Widerstand vom Himmel
Um die NS-Vergangenheit in ihrer ganzen Tiefe und Tragweite aufdecken zu können, hat Peter Pirker, der Herausgeber dieses Buches das Motto „Grabe, wo du stehst“ in die Tat umgesetzt und ein historisches Dokument veröffentlicht, das nicht nur für die regionale Geschichtsschreibung Kärntens, sondern für die Auseinandersetzung mit Österreich zur Zeit des Nationalsozialismus eine unschätzbare Bedeutung hat.
Kern des Buches ist das Manuskript des britischen Geheimdienstagenten Patrick Martin-Smith von seinen Einsätzen in Kärnten und Osttirol im Jahr 1944 ausgehend von Friaul.
Von der Fallschirmlandung Mitte Juni 1944 in Friaul, über die Kontaktaufnahme und Kooperation mit italienischen PartisanInnen und österreichischen Wehrmachtsdeserteuren bis zu der fast aussichtlosen Suche nach anti-nazistischem Widerstand in der österreichischen Mehrheitsbevölkerung und der Rolle der Kosaken als Mittäter der Nazis auf italienischem Gebiet berichtet Patrick Martin-Smith. Dabei liest sich dieser Text nicht wie eine faktenorientierte militärische Berichterstattung, sondern wie eine Erzählung, in der die beteiligten Personen Gestalt annehmen, Atmosphären spürbar sind und Geschehnisse lebendig werden. Gleichzeitig sind in allen Schilderungen der politische Hintergrund und die geheimdienstlichen Überlegungen präsent. Dieses historische Dokument liest sich streckenweise tatsächlich wie ein Abenteuerroman. Doch auch politische Analysen, die zum einen das wahre Gesicht Österreichs und die Fehleinschätzungen der Alliierten zeigen, kommen nicht zu kurz:
„Niemand von uns hätte an einem Einsatz teilgenommen, der Widerstand in Österreich vorantreiben sollte, ohne davon auszugehen, dass die Österreicher im Grunde Antinazis waren und das Land ein widerwilliger Teil des Großdeutschen Reiches war; kurz, Österreich eine nationale Identität sowie den Wunsch hatte, seine Unabhängigkeit wieder zu erlangen. Dass diese Überzeugung eher auf Glauben denn auf Tatsachen beruhte, gehörte zu den ersten schmerzhaften Erfahrungen, mit denen Rudolf und Francis konfrontiert waren“, schildert Martin-Smith die Erlebnisse zweier SOE-Kollegen (S. 112).
Ergänzend dazu hat Pirker, der das Manuskript auch ins Deutsche übersetzt hat, tiefgehende historische Recherchen angestellt, die den LeserInnen den breiteren historischen Kontext sowie die Lebensgeschichten hinter den Decknamen der ehemaligen SOE-Agenten und Partisanen vermitteln.
In seinem Resümee stellte Martin-Smith schlussendlich fest: „Von unserem beschränkten Blickwinkel aus schien uns, dass vor allem zwei Dinge Österreicher dazu bewegten zu realisieren, dass Hitlers Krieg verloren war — der Vorstoß der Alliierten vom Süden und der Vormarsch der Russen vom Osten her, letzterer erfüllte sie mit Angst, ersterer mit Hoffnung.“ (S. 226)

Widerstand vom Himmel. Österreicheinsätze des britischen Geheimdienstes SOE 1944. Herausgegeben von Peter Pirker. Czernin Verlag: Wien 2004, 415 Seiten, 27,— Euro
