Ökologie und Ökonomie
1.
ÖKOLOGIE behandelt nichts anderes als die Rationalität des menschlichen Daseins hinsichtlich seiner stofflichen Bedingtheit, deren Form und Inhalt sind ihr Gegenstand. Insofern ist sie sowohl mit der Ökonomie als auch der Biologie aufs engste verbunden, und wer genau hinsieht, der wird den Begriff auch als eine Wortzusammensetzung dieser beiden Disziplinen lesen können.
Die Frage nach der Ökologie ist somit die Frage nach unserer kollektiven stofflichen Existenz. Die Ökologie kann als die Wissenschaft von der stofflichen Grundlage menschlichen Seins verstanden werden. Sie beinhaltet mehr als die Beziehung des Menschen zur Natur, sie kann als Beziehung von Mensch und (Um)Welt beschrieben werden, soweit jene stofflichen Auswirkungen folgt und solche tätigt.
Stoff meint hier die materielle Basis, organisch oder anorganisch, bearbeitet oder unbearbeitet. Die Auslegung der Materie ist die stoffliche Konkretion. Materie ist das Rohe und Allgemeine, aus dem die feingliedrigen stofflichen Besonderungen sich entwickeln. Stoff ist das Zusammenfallen und Auseinanderfallen von Materie. Stoffliche Konkretion und materielle Bewegung sind eins.
Ökologie meint den Stoffwechsel des menschlichen Kollektivs in all seinen Facetten. Dieser aber ist kein primär biologisches oder gattungsmäßiges Problem, sondern ein gesellschaftliches. Mit der Zuspitzung der ökologischen Frage und dem Aufkommen der Ökologiebewegung ist dieser Stoffwechsel erstmals Gegenstand prinzipieller Kritik geworden, richtete sich diese nicht mehr gegen diverse Ausformungen, sondern gegen den Inhalt selbst. So gesehen stellt die Menschheit mit der Zentrierung der Ökologie die Frage nach einer sinnvollen ganzheitlichen Existenz.
2.
Egal, ob wir den Müll oder das Waldsterben betrachten, den Verkehrsinfarkt oder die Bodenverseuchung, in letzter Instanz sind ökonomische Prozesse dafür verantwortlich, daß die Umwelt Schaden nimmt. Genauer noch: Ohne Produktion könnten sie nicht sein. Dort ist der Ort, wo sie geschaffen werden. Die ökonomische Entwicklung bedroht die ökologische Substanz.
Das stoffliche Herkommen ökologischer Probleme ist in der Produktion zu verorten. Was in der Distribution bzw. in der Konsumtion abfällt, wurde dort nur hintransferiert, nicht aber dort geschaffen. Die zentrale Frage ist also: Was bewegt oder veranlaßt die Produktion zur Herstellung problematischer Produkte und Produktionsprozesse, bzw. zur Etablierung unabschätzbarer Produktivkräfte?
Umweltbelastende Produktionsverfahren und Produkte sind die Hauptursache von Umweltschäden. Diese Schäden werden aber nicht willentlich herbeigeführt, sie entstehen gleichsam als „Neben“- und „Folgeprodukt“ industrieller Aktivitäten.
Die Industrie verhält sich also nur so, wie sich die Industrie verhalten muß, will sie Industrie bleiben. Auch wenn dabei die Erde zugrundegeht. Die Betriebe sind bei Strafe des ökonomischen Untergangs angehalten, ihre Kosten möglichst gering zu halten. Betriebswirtschaftlich muß es daher jedem Unternehmen darum gehen, die Selbstkosten zu beschränken und die Folgekosten zu externalisieren. Letztere werden auf die Allgemeinheit oder auf Dritte abgewälzt. Dies ist eine immanente Bedingung kapitalistischen Wirtschaftens.
Die Rentabilität kapitalistischer Produktion bezieht sich auf den Kostpreis (c+v) der Ware. Diesen muß sie gering halten, um eben billig produzieren und in der Konkurrenz bestehen zu können. Alles andere ist vorerst exkludiert: innere und äußere Natur, Mensch und Umwelt werden beliebig vernutzt, sind a priori kein Kostenfaktor, schlußendlich nicht einmal dann, wenn sie a posteriori oktroyiert werden. „Die kapitalistische Produktion, wenn wir sie im einzelnen betrachten und von dem Prozeß der Zirkulation und den Überwucherungen der Konkurrenz absehen, geht äußerst sparsam um mit der verwirklichten, in Waren vergegenständlichten Arbeit. Dagegen ist sie, weit mehr als jede andre Produktionsweise, eine Vergeuderin an Menschen, von lebendiger Arbeit, eine Vergeuderin nicht nur von Fleisch und Blut, sondern auch von Nerven und Hirn.“ (Marx)
Die bedeutendste historische Folge im Kapitalismus ist die dynamisierte Entwicklung der Produktivkräfte in all ihren Erscheinungen. „Die Produktion für den Wert und den Mehrwert schließt, wie sich dies bei der weiteren Entwicklung gezeigt hat, die stets wirkende Tendenz ein, die zur Produktion einer Ware nötige Arbeitszeit, d.h. ihren Wert, unter den jedesmal bestehenden gesellschaftlichen Durchschnitt zu reduzieren. Der Drang zur Reduktion des Kostpreises auf sein Minimum wird der stärkste Hebel der Steigerung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit, die aber hier nur als beständige Steigerung der Produktivkraft des Kapitals erscheint.“ Folge davon ist, daß der Kapitalismus somit auch nicht entschleunigt werden kann, ja umgekehrt die Beschleunigung der Produktivkraftentwicklung ihm immanent ist. Beständiges Ziel ist die Senkung des Kostpreises (c+v) und somit des Produktionspreises, der ja nichts anderes ist als die um die Durchschnittsprofitrate bereinigte Summe von Kostpreis und Mehrwert. Der Zwang zur Senkung des Produktionspreises dominiert jedes Produzieren. Der Zwang zur Verkürzung der Umlaufszeit prägt die Zirkulation. Und die Werbung tut für Konsumtion noch das übrige, sodaß die Produkte ja gekauft werden, sich der Wert realisieren läßt.
Die Dynamik kapitalistischen Wirtschaftens ist blind, Politik und Recht können ihr jedoch keine andere Richtung geben. Deren Steuerkapazitäten sind äußerst gering, im Zeitalter der Globalisierung sogar zusehends abnehmend; sie können bremsen, entschärfen, umverteilen, sie sind aber unfähig, andere „Nachhaltigkeiten“ zu schaffen. Die Korrekturen sind als notwendige Entsprechungen, nicht als antagonistische Widersprüche aufzufassen.
Insofern beherbergen Kapital und Markt einen immanenten Fatalismus, an dem jedes andere Wollen zwangsläufig zerschellt, kann die Logik des Werts nicht insgesamt gebrochen werden. Sätze wie „Abfall ist kein Schicksal. Abfall wird gemacht“, gehen in die Irre. Die Wertlogik vorausgesetzt, ist Müll nämlich wirklich eine fatale Folge, ein Schicksal, das eintreten muß. Solche Aussagen übertreiben jedenfalls die Möglichkeiten der in Produktion, Zirkulation und Konsumtion Handelnden. Es wird so getan, als stünden dort freie Entscheidungen auf der Tagesordnung. Nicht zufällig spricht diese Betrachtungsweise dann auch vom „Alptraum Abfall“. Der bürgerlichen Mystifizierung der Ware folgt eine traumatische Sicht der Reststoffe.
Wenn man etwa die Argumentationslinie von Hanswerner Mackwitz, der jahrelang in beratender Funktion bei den deutschen und den österreichischen Grünen tätig gewesen ist, anschaut, dann ist zu erkennen, daß hier pausenlos das Wollen gegen das Handeln, die Absicht gegen die Wirklichkeit ins Treffen geführt wird: „Warum ergreifen Politiker und Manager nicht die historische Chance, sich real und radikal für eine neue Umweltpolitik stark zu machen, für eine Politik, die tausende von Bürgerinitiativen in aller Welt bereits begonnen haben?“, frägt er in ungespielter Ahnungslosigkeit.
3.
Die kapitalistische Produktion dient der Akkumulation von Kapital, der Verwertung des Werts, nicht der Konsumtion, wie die klassische Ökonomie von Smith bis Keynes annahm. Nicht der menschliche Konsum steht also im Mittelpunkt der heutigen Wirtschaft, sondern der kapitalistische Konsum, kurzum Profit genannt. Sie ist primär nicht Produktion um der Konsumtion Willen, auch wenn erst in der Konsumtion die Produkte verwirklicht werden.
Das Gerede vom falschen Konsumverhalten lenkt also die Debatte nur auf falsche Bahnen, sieht die Oberfläche, will aber die Grundlagen des Verhaltens nicht wahrnehmen. Mit Karl Marx gilt es festzuhalten: „Die Produktion produziert die Konsumtion daher, 1. indem sie ihr das Material schafft; 2. indem sie die Weise der Konsumtion bestimmt; 3. indem sie die erst von ihr als Gegenstand gesetzten Produkte als Bedürfnis im Konsumenten erzeugt. Sie produziert daher Gegenstand der Konsumtion, Weise der Konsumtion, Trieb der Konsumtion.“ Die menschlichen Bedürfnisse in Form der Konsumgewohnheiten entsprechen in ihrem Durchschnitt der aktuell möglichen Produktion.
Zusehends problematisch ist, daß beim Verkauf einer Ware der Gebrauchswert sich ständig gegenüber dem Tauschwert relativiert. Um den Tauschwert zu realisieren, die Absätze zu sichern, muß das Produkt schnellebig sein. Die kapitalistische Ware fällt so oft hinter die technischen Möglichkeiten der gegenwärtigen Produktivkraftentwicklung zurück, was wiederum nichts anderes heißt, als daß diese die Grenzen von jener zu sprengen beginnt. Der Gebrauchswert wird aktuell immer mehr zum Verbrauchswert, um den Tauschwert zu retten.
Was für das zirkulierende Warenkapital gilt, gilt aber auch für das fixe Kapital, d.h. die Umwälzung und „der Wechsel der Produktionsmittel und die Notwendigkeit ihres beständigen Ersatzes infolge des moralischen Verschleißes, lange bevor sie physisch ausgelebt sind“ (Marx). Die Umschlagszeit des Kapitals und der moralische Verschleiß der Produktionsmittel kollidieren zusehends. Die Geräte gieren ersetzt zu werden, bevor sie entsprechend genützt worden sind. Kaum gekauft, ist das bessere Nachfolgeprodukt schon auf dem Markt. Die Geräte altern vor der Zeit.
Um den Tauschwert zu realisieren, muß das Produkt aber nicht nur real, sondern auch fiktional schnellebig sein, d.h. es muß über das Produkt hinaus ein enormer Aufwand getrieben werden. Werbung und Mode suggerieren ein Habenmüssen, das die Qualität des Daseins erst ausmacht.
4.
Die gängige moderne Kritik ist da viel bescheidener. Was sie am meisten stört, sind nicht die Folgen schlechthin, sondern die Kosten, die sich aus den Produktionsprozessen ergeben. Nur so wird es verständlich, daß der Begriff der Social costs, der Folgekosten, im Zentrum der ökologischen Wirtschaftsdebatte steht.
Stellvertretend für viele sei der deutsche Umweltwissenschafter Christian Leipert zitiert: „Die Nutzung der Umwelt erfolgt heute immer noch in weiten Bereichen als freies Gut, d.h. kostenlos, oder zu billig, gemessen an dem ökonomischen und ökologischen Wert der in Frage stehenden Ökosystemleistungen.“ Und er folgert: „Natur als freies Gut, das war einmal. Die ökonomische Konzeptbildung und Erfolgsmessung hinkt den neuen Realitäten eklatant hinterher. Ökosystemleistungen sind heute ökologisch knapp, müßten also einen (expliziten oder impliziten) Preis haben. Der Umstand, daß sie in eir er Zeit enormen Drucks der Wirtschaft und Gesellschaft auf die Umwelt dennoch in weitem Umfang noch kostenlos oder zu billig in Anspruch genommen werden können, ist dann verantwortlich für die rapide Qualitätsverschlechterung und Degradierung der betreffenden Umweltmedien und Ökosysteme.“
Preis, Geld, Wert und Kosten werden hier als gänzlich systemneutrale Begriffe behandelt. Was wir laut Leipert brauchen, ist eine „neue gesellschaftliche Kostenrechnung, die die systemischen Zusammenhänge zwischen den naturzerstörenden und kostenabwälzenden Bereichen der Gesellschaft und den Betroffenen dieser Kostenverlagerungsprozesse aufdeckt und transparent macht. Mehr Kostenehrlichkeit ist die Voraussetzung für die Anpassung von Kostenrechnungen und Preiskalkulationen, die nicht nur betriebswirtschaftlich, sondern auch gesamtgesellschaftlich unter Einbeziehung von Ökologie und Sicherung von Zukunftsfähigkeit stimmen.“
Die marktwirtschaftliche Zauberformel ist also die Verpreisung der Umwelt. Alles soll Ware werden. Aber warum sollte dann weniger verschwendetwerden? Die Kost- und Produktionspreise, die dadurch steigen, werden doch umgewälzt. Was sie mehr kosten, werden sie letztendlich die Konsumenten mehr kosten. Für die Produzenten sind sie bloß ein zusätzlicher Verrechnungsaufwand, ökonomisch aber bloß ein Durchlaufposten. Der beabsichtigte Effekt wird so kaum eintreten. Hier handelt es sich um eine Milchmädchenrechnung, die davon ausgeht, daß die Unkosten, die man politisch der Industrie aufzuhalsen vermeint, auch dort getragen und nicht weitergegeben werden.
Méine Kritik an den Folgekosten hakt schon am Begriff selbst ein. Es will uns nämlich betreffend der Kategorisierung nicht in den Kopf, warum die negativen gesellschaftlichen Folgen unbedingt mit dem Kostenbegriff verknüpft werden müssen. Das kleine Wort Kosten für die großen Folgen demonstriert einmal mehr, daß die obligate Ökologiekritik nicht über die Katego- rien des Werts und der Marktwirtschaft hinausdenkt, in ihnen vielmehr gefangen bleibt.
Die vielfach erhobene Forderung nach einer Kostenwahrheit kann sich an der Realität nur blamieren. Die Kostenwahrheit ist unmöglich einzulösen, da die Folgen zu keinen wirklich aussagekräftigen objektiven Zahlen finden können. Die Empirie der Bemessung muß hier in ihren Schätzungen — denn mehr können sie nicht sein — scheitern. Diese Schätzungen kennen mancherlei Schranken: zeitliche, örtliche, kausale, interdependente, individuelle. Die Wirtschaftswissenschaft steht daher vor Problemen, für die ihr betriebs- und volkswirtschaftliches Instrumentarium nicht geschaffen ist. Jene trotzdem in dieses Korsett zu pressen, führt unweigerlich zu grotesken Ergebnissen.
ökologische Schäden sind resistent gegen den herrschenden Zahlenfetischismus. Umweltfolgen sind analysierbar, Umweltfolgekosten jedoch nicht berechenbar. Mit den Methoden der Kostenrechnung ist den ökologischen Problemen weder theoretisch noch praktisch beizukommen.
5.
Das Szenario ist also mehr einfach als gedacht. Der miserable Zustand der Umwelt rühre daher, daß Umweltgüter gratis oder zu billig seien. Diese Kosten gelte es über Ökosteuern zu internalisieren, sie zum Bestandteil der Kalkulation zu machen. Naturvernutzung soll einen adäquaten Preis erhalten. „Effizient ist diese Lösung, wenn die Steuer plus den privaten Kosten den sozialen Kosten entsprechen“, meint Thomas Ritt in seiner AK-Studie über „Verteilungswirkungen von Energiesteuern“. „Ökosteuern sollen den marktwirtschaftlichen Preiswettbewerb nicht verzerren, sondern im Gegenteil entzerren“, behauptet der grüne Wirtschaftssprecher van der Bellen. Freilich stellt sich hier immer die Frage, ob denn das alles gelingen kann bzw. wenn etwas gelingt, was damit gewonnen ist.
Ökosteuern gehen von dem Grundsatz aus, daß Umweltschäden meßbar und berechenbar seien. Nichts irriger als das, und nicht nur wegen des Zeitfaktors, der künftige Preise ja kaum seriös definieren läßt. Bezifferbar ist stets das, was verwertbar ist, die Gebrauchswerte an sich sind der Zahlenmetaphysik gänzlich fremd. Als sinnliche Bedürfnisse sind sie qualifizierbar, nicht aber quantifizierbar.
Schon die Konkretisierung der Ökosteuer als Energiesteuer und nicht als Emissionsabgabe verdeutlicht einmal mehr, daß nicht die stofflichen Schädigungen monetarisierbar sind, sondern bloß ihre wert- und marktmäßigen Umsetzungen.
Die Energiesteuer ist indifferent gegenüber der ökologischen und sozialen Sinnfrage. D.h. sie kann in ihrer sachlich-rationalen Sicht Energie und Energie nicht unterscheiden, sie fragt nicht nach konkreter Notwendigkeit und gesellschaftlichem Nutzen, sondern richtet sich nach den Kriterien des Absatzes. Was stofflich betrachtet absolut absurd ist, ist vom Standpunkt der Verwertung freilich völlig logisch.
Und noch etwas: Wer gedacht hat, hier käme es gemäß Verursacherprinzip zu relevanten Profitbeschneidungen, liegt völlig daneben. In einer Studie des Umweltministerium über die Energiebesteuerung heißt es dazu ganz deutlich: „Das Modell geht wie alle 1-0 (Input-Output) Ansätze von einer vollständigen Überwälzung der durch die Energiesteuer hervorgerufenen Kostenerhöhung aus. Es handelt sich somit um ein striktes „cost-push“-Modell, indem Kostenerhöhungen voll in die Preise überwälzt werden und der Gewinnaufschlag (mark up) konstant bleiben kann.“
Ökosteuern führen bloß zu monetären Umleitungen, an den ökonomischen Zielvorgaben ändern sie praktisch nichts. Über das Dilemma der Ökosteuer schreibt Robert Kurz: „Diese rein gesetzlichen, für den Staat sogar einkommensträchtigen Maßnahmen müssen sich jedoch letzten Endes an der Systemlogik erst recht blamieren. Denn zunächst brechen sie sich an der internationalen Konkurrenz. Da der Wirkungsraum des Staates und seiner Gesetze national beschränkt bleibt, die Verliererstaaten auf dem Weltmarkt sich aber an keine internationalen ökologischen Vereinbarungen binden lassen, muß der Weltmarkt die von Ökosteuern hervorgerufene Verteuerung der Produkte mit dem Verlust der Konkurrenzfähigkeit bestrafen und diese Maßnahme somit ökonomisch rasch ad absurdum führen.
Dagegen wird eingewendet, diese Wirkung könne vermieden werden, wenn der Staat zum Ausgleich für die Ökosteuer die Arbeitskosten (Lohnnebenkosten, Abgaben für Sozialversicherung usw.) senke und auf diese Weise eine vom Marktmechanismus bestrafte Verteuerung der Produkte verhindern würde. Das aber hieße, daß der Staat die Ökosteuer eigentlich selbst bezahlt, weil er ja an anderer Stelle seine Einnahmen mindert und zu finanzierende Maßnahmen subventionieren muß, die bisher anderweitig getragen worden sind.
Vollends zur Milchmädchenrechnung aber wird das ganze Konstrukt, wenn es dann heißt, der Staat könne die Maßnahmen zur Senkung der Arbeitskosten wunderbarerweise aus eben der Ökosteuer finanzieren. Damit führt sich die ganze Argumentation selber ad absurdum, denn die Ökosteuer soll ja eigentlich dazu dienen, daß zur Rettung der Naturgrundlagen der Energieverbrauch drastisch gesenkt wird und die Industrie in energiesparende Maßnahmen investiert, um die Ökosteuer zu sparen. Tut sie dies aber, funktioniert die gesetzliche Maßnahme also, dann wird gerade deswegen die Ökosteuer für den Staat nicht so reichlich fließen, daß er damit die Präventivmaßnahmen zur sozialen und marktgerechten Flankierungen der Ökosteuer dauerhaft finanzieren kann.“
Kurz zusammengefaßt: Gelingt die Steuerreform ökologisch, dann ist sie ökonomisch gescheitert, gelingt sie ökonomisch, dann ist sie ökologisch gescheitert. Scheitern wird sie auf jeden Fall.
6.
Als konzentrierter Ausdruck dieser Überlegungen muß das Verursacherprinzip gelten. Im Umweltmanifest des „Forums Österreichischer Wissenschaftler für Umweltschutz“ aus dem Jahr 1987 heißt es dazu: „Im Sinne der Verantwortungsethik ist jeder Verursacher von Gesund- heits- und Ökosystem-Schäden konsequent und im allgemeinsten Sinn zur Verantwortung zu ziehen. Die Beweislast hat der Verursacher zu tragen. Zur Haftung für Umweltschäden ist kein strenger naturwissenschaftlicher Kausalitätsnachweis notwendig. Bei auftretenden Schäden genügt ein wissenschaftlich begründeter Verdacht. Der in Verdacht geratene Verursacher hat seine Unschuld zu beweisen. (...) So müssen etwa die Kosten einer restlosen Schadensbehebung in die Wirtschaftsrechnung der Umweltbeeinträch- tiger einbezogen, d. h. „internalisiert“ werden. Die Einbeziehung dieser Kosten in die jeweilige Wirtschaftsrechnung soll bewirken, daß marktwirtschaftliche Kräfte zum Schutz der Umwelt mobilisiert werden.“
Das Verursacherprinzip unterstellt schon vom Ausdruck her, daß die Verursachung eben keine gesellschaftliche Angelegenheit ist, sondern einer individuellen und willkürlichen Veranlassung oder Unterlassung folgt. Auch wenn man das Verursacherprinzip bloß als Denkmöglichkeit anerkennt, verbliebe da immer noch die viel grundlegendere Frage: Was verursacht die Verursacher zum verursachen? Welche Zustände bedingen die inkriminierten Handlungen, welche Umstände erzwingen ein solches Verhalten?
Ursache ist immer nur ein Hilfsbegriff. Eine URSACHE ist ein Faktor, wo andere Faktoren in der Betrachtung von dessen Folgen vernachlässigbar sind. Ursache meint, daß aus ihr etwas folgt, während sie aus nichts folgt. So betrachtet, ist dieser Terminus lediglich begrenzt anwendbar. Die Logik der Verursachung zu Ende denkend, würde dann völlig richtig argumentiert, daß jede Ursache vielfältigste Ursachen kennt. Das Spiel endet dann in einer banal interessensorientierten Schuldzuweisung.
Umweltverschmutzung wird individualisiert anstatt in ihrer gesamtgesellschaftlichen Problematik diskutiert. Ursächliche Gründe festzustellen, erscheint diesem Denkansatz nicht allzu schwierig, sonst könnte er dieses Lösungsmodell ja erst gar nicht Vorschlägen. Er unterstellt so in den meisten Fragen die Möglichkeit, jene zu einer Sachfrage zu isolieren, das Problem dingfest zu machen, es nach dem kausalen Prinzip von Ursache und Wirkung auflösen zu können.
Kaum sind die Schaden erkannt, sind die Verursacher auch schon benannt, meinen die Anhänger des Verursacherprinzips. Die Wirklichkeit sieht freilich anders aus. Aus der nun folgenden Skizze einer Typologie des Verursacherprinzips anhand einer Schaden-Kosten-Schablone sollten einige unsere Einwände recht plausibel ersichtlich sein.

Aus dieser Typologie geht deutlich hervor, wie schwierig es selbst bei einer gutwilligen Interpretation sein wird, Schädiger dingfest zu machen, geschweige denn ihrer Moneten habhaft zu werden. Die Schädigung muß objektiv erfolgen, sie muß subjektiv auffallen und als solche erkennbar sein, sie muß weiters zuordenbar sein, meßbar, monetarisierbar und zahlbar.
Und selbst wenn alle Kriterien erfüllt sind und die Internalisierung gelungen erscheint, ist wiederum bloß mit einer neuerlichen Externalisierung zu rechnen. Wenn aber auch nur ein Kriterium nicht positiv bewältigt werden kann, bricht das ganze Luftschloß des Verursacherprinzips in sich zusammen. Die allermeisten Schäden werden diese Hürden nicht nehmen können.
Das Verursacherprinzip kann sich in der Realität nur blamieren: Die Tat ist keine Tat, sondern ein gesellschaftliches Verhältnis; das Opfer ist kein Opfer, sondern ein individuelles Ensemble gesellschaftlicher Einwirkungen; der Täter ist kein Täter, sondern Agent ökonomischer Prozesse; die Schuld ist keine Schuld, sondern folgt den Zwängen gesellschaftlichen Handelns; die Sanktion ist keine Sanktion, weil sie letztendlich übergewälzt werden kann; schlußendlich die Internalisierung keine Internalisierung, sondern eine andere Externalisierung.
Das Verursacherprinzip geht in seinem sachlichen Konstruktivismus davon aus, daß es möglich ist, der sogenannten Umweltschädiger habhaft zu werden. Schäden haben jedoch komplexe Grundlagen, sie werden nur in Ausnahmefällen quantifizierbar sein. Das Verursacherprinzip scheitert an der Multifaktorialität der Ursachen und der Unmöglichkeit für jeden einzelnen Schadensfall seriöse Gewichtungen vorzunehmen. Es verkennt den gesellschaftlichen Gehalt der Umweltzerstörung, reduziert diese auf individuelle Fehlleistungen. „Schaden heißt jeder Nachteil, welcher jemandem an Vermögen, Rechten oder seiner Person zugefügt worden ist“, heißt es etwa im § 1293 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB). Und im § 1294 lesen wir: „Der Schaden entspringt entweder aus einer widerrechtlichen Handlung, oder Unterlassung eines Andern; oder aus einem Zufalle.“
Worauf ich hinauswill, dürfte klar sein: Dieser Schadensbegriff ist in seiner Dimensionierung auf ökologische Schäden kaum anwendbar. Letztere sind im Sinne des ABGB weder Unterlassungen, noch Handlungen, noch Zufall, sie sind selbst Norm oder besser noch: ökonomisches Gesetz.
Mittelfristig wird das Verursacherprinzip auf Umweltzertifikate und ein Umweltversicherungssystem, kurzum Umweltverschmutzungsrechte hinauslaufen. Nicht der Profit wird dadurch beschnitten, sondern es entstehen den Konsumenten nur neuartige Belastungen, denn auf sie als letztes und schwächstes Glied der ökonomischen Kette werden alle außerökonomischen Eingriffe, die betriebswirtschaftlich nichts anderes als Unkosten sind, übergewälzt. Das Wie sollte nicht die qualitative Identität verschleiern. Das Verursacherprinzip läuft auf folgende Alternative hinaus: Zahlt die Allgemeinheit oder zahlt die Allgemeinheit?
7.
Grundgedanke des geamten marktwirtschaftlichen Instrumentariums ist die Monetarisierung von Umweltschäden. Die Logik des Geldes wird nicht kritisiert, sondern sie soll noch ausgeweitet werden. Der Zusammenhang zwischen Wert, Geld, abstrakter Arbeit wird so nicht nur nicht angegriffen (und nebenbei: er wird gar nicht aufgegriffen, weil nicht einmal begriffen), nein, er wird geradezu vorausgesetzt bei der Lösung der Umweltprobleme.
Worüber heute diskutiert wird, ist weniger WAS IST?, stets aber WER ZAHLT? Wer diesem Kalkül folgt, sich und den anderen stets billigere Varianten vorrechnet, hat vor der Logik des Systems bereits kapituliert. Nicht, daß man sich schon hier und heute ausklinken kann, wird behauptet, sehr wohl aber, daß die vorausgesetzte Selbstverständlichkeit der Denkmuster hinterfragt, daß die bewußtlose Übernahme monetärer Kategorien (Wert, Kosten, Preis) reflektiert und überwunden werden muß.
Vorausgesagt wird, daß die konventionellen Maßnahmen, die heute innerhalb der Formprinzipien von Markt und Staat ergriffen werden, sich gründlich blamieren. Der Katzenjammer ist prognostizierbar, wenngleich daraus noch keine Automatik abgeleitet werden kann, daß die herkömmlichen Denkmuster dann auch über Bord geworfen werden. Neuauflagen des Praktizismus — wenn auch zunehmend weniger euphorisch — sind nicht ausgeschlossen.
Notwendig ist eine fundamentale Wende in der ökologischen Debatte. Elemente einer emanzipatorischen Ökologie müssen als Alternativen jenseits von Markt und Staat denkbar und machbar werden. Es ist notwendig, die Fragen der Ökologiebewegung zuzuspitzen, diese auf die Spur einer tiefergehenden Analyse zu treiben, die auch vor den vorausgesetzten Kategorien von Arbeit und Geld, Wert und Rentabilität nicht haltmacht. Diese Aufgabe ist keine geringe, stellt sie doch alle ideologischen Prämissen und Instrumentarien der Ökologiebewegung zur Disposition.
Notwendig ist auch eine Herausarbeitung des unbedingten Zusammenhangs von Produktionsverhältnissen und Produktivkräften. Es ist zu zeigen, wie jene diese bestimmend vorantreiben. Die Produktivkraftkritik ist zu verlängern, hin zu einer Fundamentalkritik der Gesellschaftsformation überhaupt. Jeder Isolationismus von Problemen muß theoretisch und praktisch desavouiert werden. Ebenso gilt es, die ökologische Debatte von einer Kostendiskussion zu entkoppeln, d.h. sie muß in ihrer direkten stofflichen Dimension Gegenstand der Überlegungen werden, nicht bloß in ihrer indirekten monetären Vermitteltheit.
Plädiert wird für eine Entmoralisierung und Entsachlichung. Diese sind unabdingbare Kriterien dieser erkenntnistheoretischen Wende. Sachliche Einschätzungen und konstruktive Lösungen greifen nicht und begreifen nichts. Kritische Theorie ist niemals ex parte, sondern immer pro toto. Gleiches gilt für die emanzipatorische Praxis. Jede einzelne Frage ist somit zu interessant, sie den Experten zu überlassen. Jede einzelne Frage sprengt ihre sachlichen Dimensionen. Keine einzelne Frage ist eine einzelne Frage. Der gegenwärtige Diskurs über Ökologie hingegen scheint zusehends im Detail zu verlaufen. Das ödet an, interessiert nicht mehr, führt nicht weiter.