FŒHN, Heft 23+24
 
1997

Standard-Argumente

Wo Argumente für die angeordnete Meinung knapp sind, wird versucht, den Gegner persönlich zu treffen. Das ist in aller Herren Länder so.

Wenn ein Meinungsschnüffler der ÖVP die uneinheitliche Masse jener, die aus tausend verschiedenen Gründen den EU-Anschluß ablehnen, allen Ernstes als „ziellos, modernisierungs- und erfolgsfeindlich, sowie schlecht ausgebildet“ (Univ.-Prof. F. Plasser beim Symposium „Europa der Ideen“, 28.4.94) hinstellt oder die SP-Staatssekretärin für Europafragen die EU-Kritiker als „entweder Faschisten oder Stalinisten“ schmäht (B. Ederer auf dem FPÖ-Parteitag Anfang April 1994), tut dies bei vielen der auf diese Tour Heruntergemachten vielleicht mehr Wirkung als hunderttausend EU-Großflächenplakate im ganzen Land.

Wir dürfen darüber nicht in Wut geraten, denn Wut macht blind. Die Wut, die uns heute anfährt, für das, was morgen passiert. Auf daß sie uns morgen aufs Neue ergreifen und mit Blindheit schlagen kann. Wir aber müssen sehen: Natürlich schrecken sie vor keinem Mittel zurück, das ihnen hilft. Das ist ganz normal. Standard sozusagen.

Standard, 16.11.1993
Gegenprobe: Ausgeglichene EG-Gegner

Auf der gegenüberliegenden Seite ist ein Artikel aus einer Zeitung wiedergegeben, der plumpe Verleumdung so zuwider ist, daß sie auf hochwissenschaftlicher besteht. Sind Meinungsumfragen an sich schon vielfach nur dazu da, gewünschte Meinungen herumzusagen, so geht diese, die in keiner Kriminalgeschichte des österreichischen Presseunwesens fehlen sollte, noch ein bißchen sehr weit darüber hinaus. Wir fragen dabei gar nicht, wie die gesuchten Antworten zustande kamen. Wir fragen auch gar nicht, ob jemand wirklich dann zufriedener ist, wenn er weniger Wert darauf legt, gute Freunde zu haben, und mehr darauf, ein eigenes Heim zu erwerben. Und ob nicht vielleicht der der ausgeglichenere Mensch ist, dem gut zu verdienen und von Menschen geachtet zu werden nicht so wichtig ist. Aber dieses Ergebnis war nicht gewünscht. Gewünscht war eine harmonische Linie für die EU-Befürworter und eine herumirrende Fieberkurve für die EU-Gegner. Das wurde durch die gerissene Anordnung der Umfragepunkte erreicht. Wenn ein Mensch aufgrund seiner Ausgeglichenheit seine Selbstverwirklichung nicht so extrem in der Freizeit suchen muß und ihm viel an guten Freunden liegt, ergibt dies in der nebenstehenden Grafik schon zwei wilde Zacken, während „ohne Sorgen leben“ und „gut verdienen“ einen wunderschön ebenmäßigen Strich zur Folge hat. Die einzelnen Fragen wurden nämlich ohne Zweifel nachträglich konsequent so angeordnet, daß die EG-Befürworter zu ihrer möglichst geradlinigen Kurve kamen. Mit der gleichen Wissenschaftlichkeit kann man -mindestens mit gleicher Berechtigung - selbst aufgrund dieses höchst fragwürdigen Datenmaterials den EG-Gegner „stärker zur Ausgeglichenheit“ neigen lassen und zeigen, daß die EG-Befürworter „weniger zufrieden“ sind.

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