für Academia und Couleur, aber auch keine für die Gewerkschaftszeitschrift Die Alternative, die akin – aktuelle informationen, das feministische Magazin an.schläge und die ZOOM.
Es folgte eine anschauliche Demonstration in Sachen Öffentlichkeitsarbeit durch den SP-Klubobmann. Via APA empfahl er, „die Empfehlungen der Expertenkommission ernstzunehmen und auf“ – jene von ihm selbst zuvor getätigten – „Tauschgeschäfte zu verzichten“. Kostelkas Resümee über sein und Khols Verhandlungsergebnis: „Das ist ein Rückfall in Metternichsche Pressezensur.“
Vollends zur Farce geriet die Öffentlichkeitsarbeit der ÖVP, als im nächsten Ministerrat die Publizistikförderung neuerlich auf der Tagesordnung stand. Während die MinisterInnen noch heftig debattierten, wußte Khol bereits: „Zeitschriften, die alle dem links-alternativen Spectrum angehören und mit dem TATblatt in Verbindung stehen, das dazu aufruft, die Verfassungsordnung der Republik mit Gewalt zu beseitigen“, seien ebenso von der Förderung ausgeschlossen worden wie solche, die „zur Wehrdienstverweigerung aufrufen“ – also einerseits Medien, die für Gewalt, und andererseits solche, die dagegen einträten; einerseits Medien, welche die Verfassung zu beseitigen trächten, und andererseits solche, die dazu aufriefen, ein von dieser garantiertes Grundrecht in Anspruch zu nehmen. Bei soviel inhaltlicher Klarheit erstaunt es wenig, daß der verkündete Beschluß gar nicht gefaßt worden war. Doch Khols Statement war längst über die Fernschreiber gegangen, als Kanzler Vranitzky den zuvor akkordierten Antrag wieder zurückzog. Frauenministerin Konrad hatte sich quergestellt – und die SPÖ somit für kurze Zeit wieder unter den Verfassungsbogen zurückgeführt, aus dem Khol sich mit seinem Bekennerschreiben endgültig hinauskatapultiert hatte.
Khol reagierte mit einem Pamphlet, welches er Anfang Dezember als schriftliche Anfrage an den Bundeskanzler im Nationalrat einbrachte (1602/J, XX.GP/NR). [1] Schlußendlich beschloß auch die SPÖ, daß ihr Metternich und Bogen näher sind als die Verfassung und stimmte mit der ÖVP in den Fällen akin, Die Alternative und ZOOM gegen eine Förderung. Khol war zufrieden und zog seine sogenannte Anfrage wieder zurück.
Die Journalistengewerkschaft wird internationale Gremien über den neuerlichen „Meinungsterror“ (Grünabgeordneter Voggenhuber) informieren. Die drei betroffenen Medien bereiten zur Zeit eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof vor. Trotz der Schwierigkeiten – hohe Kosten, fehlender individueller Rechtsanspruch – scheint eine Beschwerde nicht aussichtslos. Denn: Ideologisch motivierte Täter lassen, einmal erfolgreich, von ihren Handlungen nur selten freiwillig wieder ab.
Klein-Metternichs „Enunziationen“
Khols Anfrage, zwölf Seiten offener und unterschwelliger Beschimpfungen gegen zehn Alternativmedien, Bundeskanzler und SP-Kubobmann, ist ein Stück Propaganda, das eine Reihe von Standardmethoden dieses Genres eindrucksvoll zur Schau stellt.
Khols zentrale Methode ist die Umkehrung, weitverbreitet und allseits beliebt: Um von seinem eigenen Agieren („außerhalb des Verfassungsbogens befindliche Aktivitäten“) abzulenken, wirft er genau dieses seinem politischen Gegner vor.
Eine andere extensiv von ihm bemühte Methode ist die Übertragung: Mißbilligung wird von einem Sachverhalt auf einen anderen übertragen, um letzteren als unannehmbar erscheinen zu lassen. So suggeriert Khol aus der Kritik der ZOOM an polizeilichen Ermittlungen gegen eine politische Gruppierung, dem Revolutionsbräuhof, eine ideologische und strukturelle Nähe, wenn nicht Übereinstimmung, der Zeitschrift mit eben dieser Gruppierung. Einige Absätze weiter findet sich die ZOOM dann in einer Gemeinschaft mit den Zeugen Jehovas wieder, und so weiter und so fort. Jede Zeile des Kholschen Papiers ließe sich, wäre es nicht langweilig, dergestalt analysieren.
Ein Hauptvorwurf Khols sind Inserate des TATblatts in den denunzierten Medien und vice versa. Wie wäre es, wenn wir dementsprechend festhielten, daß
- die bürgerliche Presse 1996 Inserate der Jungen Freiheit und der rechtsextremen Aula schaltete, deren Herausgeber wegen eines dort erschienen Artikels nach dem Verbotsgesetz verurteilt wurde,
- dieselbe Zeitung erst unlängst im redaktionellen Teil ihrer Wochenendbeilage dazu aufrief, die Bücher eines linksanarchistischen Autors, Noam Chomsky, zu lesen und
- aus a. und b. den Schluß zögen, daß die Presse einem linksanarchistisch-rechtsextremen Netzwerk – was immer dies sein sollte – angehörte, ihr daher auch keine Presseförderung zustände?
Würden Sie uns dann noch für voll nehmen?
Khol und seine Mannen greifen mit ihren seit dem mißglückten Versuch einer Strommastsprengung bei Ebergassing im April 1995 getätigten Denunzierungen direkt auf die Methoden der FPÖ zurück. So wirft Khol der Alternative vor, ein Inserat einer „linksanarchistischen Vereinigung“ namens „Anarchia Randalia“ veröffentlicht zu haben. Dieser sachlich falsche Vorwurf (es handelte sich um ein Kabarettprogramm) entstammt einer Parlamentsrede des freiheitlichen Abgeordneten Ewald Stadler aus dem Juni 1995, in welcher dieser eine Involvierung grüner Abgordneter und „linker Kreise“ in die Morde von Oberwart herbeiphantasiert hatte.
Schließlich ist auch Khols Rede von der „wehrhaften Demokratie“ verräterisch. Die Konstrukte der „wehrhaften“ beziehungsweise „streitbaren Demokratie“ (ebenso wie jenes der „freiheitlich demokratischen Grundordnung“) wurden vor vierzig Jahren in die Rechtsprechung der BRD eingeführt, um die Verbote der Sozialistischen Reichspartei (SRP) und der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) durchzusetzen (siehe Rolf Gössner in: Handbuch Deutscher Rechtsextremismus, S. 857ff). Das Verbot beider Parteien war von der damaligen Regierung Adenauer in Demonstration einer vermeintlichen Ausgeglichenheit im staatlichen Vorgehen gegen Rechts- wie Linksextreme gleichzeitig beantragt worden. Der faktische Unterschied lag darin, daß die SRP zur Zeit ihrer Auflösung nur mehr über wenige Mitglieder verfügte und Rechtsextreme schon bald wieder Zugang zu den höchsten Ämtern des Staates hatten, das Verbot der KPD aber den Beginn einer Zeit der Repression gewaltfreier politischer Betätigung markierte, die für tausende Betroffene Haft- oder Geldstrafen, Berufsverbote und die Zerstörung ihrer Existenzen bedeutete.
An solch einem „krampfhaften Versuch einer politischen Symmetrie“ (Gössner) probiert sich nun auch Khol, wenn er seinen Extremismus der Mitte damit zu legitimieren trachtet, daß der „Verfassungsbogen auch nach ’links’ zu ziehen ist“. Die VAZ wies noch vor Beschlußfassung der Publizistikförderung jedes einzelne Mitglied der Bundesregierung darauf hin, „daß es nur eines kleinen Schrittes bedarf, Gesinnungsvollzug zu einer wahrhaften Gesinnungsjustiz auszuweiten.“ Vizekanzler Schüssel seinerseits ließ die ZOOM wissen, daß es uns „unbenommen ist, weiterhin zu erscheinen“. Immerhin.
Die VAZ bereitet eine Dokumentation über die Verhinderung der Publizistikförderung vor. Ihre diversen Stellungnahmen, die Khol-Anfrage und weitere Texte sind bereits jetzt unter http://vaz.mediaweb.at/ abrufbar.
[1] Kurz nach Beschlußfassung der Publizistikförderung zog Kohl seine Anfrage am 17.12.1996 wieder zurück.
Die Publizistikförderung
Die Publizistikförderung ist die kleine Schwester der Presseförderung für Tages- und Wochenzeitungen. Der gesamte ausgeschüttete Betrag ist mit etwa sieben Millionen Schilling für ca. 100 Zeitschriften nicht viel höher als der Betrag, den die „Krone“ allein erhält, und um ein Vielfaches geringer als jener, den manch eine Zeitung aus der sogenannten besonderen Presseförderung erhält. (Letztes Jahr wurden fünfzehn Tageszeitungen mit insgesamt fast einer viertel Milliarde Schilling gefördert.) Eine Zeitschrift, die um Förderung ansucht, muß bestimmte, im Bundesgesetz über die Förderung politischer Bildungsarbeit und Publizistik festgeschriebene inhaltliche und formale Kriterien erfüllen. Dies wird von einem aus PublizistInnen, Parteien- und InteressenvertreterInnen zusammengesetzten Fachbeirat geprüft.
Heuer empfahl der Beirat, 126 Zeitschriften zu fördern und 110 abzulehnen. 1993 waren noch vier von fünf Publikationen gefördert worden, 1995 nur mehr jede zweite – eine Folge der Auseinandersetzung um das TATblatt. Nur bei sehr wenigen Zeitschriften wich die Bundesregierung in der Vergangenheit von der Beiratsempfehlung ab und dies immer nur aufgrund einer anderen Einschätzung der formalen Kriterien. Der Gesetzesbruch wurde erst letztes Jahr durch die ÖVP hoffähig. Daß die Ablehnung von vier Zeitschriften nicht aufgrund gesetzlicher Kriterien erfolgte, ist explizit im Bericht der Bundesregierung über die Publizistikförderung 1995 dokumentiert.
VAZ fordert Khol
Keine Förderungen an die verfassungsgefährdende Organisation ÖVP
Eines haben wir von Herrn Khol gelernt: Es muß „junktimiert“ werden. Die Vereinigung alternativer Zeitungen und Zeitschriften fordert daher – Bausch um Bausch, Bogen um Bogen – die Bundesregierung sowie alle Verwaltungsbeamten des Bundes als „wehrhafte Demokraten“ (Khol) dazu auf, die Auszahlung jedweder Förderungsmittel, Wahlkampfkosten-Rückerstattungen etc. an die verfassungsgefährdende Organisation „Österreichische Volkspartei“ sowie an jede ihrer Teil- oder Nebenorganisationen und Medien sowie an alle Organisationen oder Medien, die mit der ÖVP in Verbindung stehen oder die über die verfassungsfeindliche Politik der ÖVP berichten, ohne sich ausdrücklich von ihr zu distanzieren, auf administrativem Wege zu unterbinden – und zwar ausdrücklich ungeachtet allfälliger gesetzlicher Bestimmungen.
Die ÖVP hat sich mit ihrer Wiederholungstäterschaft bei der Erpressung von Gesetzes- und Verfassungsbrüchen der Bundesregierung zum Bestandteil eines uns bereits längst bekannten, wenn auch absichtsvoll hier nicht präziser gefaßten, rechts-schwarz-blau-braunen, gemeingefährlichen und an sich von Gewalt nicht einfach zu distanzierenden Netzwerkes gemacht und verdient daher keine weitere Förderung seitens der Republik.
Wir werden künftig sehr genau beobachten, welche Medien z.B. Inserate der ÖVP oder einer mit ihr verbundenen Organisation annehmen, und behalten uns vor, entsprechende, möglichst haltlose Forderungen nachzureichen.
