Heft 5/2000
September
2000

Projektfinanzierung durch die Hintertür

Baut Österreich den türkischen Katastrophenstaudamm Ilisu mit?

Mit Hilfe von Exportkrediten beteiligen sich die verschiedensten Industriestaaten an Monsterprojekten im Trikont, die weder umwelt- noch sozialverträglich sind. Voll im Geschäft ist dabei auch Österreich.

Hasankayef ist eine kleine anatolische Stadt am Ufer des Tigris. Seit Jahrtausenden besiedelt und — als einzige Stadt in Anatolien — seit dem Mittelalter weder durch Kriege noch Naturkatastrophen zerstört, stellt sie ein international beachtetes Denkmal der assyrischen, osmanischen, abassidischen und christlichen Geschichte dar. Die Kurdinnen und Kurden Anatoliens betrachten Hasankayef als ihr wichtigstes kulturelles Erbe.

Hasankayef wird in wenigen Jahren unter dem Wasser des geplanten Ilisu-Stausees verschwinden, gemeinsam mit weiteren 15 kleinen Städten und 52 Dörfern. Bevor der 135 Meter hohe Damm im Jahr 2006 fertiggestellt ist, werden mindestens 35.000 Personen, Großteils Kurdinnen und Kurden, zwangsumgesiedelt. Bisher wurden sie darüber noch nicht einmal informiert, angemessene Entschädigungen sind nicht zu erwarten. Die ökologischen Folgen des Staudamms werden Experten zufolge katastrophale Ausmaße annehmen. Nicht weniger katastrophal die möglichen politischen Folgen: 65 km von der irakischen Grenze entfernt, ermöglicht es der Ilisu-Staudamm der Türkei, Syrien und dem Irak für mehrere Monate das Wasser komplett abzudrehen — ein Wasserkrieg kann die Folge sein.

Mit der Bauleitung des Prestigeprojekts betraute die türkische Regierung die ehemals Schweizer Firma Sulzer Hydro, seit Oktober 1999 in Besitz der österreichischen VA Tech (vormals VOEST). Weitere Firmen kommen aus Großbritannien, Kanada, Schweden, Italien, Portugal, Japan, Deutschland, den USA und der Schweiz.

Exportkreditagenturen

Sogar die Weltbank lehnte die Finanzierung des Katastrophenprojekts Ilisu (und aller anderen Projekte des Süd-Ost-Anatolien-Projekts GAP) aus sozialen und ökologischen Gründen ab. Bleibt eine Hintertür, die nötigen 1,5 Milliarden Dollar zu lukrieren: Die staatlichen Exportkreditagenturen (Export-Credit-Agencies — ECAs). In allen Industrieländern wurde zumindest eine ECA geschaffen, um nationalen Firmen das Engagement in Entwicklungsländern und emerging markets zu erleichtern und die dafür nötige öffentliche, bilaterale Kreditvergabe und -versicherung an das jeweilige Entwicklungsland zu regeln. Das Vorgehen: Die Hausbank des Unternehmens gibt dem Land, in dem das Unternehmen ein Projekt durchführen will, einen Kredit zur Finanzierung des Projektes. Dieser wird von der Exportkreditagentur (in Österreich die Kontrollbank) — auch gegen politische Risiken — versichert. (In manchen Fällen kann der Kredit auch direkt von der ECA kommen.) Kann der Kredit aus irgendeinem Grund nicht zurückgezahlt werden, haften die SteuerzahlerInnen. Es handelt sich somit um einen staatlichen oder staatlich unterstützten Geldfluss in Entwicklungsländer oder emerging markets.

Unbemerkt von der Öffentlichkeit haben sich die Exportkreditagenturen der Industrieländer zur wichtigsten Klasse öffentlicher Finanzierungsinstitutionen entwickelt. Nahezu 10% des Welthandels werden von ihnen subventioniert, das Volumen langfristigerer Kredite und Garantien der ECAs vervierfachte sich zwischen 1988 und 1996 auf 105 Milliarden US$ jährlich. Über 50 Milliarden US$ jährlich — und somit mehr als die Kredite aller multilateralen und bilateralen Entwicklungsagenturen zusammen — gingen in Infrastrukturprojekte wie Staudämme, Kraftwerke, Erschließungsstraßen durch Urwälder, Chemiefabriken, Pipelines — und signifikant viele darunter haben schwere soziale und ökologische Folgen. Auch völlig unproduktive Prestigeobjekte wie Präsidentenpaläste werden finanziert, solange es nur dem Interesse einer nationalen Baufirma dient. Das Ausmaß der Schulden, die ärmere Länder über ECAs anhäufen, ist erschreckend: Ohne irgendwelche Nachhaltigkeitskriterien zu erfüllen, sind ECAs bei den Entwicklungsländern für 24% der Gesamtschulden und sogar 56% der Schulden gegenüber öffentlichen Institutionen verantwortlich.

Wettlauf nach unten

Bei der Auswahl der finanzierten Projekte respektieren die staatlichen Exportkreditagenturen keinerlei Sozial- und Umweltstandards (wie sogar die Weltbankgruppe). Menschenrechte und Nachhaltigkeit spielen keine Rolle. Daher werden gerade Projekte, die von allen anderen öffentlichen Institutionen abgelehnt wurden, von den staatlichen Exportkreditagenturen finanziert, die sich dabei einen regelrechten „Wettlauf nach unten“ liefern. Prominentestes Beispiel ist der geplante Drei-Schluchten-Staudamm in China, für dessen Bau 1,8 Millionen Menschen zwangsumgesiedelt werden müssen. Um die Finanzierung des Projekts, das von Weltbank und US Export-Import-Bank wegen der katastrophalen Umweltfolgen abgelehnt wurde, rissen sich die Exportkreditagenturen Deutschlands, der Schweiz und Kanadas geradezu.

Hunderte von NGOs, lose koordiniert in eca-watch, fordern seit Jahren die Einrichtung gemeinsamer Umwelt- und Sozialstandards für Exportkreditagenturen. Die OECD (Organization for Economic Cooperation and Development), in der die meisten Industrieländer vertreten sind, hat dazu zwar eine Arbeitsgruppe eingerichtet — das Ergebnis ist jedoch mehr als mager: Bisher konnten sich die Staaten nur darauf einigen, sich über Umweltfolgen gewisser Projekte gegenseitig zu informieren. Die Information der Öffentlichkeit liegt noch in weiter Ferne. Die österreichische Exportkreditagentur Österreichische Kontrollbank etwa feiert als Gipfel der Transparenz ihren Geschäftsbericht, in dem die Geldflüsse nach Ländern aufgeschlüsselt sind. Informationen über einzelne Projekte sind aufgrund einen Gesetzes zum Schutz von Firmendaten unmöglich zu bekommen.

Wird die Österreichische Kontrollbank Ilisu mitfinanzieren?

Auch im Falle Ilisu verhindert die Geheimniskrämerei der ECAs jegliche demokratische Kontrolle der Geldflüsse aus den Industrieländern. Bekannt ist, dass die Projektträger und die koordinierende Union Bank of Switzerland bei den Exportkreditagenturen Österreichs, Italiens, der Schweiz, Deutschland, UKs, der USA, Japans, Portugals und Schwedens um Finanzierung angesucht haben. Die Schweiz hat bereits die Garantie über 470 Millionen Schweizer Franken für die Firmen ABB und Sulzer-Hydro (damals noch in Schweizer Besitz) übernommen. Positive Beschlüsse liegen auch in Großbritannien und den USA vor, über ein weiteres, gemeinsames Vorgehen der ECAs wird aber angesichts der massiven Proteste, die besonders in Großbritannien auch von PolitikerInnen und aus dem Parlament kommen, in den nächsten Monaten beraten. Ob Österreich das Katastrophenprojekt Ilisu mitfinanzieren wird — jetzt, wo die bauleitende Firma Sulzer Hydro von der ehemals staatlichen VA-Tech übernommen wurde, ein durchaus realistisches Szenario — ist weder von der Kontrollbank noch vom Finanzministerium zu erfahren. Auch zwei parlamentarische Anfragen der Grünen wurden nicht beantwortet, da offiziell kein Antrag auf Exportgarantie vorliege. Soziale und ökologische Aspekte können bei der Beurteilung jedenfalls keine Rolle spielen, versicherte ein Vertreter der Kontrollbank — allenfalls das Risiko eines Wasserkriegs mit Syrien sei ein Grund, eine Exportkreditgarantie (aus rein ökonomischen Gründen) nicht zu gewähren.

Rettung per CD-ROM?

Die beteiligten Firmen, allen voran Sulzer Hydro / VA-Tech, überbieten sich einstweilen in Vorschlägen, die alle Bedenken zu Ilisu-Staudamm aus dem Wege räumen sollen. Sulzer Hydro hat angeblich eine Umweltverträglichkeitsprüfung in Auftrag gegeben, die der Öffentlichkeit allerdings vorenthalten wird. Eine weitere Firma hat vorgeschlagen, die Zwangsumsiedlungen der betroffenen Kurden von einer europäischen Firma durchführen zu lassen — damit sei doch garantiert, das alles in schönster Ordnung ablaufen werde. Und auch für die alte Stadt Hasankayef gibt es eine Lösung: Die Monumente, die unter dem Stausee verschwinden werden, sollen auf CD-ROM gebrannt werden und so für alle Zeit erhalten bleiben. Ob dann auch jedeR der zwangsumgesiedelten EinwohnerInnen einen Computer zum Betrachten ihres alten Hauses geschenkt bekommt, wurde nicht dazu gesagt. Aber die meisten Einwohner der zu überflutenden Orte besitzen ohnehin keine Besitztitel für ihre Häuser oder wurden bereits vom Krieg vertrieben — und haben somit keinerlei Ansprüche auf Entschädigung. Auch nicht auf Entschädigung über CD-ROM.

Weitere Infos: www.eca-watch.org

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