ZOOM 4+5/1997
Juni
1997

Zivildienst: Anhängsel des Militärs

Wer aus Gewissensgründen die Erfüllung der Wehrpflicht verweigert und hiervon befreit wird, hat einen Ersatzdienst zu leisten.

So steht es im Artikel 9a des Bundes-Verfassungsgesetzes, mit dem 1975 der Zivildienst als Wehrersatzdienst eingeführt wurde. Durch den Einfluß von VerteidigungspolitikerInnen wird er zunehmend unattraktiver.

Gleichzeitig mit dem Zivildienst wurde mit der Umfassenden Landesverteidigung das Konzept einer Gesamtverteidigung beschlossen, das neben dem militärischen Instrument eine kriegswirtschaftliche, eine propagandistische und eine zivilschützerische Komponente umfaßt, jeweils angesiedelt im Wirtschafts-, Unterrichts- bzw. Innenministerium.

Der Zivildienst wurde der Verwaltung des Innenministeriums unterstellt. Die Zivildienstträger Polizei, Sicherheitswache, Feuerwehr und Zivilschutzverband können beispielhaft für die Bereiche Zivilschutz und innere Sicherheit angeführt werden.

Im dreiwöchigen Grundlehrgang am Beginn des Zivildienstes wird allen Gewissensverweigerern ihre Funktion als unbewaffnete Hilfskräfte in Krisen- und Kriegsfällen nahegebracht. Im § 21 des Zivildienstgesetzes ist mit dem sogenannten „außerordentlichen Zivildienst“ die gesetzliche Voraussetzung für diese unbewaffneten Krisen- oder Kriegseinsätze geschaffen worden. Parallel zum Einsatzpräsenzdienst gibt es damit einen „Einsatzzivildienst“, der sich vor allem bei der Sanität, im Spitalswesen oder in der Versorgung abspielen würde. Diese sicherheitspolitische Einordnung des Zivildienstes wird angesichts eines feststellbaren Funktionsverlustes des Militärischen wahrscheinlich Theorie bleiben. Dennoch muß darauf hingewiesen werden. Immerhin sind viele Verweigerer des Wehrdienstes der Ansicht, daß sie mit ihrer Zivildiensterklärung einen aktiven Verweigerungsschritt jeglichen Kriegdienstes gesetzt haben. Dies erweist sich bei näherem Hinsehen als Illusion.

Kaum ein anderes Gesetz erlebte derart viele Novellen wie das Zivildienstgesetz. Der Grund für die Anbindung der Zivildienstregelungen an die politische Zustimmung des Verteidigungsministeriums liegt jedoch nicht in erster Linie an der Einbindung des Zivildienstes in die Umfassende Landesverteidigung, sondern vielmehr am Einfluß der Zahl der Zivildienstanträge auf die militärischen Rekrutierungspläne. Das Verteidigungsministerium gibt ein Plansoll für seine Wehrkonzepte aus. Dieses wurde bis Ende 1996 mit 34.000 Jungmännern pro Jahr veranschlagt und Anfang 1997 auf 32.000 gesenkt. Eine kleine Strukturänderung des Heeres ermöglicht eine Steigerung der Zivildienerquote um 2000.

Mit folgenden drei Maßnahmen nehmen VerteidigungspolitikerInnen Einfluß auf die Zivildienstzahlen:

1. Die Zugangsregelung

Die Antragsfrist endet am dritten Tag vor Erhalt des Einberufungsbefehls. Erst wenn der Wehrpflichtige seine Einberufung in Händen hält, weiß er, daß die Frist, innerhalb derer er eine Zivildiensterklärung abgeben konnte, bereits abgelaufen ist. Besonders problematisch ist das Antragsrecht für „Altfälle“. Es betrifft all jene, die vor 1992 erstmals tauglich wurden.

Die UNO-Kommission für Menschenrechte stellte auf Basis der UN-Resolution 84/93 am 10. März 1993 fest: „Minimale Garantien sollen sicherstellen, daß Verweigerung aus Gewissensgründen jederzeit angemeldet werden kann.“ Der Bericht des EU-Ministerrats meint zum gleichen Problem, daß „ein Gewissenskonflikt zu jedem Zeitpunkt eintreten kann“ (Explanatory Report to Recommendation No R(87)8). Daher ist für Amnesty International eine Einschränkung des Antragsrechts wie in Österreich nicht akzeptabel.

Frist für Antragstellung im europäischen Vergleich

Grafik Antragstellung

2. Die Zivildienstdauer

1996 wurde der Zivildienst auf zwölf Monate verlängert. Der Zivildienst dauert somit um 50 % länger als der Wehrdienst. Ein derart langdauernder Zivildienst ist in den meisten europäischen Ländern unüblich.

Der zitierte Bericht des EU-Ministerrats aus dem Jahr 1987 stellt fest, daß der „Wehrersatzdienst keinen Strafcharakter haben soll. Die Dauer soll im Verhältnis zum Militärdienst in vernünftigen Grenzen bleiben.“ Amnesty International erachtet einen Zivildienst dann als Strafe, wenn dieser um mehr als die Hälfte länger dauert als der Wehrdienst.

Das österreichische Gesetz sieht – übrigens seit Bestehen des Zivildienstes – die gleiche Belastung durch beide Dienste vor. Die längere Dauer ist jedenfalls eine Einschränkung des Rechts auf Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen, da zum Beispiel das Ausscheiden aus dem Beruf oder der Ausbildung für zwölf Monate im Vergleich zu acht Monaten einen großen Druck auf die Entscheidungsfreiheit des Wehrpflichtigen ausübt.

Dauer des Zivildienstes in der EU

ZD-Dauer in EU
Die Grafik zeigt in Prozent, um wieviel der Zivildienst länger dauert als der Wehrdienst. Die Zahlen über den Balken geben die Länge des Wehrdienstes/ Zivildienstes in Monaten an.

3. Die Ausgestaltung des Zivildienstes

Auch hier ist eine stetige Verschlechterung der Bedingungen festzustellen. So wurde die Vergütung auf 2222 S pro Monat gesenkt – schlechter als im Wehrdienst. Die Anerkennung der Wohnkostenbeihilfe wird für Zivildiener immer schwieriger. Die Verköstigung, die mit Essensbons erfolgt, kommt der Verwaltung teuer und ist für die Zivildiener höchst unattraktiv.

Vergleichen wir die jetzt herrschende mit allen früheren Zivildienstregelungen, so ist zu resümieren: Eine durch unterschiedliche Fristen recht undurchschaubare Zugangsregelung, ein um die Hälfte längerer Dienst und Schlechterstellungen bei Pauschalvergütung, Wohnkostenbeihilfe und Essensbons stehen am Ende einer Entwicklung, die mit achtmonatigem Zivildienst, klarer Zugangsfrist und gleichem Entgelt für Wehr- und Zivildiener 1975 eingesetzt hat. Heute gibt es Fälle, in denen Zivildiener mit einem existenzgefährdenden Schuldenstand aus dem Dienst am Staat entlassen werden. Diese Negativentwicklung ist nicht durch eine Veränderung der internationalen Verhältnisse erklärbar, sondern nur durch den gesteigerten Einfluß der Verteidigungspolitik sowie der konservativen und reaktionären politischen Kräfte auf die Zivildienstgesetzgebung.

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