FORVM, No. 218
Februar
1972

Spartakus-Chronik

Seit 1969 finden durchschnittlich einmal im Monat Razzien in der Wohnung von Mytteis statt, obwohl noch nie ein Gesuchter in dieser Wohnung gefunden wurde. Die Polizei gibt regelmäßig vor, entflohene Heimzöglinge oder von zu Hause abgängige Jugendliche zu suchen.

Freunde von Jakob Mytteis werden in der Wohnung festgenommen und zur Überprüfung der Personalien auf das Wachzimmer mitgenommen. Die Nachbarschaft wird regelmäßig von der Polizei über Vorgänge in dieser Wohnung befragt. Zahlreiche kleinere Polizeieinsätze gegen Spartakus-Aktionen und Polizeistrafen wegen „Störung der Ordnung“ u. ä.

Jänner 1969:

Am Tag nach der Demonstration gegen den Schah, Überfall von Schlägern der persischen Botschaft auf Spartakisten. Als Waffen verwenden sie Holzprügel und Messer. Die Polizei weigert sich, einen ertappten Schläger, den persischen Studenten Eskandanian, festzunehmen.

April 1969:

Spartakisten campieren zusammen mit den ehemaligen Zöglingen des Jugendheimes Geblergasse, die von der Caritas auf die Straße gesetzt worden waren, weil sie die Selbstverwaltung eingeführt hatten, auf dem öffentlichen Campingplatz Wien-West. Die Gemeinde stellt ein Ultimatum von 24 Stunden. Dann wurden die Zöglinge vom Einsatzkommando der Polizei unter Anwendung von Gewalt abtransportiert. Geld- und Arreststrafen wegen „Störung der Ordnung“.

Oktober 1969:

Aktion auf dem Dach der Raxwerke (Siehe die Dokumentation in diesem Heft).

November 1969/Juni 1970:

Der Student Michael Genner (Vorstandsmitglied von Spartakus), ruft als verantwortlicher Redakteur eines Flugblatts dazu auf, sich die Prügelmethoden von ÖVP-Schlägern auf dem Twen-Shop nicht mehr gefallen zu lassen. Wegen „Aufforderung zum bewaffneten Aufstand“ wurde Genner, „weil er schon öfter an Demonstrationen und ähnlichen Aktionen teilgenommen hat“ 6 Wochen in politischer Vorbeugungshaft gehalten. Sein Untersuchungsrichter berief sich auf „Wiederholungsgefahr“ und rühmte sich, illegaler Nazi gewesen zu sein. Genner wird nach parlamentarischer Anfrage durch die SPÖ aus der U-Haft entlassen. Sodann zu 1 Monat Gefängnis unbedingt verurteilt.

März 1970:

7 Polizisten dringen in die Wohnung von Jakob Mytteis, 1060 Wien, Theobaldgasse 15/5 ein, weil er sich weigert, einen Polizisten ohne Hausdurchsuchungs- oder Haftbefehl die Wohnung betreten zu lassen. Die Polizisten nehmen sämtliche Anwesenden fest, und wenden gegen Mytteis und seine Frau Gewalt an. Polizeistrafe wegen „Störung der Ordnung“ in seiner eigenen Wohnung: 14 Tage Arrest.

August 1970:

Mit Prügeln bewaffnete Schläger der NDP unter Anführung von Norbert Burger überfallen das Spartakus-Lehrlingslager in Mürzzuschlag. Nachweislich wußte die Gendarmerie eine Stunde vorher davon. Die Gendarmerie greift von sich aus nicht ein. Anführer Burger wird von Spartakus festgenommen und der Gendarmerie übergeben, wenige Minuten später von dieser wieder freigelassen. Die Anklage gegen ihn nach § 83, Landfriedensbruch, wird von der Staatsanwaltschaft fallengelassen; bei der ersten Verhandlung im November 1971 hört sich der Richter geduldig an, wie der Ex-Bombenleger Burger seinen Überfall als friedlichen Spaziergang darstellt.

August 1970:

Der französische Schriftsteller Roland Perrot, ein Freund von Spartakus, wird in Mürzzuschlag festgenommen und wegen „Verstoß gegen das Meldegesetz“ aus Österreich ausgewiesen. Durch Intervention von Professoren und Publizisten kann verhindert werden, daß er dem französischen Geheimdienst übergeben wird.

Jänner 1971:

Eine Demonstration von Spartakus und Lehrlingen des Leopoldstädterheimes gegen die ungerechtfertige Einweisung eines Lehrlings in ein Erziehungsheim wird von der Polizei auseinandergeprügelt, 6 Mitglieder von Spartakus verhaftet und verletzt. Helmut Gantner wird von der Polizei so stark geschlagen, daß er erbrechen. muß; vom Amtsarzt wird er ohne Untersuchung der Schlagfolgen „wegen Rauschgiftverdacht“ ins Psychiatrische Krankenhaus eingeliefert, wo eine schwere Gehirnerschütterung und Schädelprellungen festgestellt werden. Die Polizeistrafen wegen „Störung der Ordnung“ (u.a. Jakob Mytteis, 14 Tage) werden trotz Berufungen nicht aufgehoben. Die vom Innenminister Rösch versprochene Untersuchung gegen die Verantwortlichen dieses Polizeieinsatzes (insbesondere gegen den erwähnten Amtsarzt) brachte bisher kein Ergebnis.

Februar 1971:

Die Staatspolizei schickt 8 Beamte, um die Wohnung von Mytteis nach Waffen und Sprengstoff zu durchsuchen. Als Vorwand dient eine anonyme Anzeige.

40 Spartakus-Mitglieder halten in Linz eine Protestkundgebung gegen die Mißstände und Prügelmethoden im Erziehungsheim Wegscheid ab. 7 Funkstreifenwagen und ein Einsatzkommando der Polizei mit Helmen und Maschinenpistolen marschieren auf.

Juli 1971:

Die Zeitung von Spartakus, „Nachrichten für Unzufriedene“: wird von der Pressepolizei beschlagnahmt. Der Jugendgerichtshof Wien leitet gegen den verantwortlichen Redakteur Christian Pillwein ein Verfahren wegen „Pornographie“ ein. (s. NF Okt./Nov. 1971, S. 57 ff.) Rund ein Dutzend anderer presserechtlicher Verfahren wurden gegen Pillwein bisher angestrengt. Wegen „boshafter Sachbeschädigung“ durch Plakatierung zur Lütgendorf-Demonstration versucht man gegen ihn ein Verfahren mit einem Schaden von S 160.000,— zu konstruieren, da er im Impressum dieses Plakates aufscheint. Rechtsgültige Strafe S 200,— wegen angeblich verspäteter Einsendung der Zeitung der zur Pressepolizei.

Juli 1971:

Die Staatsanwalt Linz leitet gegen Hans Breuer und 6 weitere Spartakisten ein Verfahren wegen „Hausfriedensbruchs“ ein, da diese an den Protestaktionen gegen die Zustände im Erziehungsheim Linz-Wegscheid teilgenommen haben.

Mai 1971:

Brigitte Windhab, ein Mädchen, das von seinem Vater immer wieder brutal verprügelt wurde, wird von Spartakus aufgenommen, nachdem der Vater seine schriftliche Einwilligung dazu gab. Nach 2 Wochen wird das Mädchen von der Polizei geholt und den Eltern übergeben, die sie sofort auf offener Straße verprügelten. Gegen Jakob Mytteis, Wilhelm Stelzhammer und Michael Glenner von Spartakus läuft in dieser Sache ein Verfahren wegen „Entführung“.

September 1971:

Hans Breuer wird von Beamten des Kommissariats Wien 1. des Mopeddiebstahls bezichtigt und unter diesem Vorwand 8 Stunden festgehalten. Er wird von 8 Polizisten geschlagen und mit Füßen getreten. Desgleichen prügelte die Polizei das Spartakus-Mitglied Friedrich Rosenberger. Anzeigen an die Staatsanwaltschaft, Durchschläge an Bundeskanzler, Innenminister und Polizeipräsident blieben bisher ohne Erfolg. (s. NF Aug./Sept. 1971, S. 61)

Dezember 1971:

Raxwerke-Prozeß (siehe die Dokumentation in diesem Heft.)

Immer häufiger verlieren Personen, die mit Spartakus in Kontakt sind, ihre Posten oder werden in Erziehungsheime eingewiesen. Polizei und Justiz zielen mit ihren Aktionen insbesondere auf den Vorstand von Spartakus.

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