FORVM, No. 14
Februar
1955

Tiere, Kinder und Gespenster

Grotesk-Gedichte aus dem Nachlaß

Der Wiener Groteskendichter Peter Hammerschlag wäre heuer fünfzig Jahre alt geworden. Er ist den meisten derer, die seinen Namen überhaupt noch kennen, als Mitbegründer des „Lieben Augustin“ in Erinnerung, jenes ersten Wiener Kellertheaters‚ in dem sich kurz nach 1930 die „Kleinkunst“ vom „Kabarett“ zu scheiden begann, und zwar vorteilhaft zu scheiden. Dort, im Souterrain des Café Prückl (wo heute, von seiner damaligen Mitarbeiterin Stella Kadmon geleitet, das „Theater der Courage“ agiert), stand Peter Hammerschlag allabendlich auf der Bühne, in einem Programm, das er zum großen Teil selbst geschrieben hatte und in dem er als Hauptdarsteller seiner kleinen, skurillen Einakter auftrat, als stockender Interpret seiner grotesken Lyrik, als Conferencier, als Blitzparodist auf Bestellung. Und wer ihn dort je gesehen hat, dem ist er ein fester Begriff geblieben.

Ein fester Begriff, und ein unvollständiger. Denn sein Bestes und Originellstes konnte Peter Hammerschlag dort nicht geben. Sein Bestes und Originellstes waren die kleinen, unendlich zarten, liebevoll verspielten Gedichte, die sich besonders gerne mit Kindern und Tieren beschäftigten und die in Tonfall und Struktur ihre durchaus eigene, unverwechselbare Prägung besaßen. Wäre Peter Hammerschlag um zwei oder drei Jahrzehnte früher zur Welt gekommen, wären seine ersten Gedichte um 1900 erschienen statt um 1930 — er hätte sich, irgendwo zwischen Christian Morgenstern und Joachim Ringelnatz, gewißlich Platz und Ansehn in der Literatur erworben. Aber die Zeit, in der er zu dichten begann, wußte mit den Rosenquarz-Nüstern der Lipizzaner, mit jungen Hunden, die nicht in ihre Haut passen, und mit Wiegenliedern für Eskimobabies wenig anzufangen. In Zeitschriften und Zeitungen (freilich in den besten ihrer Art, im alten „Simplicissimus“ und im „Querschnitt“, in der „Vossischen“, im „Prager Tagblatt“ und im Wiener „Tag“) sind Peter Hammerschlags Gedichte erschienen und sind verschollen wie er selbst, der keinem Menschen ein Leids getan und vielen Menschen Freude gemacht hatte und der heuer fünfzig Jahre alt geworden wäre; aber er wurde 1941 nach Polen deportiert und ist nicht mehr wiedergekommen. F. T.

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