FORVM, No. 478/479
November
1993

»profil« vs. »NEWS«

Alternative Meinungsmache im Reich der freien Presse

Programmierte Enttäuschung

»profil« versteht sich nicht als Sprachrohr der Mächtigen, sondern als kritisches Magazin. Man will den Leser nicht bloß mit Ereignissen bekanntmachen, ihm mitteilen, was politisch gelaufen ist bzw. was deswegen auf ihn zukommt, sondern einen wöchentlichen Warentest auf die Qualität des Produktes Politik (und natürlich auch in Bezug auf Wirtschaft und Kultur) veranstalten. Geboten wird eine Überprüfung des politischen Lebens mit dem Gestus, es sei keineswegs selbstverständlich, dem Lauf der Welt zustimmend zu begegnen, sondern man behalte sich zumindest eine ideelle Distanz zum politischen Getriebe vor, auch wenn man sich, wie jeder andere ordentliche Bürger, praktisch anpaßt. Das regelmäßige Ergebnis dieser kritischen Sichtung faßt der Herausgeber zusammen:

Journalisten sind höchst selten zufriedenzustellen. Ihre Erwartungen in politische Entscheidungen sind oft so hoch, daß sie im Regelfall nur enttäuscht werden können.

(16/1993)

Das trifft nicht den Journalismus generell, den »profil«-Journalismus aber schon. Präzise gibt der Seufzer immerhin die spezifische Borniertheit dieser Zeitung zu Protokoll. Es gehört nämlich ein gehöriges Maß an Ignoranz dazu, sich ständig und immer wieder und geradezu vorsätzlich zu täuschen, um anschließend in ebenso schöner Regelmäßigkeit ent-täuscht zu werden. Das mit den »hohen Erwartungen« einmal bleiben zu lassen und sich stattdessen — ohne positive Vorurteile — für die Politik zu interessieren, wie sie stattfindet, kommt für die »profil«-Crew einfach nicht in Frage. Das hielte man dort für unkritisch. Dabei ist der Maßstab der »profil«-Kritik und damit der Ausgangspunkt der permanenten Enttäuschung so hanebüchen und affirmativ wie nur irgend möglich. Diese notorisch schlechte Meinung speist sich primär aus der Selbstdarstellung der »politischen Klasse«, aus der Angeberei der führenden Figuren bezüglich Persönlichkeit, Kompetenz, Charisma und Führungsqualität, wie sie nicht nur im Wahlkampf gepflegt wird. »profil« nimmt diese idiotischen Gesichtspunkte auf sehr unverständige Weise ernst und treibt sie hemmungslos auf die Spitze, um dann den Protagonisten hämisch den grandiosen Vorwurf unter die Nase zu reiben, so toll, unwiderstehlich und erfolgreich wie in ihrer Eigenwerbung seien sie doch gar nicht. Scheitern können Politiker im »profil«-Weltbild pausenlos — aber allein an den von ihnen selbst definierten bzw. in der Regierungserklärung niedergelegten Vorhaben. Wofür die Politik einzustehen hat und wofür nicht, was ihre Aufgaben seien und was nicht, woran sie folglich auch zu messen sei, die Festlegung ihrer Zwecke und Mittel bleibt allein den Zuständigen überlassen. Darin liegt die völlig unkritische Seite dieser Nörgelei. Erfolgreich sollen die Machthaber amtieren, wobei eigentlich, das legen sie selber fest. Darüber will »profil« nicht richten, aber wenn die notorisch guten Absichten der Regierenden einmal verlautbart sind — z.B. wenn sie eine Steuerreform für notwendig befinden —, liegt ein Leitfaden vor, an dem entlang das kritische Wochenblatt das Gelingen der Politik anhand selbstgesteckter Ziele einklagt. Und ebenso penibel darüber wacht, ob die Staatsmänner und -frauen überall eine gute Figur machen, auf daß ein jeder die Republik in Gestalt ihrer Repräsentanten ordentlich bewundern könne — anscheinend ein Grundbedürfnis moderner, kritischer Untertanen.

Ab und an beweist »profil« seine Objektivität und seine bewährten Maßstäbe durch ein rundum positives Bild einer gelungenen Politikerpersönlichkeit; soll keiner behaupten können, es werde aus Prinzip gemeckert. Zum Einstieg fühlt sich der Berichterstatter liebevoll in angebliche Personalnöte der SPÖ ein:

Ausgerechnet der Minister wider Willen ist jetzt einzige Reserve einer personell ausgezehrten SPÖ-Spitze. Verstaatlichtenminister Viktor Klima ist noch zu jung im Amt, Heinz Fischer wurde ins Nationalratspräsidium weggelobt, Rudolf Streicher als Präsidentschaftskandidat verbraucht. Argwöhnisch registrieren Freunde des Finanzministers jene Spekulationen, die Kronprinz Ferdinand auch als Wiener Bürgermeister-Kandidaten benennen. Derartiges werde in Kanzlers Umgebung lanciert, so die Sorge.

(27/1993)

Das sind ohne Zweifel Probleme, die einem den Schlaf rauben können — wenn man zufällig SPÖ-Bundesgeschäftsführer ist. Warum sich ein normaler Mensch für die Ränke der SPÖ-Spitzen interessieren sollte, ist zwar völlig unerfindlich, aber so geht eben die »profil«-Masche: eine staatstragende Partei braucht nun einmal vorzeigbares Personal zum Einseifen des Wählervolkes, das kann einer verantwortungsbewußten Presse natürlich nicht gleichgültig sein und darf die Einzuseifenden nicht kalt lassen — und wie schneidet die SP Ödabei ab? Mit Kanzlerreserve Lacina hervorragend, denn der verkörpere jene Mischung aus Sturheit und Schlitzohrigkeit, die ein »profil«-Schreiber an einem Finanzminister unbedingt rühmen möchte, zumindest im Sommer 1993:

Verhandlungspartner staunen inzwischen über die ungewohnten neuen Tricks des einstmals geradlinigen Fachmanns, der »früher immer alle Karten auf den Tisch gelegt hat« (ein ÖVP-Mandatar). So war es Lacina gelungen, 13 Milliarden an geheimer Reserve für die Steuerreform drei Jahre lang auf verschiedenen unauffälligen Budgetposten anzuhäufen. ... Beim Kaufangebot von Raiffeisen für die CA ließ Lacina die Vertreter des grünen Riesen auflaufen. ... Als guter Bluffer erwies er sich auch vergangenen Montag bei Verhandlungen mit dem Gemeindebund. ...

(ebd.)

Welch begnadeter Trickser! 13 Milliarden im Budget »versteckt«, Raiffeisen düpiert, und dann auch noch den Gemeindebund geblufft! Warum man das würdigen sollte, weiß zwar kein Mensch und »profi« klarerweise auch nicht. Was eigentlich gegen Raiffeisen oder den Gemeindebund sprechen soll, ist schlicht kein Thema, und für die Qualität der Steuerreform bürgt ohnehin allein das Selbstlob ihrer Erfinder, wie in »profil« (24/1993) hinreichend dokumentiert. Ansonsten war der Finanzminister rundum mit sich zufrieden und »ungewohnt vergnügt«, weil er sich durchgesetzt hatte, womit auch immer; für »profil« ist das offenbar Grund genug, Lacinas Vergnügen zu teilen.

Politik ist eine Charakterfrage

Die gar nicht geheime Sehnsucht des »profil« ist die Hofberichterstattung:

Es ist ein brillanter Auftritt geworden. ... Journalisten sollten sich wahrscheinlich davor hüten, auf Politiker Lobeshymnen zu singen, weil ihnen das als billige Parteilichkeit ausgelegt wird. Aber warum soll man nicht sagen dürfen, daß Franz Vranitzky in Israel die absolut richtigen Worte gefunden hat? Daß er Haltung, Sensibilität und Klugheit bewiesen hat im Umgang mit Geschichte und Gegenwart?

(24/1993)

Zur Erinnerung: Vranitzky war anläßlich der Normalisierung der Beziehungen mit Israel auf Staatsbesuch und hat, kryptisch wie gewohnt — Österreich übernehme für die unselige »Vergangenheit« »keine Kollektivschuld, aber kollektive Verantwortung« — klargestellt, daß es zwar für Israel kein Geld gibt, und die originär deutsche Masche des nationalen Selbstlobes durch ein genüßliches Bekenntnis zu vergangenen Untaten überboten, was umstandslos mit einer gegenwärtigen Untadeligkeit gleichgesetzt wird, inzwischen aber auch die österreichische offizielle Methode ist, ausgewählte Greuel des Dritten Reiches für das Ansehen der Republik nützlich zu machen. Wie brillant, sensibel und klug! Billig übrigens auch.

Umgekehrt, umgekehrt. Die »Kritik« à la »profil« ist die Kehrseite des obigen Personenkults. Man kann es dort der österreichischen Politikergarde nicht und nicht vergeben, dem eigenen Bedürfnis nach Lobhudelei so wenig Anlässe zu liefern. Inkompetente, provinzielle, zu Frauen unhöfliche, eigenen Privilegien zugetane und korrupte Möchtegernstaatsmänner bevölkern da die Seiten. Ein repräsentativer Kommentar:

Seit Tagen raunen Koalitionspolitiker beiderlei Couleur nachfragenden Journalisten im trauten Gespräch zu, die Methode zur Auffüllung der leeren Arbeitslosen-Kassen sei ohnehin längst ausgemachte Sache. Es werde natürlich beides geben: sowohl Beitragserhöhungen als auch einen Griff ins Budget. Für die jeweils eigene Anhängerschaft wird gleichzeitig ein Schaukampf inszeniert, der wegen der nur mangelhaft gemimten Bärbeißigkeit mitunter wenigstens einer gewissen humoristischen Note nicht entbehrt. Das alles ist natürlich nicht nur nutzlos, sondern auch dumm. Der Adressat, die Wählerschaft, ist schließlich nicht an Darstellungskraft, sondern an Effizienz interessiert, wie sie etwa bei der bemerkenswert zügigen Erledigung der Steuerreform demonstriert wurde.

(29/1993)

Dann dasselbe nochmal im redaktionellen Teil:

SPÖ und ÖVP spielen soziales Sommertheater. ... Hornberger Schießen ... Theaterdonner ... sommerliche Schmierenkomödie ... Stegreiftheater vom Schlechtesten ...

Die Koalition hat auf »profil« einen schlechten Eindruck gemacht. Nicht wegen ihrer Taten — die angemahnte »Effizienz« ist ja ausdrücklich vorhanden und auch registriert worden, als »Beitragserhöhung« plus »Griff ins Budget«: Der Staat gedenkt, mehr Geld einzutreiben und seinen Kredit zu strapazieren. Soweit, so uninteressant. Deprimiert, wie es sich für ihn gehört, ist der Kommentator von der ineffizienten Darstellungskraft der Regierung, die angeblich niemanden interessiert. Das hätte man doch besser verkaufen können, mäkelt ein Regierungssprecher in spe, Effizienz demonstrieren, und Geschlossenheit, statt ein beschämend unglaubwürdiges Bild eines »harten Ringens« zu bieten. Auf diese Weise betreibt das Magazin hartnäckig seine Verwechslung der Politik mit der Selbstdarstellung der Politiker — wesentlich ist das Image, das die Regierenden vermitteln; und die Sache, um die es jeweils geht, verkommt kulissenartig zum Material, in dem sich die intellektuellen und moralischen Qualitäten der führenden Persönlichkeiten ausdrücken können. Ausgerechnet die organisierte Ausübung von Macht wird in diesem Weltbild zu einer Angelegenheit des Intellekts verfabelt und die Beschlüsse der Amtsträger zu — oft niveaulosen — Diskussionsbeiträgen bei der »Lösung« von »Problemen«. Der Ärger über die »Schmierenkomödie« gibt zumindest Aufschluß über das Bedürfnis der Rezensenten nach überzeugenden Charakterdarstellern. Nicht die Gründe für politische Maßnahmen, die seelischen Hinter- und Abgründe der Verantwortlichen findet »profil« unglaublich interessant. Die Politik-Berichterstattung besteht aus »psychologisch« aufgemotzten Persönlichkeitsporträts, in denen liebevoll, langatmig und mit Hingabe über die belanglosesten Charakterzüge und Begebenheiten schwadroniert wird, um so die Politik aus den problematischen Lüsten und Angsten ihrer Macher zu deduzieren. Oder wenigstens deren Selbstbildnisse als Selbstbildnisse zu »entlarven«. Wie gebrochen fühlt sich Erhard Busek als »ewiger« Vizekanzler? Welche psychischen Verwüstungen ergeben sich aus der frustrierten Machtgeilheit eines notorischen Zweiten?

Die apologetische Kehrseite der ewigen Enttäuschung über inferiore Charaktere: Bei allem Geläster und Tadel, nie fällt durch dieses Verfahren auch nur der Schatten eines Verdachts auf die Ämter, die die Unwürdigen bekleiden und auf die Republik, der sie damit dienen. Vor der Macht liegt »profil« ehrfürchtig auf dem Bauch, diese Verehrung ist nämlich die Triebkraft der Abqualifizierung der Minister und Abgeordneten. Die schlechte Meinung über das Personal hält jeden Argwohn gegenüber der Sache, die jeweils verhandelt wird, fern. Daß die Verantwortlichen ihre Sache korrekt und ordentlich erledigen, und deswegen etliches anrichten, wird man im »profil« daher nicht lesen können. Die Hypothese, daß miese Typen einen miesen Job erledigen, daß die Aufgabe den Charakter formt, gibt zwar über die Eigenart dieses Gewerbes auch keinen gescheiten Aufschluß, wäre aber mindestens ebenso naheliegend wie die ständige Enttäuschung über Volksbeauftragte, die ihrer »Verantwortung« nicht gerecht werden. Österreich ist eigentlich viel schöner und besser als das, was die amtierende Mannschaft gerade wieder einmal vergeigt, erfährt man jede Woche: Kritik als hemmungsloser Idealismus.

Innenpolitik: Streit um das Aufenthaltsgesetz

Auch die österreichische Ausländergesetzgebung verwechselt das Magazin unbeirrbar mit einer Gelegenheit für Politiker, Geist und Sensibilität zu demonstrieren:

Es ist erst zwei Monate her, daß der Kanzler, auch an dieser Stelle, großes Lob eingeheimst hat. Damals hatte er während seines Israel-Besuchs Gesinnung, Geist und Haltung bewiesen, indem er uneingeschränkt die Verantwortung für das nationalsozialistische Erbe Österreichs übernahm. ... Normalerweise müßte man vermuten, daß einer, der gegenüber der eigenen österreichischen Vergangenheit eine derart souveräne Haltung zeigt, auch in Fragen der Ausländerpolitik, das heißt im Umgang mit Gastarbeitern und Flüchtlingen, ein gewisses Fingerspitzengefühl an den Tag legt. Bei Franz Vranitzky ist dies nicht der Fall.

(33/1993)

Vranitzky hat in Israel wohlfeile, folgenlose Sprüche zum Lob der Republik geklopft, und »profil« ist ihm begeistert auf den Leim gegangen. Wer Politik so stur mit Repräsentation identifiziert, mit dem Eindruck, den ein Politiker auf ihn macht, dem ist eben jeder Vorwand recht, der ihn zu den schönsten Erwartungen berechtigt.

Wie gewohnt, werden die Politikersprüche beim »Aufenthaltsgesetz« — es ginge um die Verhinderung unkontrollierter Einwanderung sowie um jede Menge Menschlichkeit — für bare Münze genommen, um die Abweichung davon als Skandal zu geißeln:

Wer Fristen übersieht, keine »ortsübliche Unterkunft« vorweisen kann oder Sozialhilfe bezieht, ist aus dem Rennen, er muß Österreich verlassen. ... Es geht längst nicht mehr um kontrollierte Einwanderung, sondern um gezielte Aussiedlung. Entblößend (?) offen ist das in den Erläuterungen zum Gesetzestext formuliert: »Ziel ist eine Strukturbereinigung des Gastarbeiterproblems.« ... Die Politik der Regierung fördert so per Gesetz den Austauschprozeß am Arbeitsmarkt. Ältere Gastarbeiter werden durch jüngere, billigere ersetzt. ... Wer nicht nach Plan funktioniert, wem irgend etwas im Leben schiefläuft, ist unerwünscht: Verlust der Wohnung, Scheidung, Unfall oder Arbeitslosigkeit werden zu Stolpersteinen, die vom Gesetz mit Abschiebung geahndet werden. ... Ausländer werden zur flexiblen Verschubmasse degradiert. Sogar (?) in den Erläuterungen zum Gesetzestext wird subtil (?) vor Integrationswilligen gewarnt: Eine Untersuchung in Deutschland habe gezeigt, daß »Gastarbeiter selbst als Rentner in Deutschland geblieben sind«. Das soll in Österreich offenbar verhindert werden.

(32/1993)

»Strukturbereinigung«: Mit dem neuen Gesetz soll das Ausländermaterial, das sich auf Basis der bisherigen Gesetzeslage in Österreich angesammelt hat, durchsortiert werden. Mit der Betonung auf Gastarbeiter. Dazu sind sie schließlich geholt worden. Wer — aus welchen Gründen auch immer — nicht arbeitet oder ohnehin als Familienmitglied »bloß« hier mitlebt, hat es in Zukunft schwerer, legal in Österreich »aufhältig« zu sein. Und wer bei den unglaublich mannigfaltigen Formalitäten, die sich der Gesetzgeber zur ständigen Beaufsichtigung unösterreichischer Menschen ausgedacht hat, schlampt, muß unter Umständen zurück zum Start und sich als Newcomer bewähren. Dabei wird manchen Betroffenen über den Nachweis der »ortsüblichen Unterkunft« immerhin selbstverantwortlich die Entscheidung überlassen, wer von ihnen die Rückreise antritt, damit der Quadratmeterdurchschnitt der in einer Wohnung Verbleibenden gesetzeskonform angehoben wird — das muß der Dr. Cap von der SPÖ wohl gemeint haben, als er »Humanität, Mitgefühl, Nächstenliebe« und dann noch einmal Humanität, diesmal auf deutsch als »Menschlichkeit«, für das Gesetz reklamierte. (33/1993) »Liberalität« hätte auch gepaßt, aber diese Sprechblase hat ohnehin eine andere Partei gepachtet.

So läßt sich der »profil«-Berichterstattung wenigstens halbwegs die Sachlage entnehmen, wenn auch untermalt durch die Empörung auf Grund der fixen Idee, das könne unmöglich die zweckmäßige österreichische Ausländerpolitik sein. Die Enttäuschung darüber will also noch bewältigt sein:

Die Ausländergesetze sind damit Ausdruck eines zynischen Kalküls: Je strenger sie ausfallen, umso eher kann man verhindern, daß sozialdemokratische Wähler weiter zu Haiders FPÖ abwandern. Ausländer müssen also für die vage Hoffnung der Sozialdemokraten büßen, mit Hilfe inhumaner Gesetze politische Mehrheiten zu retten. ... Vranitzky wird wohl verstehen, daß man seinen Worten in Zukunft etwas reservierter gegenüberstehen wird.
(33/1993)

Der schlimme Haider steckt wieder einmal dahinter. Ohne den — im »profil«-Weltbild — bösen Geist der österreichischen Politik käme der edle Vranitzky niemals auf derartige Gesetze. So enttäuscht kann der »profil«-Herausgeber gar nicht sein, daß er aus der offensichtlichen Identität der Positionen von Regierung und FPÖ-Opposition einmal einen Schluß auf den Zweck und Inhalt der Ausländerpolitik zieht und einen Konsens der Demokraten in der Ausländerfrage registriert. Hier wäre sie nämlich ausnahmsweise angebracht und ein wenig aufklärerisch dazu, die Entlarvung des Getöbers zwischen Haider und Vranitzky als typisch demokratische »Schmierenkomödie«, als »Theaterdonner« und »Schaukampf für die Anhänger«. Dummerweise ist »profil« auf diese Schmierenkomödie selbst hereingefallen.

Wie wäre es denn mit der Einsicht, daß die Worte eines Politikers ohnehin nicht auf eine Erklärung seiner Aktivitäten zielen, sondern auf Vereinnahmung? Statt der Sehnsucht, viel öfter vom Kanzler glaubwürdig vereinnahmt zu werden? Wie wäre es denn, einmal die Taten eines Bundeskanzlers für das Wesentliche zu nehmen und als solche zu beurteilen, anstatt sich ständig in einer — ohnehin sehr wohlwollend und blauäugig konstruierten — Diskrepanz zwischen Worten und Taten herumzutreiben, um sich die wöchentliche Dosis Ernüchterung reinzuziehen? Vielleicht beruht ein Gutteil der Kritik an der Ausländergesetzgebung sogar auf einem Mißverständnis:

Seit Beginn der Diskussion über das Aufenthaltsgesetz haben sich die Regierungsfraktionen der Frage entzogen, wie eine den Interessen des Staates dienende, gleichzeitig aber auch anständige Einwanderungspolitik aussehen kann.

(38/1993)

»Aber auch«? Was soll denn das heißen? Der Kommentator insinuiert, es könnte zwischen den Interessen Österreichs und dem Anstand eine Differenz, womöglich sogar einen Gegensatz geben! Da täuscht er sich sehr grundsätzlich, denn die moralischen Titel der Politik sind keine »gleichwertigen« Kriterien, die zu den Interessen ergänzend hinzutreten, sondern deren Behübschung. Insofern sollte man Dr. Cap glauben, wenn er das Gesetz als Kind der »Menschlichkeit« preist, sollte zur Kenntnis nehmen, was die Koalition unter »Mitgefühl« versteht, und was Leuten blüht, die regierungsamtlicher »Nächstenliebe« ausgesetzt sind. Aber ausgerechnet mit dem Menschlichkeitsgeschwätz von Politikern gegen deren Taten »argumentieren« zu wollen, das kann höchstens in der gewohnten Enttäuschung enden.

Weltpolitik: Schwächlinge am Gipfel

Der Einsatz der Gewalt nach außen, die Konkurrenz der Nationen, gerinnt für »profil« zu einem unermüdlichen Versuch, weltweit Gutes zu tun:

Die weltweite Rezession, massive Arbeitslosigkeit allüberall, Völkerwanderungen, das Verhungern ganzer Kontinente, das Heraufdämmern ökologischer Katastrophen, drohende Handelskriege, die Epidemie der lokalen Genozide: Mehr denn je wäre entschlossenes globales Handeln vonnöten. Es ist paradox: Nie zuvor waren die großen Industriestaaten so einig. Allesamt sind sie liberale, marktorientierte Demokratien. Und so sehr sie ökonomisch konkurrieren, so sehr teilen sie gemeinsame Interessen und Werte. Die Großmächte wären wirklich handlungsfähjg. ... Strategische Ziele sind gefragt und kollektive Durchsetzung. Aber die Mächtigen sind kraftlos. Bedrängt von den Lobbies zuhause, gejagt von den Medien (?), geschreckt von den dramatisch nach unten weisenden Popularitätskurven ... Die Cover-Karikatur des »Time«-Magazines, die Clinton und Co. als Schrumpffiguren in zu großen Anzügen zeigte, wurde in Tokio nicht widerlegt. ... Und jetzt, nach dem kalten Krieg, wo sie Gutes tun könnten und müßten, wollen sie nicht mehr und zeigen sich schwach.

(28/1993)

Irgendwie rührend: Seine Welt ist voller Wunder ...

Stark sollen sie sein, die versammelten Imperialisten! Daß es sich zumindest bei »weltweiter Rezession und massiver Arbeitslosigkeit«, dem »Verhungern ganzer Kontinente« samt den induzierten »Völkerwanderungen«, bei »ökologischen Katastrophen« und »drohenden Handelskriegen« um Resultate des Wirkens von »marktorientierten Demokratien« handelt, die bei einem Weltwirtschaftsgipfel beieinanderhocken, um ein Zwischenergebnis des globalen Siegeszuges der Freiheit, das glaubt ein »profil«-Kolumnist wahrscheinlich nicht einmal dann, wenn man es ihm erklärt. Das alles hält er für Probleme, die bei ihren Urhebern in den besten Händen sind — im Prinzip zumindest. Das Märchen, ausgerechnet die Konfrontation mit der Sowjetunion habe die ehemaligen West- und jetzt wieder Großmächte davon abgehalten, ihrem wahren Wesen zu frönen und den Rest der Welt mit guten Taten zu überschütten, glaubt er jedenfalls fest, und daher ist er »nach dem kalten Krieg« ein wenig verblüfft. Daß mit dem früheren Feind im Osten auch der Grund für die bisherige Einheit des bisherigen Westens verschwunden ist, hat er noch nicht mitbekommen, weil es ihm keiner der »Mächtigen« offiziell mitgeteilt hat; daher hält er »ökonomische Konkurrenz«, »drohende Handelskriege« und beispielsweise den Streit der Großmächte um eine Linie in der Balkanpolitik für sekundär gegenüber seinem Bedürfnis nach »Einigkeit«, deren Abwesenheit wohl die wahre globale Katastrophe darstellt. Wenn aus der Geschlossenheit der Großmächte weiterhin nichts rechtes wird, weil es im wirklichen weltpolitischen Leben ohnehin um anderes geht, kann das also nur an den schwächlichen Persönlichkeiten der »Mächtigen« liegen, denn daß diese um »Gutes« stets strebend bemüht sind, ergibt sich zumindest für einen »profil«-Journalisten schon daraus, daß die hohen Herren und Damen das pausenlos behaupten. Tja. Da werden sich wohl auch in Zukunft herbe Enttäuschungen, geboren aus gewissen Erwartungen, nicht vermeiden lassen.

Der Erfolg Jörg Haiders markiert die Sinnkrise des »profil«

»profil« hat eine gewisse Tradition als »Aufdeckungsmedium«. Es hat allerlei »unsaubere« Machenschaften und etliche Skandale (mit-) betreut und damit zum früheren Image einer »Skandalrepublik« einiges beigesteuert. Das hat ihm eine üble Nachrede von manchen Patrioten eingetragen, die genau wie »profil« um den guten Ruf der Republik bemüht sind und diesen durch diverse Enthüllungen eher gefährdet sehen und nicht — der paradoxen Intention der Enthüller nach — gefördert. Diese üble Nachrede ist also ein wenig ungerecht, was nichts daran ändert, daß der Skandaljournalismus eine üble Sache ist, allerdings aus anderen Gründen.

Die erste und grundsätzliche Heuchelei beim Aufdecken besteht in einer sehr fingierten Betroffenheit der Bürger durch diverse »Malversationen«. Wenn Kanonen in den Iran verschoben werden, ein Finanzminister Steuern hinterzieht, ein Saufkumpan verschiedener Politiker sich behördlicher Nachsicht erfreut oder beim Bau eines Krankenhauses zu gut verdient wird, dann ist entgegen der medialen Aufgeregtheit ein Normalbürger davon überhaupt nicht tangiert, weder als Nutznießer noch als Geschädigter. Einmal kurz überprüft: Keine Kanonen mit lausigen Zertifikaten gedealt, der Finanzminister ein Vorbild an Steuermoral, Proksch ein untadeliger Zuckerbäcker und beim AKH nur die üblichen Gewinnspannen verdient; oder wenigstens Sinowatz wegen Waffenschieberei vor Gericht, Androsch vom Finanzamt belangt, Proksch im Gefängnis und ein AKH-Millionär verurteilt — daran soll sich für einen krankenversicherten, wehr-, dienst- und arbeitspflichtigen Steuerzahler etwas entscheiden? Darauf soll es ankommen? Aber immer, meint »profil«. Der erfundene Nutzen des skandalbedingten Karriereknicks eines Mächtigen für den unbeteiligten Bürger ist natürlich nicht materieller, sondern mehr von der gehobenen, moralischen Art. Wenn der Bürger sieht, daß auch seine Herren, denen er gehorchen muß, sich an die Gesetze — die sie ohnehin selber machen — halten müssen, dann kann er beruhigt gehorchen, weil er sieht, die da oben können sich auch nicht alles erlauben.

Ein feines Kriterium! Bedroht vom Skandal ist also allein die Politik, und die soll auch der alleinige Nutznießer der Enthüllungen sein. Es geht um das berühmte Vertrauen, d.h. um eine grundlose Zutraulichkeit in die Führer der Nation, die sich jedenfalls nicht aus der Überprüfung speist, inwieweit deren Taten im Amt nützlich für die eigenen Interessen sind, sondern die sich der spannenden Frage widmet, ob die Amtsträger immer und überall wirklich allein die nationalen Interessen durchsetzen und sich dabei auch penibel an die Formalitäten halten. Nach dieser Seite erfüllt die Skandalberichterstattung den Tatbestand eines Ablenkungsmanövers von den Inhalten der Politik, hin zu den Prozeduren und Verfahrensfragen: Was wollen wir über Waffenexporte wissen? Ob die Vorschriften eingehalten worden sind! Ansonsten ist Skandalberichterstattung eine Kritik vom Standpunkt des Staates an Staatsfunktionären, die es dem »kleinen Mann« schwer machen, zu glauben, die Politik wäre einem Gemeinwohl jenseits aller Interessen verpflichtet — und paradoxerweise darin ihm dienlich. Bekräftigt werden soll ein Fehlschluß, intendiert ist ein Beweis ex negativo: Wenn die Machthaber nicht in die eigene Tasche wirtschaften und ihre Machtmittel nicht für eigene Interessen gebrauchen, dann ist »erwiesen«, daß die Politik — gleichgültig gegen ihre faktischen Auswirkungen — den Bürgern wenn schon nichts nützt, so zumindest im Rahmen des Machbaren dient.

Und diese sehr prinzipielle Kumpanei von Politik und Skandaljournalismus führt zur zweiten grundsätzlichen Heuchelei. Nähme beispielsweise ein Lingens, der »profil« weniger durch seine Leitartikel und mehr durch den Schwerpunkt »Skandalberichte« großgemacht hat, den dort breitgetretenen Sauberkeitsfimmel einen Moment lang ernst, er hätte schon vor Jahren zum Mißtrauen und zum Ungehorsam aufrufen müssen. Ja, wenn es denn so sein sollte, daß sich die führenden Burschen in dieser unserer Republik ihre »Richtlinienkompetenz« und ihr Gewaltmonopol mühsam verdienen müssen, wie die Skandalberichterstattung heuchelt, und zwar durch eine über jeden Verdacht erhabene Amtsausübung — spätestens nach dem zehnten Skandal in Serie müßte es doch vorbei sein mit der allgemeinen Zustimmung zu einem System der Parteiendemokratie, in dem Skandale einfach dazugehören. Sicher, beabsichtigt war der »Nachweis«, Korruption etc. habe keine Chance — kaum passiert eine Unsauberkeit, und es findet sich ein Denunziant, der die Presse mit Material versorgt, wird sie aufgedeckt. Faktisch hat die Skandalberichterstattung bloß bewiesen, daß es sich um eine bleibende Einrichtung handelt. Und da zieht der »kritische« Journalismus eine bemerkenswerte Konsequenz aus dem ständigen Aufdecken: Wenn die Politiker das Vertrauen der Bevölkerung so oft »verspielen«, dann muß eben die Öffentlichkeit dafür sorgen, daß es trotzdem nicht verlorengeht. Verlangt werden »sichtbare Konsequenzen«, die durch ihr Eintreten der Presse die gewagte Behauptung gestatten, nun könne der Bürger wieder zufrieden mitmachen.

Von wegen »Selbstreinigungskraft der Demokratie« und so: daß die Berichterstattung über den einen den nächsten Skandal verhindere, so naiv ist doch nicht einmal der Ober-Enthüller Alfred Worm. Der Rücktritt des Ministers nach der einen und der Untersuchungsausschuß zur anderen Affäre bewirkt auch nichts bzw. soll erklärtermaßen allein das doofe Vertrauen des Bürgers restaurieren. Nicht, daß sich am Skandalwesen etwas ändere durch die öffentliche Anteilnahme an ihm, sondern das bloße ergänzende Stattfinden der Berichterstattung plus das eine oder andere »Menschenopfer« spricht in dieser Lesart für dieses System und seine Leitfiguren.

Ein schwieriger Gedanke: Im Grunde genommen sprächen Korruption und Bereicherung im Amt nach Meinung der unerschrockenen Aufdecker natürlich gegen die politischen Institutionen, die das hervorbringen, und wenn es um mißliebige Regime geht wie z.B. den ehemaligen »Realen Sozialismus«, dann gilt eine daraus gewonnene Verurteilung radikal und ungebremst. Weil aber nach der festen Überzeugung der demokratischen Öffentlichkeit ohnehin nichts gegen die Demokratie sprechen kann, sprechen Skandale — genauer: daß über sie berichtet wird und sie nicht im Verborgenen blühen! — logischerweise auch nicht gegen, sondern für dieses System. Kein Wunder, wenn eher konservativ gestimmte Patrioten der Meinung sind, diesen Zirkus — zuerst die Bürger durch das Skandalgeschrei künstlich auf- und dann durch den Hinweis auf Rücktritte wieder abzuregen —, könnte sich die Republik doch gleich ersparen. Aber da wird die Leistung dieser Berichterstattung ein wenig unterschätzt, die in den Maßstäben der Kritik besteht — die Politik soll sich an ihre selbstdefinierten Kriterien halten, und an sonst nichts.

Jörg Haider hat sich als Schmarotzer an diesem scheinheiligen Gestus der Überprüfung und Kontrolle durch eine »kritische« Öffentlichkeit betätigt. Er hat andere Konsequenzen der Aufdeckerei angemahnt: Wenn sich die demokratischen Machthaber durch untadeliges Benehmen an allen Fronten die Zustimmung der Bürger zu ihnen immer wieder erarbeiten müssen, wie der Skandaljournalismus vordergründig vorgibt, gehört sie ihnen andernfalls auch entzogen. Dann gehören die »Altparteien« als Sozialschädlinge eben von der Macht entfernt, und wenn wir halt in einer Demokratie leben, dann halt durch den Wähler. Nichts ist entlarvender für die Prätention der »Beaufsichtigung« der Macht durch eine »Vierte Gewalt«, als das Erschrecken gerade der »profil«-Mannschaft über einen, der aus ihrer Berichterstattung seine populistischen Wahlkämpfe gezimmert und damit seine Fans aufgewühlt hat. So politisch-praktisch war das alles doch nicht gemeint gewesen. Man hatte sich so nett und arbeitsteilig in einer politischen Landschaft mit etlichen »sauren Wiesen« eingehaust: Politiker erledigen allerlei halbseidene Geschichten, Journalisten machen sich seufzend an die Enthüllungen und sagen auch gleich dazu, wie es gemeint ist, nämlich konstruktiv und vertrauensbildend; bzw. erklären sie wortreich, daß »in jeder anderen Demokratie« der Minister längst zurückgetreten wäre, sodaß alles in Butter ist, auch wenn der österreichische Minister dann doch nicht zurücktritt — es hätte ewig so weitergehen können. Dann kam Haider und vermieste der Redaktion die Stimmung.

Symptomatisch dafür ist der »profil«-Star Alfred Worm. Als letzte irdische Herausforderung meinte er, Haiders Wahlparole vom »Politiker der neuen Art« ernstnehmen und deswegen widerlegen zu müssen. Ihm gelang der atemberaubende Nachweis, daß Haider — als Politiker der ganz normalen Art — parteiinterne Intrigen absolviert hatte und daß im Zuge der Ausbootung des Klagenfurter Politikers Candussi über Geld gesprochen wurde. Der FPÖ-Chef war blamiert, dann wandte sich Worm Höherem zu. Es gelang ihm die Enthüllung, daß es sich bei der »Bibel« — einem Kultbuch der religiösen Szene — weniger um einen Tatsachenbericht und mehr um einen historischen Schelmenroman handelt. Die Kirche war blamiert, wenn auch nur bei allen, die das Bedürfnis nach dem Glauben wegen besagter Bibel entwickelt hatten. Nun hat er den Einfall, den Niedergang der Verstaatlichten Industrie zum Mega-Skandal aufzubereiten. Nicht kapitalistische Konkurrenz und Krise, sondern die persönliche Unfähigkeit der Funktionäre des Kapitals, die ex ante das hätten wissen müssen, was der Rechnungshof ex post weiß, erzeugt Pleiten.

Kann sein, daß eine »Illustrierte der 90er Jahre« das Anzeigengeschäft von »profil« beeinträchtigt hat — das wahre Fiasko der Enthüller ist der Populismus der FPÖ.

»NEWS«: Opportunismus pur

»NEWS« erspart sich die enttäuschte Grundhaltung von »profil« und die folgenden verbitterten Ätzereien durch einen einfachen Kniff. Überall, wo die Illustrierte ihre Nase hineinsteckt, entdeckt sie dasselbe — überall gibt es nämlich Erfolgsmenschen und andere. Die Erfolgreichen dürfen sich des Beifalls und der Bewunderung erfreuen, die anderen dienen als abschreckendes Beispiel oder als Schicksale, die zur Anteilnahme freigegeben sind — als Werk der Erfolgreichen kommen sie jedenfalls nicht vor. Wo »profil« die faszinierenden Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft an den von diesen verkündeten Idealen ihres Wirkens mißt und sich darüber den bekannten Dauerfrust einhandelt, vergleicht »NEWS« die Charaktermasken aus Politik und Geschäft, seine geliebten »Promis«, einfach untereinander und stellt durch dieses geniale Verfahren sicher, daß einige besser abschneiden müssen als andere. So ist methodisch garantiert, daß immer Grund zur Freude vorhanden ist. Das wichtigste Requisit der »NEWS«-Berichterstattung — neben dem Superlativ »wichtigst« — ist daher die Ranglıste, und um die Intelligenz der »NEWS«-Kundschaft — der »besten Österreichs« — nicht zu überfordern, wird ihr die wöchentliche Unterscheidung zwischen den Erfolgreichen und den anderen durch Pfeile verdeutlicht. Zusätzlich wird der erstaunte Leser mit allerlei Hitparaden verwöhnt — neben den regelmäßigen Politikerrankings etwa die »wichtigsten« Österreicher insgesamt und die Wichtigen »im Sommer« noch einmal extra, die wichtigsten Weiber, die fünfzig wichtigsten Hundertjährigen und umgekehrt, usw. etc.

Wer da wobei erfolgreich ist, mit welchen Mitteln und auf wessen Kosten, ist für diesen Standpunkt völlig gleichgültig, daher konnte »NEWS« den »derzeit erfolgreichsten Transvestiten der Welt« (35/1993) ebensowenig ignorieren wie die erfolgreichen serbischen Freischärler in der Krajina. Dem Faible des Blattes für den Erfolg »verdankt Österreich« damit eine bemerkenswerte Auflockerung der ansonsten hierzulande ziemlich lückenlos durchgehaltenen Feindbildmalerei. Neben dem Abdruck einer Klestil-Wortspende, die für die politisch korrekte Blattlinie bürgt — »Jawohl, ich bin für eine Militäraktion der UNO in Bosnien.« — erfährt man, daß auch auf serbischer Seite echtes Soldatentum zuhause ist und respektable militärische Leistungen anfallen:

Das mit den Ohren war nicht vorgesehen gewesen. Capetan Dragan ist stinksauer. Den sechs erschossenen Kroaten, die vor dem eroberten Haus liegen, sind die Ohren abgeschnitten worden. ... »Die Ohren«, sagt mir Capetan Dragan, »haben die von der Zweiten Front, der Reserve, abgeschnitten. Bewaffnete Zivilisten, die nicht zu meinen Leuten zählen.« ... Ich erlebe die gesamte Ausbildung mit. Beinharter Drill, ergänzt durch Theorie. Stolz lehrt Dragan im Schulungsraum auch die Regeln der Genfer Konvention. Ob die auch auf dem Lehrplan steht, wenn kein Österreicher in der Schulbank sitzt, ist nicht zu beurteilen. ... Jetzt müssen die Häuser »gesäubert« werden, wie das Vorrücken in einen Ort militärisch genannt wird. Das gegenseitige Töten findet in der Enge von Zimmern statt. Die Gruppe Zenga hat die größte Erfahrung im Kampf Haus um Haus und soll die Säuberung von der Straßenseite aus vornehmen. ... Doch dann stecken die Angreifer fest. Die Kroaten haben sich sicher verschanzt. Kaum 100 Meter entfernt liegen sie und haben freies Schußfeld. Den Durchbruch schaffen die Kninjas erst am vierten Tag.

(16/1993)

So vorurteilsfrei kann Journalismus sein, wenn er das Erfolgsrezept von »NEWS« beherzigt.

Meinungen und/oder/statt Fakten?

»NEWS« huldigt nämlich einer Philosophie, die in Absetzung von der »profil«-Linie konzipiert wurde:

Das Erfolgsprinzip von NEWS ist seit unserem Start klar formuliert. Wir haben uns vorgenommen, in einer Medienszene, in der Meinung oft die Fakten verdrängt, so viel wie nur möglich zu recherchieren, so objektiv wie nur möglich zu berichten, so selten wie nur möglich die vorgefaßte Meinung den Inhalt einer Reportage bestimmen zu lassen.

(7/1992)

Das Problem der »faktenverdrängenden« Meinungen ist zwar ein vollständig erfundenes, denn auch der »kritischsten« »profil«-Meinung zum gerade aktuellen »Versagen« zweitklassiger Politiker vor ihnen aufgegebenen guten Werken lassen sich die Tatsachen, auf die sich jene Meinung bezieht, allemal entnehmen. Was sich als Abneigung gegen vorgefaßte Meinungen vorträgt, ist die Abneigung gegen jegliche kritische Sichtung überhaupt, gegen die wertende Stellungnahme zu den Fakten. Wesentlich an einer Meinung ist nicht, wie gut oder schlecht sie begründet sein mag, verkehrt ist schon die Anmaßung eines Urteils als solche. Hier ist nämlich offensive Antikritik angesagt.

»profil« begreift sich als Repräsentant einer kritischen Öffentlichkeit, die »kontrollierend« wirken möchte, die von der Politik nicht einfach betroffen sein will, sondern durch Meinungsbildung Einfluß nehmen will, als Medium demokratischer Mitwirkung der Bürger an der Politik. Dabei widerlegt es übrigens durch seine diesbezüglichen Anstrengungen ständig die Ideologie, die Presse sei ein Korrektiv der Politik: Gerade weil und solange der Bürger die politischen Entscheidungen den durch Wahl Befugten überläßt und die Folgen zu tragen bereit ist, darf und soll er eine kritische Meinung über die Personen, die zur Auswahl stehen, pflegen — eine Meinung, die sich ab und an ordnungsgemäß in einem Wahlkreuz bemerkbar macht und in sonst nichts. Wenn in der Demokratie die öffentliche Meinung meint, sie beeinflusse die Politik, täuscht sie sich ungefähr so wie der Schwanz, der glaubt, er wedle mit dem Hund. Die regelmäßig zu beobachtende Übereinstimmung von Politik und Öffentlichkeit liegt nämlich daran, daß diese sämtliche Gesichtspunkte, Themen ebenso wie Maßstäbe, von jener bezieht. »profil« macht sich um die Fiktion verdient, in der Demokratie würden sich Bürger und Politik in einem andauernden Dialog, in dem Argumente eine gewichtige Rolle spielen sollten, über die öffentlichen Aufgaben einig werden. Weniger die monopolisierte Gewalt der Oberen und der gewohnheitsmäßige Opportunismus der Unteren, sondern mehr der rationale Diskurs über »Probleme« und die überzeugenden Vorschläge der Verantwortlichen hielten die Gesellschaft zusammen.

Wo »profil« also Ernst machen will mit der Ideologie von der kritischen Öffentlichkeit, da zementiert »NEWS« mit seiner Hochachtung vor den Fakten und seiner Antipathie gegen Meinungen den Bürger in der Position, in der dieser aufgrund der Machtverhältnisse ohnehin ist: In der Lage dessen, der ohne Einflußmöglichkeit den Fakten ausgeliefert ist, die andere, vorzugsweise die Erfolgreichen aus der Politik, setzen und denen sie Geltung verschaffen. Diese Erfolgreichen und Mächtigen kritisiert man nicht, belehrt ein pädagogisch ambitionierter, psychologisch nicht unbegabter »NEWS«-Editorialist sein Gegenüber bei »profil«. Wer sowas tut, hat wohl Probleme:

Den fehlenden Erfolg kompensiert der Jung-Herausgeber des Magazins, indem er zuletzt immer öfter die Großen der Branche anpöbelte: Gerd Bacher ebenso wie Hans Dichand.

(24/1993)

Was »profil« denn eigentlich an den beiden auszusetzen hatte, ist einfach unwichtig, einer Erwähnung ebenso unwürdig wie gar einer Widerlegung. Es handelt sich um einen Verstoß gegen den zentralen »NEWS«-Imperativ: Erfolgreiche kritisiert man nicht, denen dient man sich als Sprachrohr an, damit der normale Mensch möglichst exklusiv aus »NEWS« erfährt, was die Maßgeblichen vorhaben, was deswegen auf ihn zukommt und wobei er nichts mitzureden hat. Die Fakten eben:

Das fulminanteste Echo freilich fanden die beiden großen Gespräche mit Gerd Bacher und Hans Dichand. Die beiden wichtigsten Medienmänner im Land hatten NEWS gewählt, um erstmals ausführlich und offen ihre Vorstellungen der Medienzukunft zu skizzieren. ... Das wichtigste Kompliment: Vranitzky und Busek bezeichneten die NEWS-Interviews als »Pflichtlektüre«.

(7/1993)

»NEWS« bringt den demokratischen Dialog auf den Begriff: Die Führung läßt ausrichten, was ansteht. Pflichtlektüre!

Gewisse Meinungen sind Fakten!

Die Peolitik-Berichterstattung von »NEWS« ist damit geistig denkbar anspruchslos und journalistisch bequem. Sie besteht darin, einfach die Erfolgreichen selbst zu Wort kommen zu lassen. Und aus. Fertig. Es gilt nur noch, alles zu vermeiden, was als eigene Stellungnahme ausgelegt werden könnte. Objektiv berichtet die Illustrierte die Meinungen und Sprachregelungen der Mächtigen, diese besitzen für das Blatt nämlich die Qualität von Fakten. Für Abwechslung ist gesorgt, indem verschiedene Politiker, sogar aus verschiedenen Parteien, zu Wort kommen, und außerdem die Wahl zwischen Interview und Artikel besteht. »NEWS« ist ein Zentralorgan der politischen Prominenz für deren Durchsagen und stolz darauf:

Zur ersten Adresse für die Interviews der Woche hat sich NEWS in seinem ersten Jahr entwickelt. In diesem Heft wird das Vertrauen in NEWS besonders deutlich: Sowohl Ernst Wolfram Marboe als auch Gerd Bacher wählten NEWS bewußt ... Bundespräsident Klestil nimmt in NEWS ... Außenminister Alois Mock ... Hannes Androsch ... Heide Schmidt ... Warum so viele Prominente NEWS als Interview-Medium bevorzugen, formulierte Helmut Zilk ...

(38/1993)

»Gefälligkeitsjournalismus«? Aber immer! Eine »Bedürfnisanstalt« für Österreichs Prominente? Was denn sonst! Das sind für »NEWS« Komplimente, und keine Vorwürfe. Es handelt sich also um eine Sternstunde, wenn ein Stichwortgeber der Ilustrierten, eine bequeme Bauchlage einnehmend, dem Staatsoberhaupt lauschen darf, das Richtlinien für Journalisten ausgibt und das »Heruntermachen« von (Partei)Politikern für sich reservieren möchte:

Es ist höchste Zeit, daß wir aufhören, die Politiker generell herunterzumachen und abzuwerten. ... Der Verlust an Lebensqualität, das Fehlen jeglicher Privatsphäre, das ständige Heruntermachen durch die Medien — diese permanente Ehrabschneidung, die Sie heute als Politiker in Kauf nehmen müssen. ... Ich bin in großer Sorge um die Demokratie. Wenn die Spitzenmanager nicht mehr in die Politik gehen wollen, wenn von den Jungen niemand mehr in die Politik gehen will, dann werden wir eine gefährliche Situation für unsere Demokratie bekommen. ... müssen wir zu einer positiven Bewertung der Politikerarbeit kommen. ... Die Tüchtigkeit der Politiker muß wieder Beachtung finden — nicht nur das Heruntermachen. ... Wenn ihr als Journalisten nicht aufhört, die Politiker fertigzumachen, wird sich keiner mehr finden. ... Ich möchte eine Lanze brechen für jene, die noch bereit sind, politische Verantwortung zu übernehmen ... daß sich niemand mehr finden wird, der sich diesen für die Demokratie so lebenswichtigen Job antut. ... Keine Erfolgreichen und Tüchtigen mehr in der Politik. Keine Frauen. Keine Jungen. ...

(Klestil in »NEWS« 38/1993)

Der Politik geht der Nachwuchs aus? Meinung oder Faktum? Der »NEWS«-Schmeichler hätte es wahrscheinlich als unhöflich empfunden, den Bundespräsidenten auf seinen galoppierenden Realitätsverlust hinzuweisen. In Österreich finden sich keine kernigen Erfolgsmenschen mit der Bereitschaft, anderen vorzuschreiben, wo es lang geht? Da lachen ja die Hühner. Der Interviewte selbst soll sich bekanntlich monatelang geziert haben, ehe er bereit war, der ÖVP aus ihrer personellen Verlegenheit zu helfen. Ansonsten ist die Botschaft klar: Politiker haben gefälligst ein Recht auf Respekt, und zwar, man höre und staune, allein schon deswegen, weil sie bereit sind — Politiker zu sein! Unverschämt? Nein, so geht geistige Führung! Diese aussterbenden Heroen bringen nämlich schwere Opfer, wenn sie ihre »Privatsphäre« in Zeitschriften wie »NEWS« zur Besichtigung freigeben (»Ein Präsident privat«, auf dem Cover von 17/1993). Kurz, wo »profil« schwer an einer oft unerwiderten Liebe zur Hofberichterstattung leidet, betreibt »NEWS« diese einfach. Wo »profil« den Geist der Mächtigen bewundern möchte und gar oft vermißt, geht »NEWS« schlicht und ergreifend davon aus, daß das, was Amtsträger absondern, Geist hat und Bewunderung verdient. Es findet österreichische Politiker viel grundsätzlicher gut und erweckt gar nicht erst den Anschein, diese müßten sich auch noch anders als durch die Posten, die sie nun einmal bekleiden, für das ihnen entgegengebrachte Wohlwollen qualifizieren. Unser Kanzler heißt Vranitzky, und er macht sich so nachdenkliche Gedanken:

Im Gespräch mit NEWS verhehlt Vranitzky kaum, daß er Sorgen hat. Zum einen mit der wachsenden Machtlust des neuen Bundespräsidenten, zum anderen mit dem Koalitionspartner, mit Erhard Buseks ÖVP. Vor allem deren häufige Koalitions-Spekulationen, aber auch ihr Oppositions-Gerede machen den Kanzler nachdenklich.

(30/1993)

»NEWS« analysiert und beurteilt nichts, nicht einmal falsch, sondern lädt ein, mit viel Verständnis die schweren Sorgen der »Promis« nachzuempfinden. Insofern ist die Unterscheidung einer speziellen Rubrik für Klatsch und Tratsch (»Leute«) geradezu irreführend — auch die Politikberichterstattung widmet sich meist der »spannenden« Frage, was »unsere« Polit-Promis ganz privat und persönlich treiben und wie sie sich fühlen, im Urlaub, nach dem Freispruch, nach der Wahlschlappe, und zwar ohne durch alberne Charakterstudien den Eindruck einer distanzierten Berichterstattung erzeugen zu wollen:

ÖVP-Chef Erwin Pröll im Wechselbad der Gefühle: ... Ich begann den Sonntag kraftvoll-optimistisch, mittags war ich zusammengeschlagen. Ich schätzte die Liberalen völlig falsch ein. Aber an Resignation dachte ich nie, nein, das ist wirklich nicht die Sache des Erwin Pröll.

(20/1993)

Wenn die Meinungsumfragen der ÖVP keine berauschenden Erfolge prophezeien, kann man einen Busek auch sachlich und objektiv (»NEWS« 34/1993) über seine und die Nöte der ÖVP erzählen lassen, ohne deswegen gleich hämisch die Umfragewerte der ÖVP in ein Charisma- und Persönlichkeitsdefizit des jeweiligen Obmanns umzurechnen, wie »profil« es regelmäßig betreibt. Politiker sind auch nur Menschen, sie haben Wünsche, Ängste und Hoffnungen wie wir alle, und wer so bescheuert ist, wie »NEWS« von seinen Lesern annimmt, kann sich das als Durchblick in Bezug auf diese »Szene« einbilden. Verständnis für die Politik, die diese spannenden Menschen betreiben, stellt sich als Nebeneffekt ganz zwanglos ein.

Offiziöses zur Krise

Nicht nur im Interview, auch in Artikelform kann »NEWS« gediegen recherchierte Botschaften vermitteln. Ein Bulletin der Bundesregierung zum Thema Arbeitslosigkeit und Krise, zusammengefaßt aus »NEWS« 35/1993. Da bleibt keine Frage offen:

  • Wer ist schuld an der Krise? Nun, mit der österreichischen Marktwirtschaft, wo bekanntlich mit Arbeitsplätzen Gewinn produziert wird, ansonsten sie nicht besetzt sind, hat das nichts zu tun. Schuld ist — wie so oft — das Ausland. Arbeitslosigkeit kann man nämlich »importieren«, behauptet ein »Lacina-Berater«, der es doch wissen muß, und ein Wirtschaftsforscher obendrein.
  • Wer ist betroffen? Nun, die Erfolgreichen wollen sich 1994 wieder wählen lassen, daher

    macht sich unter Beratern und Ministern der Koalition ernste Sorge breit. Erstens ist ein Aufschwung erst für Herbst 1994 in Sicht, und zweitens wird dieser nicht ausreichen, die Arbeitslosigkeit zu mildern. Fatale Konsequenz: Die Arbeitslosenrate im Superwahljahr ’94 wird »sicher 7,5 Prozent«, könnte aber auch »zwischen 8 und 9 Prozent« betragen.

  • Müssen wir beunruhigt sein? Nein, denn der Sozialminister weiß um die Lage und bewahrt die Nerven:

    Schau’n Sie. Man darf jetzt nicht kopflos werden. Das wichtigste ist, nur nicht hysterisch werden. Sozialminister Josef Hesoun braucht tatsächlich einen klaren Kopf.

  • Was machen die Verantwortlichen? Das Menschenmögliche. Hier die Erfolgsbilanz:

    Die Minister verhandeln derzeit permanent über Beschäftigungsprogramme und konjunkturstützende Maßnahmen ... Kanzler Vranitzky und Hesoun berieten mit Finanzminister Ferdinand Lacina zum Wochenbeginn »bis Mitternacht« die Wirtschaftslage ... Mitte der Woche verhandeln Hesoun und Wirtschaftsminister Schüssel ... Vranitzky lädt die Vertreter der Bundesländer für Mitte September zu einem weiteren Gipfelgespräch ... Hesoun wird namens der Bundesregierung nächste Woche Experten ...

  • Kommt dabei eigentlich etwas heraus? Aber sicher! Alles, was der Staat an Wirtschaftspolitik, Exportförderung und Infrastrukturausbau ohnehin betreibt, bekommt ab sofort den Titel »Kraftakt gegen Arbeitslosigkeit«:

    Exportförderung bis zur Finanzierungshilfe für notleidende Unternehmungen. ... Finanzierung der Arbeitsmarktverwaltung ... bereits projektierte Bauaufträge ... Aufträge für den Tief- (Kanalisation) und Hochbau (Schulgebäude) ... Im Wasserwirtschaftsfonds warten fünf Milliarden Schilling auf ihre Vergabe, was Investitionen von 15 Milliarden Schilling bedeutet. ... Zugleich erhöht die Post ihre Investitionen auf 17,5 Milliarden Schilling, die Bundesbahnen bestellen früher als geplant neue Loks und Waggons.

  • Was kann man außerdem tun? Nun, wir sollten uns angesichts der geballten Anstrengungen der Regierung auf mehr Arbeitslosigkeit einstellen:

    Hesoun will die Experten-Einschätzung zwar nicht bestätigen, meint aber im NEWS-Gespräch: »Der brutale Verdrängungswettbewerb am Arbeitsmarkt geht sicher weiter. Wir müssen uns auf eine gewisse Sockelarbeitslosigkeit einstellen.

  • Sonst noch Probleme? Doch. Es gibt Leute, die der Regierung ihren »Kraftakt« nicht gerade erleichtern. Sie haben es versäumt, sich so herzurichten, wie es der »Verdrängungswettbewerb« verlangt:

    Umschulung. Friedrich D. (36) war neun Jahre Drucker. Vor zwei Jahren verlor er den Job - Personalreduzierung. Jetzt will er Bürokaufmann werden.

    Ein klarer Fall von mangelndem Weitblick. Warum nicht gleich den richtigen Beruf gewählt?

    Problem Alter. Isolde K. (41), Werbekauffrau. Gab ihren Job für Kind und kranke Mutter auf. Nun wird sie bei allen Bewerbungen abgelehnt — zu alt.

    Kind und kranke Mutter? Das mag menschlich verständlich sein, aber einen gewissen Leichtsinn kann man Frau K. nicht absprechen. Gealtert ist sie während ihrer Jobpause auch noch!

    Teufelskreis. Wolfgang T. (35), Koch und Ex-Alkoholiker. Seit fünf Jahren arbeitslos. Seinen alten Beruf kann er nicht mehr ausüben — Rückfallgefahr.

    Ex-Alkoholiker will glatt Geld verdienen? Und stellt auch noch Ansprüche an einen Job?

Zum Abschluß zwei Beispiele

Elfriede Hammerl macht im »profil« regelmäßig darauf aufmerksam, daß die soziale Marktwirtschaft in der Tat keine Erfindung zur Steigerung der Lebensqualität speziell von alleinerziehenden Eltern ist, und daß es mit Verständnis und Unterstützung der lieben Mitmenschen für alleinstehende Mütter nicht weit her ist. Bemerkenswert ist ihre Bereitschaft, sich darüber noch nach Jahren so zu wundern wie am ersten Tag. Vielleicht sollte sie jemand darauf aufmerksam machen, daß die Familie eine sozialstaatliche Einrichtung ist, der der Gesetzgeber auferlegt, aus Liebe allerlei nützliche Erziehungs- und Versorgungsleistungen zu erbringen, die ansonsten der Sozialstaat — ausgesprochen ungern und daher bekannt knausrig — kompensiert. Das ist der staatliche Schutz der Familie, und das merkt man den Beteiligten auch an.

Wenn »NEWS« (18/1993) sich des Themas annimmt, erfährt der Leser das Übliche: Auch unter den Frauen mit Kind gibt es erfolgreiche und andere. »NEWS« war dabei. Bei den Prominenten selbstredend. Mit »NEWS« waren wir dabei!

Wo »profil« eine ebenso konsequente wie treuherzige »Kampein« gegen Jörg Haider führt — der Mann entspricht einfach nicht den hohen Erwartungen, die »profil« von einem österreichischen Politiker hegt — orientiert sich »NEWS« streng am einzigen Kriterium, das dieses Blatt kennt. Solange Haider und seine FPÖ im Aufwind war, war er — Politikermeinungen werden bekanntlich objektiv recherchiert, am eingängigsten gleich als Interview-Dauergast in »NEWS«. Dementsprechend die »NEWS«-Meinung zum Volksbegehren der FPÖ:

Auf den nächsten Seiten ... veröffentlichen (wir) die Meinung der ersten hundert von insgesamt tausend Österreichern, die in NEWS klar und eindeutig gegen das bevorstehende Ausländer-Volksbegehren von Jörg Haider Stellung nehmen. ... Wir machen kein Geheimnis daraus, daß wir die Meinung von uns so wichtigen NEWS-Lesern wie Niki Lauda, Helmuth Lohner ... teilen.

(7/1992)

Wenn tausend Erfolgreiche gegen einen anderen Erfolgreichen sind, dann kann sich »NEWS« deswegen und genau so auch »engagieren«! Es veröffentlicht »Promis gegen Haider« und entblödet sich nicht, den Bärentaler mit einem ebenso charakteristischen wie für die »NEWS«-Philosophie unverzeihlichen Fauxpas zu konfrontieren:

Auf den Seiten vor diesem Interview sagen die ersten hundert von tausend Prominenten, warum sie gegen das Haider-Volksbegehren sind. ... Bei den Prominenten, die gegen das Haider-Volksbegehren Stellung nehmen, sind aber keine Hetzer, sondern die wichtigsten Unternehmer, Künstler, Sportler des Landes zu finden. ... Das kann wohl nicht der Grund dafür sein, warum sich kein Prominenter, kein einziger wichtiger Name in Österreich findet, der sich für Ihr Volksbegehren ausspricht.

Haider zu dermaßen harten Vorwürfen:

Mi stört an NEWS gar nix. Ich lese es mit Begeisterung.

(3/1993)

Dann wurde das Volksbegehren zu einem — relativen — Flop. Dann spaltete sich Heide Schmid in Fraktionsstärke ab, um endlich deutlich sichtbar mit der Ideologie aufzuräumen, eine demokratische Oppositionspartei unterscheide sich durch politische Inhalte von der Regierungslinie: Es sind wirklich nur die (unverbrauchten?) Visagen. Dann kam die FPÖ dem Rausschmiß aus der »Liberalen Internationale« zuvor. Die Erfolgskurve Haiders bekam einen Knick.

In »NEWS« 31/1993 ereilte ihn die Rache dafür, daß »NEWS« ihn für einen Erfolgstyp auf dem Weg nach oben gehalten hatte:

Jörg Haider hat mit grotesken Vorwürfen zu kämpfen. Ein »Dossier« rückt ihn ins Umfeld einer Kokain-Affäre. Doch es gibt keinen Beweis.

Das Blatt mit dem notorischen Respekt vor Fakten veröffentlicht Gerüchte, die — wirklich grotesk — noch nicht einmal Gerüchte über Haider sind, verlautbart sicherheitshalber — ja die Rechtslage! —, daß an den Gerüchten nichts dran ist, garniert das Elaborat »im öffentlichen Interesse« mit fünf Haider-Fotos und lobt sich für seine journalistische Redlichkeit! Erfolglosigkeit, und sei sie noch so relativ, kann »NEWS« eben nicht leiden.

P.S.: Noch einmal hat »NEWS« richtig zugeschlagen und einen Skandal aufgedeckt:

Sehr wohl aber hat NEWS, im Gegensatz zu unkritischen Jubeljournalisten

— solche kann »NEWS« einfach nicht ausstehen —

... von Anfang an beinhart und unabhängig die Fakten der heurigen Ball-Pleite berichtet. Als erstes (?) stand in NEWS, daß der Opernball mit nur 3.200 verkauften Karten halbleer sein würde und daß der angeblich so tolle Gewinn heuer minimalst ausfällt.

(8/1993)

Arschklar. Der Opernball ist schließlich einmal jährlich einem Anliegen gewidmet, dem sich »NEWS« wöchentlich zu Verfügung stellt, nämlich dem Jubel von Österreichs Bourgeoisie über die Bourgeoisie Österreichs: Erfolg & Macht = Geist & Moral. Und wenn die Tobisch das nicht erfolgreich hinkriegt, wird sogar »NEWS« einmal »beinhart«.

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