Wir werden betrogen
Wir werden betrogen solang wir uns betrügen lassen
Am Beispiel „Transitverkehr“
Es ist schwierig, noch darüber zu schreiben. Wir können es alle nicht mehr hören, dieses Wort. Es ist alles gesagt worden — und kein Wort wahr gewesen.
Jemand, der anhebt mit „Der Transitverkehr ...“, kann sich gleich den ganzen Satz behalten. Wer dieses Wort verwendet für die Tonnen reinen Giftes, die in dieses Land gespritzt werden, ist ein Vertuscher. Wer sagt, die Wipptaler leiden unter dem Transitverkehr, macht sich lustig über sie. Sie werden vertilgt, systematisch vertilgt. „Transitverkehr“, das ist denen ihr Wort, die ihn verursachen. Nicht unseres. Es hat nichts von EG-Terror, nichts von Lärm, Gestank, Gift, Dreck. Wenn man ihnen nachplappert: „Transitverkehr“, dann haben die, die Millionen damit machen, schon einen großen Vorsprung. Für die Grieser und die Kufsteiner, für die Schönberger und die Vomper ist das nicht „Transitverkehr“, sondern Dreck, Dreck, Dreck, Krawall, Krawall, Krawall, Gift, Gift, Gift.
1000 Kilo Stickoxid auf dem Papier stinken nicht. Aber im Unterinntal und im Wipptal, wohin sie jede Stunde, vierundzwanzigmal am Tag, hingefurzt werden, stinken sie!
Die 10.000 Tonnen Kohlenmonoxid, die in der Zeitung stehen, sind nicht giftig. Aber die im Unterinntal und im Wipptal, wohin sie Jahr für Jahr gekippt werden, sind giftig.
Hier geht es darum, zu zeigen, nicht: irgendwie dunkel anzudeuten, zu zeigen, daß wir die „unsrigen“ gegen uns haben. So schlimm es ist, so gut ist es, das zur Kenntnis zu nehmen.
Was hier ausgebreitet wird, sind nicht Ausrutscher, Versprecher, Schnitzer, im Gegenteil: feste Vorsätze. Es hat sie der Landeshauptmann und der Minister, der von der großen Wirtschaft gezahlte Journalist und der Kammerfunktionär, der Industrielle und der Bankdirektor, der SPÖ-Angestellte und der ÖVP-Angestellte. Das sind alles keine Entgleisungen — ihr Zug will dorthin.
Es hat keinen Sinn, die Politiker und die anderen dem großen Geld dienenden Herren darauf aufmerksam zu machen, daß diese Politik im Gegensatz steht zu ihren Grundsätzen und unseren Interessen. Sie wissen das auch ohne unsere Erklärungen gut genug.
Das ist die hohe Kunst des Verrats: Dem, was man gegen sein Land tut, den Anschein zu geben, man tue es für sein Land. Als müßte die EG, die Österreich unbedingt haben will, erst durch eine Zugabe dazu gebracht werden, es zu wollen.
Daß die EG Österreich als Verkehrsfläche haben möchte, ist vielleicht schlimm. Daß wir solches Gesindel haben, das Österreich der EG als Verkehrsfläche geben möchte, das ist der Punkt.
Wir sind eine Trumpfkarte
Wir dürfen nicht in einem fort gebannt auf die Köpfe schauen. Ob zweite oder dritte Zähne, ob der Scheitel links sitzt oder rechts oder breit in der Mitte. Köpfe werden in Pension geschickt, Typen bleiben. Es geht um den Typus, den dieses Machtsystem ohne Unterlaß in stets gleichbleibender Qualität hervorbringt.
Das ist gerade die Masche der Macht: Uns meinen zu machen, der Junge mit dem Propeller wäre ein anderer, und der im Lacoste-Hemdchen ein noch viel andererer. Um die Frisur geht es nicht. Nach dem Glatzköpfigen kommt ein Blondgefärbter, der haargenau das gleiche sagt. Dieses Spiel sollten wir mit uns nicht spielen lassen. Köpfe werden, wenn sie sich im Kampf gegen die Interessen des Volkes verbraucht haben, ruckzuck ausgetauscht.
Es geht um den Kopf dieses Systems, der immer gegen uns spricht, wie sein jeweiliger kurzfristiger Sprecher auch gerade aussehen mag.
Motto:
Es ist unmöglich, sich nicht zu verraten — außer man macht den Mund nie auf!
Die Sprache ist eine grausame Verräterin!Hercule Poirot (Agathe Christie)

H. Neisser, Kanzleramtsminister:
Der Transitverkehr durch Österreich ist für die anderen Länder wichtig. Daher stehen wir nicht mit leeren Händen vor der EG da.
Neue Vorarlberger Tageszeitung, 3.12.88

Vereinigung Österreichischer Industrieller:
Auf dem Gebiet der Verkehrspolitik hat Österreich ein gewichtiges Faustpfand für Verhandlungen in der Hand.
Industrie, 10.2.1988

J. Tschebull, Lohnschreiber:
Österreich hat gegenüber der EG nur eine Trumpfkarte in der Hand: Es erschwert den freien Güterstrom zwischen Italien und den übrigen EG-Ländern. Die Transitposition sichert uns eine wohlwollendere Aufnahmebereitschaft.
Profil, 20. Juli 1987

Creditanstalt:
Wir sollten jetzt nicht bescheiden sein. Unsere Mitgift für die Europäische Gemeinschaft kann sich sehen lassen. Rund 15 Millionen Tonnen Waren rollen jährlich im EG-internen Verkehr auf den Straßen durch unser Land.
EG-Werbekampagne der CA, 1987

G. Possanner, Lohnschreiber:
Nord-Süd-Transitverkehr, die Tiroler Landplage, (...). Österreich muß diese Trumpfkarte in seinen Verhandlungen mit der EG ausnützen.
Standard, 24.10.1988

H. Hartung, Österr. Industriellenvereinigung (Brüssel):
Wir haben einige sehr positive Faktoren in die Gemeinschaft einzubringen: Der Binnenmarkt könnte praktisch ohne eine befriedigende Lösung der Transitfrage nicht vollendet werden.
Freie Argumente, 1/89

J. Riegler, Vizekanzler:
Wir haben Europa viel Positives zu bieten — eine blühende Wirtschaft, unsere Stabilität, eine weit zurückreichende Tradition europäischer Kultur, eine zentrale Position im europäischen Verkehr und die immerwährende Neutralität (...).
Plus 5/6 1989

L. Steiner, NRAbg. der ÖVP:
Die EG muß an der Integration Österreichs stark interessiert sein. Österreich ist ein unersetzbarer Faktor für den EG-internen und gesamteuropäischen Transit.
TT, 13.10.1987

Ph. Schoeller, Industrie (BWK):
Österreich hat keine schwache Verhandlungsposition, es kann auf namhafte Vorteile hinweisen, etwa die Transitfunktion. Ein Verständnis Österreichs für die Transitinteressen der EG muß jedenfalls honoriert werden.
West-Ost-Journal, 4/87

R. Graf, Wirtschaftsminister:
Wir haben auch etwas zu bieten. Ich denke da an die Funktion unseres Landes als Verkehrsträger für die EG. Die EG hat immer wieder Wünsche wie beispielsweise hinsichtlich der zulässigen Gewichts- und Grössenlimits für Lkw.
Presse, 2.2.1987

A. Fieber, Lohnschreiber:
Österreich spielt bei den Plänen für den Binnenmarkt für Deutschland und Italien eine große Rolle: Dieser Umstand ist bestimmt eine Trumpfkarte in den kommenden Verhandlungen, die aktive Teilnahme Österreichs ein Muß.
Presse, 12.2.1988

O. Klausner, Pressesprecher der Tiroler Frächter:
Die 100-prozentige Transitfreiheit wird unser Eintrittspreis in die EWG sein.
Brennpunkt, 2.4.87

S. Hausberger, österr. Botschafter in Brüssel:
Es besteht starkes Interesse der EG an Österreich. Der Verhandlungstrumpf sind die Transitwege.
TT, 10.10.89

A. Derfler, Bauernbundpräsident:
Das Transitproblem in Westösterreich hat dazu geführt, daß sich die österreichische Verhandlungsposition maßgeblich verbessert hat.
Rede im Februar 1988, Manuskript

H. Androsch, Gen.-Dir. der CA:
Österreich hat der EG auch etwas zu bieten. Immerhin gehen 5,6% der gesamten EG-Exporte nach Österreich. Insbesondere aber erbringt Österreich Transitverkehrsleistungen, die überwiegend der EG zugute kommen.
Vortrag Uni Ibk, Oktober 1987

F. König, ÖVP-Klubobmann:
Zur EG gibt es für Österreich trotz des steinigen Weges dorthin keine Alternative. Umgekehrt kann es aber auch für die EG ohne Österreich — vor allem im Transit von Kufstein zum Brenner — keinen Binnenmarkt in Europa geben.
Presse, 12.8.1988

F. Marsch, Zentralsekretär der SPÖ:
Der Transitverkehr ist ein Faktum, das der EG zeigt, was sie an Österreich hat. Deshalb muß gerade dieser Punkt bei den Bemühungen um eine Annäherung — allerdings nicht als Drohung — auf die Waagschale geworfen werden.
TT, 30.3.1987

A. Mock, Außenminister:
Im übrigen ist Österreich als ein wichtiges europäisches Transitland von besonderem Interesse für die EG.
(Auf die Frage der Furche: „Was hat Österreich einzubringen, um in Brüssel nicht als Bittsteller dazustehen?“) Furche, 13.2.1987

G. Wailand, Lohnschreiber:
Als Trumpfkarte hat Österreich in den Gesprächen die umstrittene Transitfrage einzubringen. Ein vereintes Westeuropa ohne Österreich wäre verkehrspolitisch ein mißglücktes Unterfangen.
Der Rotarier, 9/1988

A. Khol, NRAbg. der ÖVP:
Wir treten nicht als lästiger Bittsteller auf, sondern haben auch unser Kapital einzubringen. Eine europäische Verkehrspolitik ist ohne die aktive österreichische Mitarbeit ganz einfach nicht denkbar.
Dezember 1985 im österr. Parlament

Usw.
Kniefall vor der EG
Solange wir auf Aussagen wie diese schauen wie auf Ungeheuerlichkeiten und sie nicht als das ganz Normale begreifen, haben wir keine Chance. Was die „Transitpolitik“ allen klar macht, ist, daß hier nicht das Volk herrscht, sondern daß wir die sind, über die geherrscht wird. Daß unter der Überschrift Demokratie ganz klar Interessen gegen das Volk vertreten werden.
In Tirol hat die Tiroler Bevölkerung die Mehrheit. Das größte Martyrium der Tirolerinnen und Tiroler ist „der Transit“. Trotzdem wird er nicht abgestellt. Zum Teufel mit dieser Demokratie. Mit dieser Demokratie geheißenen Nicht-Demokratie.
Es muß endlich einmal gesagt werden, daß „das Transitproblem“ in diesem System, wo nicht die Bedürfnisse der Mehrheit der Maßstab sind, einfach nicht zu lösen ist. So weh das tut.
Es ist nichts als Zeitvergeudung, Politikern Briefe zu schreiben oder Resolutionen zu überreichen. Daß sich ihre Politik gegen uns richtet, ist ihnen nicht neu. Jede Bürgerinitiative, die von einem Politiker noch die Lösung eines Problems fordert, ist für ihn — und für die er steht — ein Geschenk des Himmels.
Weil wir eine vom Geld beherrschte Demokratie haben, müssen viele Menschen in Tirol früher sterben. Das Lungenkrebsrisiko ist nicht auf dem Papier um vierzig Prozent höher, sondern im Wipptal und im Unterinntal.
Wir dürfen keinen Augenblick lang vergessen, daß sie uns wieder verkaufen — mit Haut und Haar!
Natürlich will die deutsche Wirtschaft „für eine Übergangszeit von 20 Jahren ungeschmälerte Durchfahrtsrechte“ (TT, 15.3.89), natürlich wollen italienische Unternehmer den Plöckentunnel, natürlich drohen sie — das ist die ihnen gemäße Umgangsform — mit „unabsehbaren Rückwirkungen für die österreichische Wirtschaft, die auch der österreichischen Bevölkerung zur Last würden“ (der bayerische Innenminister im ORF Tirol, Mittagslandesrundschau, 12.10.88), natürlich versuchen sie, die die Gier nach Österreich fast auffrißt, die Regierung mit der Nichtaufnahme in die EG zu schrecken, in die die Mehrheit der Österreicher und Österreicherinnen nie aufgenommen werden möchte.
Aber sie haben nur eine Chance, weil sie hier solche Knechte haben.
Lassen wir uns von vielen, die vorgeben, es ganz genau zu wissen, nicht falsch orientieren: Unsere Gegner finden wir nicht irgendwo im fernen Brüssel, sondern hier, in unserem Lande, zum Greifen nahe.
Denn: Den „Transitverkehr“ beschert uns nicht die EG, sondern „unsere Regierung“!
Die Buckelemacher
Wir haben der EG im Inntal eine Autobahn hingebaut, die wir selbst nicht brauchen, und jetzt schenken wir ihr auch noch eine milliardenteure Eisenbahn, die wir ebenfalls nicht brauchen.
E. Schaller, Leiter der Verkehrspolitischen Abteilung der Bundeswirtschaftskammer
(Presse, 9.4.86)
A. Mock, Außenminister:
Eine fortgesetzte Ablehnung des Plöckenstraßentunnels ist schon im Lichte unserer jüngsten Integrationsbemühungen nicht förderlich.
Wr. Zeitung, 20.1.88
O. Keimel, NRAbg. der ÖVP:
An Kriag mit der EG, da sein mir uns wohl alle einig, daß mir uns den nit leischtn können.
ORF Tirol, 19.11.86
A. Partl, LH:
Wir wollen keinen Verkehrskrieg mit der EG, von der wir zugleich Finanzierungsmittel für die neue Bahn wollen, vom Zaun brechen und wollen uns deshalb einen Verhandlungsspielraum offenlassen.
Kurier, 18.11.88
E. Frühbauer, LHStv. (Kärnten):
Ich bin für den Bau der zweiten Röhren für Tauern- und Katschbergtunnel. Es ist schizophren, den Beitritt zur EG anzustreben und zugleich den EG-Transitverkehr zu verhindern.
Presse, 18.7.88
G. Bielowski, T. Handelskammer:
Eine Autobahnmaut würde Westösterreichs starke Beziehungen zu Bayern verschlechtern, und das ausgerechnet jetzt, da Österreich sich um einen EG Beitritt bemüht.
TT, 16.1.87
H. Mader, LAbg. der ÖVP:
Außerdem, eine Annäherung an die EG verträgt sich schon gar nicht mit einer Maßnahme wie das Nachtfahrverbot."
Lebensraum Tirol, Dez. 1987
OÖ. Industriellenvereinigung:
Ein EG-Beitritt erfordert die Schaffung einer „europäischen Infrastruktur“. Dazu zählt die Phyrn-Autobahn als eine der wichtigsten Verkehrsverbindungen im europäischen Verkehrskonzept.
Industrie, 9.3.88
Bundeswirtschaftskammer, Sektion Verkehr:
Einführung einer Autobahnmaut könnte Auswirkungen auf das österreichische Interesse, sein Verhältnis zur EG enger zu gestalten, haben.
Tirols Wirtschaft, 11.4.87
Tiroler Frächter:
Die (Tiroler) Transportunternehmer fürchten im Fall der Einlührung des zwangsweisen Tankens in Österreich Verärgerung in den Nachbarstaaten, was den EG Bemühungen Österreichs nicht gut täte.
TT, 29.7.87
E. Malina-Altzinger, Präs. der oö. Industriellen:
Die Pyhrnautobahn stellt die direkte Verbindung im EG-Zentralraum dar. Diese in Österreich zu unterbrechen, wäre wohl alles andere als „europareif“.
Industrie, 3.6.87
H. Kremser, T. Handelskammer:
Wir können uns einfach nicht auf einen Verkehrskrieg mit der EG einlassen.
Veranstaltung am Grillhof, 1.7.88
A. Partl, LH:
Wenn wir vor Beginn der Verhandlungen mit der EG die eine Tür zuknallen bei uns und bei der anderen anklopfen, haben wir die Verhandlungen der Bundesregierung nicht erleichtert.
Der Straßengüterverkehr, 12/1987
E. Schaller, Verkehrspolit. Abt. der BWK:
Österreich wäre gut beraten, wegen der Erhöhung des Gesamtgewichtslimits um 2 Tonnen nicht das Verhältnis zur EG zu belasten.
Wirtschaftspolitische Blätter 3/87
G. Stix, Nationalratspräsident:
In diesem Fall (Beschränkungen im Transitverkehr) wird uns die EG den Wirtschaftskrieg erklären, und das halten wir nicht aus!
Lebensraum Tirol, April 1988
Usw.
Sie verarschen uns
Was wir beispielhaft beim „Transit“ erleben, ist ein Ergebnis davon, daß wir uns wieder haben regieren lassen, daß wir uns diese Arbeit auch 1945 — nach den bittersten Erfahrungen — wieder haben abnehmen lassen.
Die Regierung vergiftet uns die Böden. Die Luft, die wir zum Atmen brauchen. Bringt den Wald um, der uns schützt.
Die eigene Regierung spritzt 80 Tonnen Giftstoffe pro Tag ins Unterinntal und ins Wipptal.
Man muß es sich vorstellen: Die eigene Führung, die von uns hochbezahlte, fällt mit einem Dreifachen jener Ozonkonzentration, die bereits krankmachend ist, über uns her. Bundesregierung und Landesregierung vergiften systematisch „ihr eigenes Volk“ mit Cadmium, von dem es täglich dreißigmal soviel aufnehmen muß wie es ausscheiden kann.
In dreißig Jahren, vielleicht schon in zehn oder acht, werden es Menschen in diesem Lande nicht mehr verstehen, was wir uns haben bieten lassen von den „eigenen Leuten“, welch unerträgliche politischen Zustände wir erduldet haben!
In Wahrheit hat Österreich kein „Transitproblem“ (so wie Österreich auch kein Neutralitätsproblem hat). Mit dem „Transit“ durch Österreich hat die EG ihr Problem (wie sie auch mit der österreichischen Neutralität ihr Problem hat). Es wird uns das Wort im Halse umgedreht: Wir wollen nicht „mehr Transit auf der Schiene“, sondern weniger „Transit“! Wir wollen, daß dieser Terror abgestellt wird — an den Grenzen. Nicht ein „Flüster“-Teppich ausgerollt wird um 600 Millionen Schilling von unserem Geld. Wir wollen eine neue Verkehrspolitik, nicht neue Tunnels. Wir werden verarscht!
Den vom großen Geld aufgeblasenen Medien (Werbeeinnahmen der TT pro Samstag: ca. 1,5 Millionen öS, einer durchschnittlichen Profil-Ausgabe: ca. 3 Millionen öS) fallt die Aufgabe zu, den Eindruck zu erzeugen, daß etwas gegen den „Transitverkehr“ getan werde. Die Wahrheit ist: Die Brenner-Autobahn wird auf sechs Spuren ausgebaut. Die Wahrheit ist: Die Brenner-Autobahn bekommt mit der Autobahn im Oberinntal einen neuen Zubringer. Die Wahrheit ist: Der Fernpaß wird ständig ausgebaut, die Umfahrung von Nassereith ist beschlossen, der Tschirganttunnel wird eingefordert. Usw.
Die „Transitpolitik“ ist für die Tiroler der zweite Bildungsweg
Obwohl sie schon die ganzen Jahre „das Transitproblem lösen“, ist „der Transitverkehr“ in den vergangenen zehn Jahren um 74% gestiegen. Sie haben, wie man sieht, das Problem der Frächter und der EG gelöst, nicht das der Bevölkerung. Der Landeshauptmannstellvertreter Flli hat zwar schon 1981 davon gesprochen, es sei „die Belastbarkeitsgrenze erreicht“ (TT, 23.10.81), hat aber eifrig an der weiteren Belastung mitgearbeitet. Der Außenminister Gratz hat vor vier Jahren kundgetan: „Eine weitere Zunahme des Lkw-Verkehrs auf Tirols Straßen ist sicher nicht mehr zumutbar.“ (AZ, 12.3.86), und hat ihr ganz selbstverständlich eine weitere Zunahme zugemutet. Der Verkehrsminister Streicher hat schon 1987 geheuchelt: „Die Belastung ist nicht mehr erträglich“ (TT, 29.5.87) und hat sie fleißig weiter gesteigert. Der Außenminister Mock, der vorher und nachher keinen Handstreich gegen diese Qualen getan hat, hat vor drei Jahren gesagt: „Die Grenze des Zumutbaren für die an den Hauptdurchzugsstraßen lebende Bevölkerung ist erreicht“ (FAZ, 20.3.87), und hat nichts anderes gedacht, als daß eben die Grenze noch nicht erreicht sei. Der Landesverkehrsreferent Tanzer, der zu uns sagt: „In Tirol sind die Grenzen der Belastung bereits überschritten.“ (Kurier, 14.2.89), meint nichts anderes, als daß sie noch weit entfernt seien. Und der Landesrat Kranewitter, der im Wahlkampf meinte, sagen zu müssen: „Entlang der Hauptverkehrsstrecken ist die Zumutbarkeitsgrenze für Mensch und Umwelt bereits überschritten.“ (Kurier, 11.1.89), ist in Wahrheit auch der Überzeugung, daß diese Zumutbarkeitsgrenze für Mensch und Umwelt noch lange nicht überschritten sein werde.
Die Regierung erklärt sich für uns — und arbeitet gegen uns. Das ist schrecklich. Noch schrecklicher ist, wenn wir uns dieser Erkenntnis verschließen.
Der Landeshauptmann hat gelobt, „dem Land Tirol zu dienen und seinem Volke ...“ Das ist ein Witz. Das ist ein Gelübde für ein Faschingsblatt. Dieses Land wird systematisch zugrundegerichtet. 1989 fuhren zigtausende Lkws mehr durch Tirol als 1988, wo zigtausende mehr fuhren als im Jahre 1987, wo zigtausende Lkws mehr durch Tirol fuhren als 1986 usw.
Partl: „Die Auswirkungen sind für Tirol und seine Menschen in der gegenwärtigen Form auf Dauer unzumutbar.“ (TT, 7.3.87)
Partl: „80 Prozent des österreichischen Transitverkehrs geht durch Tirol, da ist die Grenze der Zumutbarkeit überschritten.“ (Kurier, 15.3.87)
Partl: „Grenze der Belastbarkeit für Mensch und Natur in Tirol ist überschritten“ (TT, 26.8.87)
Partl: „Die Grenze der Zumutbarkeit im internationalen Verkehr ist erreicht.“ (TT 7.10.88)
Partl: „Die Zumutbarkeit des Verkehrs für die Bevölkerung hat ihre Grenze erreicht.“ (TT, 18.2.89)
Partl: „Die Belastung der Bevölkerung und Umwelt entlang der Transitrouten haben ein Ausmaß erreicht, das über die Grenzen der Zumutbarkeit hinausgeht.“ (Tiroler Nachrichten, ÖVP Tirol, Juni 89)
Kann jeder fortsetzen, bis der Landeshauptmann für ihn „die Grenze der Zumutbarkeit“ erreicht hat.
Und während er all dies heruntergequatscht hat, ist „der Transitverkehr“ in Tirol unaufhörlich gestiegen, ein ums andre Jahr. Der Landeshauptmann sagt „unzumutbar“ und mutet uns im selben Jahr 80.000 schwere Lkws mehr zu. Er sagt „erreicht“ und läßt im selben Jahr eine Million Tonnen Güter zusätzlich durch Tirol. Er sagt „bereits überschritten“ und erlaubt im selben Jahr fünf Prozent mehr „Transitfahrten“.
Der Landeshauptmann ist eine Karikatur auf einen Volksvertreter.
Auch das „Transitproblem“ ist in Wahrheit ein ganz ein anderes. Für den, der das erkennt, ist es schließlich gar nicht mehr lustig über Tempo 80/100 zu diskutieren. Wenn man die Sache recht besieht, ist „der Transitverkehr“ ein Schulbeispiel dafür, wie Politik gemacht wird in Österreich, von wem, für wen — und für wen nicht.
Nicht gegen die Lkws müssen wir uns wenden, nicht gegen die von den Besitzern der Lkws quer durch Europa gehetzten Fahrer, sondern gegen die Demokratie-Attrappe im Staate.
Vom „Transitverkehrs-Problem“ können wir uns nur befreien, wenn wir uns von diesem System befreien können, das uns endlos Regierungen beschert, die uns z.B. diesen Terror aufbürden. Diese Regierungsform ist ein Hindernis für die Lösung „des Transitproblems“. Mehr: Diese Regierungsform ist eine Regierungsform zur Verhinderung der Lösung des „Transitproblems“.
EG heißt Transit bis zur Vergasung
Wir werden angeschmiert mit Dreck, mit Dieselruß, mit Gift. Und wir werden angeschmiert von den hörigen Zeitungen, von oben bis unten. Im Folgenden eine Gegenüberstellung: In der linken Spalte das, was uns die Regierenden, die uns in den Anschluß an die EG hineintreiben wollen, sagen, daß er uns beim Transitverkehr bringen wird. In der rechten Spalte [hier: unten] das, was er uns bringen wird. Sie können beides lesen oder nur das eine oder nur das andere, je nachdem. Als besonderes Service bringen wir für jeden etwas, für den Träumer und für den Realisten.
Wer die Wahrheit nicht weiß, ist vielleicht ein Dummkopf. Wer sie aber weiß und sie eine Lüge nennt ist ein Verbrecher.
Bertolt Brecht
Propaganda
Was machen sie doch in ihrer Not für klägliche Versuche, uns über den wahren Sachverhalt (siehe rechte Spalte [hier: unten) hinwegzutäuschen! Jämmerlich. Da ist nichts zu plump und nichts zu platt.
Es versucht es die ÖVP mit dem Schmäh:
Ein Aufnahmeantrag würde auch Österreichs Position bei konkreten Verhandlungen, zum Beispiel des Transitverkehrs, verbessern. Da werden wir ja gleich ganz anders behandelt.
A. Mock, Kurier, 12.12.88
Es versucht es die SPÖ mit dem Schmäh:
Zuversichtlich, daß sich einige brisante Probleme - etwa die Transitfrage - aus einer Position innerhalb der EG leichter lösen lassen.
P. Jankowitsch, TT, 11.11.87
Es versucht es die FPÖ mit dem Schmäh:
Auch in der Transitfrage wird Österreich ohne Vollmitgliedschaft keine Fortschritte erzielen können.
H. Schmidt, Freiheitlicher Pressedienst, 28.1.88
Und es versucht es natürlich die Bundeswirtschaftskammer mit dem Schmäh:
Transit: Österreich kann nur nach Beitritt zur EG mitbestimmen
P. Tschirner, Bundeswirtschaftskammer, NTZ, 22.4.88
Hier sind professionelle Roßtäuscher am Werk, deren einziger Auftrag es ist, uns gegen unseren Willen in die EG zu treiben. Als würde, wenn Österreich angeschlossen ist, nicht der Brenner der EG gehören!
So aussichtslos ihr Unterfangen angesichts der Realität (siehe rechte Spalte [hier: unten]) auch sein mag, so angestrengt sind ihre Versuche, uns ein X für ein U vorzumachen. Der Großfrächter O. Klausner, Sprecher der Tiroler Transportunternehmer:
Es ist traurig, wenn man mit Horrormeldungen über eine Verdoppelung des
Transitverkehrs durch Tirol bis zum Jahr 2000 die Menschen verunsichert und Stimmung gegen die Transportbranche macht. Wenn es 1993 den Gemeinsamen Markt gibt und die Bedingungen (Steuern, Maut, Treibstoffpreise) europaweit annähernd auf gleichem Niveau liegen, wird sich der Transitverkehr entflechten. Wir schätzen, daß der Transitverkehr durch Tirol stagniert oder schlimmstenfalls geringfügig ansteigt.TT, 3.9.88
Der Landtagsabgeordnete der Industrie, D. Bachmann, setzt noch eins drauf, um sich unsere Zustimmung zum EG-Anschluß zu erschleichen:
Ein EG-Beitritt Österreichs bringt nicht mehr Transitverkehr, sondern weniger, weil Exportprämien wegfallen würden.
TT, 10.6.88
Sie lassen nichts, aber auch schon gar nichts aus, um uns irrezuführen. So versuchen die Landtagsabgeordneten der ÖVP, z.B., uns allen Ernstes weiszumachen, ein „Transitstaatsvertrag“ Tirols mit der Republik Österreich könnte sicherstellen, daß die Lebensinteressen der Tiroler Bevölkerung bei den EG-Verhandlungen berücksichtigt würden (NTZ, 10.11.88). Gar nicht zufällig sind das genau jene Herren, die heute schon den Bückling vor der EG machen (siehe oben!). Als könnte man die mächtige EG, die sich dieses Österreich einverleiben will, mit einem Blatt Papier schrecken!
Wieder andere, den LH Partl zum Beispiel, heißt man, uns zu sagen, das „Transitproblem“ müsse vor dem „EG-Beitritt“ gelöst werden. Das läßt man sinnigerweise ausgerechnet solche sagen, die ihn jetzt Jahr für Jahr steigern. Als könnte so eine Lösung einen Tag über den Tag des Beitrittes hinaus halten!
Um uns Sand in die Augen zu streuen, ist ihnen alles recht. Die Salzburger Handelskammer schreibt in ihrem EG-Bericht (1988): „Wenn künftig die Grenzschranken in Europa fallen, dann fallt auch der Begriff ‚Transitverkehr‘.“ Das ist der Zynismus, den wir aus diesem Eck gewohnt sind: Man würde den „Transitverkehr“ nicht mehr so heißen können, aber er würde — siehe rechte Spalte [hier: unten] — Tirol vernichten.
Realität
Bundesverkehrsminister Jürgen Warnke prognostiziert einen weiteren sprunghaften Anstieg des Transitverkehrs über die Alpen durch den europäischen Binnenmarkt ab 1992. Bis zum Jahr 2000 rechne er mit einem Anschwellen allein des Güterverkehrs um 60 Prozent. Bis zum Jahr 2020 werde sich der Güterverkehr dann noch einmal verdoppeln.
TT, 2.3.89
1992 werden die Lizenzen für den internationalen Güterverkehr, deren Zahl in den kommenden beiden Jahren um vierzig Prozent steigen wird, ganz ab geschafft. Die vollständige Abschaffung der Grenzkontrollen ist beschlossen.
Die Transportkapazitäten und die Produktivität werden als Folge dieser Beschlüsse steigen. Mehr und größere Lkw werden öfter voll beladen und mit höherer Durchschnittsgeschwindigkeit durch Europa rollen und nicht mehr wie bisher weitgehend leer aus dem Ausland beziehungsweise von einer Fuhre im Werksverkehr zurückkommen müssen. In der Konsequenz werden die Frachttarife deutlich sinken. In Deutschland scheint dabei ein Preisverfall von 30 bis 40 Prozent, besonders auf den Hauptrouten, durchaus möglich.
Der internationale Wettbewerb wird sich dramatisch verschärfen, wenn in Europa große, leistungsstarke Anbieter auch von außerhalb der Gemeinschaft (wie Federal Express, TNT) mit ihrer Erfahrung aus anderen deregulierten Märkten, vor allem den USA, antreten.Euro-Analyse von McKinsey, Manager Magazin 7/89
Wenn der sogenannte Verkehrsmarkt „dereguliert“ wird, soll es keine nationalen Kontingente und Lizenzen für Fuhrunternehmer mehr geben; jeder, der Geld und Lust hat, einen Lastwagen zu kaufen, darf dann zwischen Portugal und Dänemark, England und Sizilien herumfahren, was er nur kriegen kann. Mit Fahrern am Steuer, die eben mal 36 Stunden nicht geschlafen, dafür aber Nitrozellulose, Benzin, Schwefelsäure oder höher giftige Chemikalien in mehr oder minder dichten Kesselwagen geladen haben.
Süddeutsche Zeitung, 17.3.88
Bereits in der Mitte der neunziger Jahre wird der Lastwagen samt Fracht 50 Tonnen wiegen. Die Durchschnittsgeschwindigkeit wird von bisher knapp 60 auf knapp 80 Stundenkilometer klettern. Das bedeutet, daß die Spitzengeschwindigkeiten von derzeit 80 bis 90 Stundenkilometer auf über 100 Stundenkilometer steigen werden. Ermöglicht wird eine derartige Entwicklung durch stärkere Motoren — 500 statt bisher durchschnittlich 350 PS.
Kurier, 5.2.89
Im Lkw-Geschäft hält der Boom an„(Titel) —“Der Straßentransport ist unaufhaltsam im Vormarsch„(Untertitel).“1988 erlebt infolge des wirtschaftlichen Hochs auch das Transportgewerbe eine ausgesprochene Blüte. Volle Auftragsbücher signalisieren bei den Herstellern lange Lieferfristen bis zu sechs Monaten ... Autotransporter rollen Tag und Nacht. Mit Blickrichtung auf einen gemeinsamen Markt sind die beamteten Eisenbahn-Hochburgen ohnedies vollkommen überfordert. Aus dieser Tatsache schöpft die Lkw-Industrie weitere Hoffnung, denn die Transportvolumina werden unaufhaltsam zunehmen und zum überwiegenden Teil nur vom Lkw befriedigt werden können. So prognostiziert etwa MAN-Chef Wilfried Lochte im gemeinsamen Markt einen Jahresbedarf von rund 250.000 Lkw im Tonnagebereich über 61 Gesamtgewicht.
Salzburger Nachrichten, 7.10.88
Im Transitverkehr wird es aber — daran läßt das Wifo keinen Zweifel — in den nächsten Jahren zu keiner Entlastung kommen. Eine international gute Konjunkturlage, der Binnenmarktprozeß in der EG und das Wachsen einer nach Westen orientierten Marktwirtschaft in Osteuropa lassen eine starke Zunahme des Transitaufkommens erwarten.
Salzburger Nachrichten, 14.11.89
Das vom Sozial- und Wirtschaftsausschuß der EG vorgelegte Gutachten bescheinigt Österreich zudem ausdrücklich, „das weitaus wichtigste Transitverkehrsland“ zu sein. Der Wirtschafts- und Sozialausschuß ist der Überzeugung, daß mit der Vollendung des Binnenmarkts der Transitverkehr durch Österreich, Schweiz und Jugoslawien „noch beträchtlich an Umfang zunehmen“ wird.
Presse, 25.3.88
Hier soll vollkommene Freiheit herrschen. Alle Transportgenehmigungsverfahren sollen beseitigt werden und jeder soll das Transportmittel wählen, das am günstigsten ist. Das wird aber, solange die Straße und ihre Benützung nicht den Kosten entsprechend besteuert wird, so wie das bei der Bahn der Fall ist, immer die Straße sein, und dann wird aus geografischen Gründen alles durch die österreichische Nadelöhre kommen, und bei uns wird alles verdreckt, versaut, die anderen werden davon den Profit haben, und das wird der große approach zu Europa sein. Was dann der Tiroler Fremdenverkehr macht, weiß ich nicht.
Minister a.D. E. Lanc, Journal-Panorama, Ö1, 226.1988
Die Bundesbahnen erwarten von einem verstärkten Preisdruck in einem liberalisierten EG-Verkehrsmarkt Mindereinnahmen von 700 Mill. S, davon 500 Mill. S im Güterverkehr und 200 Mill. S im Personenverkehr. ÖBB-Generaldirektor Heinrich Übleis befürchtet, daß die Straße gegenüber dem Schienentransport weitere Marktanteile gewinnen könnte. Gütertransporte könnten aus Kostengründen verstärkt mit Lkw durchgeführt werden.
Presse, 27.10.88
Natürlich ist Tirol ein Lkw-Transitland. Unsere geographische Lage in Europa hat uns dazu verdammt. Das mag man bedauern, doch es ist nicht zu ändern. (...) Nach einer Studie des Instituts für Straßenbau und Verkehrsplanung der Universität Innsbruck könnte die Gütertransportzunahme bis zum Jahr 2000 60 bis 80 Prozent betragen. Dann fahren täglich 6300 bis 7500 Lkw über die Brenner- und Inntalautobahn. Das ist der Preis für ein offenes Europa und die demokratische Freizügigkeit seiner Menschen.
TT, 16.4.88 (Beilage zum Tag der offenen Lkw-Tür)
Wir müßten auf die EG Rücksicht nehmen, wir seien ja so eng mit ihr verbunden, sagen die, die uns so eng mit ihr verbunden haben. Wir könnten „das Transitproblem“ nur gemeinsam mit der EG lösen, sagen sie, wo es doch für uns gelöst wird, wenn die Durchfahrten radikal eingeschränkt werden, für die EG aber gelöst wird, wenn die Durchfahrten ständig erhöht werden!
Wir müssen das alles wissen, um zu wissen, was uns blüht. Von der einen Seite und von der anderen Seite.
Die Lügen-Maschine
Tag für Tag füllen sie mit neuen Mätzchen die willigen Zeitungen, wird uns aufs neue ein Kübel voll Druckerschwärze über den Kopf gestülpt.
Wer ein Erinnerungsvermögen über wenigstens vierzehn Tage hat, weiß, was aus ihren jeweiligen „Transitlösungen“ geworden ist:
Ihre Waffe gegen die Wahrheit, daß die Verheerung durch die Lkws ständig ärger wird, ist die Lüge. Z.B. die Lüge des Verkehrsministers 1984, die damaligen 3200 täglichen Lkws der Brennerautobahn würden bis 1990 auf die Brennerbahn verlagert (Süddeutsche Zeitung, 9.10.85). Die Wahrheit war nicht umzubringen: 1990 noch gehen keine zehn Prozent dieser 3200 Lkws mit der Bahn durch Tirol. Oder die seinerzeitige Lüge, das Verbot, mit mehr als 40 Liter Diesel in Österreich einzureisen, werde wenigstens für einen wirtschaftlichen Effekt des „Transitverkehrs“ sorgen. Die Wahrheit hat gesiegt: 1985 wurde das entsprechende Zollgesetz geändert, sodaß nunmehr wieder mit 200 Liter billigerem, schadstoffhältigerem ausländischem Diesel im Tank durch Tirol durchgerast werden darf. Wenn der Landesstraßenverkehrsreferent für die Zeit ab 1985 verspricht: „Keine zusätzlichen Tonnen, mehr durch unser Land“ (Presse, 17.12.84), wird er durch die Genehmigung weiterer Kontingente (TT vom 5.1.85) und durchschnittlich siebzigtausend Lkw-Fahrten mehr pro Jahr der Lüge überführt. 1986 wird die Lüge aufgetischt und durch alle Zeitunsspalten gejagt, daß eine Fahrzeug-Waage in Kufstein den Überladungen ein Ende bereiten werde. Die Wahrheit, daß es keine fixe Waage gibt, war bis heute nicht aus der Welt zu schaffen. Die Lüge, die Einführung einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h in der Nacht werde den Lärm reduzieren, konnte sich gegen die Wahrheit nicht durchsetzen. Die Wahrheit ist, daß durch Fehlen der Kontrollen und ein ausgefuchstes Warnsystem der Lkw-Fahrer der Dauerlärm erhalten bleibt und „der Transitverkehr“ immer noch mehr wird. Welches als Maßnahmen-Paket gegen den „Transitverkehr“ ausgegebene Lügen-Paket wurde doch bei der Regierungsklausur im Juni 1987 in Pertisau geschnürt! Es hat der Wirklichkeit im Tiroler Transit-Kanal, dem Anwachsen der Torturen, nichts anhaben können.
Diese Politik gegen uns läßt sich nur durch eine ununterbrochene Kette von Täuschungen abschirmen. Zum Beispiel mit der des Bundeskanzlers, Österreich werde ab 1. Jänner 1988 eine generelle Autobahnmaut einführen. Wahr ist: Österreich hat natürlich keine solche Maut eingeführt, sie stieß nämlich „in Bonn auf heftige Kritik“ (Kurier, 2.4.87). Gar so weit kam auch der Minister mit seiner Lüge von 1987, die Abschaffung der Jahresmautkarte werde den „Transitverkehr“ verteuern und also reduzieren, nicht. Die nicht untergekriegte Wahrheit: Der deutsche Verkehrsminister erreicht in Wien 100er Blocks, die eine Ermäßigung der Einzelfahrt um 45 Prozent bringen.
Als folglich wieder eine Lüge notwendig wurde, wurde die in Umlauf gebracht, daß ab 1.4.88 keine Überladungen mehr toleriert würden. Die Wahrheit, die dem entgegensteht, diktierte die BRD: „Die Überladungstoleranz von fünf Prozent, die derzeit in Tirol für Straßentransporte gültig ist, wird auch weiterhin in Kraft bleiben. Auf Druck Deutschlands wird der Nationalrat nämlich morgen in einer Novelle des Kraftfahrgesetzes für ganz Österreich eine solche Toleranz beschließen.“ (NTZ, 22.6.88) Als zum Zwecke neuer Besänftigung die Lüge vom Nachtfahrverbot auf der Loferer Bundesstraße notwendig wurde, hielt sie genau so lange, bis die Wahrheit, daß während der Nacht gezählte 200 Lkws (mit oder ohne Genehmigung) durchfahren (Kurier, 8.4.87), publik wurde. Diese Politik lebt von der Lüge. Sie ist ihr bestimmendes Element. Mit ihr ist es möglich, die bevölkerungsfeindliche Politik der vergangenen Jahrzehnte fortzuführen.
Mit der Lüge des „Gesundheitsministers“’ von 1986, überladenen Fahrzeugen werde „die Einreise nach Österreich verweigert werden“ (TT, 23.10.86), war die Wahrheit, daß nach wie vor massenhaft überladene Fahrzeuge durch Tirol rollen, nicht zu bezwingen. Zwar hat der Landeshauptmann, die Lüge 1987 in die Welt gesetzt, er werde „die Transportbewilligungen auf der Autobahn drastisch einschränken“ (Kurier, 15.4.87), aber auch hier ist das die Wahrheit, daß die Transportbewilligungen nicht und schon gar nicht drastisch eingeschränkt wurden, werden und werden werden. Die Wahrheit, daß „der Transitverkehr“ immer noch mehr wird, mehr Krawall, mehr Dreck, mehr Gift, mehr Kranke, mehr Unfälle, mehr Katastrophengefahr, ist nur durch immer schnelleres Lügen notdürftig zu verstecken. Da wurde vom Verkehrsminister den kaufbaren Medien die Lüge von der Verlagerung von „60% des Lkw-Verkehrs auf die Schiene“ bis 1992 (TT, 8.8.87) vorgegebetet und von diesen nachgebetet, ohne daß sie sich gegen die Wahrheit, daß „frühestens 1997 eine spürbare Verbesserung der Brennerbahn zu erwarten ist“ (TT, 28.9.89), durchsetzen konnte. Bis dorthin wird der Lastwagenverkehr um weitere vierzig Prozent mehr werden. Die 1987 ausgestreute Lüge, Geschwindigkeitsüberschreitungen künftig rigoros per Kontrolle der Tachographenblätter zu ahnden, hat gegen das „aus Rücksicht auf Frächterlobby und Bundeswirtschaftskammer“ dann tatsächlich beschlossene Gesetzchen einen mehr als schweren Stand.

Die Lüge, die 1986 in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie für den Brennertunnel, die „die Lösung des Transitproblems“ bringen werde, werde endlich im September 1987 vorliegen, hatte keinen Auftrag gegen die Wahrheit, daß die Studie nicht 1987 und nicht 1988 vorgelegt wurde und schon gar keinen gegen die Wahrheit, daß die Studie (1989 fertiggestellt) absolut keinen Einfluß auf das Anschwellen des Lärms, des Drecks, des Giftes in diesen Jahren hatte und in den kommenden Jahren haben wird. So konnte auch die Lüge des Landeshauptmannes vom März 1987, eine vorgeschriebene Routenbindung über die Tauernautobahn werde den Brenner entlasten (TV-Pressestunde, 22.3.87), gegen die Wahrheit, daß es keine Routenbindung gibt, nichts ausrichten. Und die Wahrheit, daß im Nettopreisvergleich die Brennermaut für eine Lkw-Fahrt von 405 Schilling im Jahre 1977 auf 208 Schilling im Jahre 1989 ermäßigt wurde, hat sich einen Dreck um die vielen Mautverteuerungs-Lügen gekümmert.
Will man zur Wahrheit vordringen, muß man durch alle diese Lügen durch
Weiter: Da hat der Landeshauptmann 1987 mit Hilfe der Medien die dem Lärm der Lärmlaster, dem Dreck der Drecklaster und dem Gift der Giftlaster ausgesetzten Menschen monatelang mit der „Lösung durch eine Hangtunneltrasse“ im Unterinntal am Schmäh gehalten. Auch über diesen Schwindel hat die Wahrheit, daß mehr Lkws durchs Unterinntal donnern und donnern werden, dominiert. Die ständige Lüge, daß „der Transitverkehr“ in Tirol eingedämmt werden soll, kommt gegen die Wahrheit nicht an, daß die Brennerautobahn ständig ausgebaut wird. Die dreiste Lüge des Wirtschaftsministers vom Jahre 1987, in acht Jahren werde man bereits durch den Brennerbasistunnel fahren, hatte keine Chance gegen die Wahrheit, nämlich die Wahrheit, daß der „Transitverkehr“ weiter zunehmen kann. Und Asthma bei Kleinkindern auch. Man sieht, wodurch dieses System in seinem Innersten zusammengehalten wird. Und die Rolle der Hurenblätter der großen Wirtschaft bei diesem Volksbetrug sieht man auch. (Das ganze Presse-Getöse in unseren Ohren soll wohl bewirken, daß wir das Anschwellen des Verkehrslärms nicht hören. So einfach stellt man sich dies in Amts- und zugehörigen Redaktionsstuben vor.)
Die Lüge des Landesverkehrsreferenten von 1988, die Gifttransporte würden künftig nur noch mit Einzelgenehmigungen durch Tirol fahren dürfen, unterlag gar bald der brutalen Wahrheit, daß der „Transport von Gift nicht zu verhindern“ ist (Kurier, 19.10.89). Auch die vom Verkehrsminister in die Welt gesetzte Lüge, seine „durch mühevolle Überzeugungskraft“ durchgesetzten Transitverhandlungen mit der EG wären der „Durchbruch in der Transitverkehrsdiskussion“ (TT, 9.12.87), mußte bald vor der Wahrheit kapitulieren, daß die EG in diesen Verhandlungen, den Abbau der „Beschränkungen für den Durchzugsverkehr“ (SN, 28.10.88) anstrebte.
Die nächste Lüge des Landeshauptmannes, die Überladungen würden nun drastisch reduziert, ist der Wahrheit, daß jeder vierte Lkw überladen ist, immer noch nicht gewachsen, und der Lüge des Landeshauptmannes, „ökologisch vertretbare Kontingente“ festzulegen (TT, 18.2.89), steht immer noch die Wahrheit entgegen, daß keine solchen Kontingente festgelegt werden. Wir schlucken weiter Gas und fressen weiter Dreck. Die Lüge des Landeshauptmannes (TT, 18.2.89), Nachtfahrverbote für Chemikalien und gefährliche Güter einzuführen, konnte der Wahrheit, daß todbringende Gifte bei Tag und Nacht schübelweise durch unser (!) Land gefahren werden, nichts anhaben. Die brutale Wahrheit, daß der Lkw ganze 16 Prozent, der von ihm auf der Straße verursachten Kosten bezahlt (und wir die restlichen 84 Prozent), wurde von den Behauptungen des Verkehrsministers, es müsse „Kostenwahrheit“ hergestellt werden (Club 2, 23.11.89), nicht einmal angerührt. Die Lüge des Landeshauptmannes, mit seinem Besuch in Brüssel vor den Landtagswahlen „ist uns ein Durchbruch gelungen“ (NTZ, 10.3.89) hatte so kurze Beine, daß sie schon am 14.3. von der Wahrheit, „der EG müßten zumindest für eine Übergangszeit von etwa 20 Jahren ungeschmälerte Durchfahrtsrechte eingeräumt werden“ (BRD-Verkehrsminister Warnke bei der EG-Ministerratssitzung in Brüssel, Dolomiten, 15.3.89) überholt wurde. Und die Lüge des Verkehrsministers anläßlich der Brennerblockade durch italienische Frächter, er werde „hart bleiben“, wurde ruckzuck von der Wahrheit eingeholt, daß er den Italienern klammheimlich für das Jahr 1989 doch zusätzliche 30.000 Durchfahrten genehmigt hatte. Der Satz, mit der Öko-Maut werde die Umwelt saniert, war noch kaum gelogen, als Frächtern zigtausend Schillinge als Zuschüsse zugeworfen wurden, damit sie ihre um kein Gramm weniger Gift sprühenden „Flüster“-Laster weiterhin auch in der Nacht durchs Land schicken können. Usw.

Wir bitten die Leserinnen und Leser, die Unvollständigkeit dieser Aufzählung entschuldigen zu wollen.
Eine wahre Unmenge von Lügen, ist von den Vertretern dieser „Transitpolitik“ schon verbraucht worden, was aber keinesfalls heißt, daß ihnen nicht noch eine ganze Reihe weiterer einfallen wird.
Auf dem Papier ist „der Transitverkehr“ alle drei Monate weiter eingeschränkt worden. Auf der Straße hat er jedes Monat zugenommen!
Natürlich sagt jeder, der das liest: So eine Verlogenheit kann nicht Bestand haben. Und er hat recht. Nur: Noch hat sie Bestand!
Und dann noch eine Nachtfahrerlaubnis
Zum sogenannten Nachtfahrverbot könnte man viel, braucht man aber nur wenig sagen. Im Juni 1989 hat der Verkehrsminister die Hoffnung geweckt, in der Nacht werde den Lkws auf den Tiroler Durchzugsstraßen das Fahren verboten sein. Im September sprach er dann von etwa 30 Ausnahmen pro Nacht (TT, 8.9.89). Im Oktober sprach er dann von etwa 70 Ausnahmen pro Nacht (TT, 19.10.89). Im November sprach er dann von etwa 80 bis 100 Ausnahmen pro Nacht (Salzburger Nachrichten, 16.11.89). Einen Tag vor Inkrafttreten des „Nachtfahrverbots“ sprach er dann davon, daß die Ausnahmen „ein beachtliches Volumen“ erreicht hätten (Inlandsreport, 30.11.89). Inzwischen, wir wissen es, werden als leicht verderbliche Güter u.a. Bier und Kartoffeln in der Nachtfahrverbotszeit durch Tirol gefahren (Tirol heute, 21.12.89). Mit dem „Nachtfahrverbot“ trat gleichzeitig die Nachtfahrerlaubnis in Kraft. Wieder wurde dem Druck aus der BRD nachgegeben.
Das Land Tirol hat noch eins draufgesetzt: Bevor das „Verbot“ in Kraft trat, waren bereits mehr als zweihundert Ausnahmegenehmigungen für die nächtliche Durchfahrt durch Tirol ausgestellt. Anfang Dezember waren es bereits vierhundert, nach zwei Wochen sechshundertsechzig und im Jänner dieses Jahres hielt man bei zwölfhundert! Zwölfhundert Lkws haben vom Land Tirol die Erlaubnis trotz „Nachtfahrverbot“ bei Nacht durch Tirol zu donnern! Zudem darf jeder, der einen Bestellzettel im Führerhaus mitführt, aus dem hervorgeht, daß er einen auf „Flüster-Lkw“ umgetauften 38-Tonner erwerben will, weiterhin wann er will und wie oft er will durch Tirol durchfahren. Diese mitgeführten Bestellscheine tragen natürlich wesentlich zur Nachtruhe der Bevölkerung bei.
Die ersten Erfolgsberichte, die über die Medien geschickt worden waren, mußten mittlerweile den Fakten weichen: Nicht ein Lkw wurde aus Tirol abgedrängt. Im Februar dieses Jahres fuhren zur angeblichen Nachtfahrverbotszeit durchschnittlich (!) fünfhundertvierzig Lkws durch Tirol durch, in einigen Nächten sogar siebenhundert (Tirol heute, 28.2.90). Auf die vierundzwanzig Stunden aufgeteilt fahren jetzt, wie der Verkehrslandesrat im Landtag (30.1.90) kleinlaut zugeben mußte, mindestens gleich viele Laster. Am Reschen wurden im Jänner dieses Jahres sogar um 23 Prozent mehr Lkws gezählt als 1989!
Auch auf der B 312 (Loferer Bundesstraße) wurde vor Jahren mit viel politischem Trara ein sogenanntes „Nachtfahrverbot“ eingeführt. Tatsache ist, daß heute dort pro Nacht, in der es angeblich verboten ist zu fahren, um die 200 Lastautos gezählt werden (198 Lkws bei der Zählung in der Nacht auf den 25. Oktober 1989).
Es hat sich nichts geändert, weil sich nichts ändern kann. Die Politiker haben nichts gelernt aus ihrer Wahlniederlage, weil sie nichts lernen können — höchstens: uns noch eleganter aufs Kreuz zu legen.
Daher sollten wir lernen aus dem 12. März.
Währenddessen werden die Frächter bedient wie eh und je. Aufs neue wird viel Geld in den Lkw gesteckt, statt in seine Überwindung! Unser Geld! Aus den „Öko-Maut“-Einnahmen (!) werden den Frächtern ganze Tausenderpackln pro Fahrzeug hineingeschoben für eine mehr als fragwürdige Motorenkapselung, die zudem nicht ein Gramm Gift wegbringt. Dazu wird ihnen der Investitionsfreibetrag verdoppelt, was den Staat — uns — mehr als einhundert Millionen Schilling kosten wird. Dazu soll ihnen der angebliche Wertverlust ihres Fuhrparks vom Finanzminister — von uns — abgegolten werden. Dazu sind die Bahntarife um fünfzig Prozent reduziert worden, nein, nicht für uns, für die die Bahn benützenden Frächter. Usw.
Um uns selber müssen wir uns selber kümmern
Das Nachtfahrverbot in Österreich, wenn jemand danach fragen sollte, gibt es nicht. Der Flüster-Lkw wird nicht erfunden. Jetzt sind auf dem Papier nur noch Lkws mit achtzig Dezibel erlaubt, die auch die auf achtzig Dezibel reduzierten Lkws nur bei vierzig Stundenkilometer und nur im Ebenen und nur mit Sommerreifen bringen! Siebzig Dezibel sind, wie Ärzte sagen, bereits gesundheitsschädigend.
Auch das sogenannte Nachtfahrverbot ist, wie es ein Unterinntaler ÖVP-Bürgermeister ausgedrückt hat, nur „eine politische Augenauswischerei“. (TT, 21.7.89)
Natürlich ist das ein Verbrechen, was sie uns antun. Unseres ist es, daß wir sie das tun lassen. Eigentlich betrügen ja nicht sie uns, sondern wir sind es, die uns betrügen, wenn wir denen glauben.
