Heft 2-3/2003
Mai
2003

„Sogar am Erdbeben waren wir Juden schuld ...“

Antisemitismus in Mexiko. Ein Interview mit Esther Shabot

Die Soziologin Esther Shabot unterrichtet an verschiedenen mexika­nischen Universitäten und Privateinrichtun­gen Internationale Po­litik mit Schwerpunkt Naher Osten und Ju­daistik. Sie ist Autorin mehrer Bücher und Kolumnistin der Tages­zeitung Excelsior.

Der Krieg gegen das Ba’th-Regime im Irak zog in Mexiko heftige Emotionen und breite Ablehnung seitens der Friedensbewegung und der Regierung nach sich. Wie hast du diese letzten Monate wahrgenommen?

Die Position der mexikani­schen Regierung, die von ei­ner großen Mehrheit der Bevölkerung unterstützt wurde, war gegen diesen Krieg. Es kam wiederholt zu Demon­strationen und Kundgebun­gen vor der US-Botschaft, die mit aggressiven Angriffen wie Steineschmeißen, Abfackeln von US-Fahnen oder Sprühen von Graffitis ver­bunden waren. In Mexiko existiert ein stark ausgepräg­tes antiamerikanisches Ressentiment. Sie haben in ver­schiedenen Sektoren der Ge­sellschaft Wurzeln geschla­gen. Das kann mit histori­schen und geographischen Argumenten erklärt werden. Als Nachbarland der USA er­eigneten sich einige Ge­schehnissen, die die Verei­nigten Staaten als unver­schämt erscheinen lassen, als egoistisch, als Großmacht, die nur auf eigene Vorteile bedacht ist und schwächere Länder überrumpelt. Man vergisst nicht so schnell, dass die USA Mexiko im 19. Jahr­hundert einen Großteil des Staatsgebietes abnahm, dass sie mit ihrem Heer im selben Jahrhundert in Mexiko in­tervenierten oder auch während der mexikanischen Revolution eine negative Rol­le spielten. Das Gefühl, dass der Austausch zwischen beiden Ländern ein ungleicher ist, dominiert.

Also ist ständig dieses Res­sentiment präsent, das sich mit der Bewunderung der nordamerikanischen Gesell­schaft und deren Erfolg, Reichtum und Disziplin ver­mischt. Im kulturellen Be­reich gibt es in Mexiko eine große Palette an US-Produkten, man hört viel nordame­rikanische Musik, man reist gerne als Tourist in die USA oder um zu shoppen. Außer­dem gibt es große Migrations­wellen Richtung Norden, un­gefähr 18 Millionen Mexika­ner und Mexikanerinnen, die auf der Suche nach Arbeit und besseren Lebensbedin­gungen auswanderten, leben heute in den USA. Ein Teil von ihnen lebt heute legal, an­dere mit ungeregeltem Auf­enthalt. Sie überweisen Teile ihres Lohns nach Mexiko: die größten Deviseneinnahmen im Land stammen von diesen Geldern. Es existiert also ein Abhängigkeitsverhältnis.

Das betrifft auch Investi­tionen. Seit der Unterzeich­nung des Freihandelsabkom­mens zwischen Kanada, USA und Mexiko konzentriert sich der Großteil des mexikani­schen Handels und der Ex­portwaren auf Nordamerika. So entsteht eine paradoxe Si­tuation. Einerseits existieren sehr starke antiamerikanische Ressentiments im kulturellen Bereich und im Kontext ei­nes gewissen Geschichtsbe­wusstseins, andererseits wird die USA durch die wechsel­seitigen Beziehungen von Ab­hängigkeit, Austausch, MigrantInnen usw. für Mexiko extrem wichtig.

Während der Antikriegspro­teste kam es in Mexiko immer wieder zu antisemitischen Kundgebungen. So wurde et­wa auf Transparenten „Stoppt die zionistische Lobby“ gefor­dert oder Israel mit dem Na­tionalsozialismus verglichen. Wie hat sich diese Situation für dich als mexikanische Jü­din, die als Professorin und Journalistin ständig mit die­sen Attacken konfrontiert ist, ausgewirkt?

Ein Faktor ist die Identifizie­rung der USA als Regierung, Land oder Gesellschaft mit dem israelischen Staat. Es scheint so, als wären diese beide Länder eine Art Bün­del oder Verein, der auf in­ternationaler Ebene politische Vorteile erhascht. Israels Position im israelisch/palästinen­sischen und gesamtarabischen Konflikt wird ständig disqua­lifiziert oder verurteilt. Dies geschieht meist in Unkennt­nis dieser Konflikte, der histo­rischen Wurzeln und der Konsequenzen, denn die meisten Mexikanerinnen haben keine blasse Ahnung über die Entstehung Israels und die konfliktiven Wurzeln der Region. Man analysiert ohne Kenntnis über histori­sche Fakten und benützt hierfür ein verkürztes Schema. Man schaut sich an, wer von den USA unterstützt oder beschützt wird und damit ist klar, wer der Bösewicht ist und wer im offiziellen Dis­kurs als Opfer erscheint. Nach diesem Muster sind die PalästinenserInnen in erster Linie Opfer, zuerst von Israel und dann von den USA.

Man spricht von der ein­flussreichen jüdischen Ge­meinde in den USA, ohne ge­nau zu wissen wie viele Jüd­innen und Juden tatsächlich dort leben. Trotzdem scheint es zum Allgemeinwissen zu gehören, dass die Juden in Amerika über ungeheure Macht verfügen. Das geht oft gar soweit, dass sie angeblich die Politik dieser Großmacht bestimmen.

All das führt in Krisenzei­ten wie der jetzigen zu schar­fen kritischen Tönen ge­genüber Israel, das abgelehnt und gehasst wird. Es tauchen vermehrt antiisraelische Graf­fitis etwa an Universitäten auf, neben US-amerikani­schen werden auch israeli­sche Fahnen verbrannt oder der Davidstern verzerrt und als Hakenkreuz dargestellt, mit der Absicht, den Zionis­mus und den israelischen Staat mit dem Nationalsozia­lismus gleichzusetzen und Is­rael als faschistischen, re­pressiven, intoleranten und rassistischen Staat zu defi­nieren, der sich weigert, die Rechte der PalästinenserIn­nen zu akzeptieren. Ab die­sem Punkt ist der Schritt zum Antisemitismus getan. Die meisten Mexikanerinnen kön­nen nicht einmal zwischen Jüdinnen und Juden einerseits und Israelis andererseits un­terscheiden. Beide werden sy­nonym benützt, man hat keine Ahnung den legalen Status der Juden Mexikos und Isra­els betreffend.

Zusätzlich ist Mexiko ein vorwiegend katholisches Land mit einer langen Tradi­tion von Vorurteilen und Stigmatisierungen gegenüber der jüdischen Bevölkerung. Israel wird innerhalb dieser Tradition verteufelt. Dieser Antiisraelismus sowie Anti­zionismus und die Kritik am Staat Israel und dessen Re­gierung finden nicht selten Ausdruck in Graffitis, Zei­tungsartikeln oder Radiosen­dungen, die eine US-jüdische Weltverschwörung herbei­phantasieren. Oft wird Isra­el einfach durch „die Juden“ ausgewechselt.

Diese Situation führt in Mexiko dazu, dass die jüdi­schen Einrichtungen und Institutionen ihre Sicherheits­maßnahmen verstärken mus­sten. Denn in diesen Krisen-Zeiten passiert es oft, dass Anrufe mit Bombendrohun­gen in jüdischen Einrichtun­gen eintreffen. Die jüdische Gemeinde wird zurzeit als Teil des kriegerischen Unternehmens im Irak wahrge­nommen.

Kann man sagen, dass in die­sem Sinn die antiamerikani­sche der antisemitischen Ideo­logie sehr nahe steht?

Ja, beide sind Teil einer Glei­chung. Antinordamerikaner zu sein bedeutet fast per Definition Antizionist zu sein. Und bist du erst mal Anti­zionist, ist der Schritt zum Antisemit fast automatisch getan. Denn innerhalb dieser Unkenntnis über Zionismus, Israel und die Juden scheint es keine Grenzen für Defini­tionen zu geben. Alles wird als Teil einer Einheit imaginiert. Es ist in diesem Zu­sammenhang interessant, eineN DurschnittsmexikanerIn zu fragen, wo dieses Land Is­rael geografisch liegt. In den meisten Fällen wird man dar­auf keine richtige Antwort er­halten. Israel nimmt jedoch in den Medien überdurch­schnittlich viel Platz ein.

Du sprachst von Krisenzeiten, die die jüdische Community in Mexiko direkt betreffen und in denen etwa wie mo­mentan verstärkte Sicher­heitsmaßnahmen getroffen werden müssen. Welche Er­fahrungen hast du in diesen Zeiten gemacht?

Zuerst möchte ich sagen, dass der Antisemitismus in Mexi­ko weder mit dem historischen noch mit dem aktuel­len Antisemitismus in Europa oder etwa in Argentinien ver­gleichbar ist. In Mexiko kam es noch zu keinen gröberen physischen Übergriffen. In der gesamten Geschichte des Landes wurde noch niemand aus antisemitischen Motiven ermordet. Hier äußert sich das Phänomen eher in der Berichterstattung, dem Um­gang und den Äußerungen über Israel, Zionismus oder Juden.

Sehr wohl ist es in Kri­senzeiten immer wieder zu Friedhofsschändungen ge­kommen. Wenn auf der Uni­versität Vorträge beispiels­weise vom PLO-Vertreter stattfinden, kommt es zu sehr enthusiastischen Reaktionen seitens der Studierenden und des Lehrkörpers. Nicht sel­ten werden Parolen wie „Ju­den raus aus Palästina!“ und „Juden raus aus Mexiko!“ skandiert. Fast automatisch wird ein Zusammenhang zwi­schen dem israelisch-palästi­nensischen Konflikt und den mexikanischen Juden herge­stellt. Nach der israelischen Invasion im Libanon 1982 kam es in Universitäten zu Protestaktionen, die aggres­sive Stimmung richtete sich ausschließlich gegen Israel. Ich musste mir als Studentin und als Professorin ständig nicht nur antiisraelische oder antizionistische, sondern auch antisemitische State­ments anhören. Das passiert immer wieder.

Viele dieser Krisen bezo­gen sich in irgendeiner Form auf Vorgänge rund um den Nahen Osten, aber nicht al­le. Immer wieder waren es die Juden, die als leicht zu iden­tifizierende Bevölkerungs­gruppe und mit dem gesam­ten Background als Sündenbock dienten. Im Zuge des Erdbebens in Mexiko City von 1985 starben Tausende von Menschen unter den Trümmern von einstürzenden Gebäuden, einige wenige wa­ren auch Textilgeschäfte jü­discher Besitzer. Zwei Wo­chen später erschienen in der hiesigen Presse Artikel, die die Schuldigen ausmachten: die geldgierigen Juden, die zu geizig gewesen seien, erdbe­bensichere Gebäude für ihre ausgebeuteten Näherinnen zu bauen. Ich muss dazusagen, dass in ganz Mexiko verstreut 40.000 Jüdinnen und Juden der verschiedensten sozialen Schichten leben. Die Hälfte davon sind unter 18 Jahre alt. Mexiko-Stadt hat eine Ein­wohnerzahl von etwa 20 Mil­lionen. Den Rest kann man sich ausrechnen.

Es folgten antisemitische Graffitis und Drohanrufe in jüdischen Institutionen, also alles Dinge, die wir von an­deren Krisen kennen, etwa der von 1982, als im Zuge des Ölpreisverfalles auch Me­xiko als großes erdölproduzierendendes Land in eine Wirtschaftskrise rutschte. Der Präsident López-Portillo entschied angesichts der Krise, das Bankenwesen zu verstaatlichen. Die Verstaat­lichung sicherte ihm die Unterstützung breiter linker Sektoren, während viele Un­ternehmerinnen mit Skepsis oder Panik reagieren und ih­re Reichtümer ins Ausland transferierten. In dieser angespannten Situation kam es zu so unglaublichen Zei­tungsüberschriften wie „Die Haupt-Dollar-Rausbringer sind Juden!“ Solche Situa­tionen sind bedrohlich, denn ist die Büchse der Pandora erst einmal geöffnet und der Sündenbock lokalisiert, wird die jüdische Gemeinde als Verräter, als unpatriotisch, als unsolidarisch gegenüber Mexiko diffamiert.

Wie kommen jüdische Stu­dentinnen in dieser Umge­bung, zurecht?

Für die meisten ist das wirk­lich ein Problem. Sie sind zwi­schen 18 und 24 Jahre alt und kommen vom relativ ge­schützten Raum jüdischer Schulen direkt auf die nationalen Universitäten. Dieser Schritt kann traumatische Er­lebnisse zur Folge haben und persönliche Krisen auslösen. Die plötzliche Konfrontation mit der aggressiven antisemi­tischen Haltung der Mehr­heitsbevölkerung ist ein Schock für viele StudentInnen, die manchmal, je nach Bildungsgrad, noch nicht über genügend Argumente verfü­gen, um diese Diskurse zu entkräften. Manche haben durch den Familienhinter­grund oder persönliches In­teresse sehr wohl das nötige Wissen, um den Anfeindun­gen entschieden entgegenzu­treten, aber andere fühlen sich wehrlos und verarbeiten den emotionalen Schock auf ver­schiedene Art und Weise. Ei­nige informieren sich und rüs­ten sich mit argumentativen Waffen aus, um dem Druck standhalten zu können; ande­re gehen in die innere Emi­gration und vermeiden die ständigen Verletzungen da­durch, dass sie auf das The­ma einfach nicht mehr einsteigen; und dann gibt es auch extreme Fälle, in denen jun­ge Menschen sozusagen de­sertieren, die Universität ver­lassen und sich in geschützte­re Umgebungen begeben.

Und dann sind da auch noch jene StudentInnen, die die extrem kritischen und oft antisemitischen Argumente übernehmen, die sich mit ih­rer Umgebung emotional identifizieren und einen fast pathologischen Prozess durchmachen, der sich in Selbsthass und der Ableh­nung ihrer selbst äußert. Man will kein Jude sein, will nicht mehr mit Israel identifiziert werden. Um der Mehrheits­bevölkerung anzugehören, um nicht ausgegrenzt und endlich akzeptiert zu werden, wechseln sie die Fronten und werden zu den hitzigsten Kri­tikern Israels und des Judais­mus. Diesen Vorgang kennen wir auch aus den 70er Jahren, als jüdische StudentInnen, die sich der Linken zugehörig fühlten, ihre jüdischen Bin­dungen aufgeben mussten, um sich in linke Strukturen integrieren zu können. Dort galt Israel und der Zionismus schließlich als negativ und fast schon als obszön.

Gibt es in Mexiko linke Grup­pen, die in Bezug auf Israel sensibilisiert sind?

Diese Situation hat sich im Laufe der Zeit verändert. Vor dem ’67 er Krieg gab es in der Linken noch Menschen, die eine gewisse Sympathie für Israel zeigten. Gaza und das Westjordanland waren noch nicht erobert und die So­wjetunion und der Ostblock pflegten noch Beziehungen mit Israel. 1948 hatten ja ge­rade diese Länder die Staatsgründung begünstigt und ge­holfen, den Unabhängig­keitskrieg zu gewinnen. Dies führte in den 50er und 60er Jahren dazu, dass es linke Gruppen gab, die sich posi­tiv auf Israel bezogen. Als nach 1967 die meisten kom­munistischen Länder die Be­ziehungen zu Israel abbra­chen, war für mexikanische Linke, die sich ja mehrheitlich ideologisch auf die So­wjetunion bezogen, klar, wer „das Böse“ verkörperte.

Es gab jedoch auch rühm­liche Ausnahmen, deren kri­tischer Geist und intellektu­elle Fähigkeiten sie zur Ab­lehnung des Schwarz-Weiß-Denkens führte. Oft hatten sich diese Menschen Kennt­nisse über den Nahen Osten angelesen, waren informiert über die Geschichte des Konflikts etwa durch den Austausch mit israelischen Professoren oder sie lernten die jüdische Perspektive durch persönliche Bekannt­schaften kennen.

In den 70er und 80er Jah­ren hatte der israelische Ge­werkschaftsbund Histadrut Repräsentanten in Lateina­merika. Man wollte Kontakt zu den großen Gewerkschaf­ten in Mexiko aufbauen. Die­ser Austausch führte dazu, dass in kleinen Sektoren ein verändertes Bild von Israel und vom israelisch-palästi­nensischen Konflikt entstand. Das beschränkte sich jedoch auf einige wenige Vertrete­rInnen der Linken. Die große Mehrheit ist bis heute in den Schemen und Stereotypen des Kalten Krieges gefangen. Die Parole „Israel ist der Brückenkopf des nordameri­kanischen Imperialismus“ ist nach wie vor vorwiegend prä­sent und unwidersprochen. Sie erlebte jetzt ein Revival.

Anfang des 20. Jahrhunderts kam es in Mexiko zu Pogro­men an ausländischen HändlerInnen, etwa 1911, als über 300 ChinesInnen in Torreon ermordet wurden. In den 20er Jahren formierten sich die ers­ten antisemitischen Organi­sationen und es folgten wei­tere Ausschreitungen, v.a. ge­gen Juden und Chinesen. Wo siehst du die Wurzeln dieses starken Antisemitismus?

Ich hörte einmal die Defini­tion von Antisemitismus, der mit einem mutierenden Virus verglichen wurde: er verän­dert ständig sein Äußeres und seine Zusammensetzung, um überleben zu können. Zuerst gibt es die Basis eines religiö­sen Antisemitismus im Zu­sammenhang mit der Rolle, die den Juden im Christen­tum rund um die „Ermordung von Jesus Christus“ zu­geteilt wurde und welche in einem katholischen Land wie diesem immer präsent ist. Auf diese Grundlage wurden im Laufe der Jahre verschiedene andere Schichten aufgelegt. So übernahmen in den 1930er Jahren einige Sekto­ren der mexikanischen Ge­sellschaft den rassisch be­gründeten Antisemitismus, der von den Nazis in ganz La­teinamerika verbreitet wor­den war. Die jüdische Ein­wanderung war erst kurz vor­her erfolgt und somit war die naheliegendste Betätigung die der fliegenden Händler. Bald folgten Demonstrationen und Kundgebungen nicht-jüdi­scher Händler gegen die an­geblich „unredliche Konkurrenz“. Man konnte dabei auf die importierte Ideologie der Nazis zurückgreifen, welche Juden als Parasiten, gesell­schaftszersetzende Elemente, Blutsauger und Ausbeuter be­zeichnete. Es gründeten sich Gruppen wie etwa die Camisas Doradas (Goldhemden) mit einem offen und offiziel­len antisemitischen Diskurs. Es entstanden legale Vereine wie die „Antijüdische und an­tichinesische Liga“. Mit dem Niedergang des Nationalso­zialismus und der Diskredi­tierung seiner Lehren verlor auch die Rassentheorie an Be­deutung im antisemitischen Diskurs. Aber es blieb das Bild des opportunistischen, egoistischen Juden, der sich nicht in die nationale Ge­meinschaft einfügen will, der unter sich bleibt, usw. Mit dem Wissen um das, was den Juden in Europa angetan wurde, wurden diese antise­mitischen Gefühle versteckt und unterdrückt.

Während der ersten Jahre des israelischen Staates wur­de dieser ob der Hindernisse, die bewältigt wurden und auch wegen der landwirt­schaftlichen Projekte bewun­dert. 1967, als Israel aus der ständigen Defensive und der Position der Schwäche austrat und durch den Sechstagekrieg das Image eines militärisch er­folgreichen Staates bekam und die UdSSR die Bezie­hungen abbrach, tauchten wieder die antisemitischen Ar­gumentationsmuster auf.

In Mexiko gibt es im Un­terschied etwa zu Argentinien keine nennenswerten Schrif­ten, die von den Nazis nach dem Krieg verbreitet wurden und den Boden für antisemitische Haltungen und Aktio­nen düngten. In Mexiko gab es deshalb auch keine ver­gleichbare Dynamik.

Nach ’67 kam es im Land zu einer breiten Solidarisie­rung mit jenen, die man als Opfer imaginierte. Die so ge­nannten Völker der 3. Welt solidarisierten sich mit den Palästinensern, die für sie ge­nauso Opfer der Israelis wa­ren wie etwa die Mexikaner Opfer der US-Amerikaner. Dieser Automatismus wurde verstärkt durch das bereits vorhandene Bild des Juden als fremdes Wesen, dem man nicht traut und das historische Sünden abzubüßen hat. So finden sich verschiedene Elemente zusammen.

Doch ein Großteil der zweiten und dritten Genera­tion in Mexiko geborener Ju­den und Jüdinnen hat sich im letzten halben Jahrhundert erfolgreich in die Gesellschaft integriert. Waren sie zuerst v.a. im Handel und der Tex­tilkonfektion tätig, so sind die 20.000 erwachsenen Mitglie­der der Gemeinschaft heute in den verschiedensten Spar­ten wie etwa der Wissen­schaft, der Medizin, der For­schung, des Kunstbetriebes, im Kino, der Literatur etc. tätig und fühlen sich als Me­xikanerInnen.

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