Rape as a weapon of mass destruction
Mehr als eine Million Menschen wurden durch die systematischen Vertreibungen im Westsudan zu Flüchtlingen. 170.000 flohen in den benachbarten Tschad, fast eine Million Menschen leben als Binnenflüchtlinge auf sudanesischem Gebiet. V.a. Frauen und Kinder sind in den ländlichen Gebieten Darfurs von den Gewalttaten der Janjawid-Milizen betroffen. Der Grund dafür liegt in der Sozialstruktur der Dörfer. Denn als Folge der ökonomisch bedingten Migration der Männer vom Land in die Städte, nach Khartoum oder in die Nachbarstaaten, lebten zur Zeit der Angriffe hauptsächlich Frauen, Kinder und alte Menschen in den Dörfern. Frauen machen mit ihren Kindern und Angehörigen darum die Mehrzahl der Flüchtlinge aus und sind direkte Opfer der Janjawid-Milizen. Neben Plünderungen, Zerstörung der Dörfer, Vertreibung und Mord setzen die Janjawid — wie prinzipiell jede militärische Formation in allen kriegerischen Auseinandersetzungen — sexuelle Gewalt in Form von Vergewaltigung und sexueller Ausbeutung gegen Frauen und Mädchen sowie sexualisierte Folter gegen Männer und Buben als Kriegswaffe ein, wie ein Bericht von Amnesty International zum Einsatz von sexualisierter Gewalt als Kriegswaffe im Westsudan belegt. [1]
„Als die Janjawid kamen, steckten sie zuerst die Hütten in Brand und schlugen die Kinder und Frauen. Ich habe sieben Kinder und sechs sind jetzt hier bei mir, ich habe eines auf den Rücken genommen, eines vorne auf die Brust und die anderen haben meine Hände genommen und wir sind gerannt. Meine Großmutter war auch bei mir. Auf dem Weg waren viele Janjawid und sie haben Menschen geschlagen und wir sahen, wie sie Frauen und junge Mädchen vergewaltigt haben“, schilderte eine Frau ihre Flucht.
Betroffene Frauen und AugenzeugInnen berichten von Gruppenvergewaltigungen durch mehrere Männer. In einigen Fällen spricht AI auch von sexueller Sklaverei, da viele Frauen und Mädchen nicht nur bei Plünderungen und Angriffen auf die Dörfer vor den Augen ihrer Angehörigen vergewaltigt wurden, sondern von den Milizionären in ihre Lager verschleppt wurden, wo sie von den Männern über längere Zeit sexuell ausgebeutet werden.
Doch auch in den Flüchtlingslagern innerhalb des Sudan sind die Frauen nicht sicher. Dem AI-Bericht zufolge handelt es sich bei den Binnen-Flüchtlingslagern in der Nähe von Großstädten um „virtuelle Gefängnisse“, denn die Umgebung wird von den Janjawid kontrolliert und Frauen, die das Lager verlassen mussten um Lebensmittel, Wasser oder Holz zu holen, wurden angegriffen und oft auch vergewaltigt. Dass nicht nur Frauen und Mädchen von sexualisierter Gewalt betroffen sind, zeigt die Schilderung eines 15-jährigen Buben: „Ich habe Ziegen gehütet und wurde von den Janjawid im November 2003 gefangen genommen. Acht andere Kinder, die nicht von meinem Dorf waren, wurden auch gefangen genommen, sie sind noch immer bei ihnen, mir ist die Flucht gelungen. Sie haben mich in ein Lager in Abu Jidad gebracht, wo auch Armeesoldaten waren. Sie fragten mich, wo die Ziegen sind und haben mich geschlagen, wenn ich nicht geantwortet habe. Sie haben meine Geschlechtsteile an ein Seil gebunden und jedes Mal von beiden Seiten gezogen wenn sie mir Fragen gestellt haben, sie haben mich mehrmals am Tag geschlagen. Als ich ihnen gesagt habe, wo die Ziegen sind, haben sie aufgehört mich zu schlagen. Die anderen Kinder haben von den Janjawid und Soldaten dieselbe Behandlung bekommen.“
Regierungstruppen waren bei allen Übergriffen, die Amnesty International geschildert wurden, entweder involviert oder zumindest anwesend. In einigen Fällen wurde vor Janjawid-Angriffen die örtliche Polizei abgezogen. Es kam aber auch zur Ermordung von Polizeiangehörigen durch die Janjawid. Amnesty International zufolge setzen auch Angehörige der beiden Guerillabewegungen Sudanese Liberation Army (SLA) und des Justice and Equality Movement (JEM) sexualisierte Folterungen und Vergewaltigungen ein. Bislang wurde noch kein einziges Mitglied der Janjawid oder anderer militärischer Gruppen wegen sexueller Gewalttaten angeklagt oder verurteilt.
[1] http://web.amnesty.org/library/Index/EIlGAFR 540762004; Übersetzung der Zitate aus dem Englischen durch die Autorin.
