Heft 8/2004
Dezember
2004
Debatte

Rassismus ohne RassistInnen?

Die Redaktion der deutschen Zeitschrift bahamas hat am 12. November eine Erklärung zum Mord an Theo van Go­gh veröffentlicht, (http://www.redaktion-bahamas.org/aktuell/van-Gogh.html) Der Text belegt eindrucksvoll, wie schmal der Grat zwischen Kritik am Islam und Neo-Rassismus ist. So wird mit der Rede von „multikulturellen Bande(n)“ suggeriert, dass die Bedrohung eine ausländische sei. Das abendländische Wir spricht weiter von „Theo van Gogh, den sie gerade ge­schlachtet haben“. In ihrem Hass auf die (muslimischen) An­deren geht die bahamas sogar so weit, sich positiv auf den ras­sistischen Hetzer Pim Fortyn zu beziehen: Wie Van Gogh und Hirsi Ali habe er „ausgesprochen, daß sich im Namen des Islam eine zunehmend gewalttätige Abschottungsbewegung großer Teile der Migranten aus islamischen Ländern vollzieht“. Das multikulturelle Regime biete, „was das islamische Zwangskollektiv für die Zurichtung seiner Mitglieder braucht: Moscheen, am besten mit Minaretten und plärrenden Muezzins, islami­sche Kindergärten, Schulen, Kulturzentren und Koranschulen“. Nun gibt es an der Ideologie des Multikulturalismus tatsäch­lich viel zu kritisieren. Dass er MigrantInnen erlaube, einen Staat im Staat aufzubauen, gehört aber nicht zur Kritik, son­dern ist strukturell antisemitisches Ressentiment. Das gilt auch für den Vorwurf der Auserwähltheit, den die bahamas an die Muslime richtet. Mit dem Hinweis auf die Ähnlichkeit von (kul­turellem) Antisemitismus und Neo-Rassismus (Islamophobie) soll aber nicht der beliebten Gleichsetzung das Wort geredet werden: Vielmehr bildet die abendländische Konstruktion der Juden und Jüdinnen als die prototypischen Anderen oder Frem­den das Fundament für jede Gemeinschaftsbildung in Europa, welche entlang von Religion oder Kultur erfolgt. Es handelt sich also um eine strukturelle Ähnlichkeit, welche auf indivi­dueller Ebene aus der Verstricktheit in den paradigmatischen Umgang mit (realer oder vorgestellter) Differenz sich erklären lässt.

Naturgemäß sehen sich die bahamas-Macher aber nicht als Rassisten, sondern als „Kritiker des islamischen Mordpro­gramms“. Die Selbstimmunisierung gegenüber dem Rassis­musvorwurf geht sogar so weit, dass man dem Begriff selbst den Kampf ansagt. So wird, eine rund 20jährige Diskussion zum Thema ignorierend, kurzerhand behauptet, es handle sich nicht um Rassismus, wenn man von „Kultur und nicht von Ras­seeigenschaften“ spricht. Aber weil einem doch nicht ganz wohl dabei ist, verwendet man (noch) distanzierende Anführungs­zeichen: „In jenen Vierteln, in denen, wie in Den Haag und Amsterdam schon Realität, nachts viele ‚Weiße‘ den Fuß nicht mehr (sic!) setzen.“ Hingegen findet man nichts dabei den Be­griff „Gutmenschen“ aus dem rechtsextremen Diskurs zu ent­lehnen.

Auch auf die Gefahr hin, von der bahamas „öffentlich der Kollaboration mit den Mördern von Antifaschisten, wie Theo van Gogh einer war, geziehen zu werden“: Die Religionskritik, die da in Anspruch genommen wird, ist keine. Denn zu ihr gehört notwendig die Religionsfreiheit, die eben nicht nur die Freiheit von Religion meint, sondern auch die freie Religions­ausübung. Und die Antwort auf Mord ist nicht die Religions­kritik, sondern das Strafgesetz.

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