Was uns die Geschichte lehrt ...
Elan Steinberg, Exekutivdirektor des World Jewish Congress, ist ein besonnener Mensch, nachzulesen in einem längeren Interview in der Presse vom 15. April. Die Besonnenheit der Presse wiederum erhellt ein dem Interview beigestellter Kasten mit dem Titel „Der Jüdische Weltkongreß“. Zunächst erfahren die LeserInnen, der WJC sei in Österreich „allgemein bekannt“, und zwar durch die Veröffentlichung von „angeblich belastende(n) Dokumente(n)“ über Waldheim. Entgegen dem „hochtrabenden Namen“ sei er „keine Vertretung der Juden in aller Welt.“ Dafür sei der WJC „erfolglos“, weiß nicht nur die Presse, sondern „hat die Geschichte gelehrt“: Gelang es dem Kongreß, obgleich „1936 in Genf gegründet“, doch nicht, die Shoah zu verhindern. Schließlich hat der WJC auch noch einen Präsidenten. Edgar Bronfman ist zwar hierzulande nicht weniger „bekannt“ als der Kongreß selbst, aber festgehalten sei doch, daß er „Geschäftsmann“ ist. Sie verstehen? Nein? Müssen wir deutlicher werden? „Spirituosen, Immobilien.“ Ach ja, ein Spekulant, eh klar.
Der Antisemitismus der Presse mag subtiler sein als der der Kronen-Zeitung, subtil ist er nicht. Und er ist gewiß nur ein Vorgeschmack auf das, was in den nächsten Wochen und Monaten, Ed Fagan sei Dank, landauf landab wird lesen und hören können, wer zu lesen und zu hören noch gewillt ist — wohlgemerkt weniger von Haider oder der FPÖ, denn von Kanzler, ÖVP oder Regierungsbeauftragten: Da habe er sich aber geschnitten, so die mit einer möglichst gering zu haltenden Entschädigung von Zwangsarbeitern befaßte Schaumayer diesfalls in der Kronen-Zeitung (16. April), „wenn er geglaubt hat, wir fürchten uns alle zu Tode“ vor dem jüdischen Anwalt. Das hat uns „die Geschichte gelehrt“, daß wir Österreicher uns nicht zu Tode fürchten müssen, und da „lassen wir uns“ ganz bestimmt „nicht von Herrn Fagan und seinen mutwilligen Aktionen abhalten, den armen betagten Zwangsarbeitern eine bescheidene humanitäre Geste zuzuwenden und so Rechtsfrieden zu erlangen.“ Und wo „Rechtsfrieden für österreichische Firmen herbeigeführt wird“, ist für „Bereicherung der Anwälte“ kein Platz. Das „könne nur dazu dienen, den armen Menschen, also den Zwangsarbeitern, das Geld vorzuenthalten.“ Wieviel die Anwälte den „armen Menschen“ vorenthalten, hat die Presse bereits auf den Dollar genau ausgerechnet: „Insgesamt sind über 6300 Stunden zu je 259 Dollar kalkuliert worden. Damit nicht genug, vor Gericht wurden die Stundensätze verdreifacht.“ Multiplizieren sie selbst. Solch einen Reibach müssen Sie mit „Immobilien, Spirituosen“ erst einmal machen. „Das wäre unser Staatsbankrott!“ Aber nicht mit uns. Dagegen wissen wir uns zu wehren — wie „die Geschichte gelehrt hat.“
