Amelie Lanier, 4. Abschnitt
Juli
2012
22.7.2012

Protokoll 24

Teilung der Arbeit und Manufaktur 1, Kapitel 12/1-3

12. KAPITEL: Teilung der Arbeit und Manufaktur

Die Überschrift des Kapitels ist irreführend, denn Teilung der Arbeit hat natürlich bereits lange vor der Manufakturperiode angefangen. Das Handwerk selbst, das Entstehen der Berufsgruppen ist Teilung der Arbeit. Die Manufakturperiode dient dazu, diese Arbeitsteilung so weiterzuentwickeln, daß der Mensch schließlich zum „Anhängsel der Maschine“ werden kann. Sie ist also Voraussetzung für die Anwendung von Maschinen.

Kooperation selbst wirkt zwar angeblich wahre Wunder, wie man dem vorigen Kapitel entnehmen konnte, aber wie?

1. Doppelter Ursprung der Manufaktur

Marx führt zwei Formen von Manufakturen ein: Bei der einen werden verschiedene Handwerke unter einem Dach zusammengefaßt, bei der anderen das gleiche.

  1. Verschiedne Handwerke werden kombiniert, um ein sie alle benötigendes Endprodukt herzustellen (Kutsche). [1] Dabei werden erstens Transportwege überflüssig, zweitens kann Kontinuität der Arbeitsleistung hergestellt werden. Die Folgen für den einzelnen Arbeiter sind eine weitere Spezialisierung innerhalb seines Handwerks – er kann dann nur mehr bestimmte Arbeiten, aber die wirklich gut. Die Arbeit wird vereinfacht und gleichzeitig verdichtet, weil die reduzierten Handgriffe sich schneller bewerkstelligen lassen.
  2. Auch in derjenigen Manufaktur, wo viele Arbeiter, die das gleiche Handwerke beherrschen, zusammengefaßt werden (Nadeln [2]), tritt mit der Zeit Spezialisierung ein, die auch hier die Produktion beschleunigt.

Was ist mit folgenden Sätzen gemeint?

Das Handwerk bleibt die Basis. Diese enge technische Basis schließt wirklich wissenschaftliche Analyse des Produktionsprozesses aus, da jeder Teilprozeß, den das Produkt durchmacht, als handwerksmäßige Teilarbeit ausführbar sein muß.

(S 358, Absatz 3)

„Analyse stammt vom griechischen analyse und vom altgriechischen Verb analysein »auflösen«.“ (Wikipedia) Gemeint ist hier also nicht eine theoretische Analyse im Sinne von Untersuchung, sondern eine praktische Zerlegung des Arbeitsvorgangs in viele einfache Handgriffe, die dann auch wieder von einzelnen Arbeitern wahrgenommen werden können.

Warum ist das wichtig?

Je weniger die Arbeit vereinfacht wurde, um so mehr sind ausgebildete Arbeiter vonnöten, die man dann natürlich auch entsprechend bezahlen muß, und die sich nicht so einfach ersetzen lassen. Solange Geschicklichkeit und Wissen über Produktionsvorgänge gebraucht werden, ist der Unternehmer in einer gewissen Form an den Arbeiter gebunden. (Facharbeitermangel!)

2. Der Teilarbeiter und sein Werkzeug

Die Leistung der Manufaktur ist die Zerlegung eines Arbeitsvorganges in viele einfache Handgriffe, was man auch so betrachten kann, daß sich die Belegschaft eines solchen Manufakturbetriebes in einen „Gesamtarbeiter“ mit 50 oder mehr Armen verwandelt, wodurch der einzelne eben zu einem „Teilarbeiter“ wird.

Was ist mit Folgendem gemeint?

Andrerseits entspricht ihre Verwandlung der Teilarbeit in den Lebensberuf eines Menschen dem Trieb früherer Gesellschaften, die Gewerbe erblich zu machen, sie in Kasten zu versteinern oder in Zünfte zu verknöchern, falls bestimmte historische Bedingungen dem Kastenwesen widersprechende Variabilität des Individuums erzeugen.

(S 360-61)
  1. Die Geschicklichkeit, die besonderen Fertigkeiten werden „vorangetrieben“, indem sich gerade von ihnen emanzipiert wird. Das ist eben die historische Leistung und der Widerspruch der Manufaktur: Sie schafft Spezialisierung, die dann solche Ausmaße annimmt, daß es wieder völlige Einförmigkeit wird.
  2. Bei den Kasten kenn ich mich nicht aus, aber was die Zünfte angeht, so war es so, daß immer wieder neue Berufe entstanden sind – z.B. der Buchdruck – wo der Erfinder dieser Kunst vom Drang nach Selbständigkeit getrieben etwas Neues entwickelt hat. Aber kaum war so ein Gewerbe etabliert, so wurde es sofort mit einer eigenen Zunft versehen und unter die anderen eingereiht, und von da ab galten dafür die gleichen Vorschriften. 

Man kann natürlich, wie das obige Zitat nahelegt, das zünftisch organisierte Handwerk als etwas „Verknöchertes“, Hemmendes betrachten, aber sollte die andere Seite nicht vergessen: Daß genau diese gesellschaftliche Organisation diejenige Teilung der Arbeit hervorgebracht hat, auf der dann die Manufaktur aufbauen konnte.

Mit der Zerteilung des Arbeitsprozesses geht auch eine Veränderung der Arbeitsinstrumente einher:

Die Manufakturperiode vereinfacht, verbessert und vermannigfacht die Arbeitswerkzeuge durch deren Anpassung an die ausschließlichen Sonderfunktionen der Teilarbeiter. Sie schafft damit zugleich eine der materiellen Bedingungen der Maschinerie, die aus einer Kombination einfacher Instrumente besteht.

(S 361-62)

3. Die beiden Grundformen der Manufaktur – heterogene Manufaktur und organische Manufaktur

Die eine hier – etwas ausführlich beschriebene – Grundform ist die Uhrenproduktion. Eine Uhr besteht aus vielen Teilen, die wurden lange in Heimarbeit hergestellt und dann in gewissen Abständen zum Auftraggeber gebracht und dort zusammengesetzt::

Der kombinierte manufakturmäßige Betrieb ist hier nur unter ausnahmsweisen Verhältnissen profitlich, weil die Konkurrenz unter den Arbeitern, die zu Hause arbeiten wollen, am größten ist, die Zersplittrung der Produktion in eine Masse heterogener Prozesse wenig Verwendung gemeinschaftlicher Arbeitsmittel erlaubt und der Kapitalist bei der zerstreuten Fabrikation die Auslage für Arbeitsgebäude usw. erspart. Indes ist auch die Stellung dieser Detailarbeiter, die zu Hause, aber für einen Kapitalisten ... arbeiten, ganz und gar verschieden von der des selbständigen Handwerkers, welcher für seine eignen Kunden arbeitet.

(S 363-64)

Es ist nicht ganz klar, was mit der „Konkurrenz unter den Arbeitern, die zu Hause arbeiten wollen“, gemeint ist. Im Schweizer Jura, das auch heute noch ein Zentrum für die Erzeugung mechanischer Uhren ist, war diese Art des Erwerbs eine willkommene Ergänzung des Einkommens im Winter für die Bauern, wenn die Landwirtschaft sie weniger in Anspruch nahm.

Die zwei Formen, die hier beschrieben werden, sind die: Bei der einen werden fertige Teile angeliefert und in der Manufaktur nur mehr zusammengesetzt. (Erinnert an die Autoindustrie heute.) Bei der zweiten kommen vorne die Rohstoffe hinein und hinten das fertige Produkt. Hier wird alle Arbeit in der Manufaktur zugesetzt. Diese zweitere nennt Marx die „vollendete“ Form, während bei der ersten nicht einsichtig ist, warum die Konzentration aller Beteiligten unter einem Dach für irgendwen Vorteile bringen sollte. Höchstens eine geringe Zahl von Zusammenschraubern an einem Ort .

Was ist hiermit gemeint?

Andrerseits bedingt ihr eigentümliches Prinzip der Teilung der Arbeit eine Isolierung der verschiednen Produktionsphasen, die als ebenso viele handwerksmäßige Teilarbeiten gegeneinander verselbständigt sind. Die Herstellung und Erhaltung des Zusammenhangs zwischen den isolierten Funktionen ernötigt beständigen Transport des Machwerks aus einer Hand in die andre und aus einem Prozeß in den andren. Vom Standpunkt der großen Industrie tritt dies als eine charakteristische, kostspielige und dem Prinzip der Manufaktur immanente Beschränktheit hervor.

(S 364, Absatz 3)

Daß man etwas nur aus einer Hand in die andere geben muß, ist doch die größtmögliche Verkürzung des Transportweges und war bis zur Erfindung des Fließbandes auch in jeder Fabrik nötig. Also worin besteht die Beschränkung und der Unterschied zur Fabrik (= große Industrie)? Die Fußnote 35 klärt diese Frage auch nicht, weil nicht klar ist, woraus der „Verlust“ entsteht.
Wenn sich aus der Zerlegung der Arbeit in viele Einzelhandgriffe mehr vermeintliche „Übergabe-Löcher“ entstehen, in denen das Produkt nicht bearbeitet wird, so ist das doch – nach allem, was bisher ausgeführt wurde – dennoch ein Ersparnis gegenüber dem Hin- und Her-Gehen oder Wechsel des Arbeitsgeräts, das vorher jemand ein einem fort machen mußte, der das ganze Werkstück allein hergestellt hat.
Die Idee der „Beschränkung“ scheint von dem nicht praktizierbaren Ideal zu leben, daß der „Gesamtarbeiter“ alles auf einmal ohne Übergänge macht.

Eine andere Interpretationsmöglichkeit wäre, daß sich dieser Absatz nur auf die verstreuten Arbeiten der ersten, auf räumlicher Zersplitterung beruhenden Manufaktur-Form (Uhrmacher) bezieht, wo ja tatsächlich noch Transportwege anfallen.

Die Produktion von mechanischen Uhren ist übrigens bis heute ähnlich organisiert, weil sich diese Art der Arbeitsteilung für diese Art von Produkt als zweckmäßig erwiesen hat.

Die Manufaktur trägt bei zur Vereinheitlichung der Arbeitsleistung:

Daß auf eine Ware nur die zu ihrer Herstellung gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit verwandt wird, erscheint bei der Warenproduktion überhaupt als äußrer Zwang der Konkurrenz, weil, oberflächlich ausgedrückt, jeder einzelne Produzent die Ware zu ihrem Marktpreis verkaufen muß. Lieferung von gegebnem Produktenquantum in gegebner Arbeitszeit wird dagegen in der Manufaktur technisches Gesetz des Produktionsprozesses selbst.

(S 366, Absatz 1)

Die gesellschaftlich notwendige Durchschnittsarbeit wird nicht erst am Markt manifest, wenn jemand Extraprofit macht, unter Wert verkauft oder auf seiner Ware sitzenbleibt. Sondern bereits am Arbeitsfortschritt des Nebenmannes sieht ob, wie er zu langsam oder zu schnell ist.

Aus der verschiedenen Länge der verschiedenen Arbeiten ergibt sich in der Manufaktur die Anzahl verschiedener Arbeiter, die zur Fertigstellung eines Produktes nötig sind. Marx nennt das die organische Zusammensetzung, also eine solche, die sich aus der Natur dieser Arbeit und der Kooperation bei ihrer Verrichtung ergibt. (S 368, 2. Absatz) Diese Arbeitsteilung ist vernünftig, ganz gleich, mit welchem Ziel sie erfolgt.
Sobald einer dieser Arbeitsabläufe durch irgendwelche neuen technischen Einführungen beschleunigt wird, so ändert sich natürlich auch diese Zusammensetzung.

Das Lästige bei der manufakturellen Organisation ist, daß wenn einer dieser knapp kalkulierten Arbeiter ausfällt, so kommt der ganze Fluß der Produktion ins Stocken, weil er aufgrund seiner Spezialisierung nicht so einfach zu ersetzen ist.
(Analogie zu heute: Zulieferer in der Autoindustrie kombiniert mit Just-in-time-production: Wenn wo ein Streik einen dieser Betriebe lahmlegt, so kommt es gleich zu größeren Produktionsausfällen, weil die Autos im Stammwerk nicht mehr zusammengesetzt werden können.)

Eine solcher Gruppe von Arbeitern, die ein bestimmtes Produkt erzeugen, läßt sich bei entsprechendem Kapitalvorschuß im stets gleichen Verhältnis vervielfachen. Es gibt jedoch Tätigkeiten, die daneben existieren und zwar auch notwendig sind, aber nicht der Verhältnisbestimmung unterliegen – Aufsicht, Logistik, Einkauf. Deren Einsatz „rechnet“ sich um so besser, je mehr Arbeiter in einem Betrieb arbeiten.

Zur Verminderung von Einkaufs- und Transport-Kosten lassen sich auch Manufakturen zur Herstellung verschiedener Produkte kombinieren. (Im Realsozialismus hießen diese Dinger Kombinate.) Es entstehen dadurch, daß man diese Produktionsstätten nebeneinander hinstellt, aber keine wesentlichen Umwälzungen in den Produktionsabläufen selbst.

Maschinen gab es bereits, aber sie waren nicht wichtig im Produktionsprozeß, solange es weder erstrebenswert war, menschliche Arbeitskraft durch Maschinen ersetzen zu lassen, und solange auch die Teilung der Arbeit nicht weit genug gediehen war, um den Einsatz von Maschinen zweckmäßig zu machen.

Jeder Produktionsprozeß bedingt indes gewisse einfache Hantierungen, deren jeder Mensch, wie er geht und steht, fähig ist. ... Die Manufaktur erzeugt daher in jedem Handwerk, das sie ergreift, eine Klasse sogenannter ungeschickter Arbeiter, die der Handwerksbetrieb streng ausschloß.

(S 370-71)

Jemand muß Säcke tragen, Scheibtruhen schieben und am Abend putzen, ganz wurscht, in welcher Fabrik. Da diese Tätigkeiten jeder machen kann, so werden sie auch schlecht bezahlt, da man dafür wirklich jeden einsetzen und daher auch problemlos wieder hinausschmeißen kann. Hier wird erst die „einfache Arbeit“ (1. Abschnitt) erzeugt, die die Gesellschaft nichts an Ausbildung kostet und deshalb auch einen sehr geringen Wert hat.

[1Posamentierer sind ein eigener Berufsstand, bis heute in Österreich als Branche geführt. Sie machen Borten, Quasten und ähnlich überflüssiges Zeug, das man auf die Kleidung drauftut und was vor allem zum Zeigen von Rang- und Standesunterschieden wichtig war bzw. ist (Militär).

[2Warum waren Nadeln so wichtig? Sie sind ein Präzisionsinstrument, das erstens viele vorgelagerte Arbeitsgänge (Erzabbau, Legierung, Drahterzeugung) und zweitens Geschicklichkeit benötigt. Ihre massenhafte Fertigung wiederum war notwendig, damit eine Textilindustrie entstehen konnte.

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