FORVM, No. 211
Juni
1971

askese, drogen, ekstase

H.F., im Zeichen der Fische geboren, beschäftigt sich seit seinem Aufenthalt in Kalifornien 1969 intensiv mit den Möglichkeiten der Bewußtseinserweiterung, das heißt er liegt herum und schaut in die Luft, durchstreift Wälder und Felder, spricht mit Bäumen und Kühen und so. Gruppenerfahrungen entstammen u. a. der Oberweidener Kommune, die im Haus Oberweiden Nr. 95 (Niederösterreich) vom Dezember 1970 bis zum Mai 1971 bestand.

I. Tierische Notwendigkeit und Mangelgesellschaft

Der Mensch muß seinem System (Körper) mehr Energie zuführen als er verbraucht (Fressen usw.). Je höher die Organisation, um so parasitärer der Erwerb dieser Energie.

  1. Beispiel: Wenn ich das Schwein erschlage, kann ich mir seine Energie in Koteletts oder Würsten wieder aneignen (Tötung).
  2. Beispiel: Zwinge ich jemanden, für mich zu arbeiten, kann ich mir seine Energie (Arbeitskraft, Lebenszeit) aneignen (Sklaverei, Ausbeutung, Krieg, Völkermord).

Das Gehirn ist dabei ein Hilfsorgan des Darms. Solange das Denken zur günstigen Verteilung des Mangels benützt wird, kommt man mit dem herkömmlichen Bewußtsein ganz gut aus. Aldous Huxley sieht im Gehirn ein „Reduktionsventil“, das die Totalität der Möglichkeiten auf die „nützlichen“ reduziert, d.h. also auf einen ganz kleinen Teil unserer Kapazität.

Unser Gehirn ist gottseidank noch anderes imstande als logisch zu denken. Wenn man den Strang der tierischen Notwendigkeit etwas lockert, das Reduktionsventil sich öffnet, passieren seltsame Dinge. Explosion des Denkens, alles tritt mit jedem gleichzeitig in Kontakt: das Ungeheuerliche, Phantastische, höchst Erregende, außerordentlich Tiefschürfende, Überirdische, Transgalaktische, das Sein, die Liebe, das All. Was der durch Logik Gebundene als „Phantasie“ diffamiert, wird Denkrealität.

Othmar Halek, 18, Reprodrucker

II. Ekstase

Wir sind ja nicht die ersten, die sich angesichts des sinnlosen Misthaufens von Zivilisation und des ganzen übrigen faulen Zaubers fragten, was da eigentlich vorgeht. Ob es jenseits von Essen und Scheißen noch etwas gibt — außer der Notwendigkeit, gerade auf diese Art und Weise dazu zu kommen.

Seit einigen tausend Jahren existieren da schon wundersame Tränklein und bewußtseinsverändernde Turnübungen. Sie führen alle zu „Erlebnissen“, „Visionen“, „Erkenntnissen“ und so. Elemente sind etwa:

Alles wird hell

Von innen erleuchtet

Leuchtend frische Farben von nackter Intensität

Nichts ist verwörtlicht oder abstrahiert

Orgiastische Pulsationen

Eine tiefere oder andere Bedeutsamkeit

usw., kurz: Ekstase.

Zur Ekstase führen viele Wege, manche durch die Wüste, andere über blumige Wiesen. Gröblich eingeteilt: Askese und Drogen. Der Erfahrene weiß, daß es zum Schluß aufs selbe hinausläuft. Aber das muß schon jeder selbst herausfinden.

III. Askese

Hungern. Im Mittelalter war die Ernährung während der Winterszeit in unseren Breiten sehr mangelhaft. Wenig Protein, Vitamin C und B. Danach hatten die Freunde 40 Tage Fastenzeit. In der Osterwoche mit ihren ekstasefreundlichen Umzügen und Hochämtern (mixed media show!), unter Palmwedeln in goldenem Brokat, Weihrauch und Auferstehung ... hatten die Leute irre religiöse Trips.

Fasten verringert den verfügbaren Zucker und setzt dadurch das „Reduktionsventil“ zum Teil außer Betrieb. Vitaminmangel entfernt Nikotinsäure aus dem Blut. Heute weiß man, daß LSD- und Meskalinvisionen nach einer ordentlichen Portion Nikotinsäure aufhören. Kurzum — bis Ostern war die Körperchemie so verändert, als hätten die Gläubigen einen Trip geworfen.

Geißelung. Eine Flagellation ist ein ziemlich gravierender chirurgischer Eingriff ohne Anästhesie. Dabei werden große Mengen Histamin und Adrenalin frei. Histamin ruft Schock (auch psychischen) hervor, Adrenalin bewirkt Halluzinationen. Von einigen Zerfallsprodukten des Adrenalins weiß man, daß sie schizophrene Symptome verursachen. Die in den Geißelungswunden entstehenden Toxine stören cerebrale Enzymsysteme und damit die Wirksamkeit des „Reduktionsventils“.

Andere Mittel sind tagelange Schlaflosigkeit, Überanstrengung jeder Art, Einhalten unbequemer Stellungen (Yoga und so), Aufenthalt in symbolarmer Umgebung (Höhle, Finsternis, Wüste, Stille, Einsamkeit ...), Singen (Atemübungen), Tanzen (Schwitzen!). Dazu noch viele Techniken, wie Rituale, Tracht, Chöre usw. Das klingt zum Großteil ziemlich anstrengend und ist es auch, trotzdem kann man da und dort schon etwas mitverwenden.

Georg Dvorak, 24, Fürsorger

IV. Drogen

Drogen gibt’s massenhaft. Die bei uns gebräuchlichsten sind Alkohol, Nikotin, Coffein usw., vereinzelt Opiate (Morphium, Heroin usw.), in letzter Zeit auch Barbiturate und Amphetamine. Neuerdings tauchen Halluzinogene auf, als da sind Haschisch, Meskalin, LSD usw. Das häufigste populäre Mißverständnis ist, daß Halluzinogene und Opiate hinsichtlich ihrer Wirkung in einen Topf geworfen werden. Suchtbildende Drogen (mit physischen Entzugserscheinungen) sind Alkohol und die Opiate. Gewohnheitsbildend sind Nikotin, Coffein, Tranquillizer und Amphetamine. Diese Gruppen sind auch nachgewiesenermaßen in verschiedenem Grad gesundheitsschädigend. Die Halluzinogene sind nicht sucht- und kaum gewohnheitsbildend, körperliche Schädigung wurde bis jetzt nicht nachgewiesen.

Suchtgifte. Die beschissenen Drogen sind die, die uns körperlich süchtig machen. Süchtig sein ist ungut; ich hab’ noch keinen Süchtigen gesehen, der es gerne war. Man kann sich zwar damit abfinden, aber jeder, der es ist, wäre lieber nicht in diesem Zustand, man würde, wenn das möglich wäre, gerne draußen sein.

Die brutalsten suchtbildenden Drogen sind Opium („O“) und seine Abkömmlinge Kodein, Morphium und Heroin. Man wird zwar nicht nach einer und auch nicht nach zehn Spritzen süchtig, aber erfahrungsgemäß übersieht fast jeder den Punkt, ab dem man an der Nadel hängt. Dann bist Du im Eck. Körperlich kommt man immer mehr herunter, der Stoffwechsel geht völlig durcheinander. Die Leute können nicht scheißen, und wenn, dann nur unter den größten Schwierigkeiten („heit hob e wida an stue ghobt wia beton“), sie vermeiden darum oft überhaupt das Essen — abgesehen davon, daß sie ihr Geld lieber in einen Fix investieren — Der Fix ist nix! Keine Spur von Bewußtseinserweiterung oder gar Ekstase.

Manche kämpfen dauernd dagegen und glauben, daß sie’s einmal schaffen werden, weil sie wissen, daß sie sonst vor der Zeit zugrunde gehen (maximal einige Jahre kann man’s aushalten). Andere wieder, und das sind meiner Erfahrung nach — ohne Wertung sei’s gesagt — die Intelligenteren, die sich so im großen und ganzen mehr Gedanken machen, nicht nur über ihre unmittelbaren Wickel nachdenken, die also finden sich damit ab, daß sie süchtig sind; sie kämpfen nicht mehr dagegen, sie versuchen nur, möglichst gut davonzukommen. Sie wissen, daß sie ziemlich bald sterben, daß sie sich zutodefixen. Das Fixen wird, wenn man’s akzeptiert, ein eigener Lebensstil. Typisch ist, daß der Fixer von einem Fix auf den anderen lebt, es ist das einzige, was wirklich zählt. Alles wird daneben zweitrangig, auch menschliche Beziehungen. Einem Fixer kann man nicht trauen, und der Fixer verlangt auch nicht, daß man ihm traut. Wie bei den Säufern und Rauchern gibt’s zwar auch bei den Fixern das Gefühl der Gemeinsamkeit, aber wo’s um die Droge geht, hört jede Rücksichtnahme auf. Sie legen den besten Freund herein (stehlen ...), alle wissen das ständig und leben danach.

Das Paradies des Fixers ist ein Ort, wo er seine Ruhe hat und grenzenlosen Vorrat an Opiaten. Da der Durschschnittsfixer ein armer Hund ist, führt er kein beschauliches, drogenseliges Leben, sondern ist pausenlos, mehr als jeder andere (arbeitende) Mensch, damit beschäftigt, „zu schaffen“, in diesem Fall: dem nächsten flash nachzujagen. Das in einer Zeit, wo er körperlich sowieso am Sand ist, nämlich zwischen zwei Schüssen. Kaum kommt er aus seiner Fixerzufriedenheit raus, peinigt ihn der Gedanke: wer hat was, wo krieg ich was, wo komm ich zu Geld, oder muß ich eine Apotheke aufbrechen („i moch a apotekn“). Arbeiten ist unmöglich, und trotzdem ist der Fixer 24 Stunden am Tag voll im Einsatz. Es gibt kein mühseligeres Leben.

Beim flash „bremaßlt’s“ im ganzen Körper, es ist eine sehr starke körperliche Empfindung, die offensichtlich mehr intensiv als angenehm ist. Der erreichte Zustand ist angenehm, im high fühlt sich der Fixer wohl — allerdings ohne irgendwas dazu, er ist nur völlig ausgefüllt von Wohlbefinden. Bei Gewohnheitsfixern tritt das high gewissermaßen an die Stelle des Normalzustandes, die Zeit zwischen den Fixen (das „Draußen“) ist miserabel, der flash ist das Glückserlebnis.

Oder Alkohol. Alkohol ist eine bewußtseinseinschränkende Droge, Alkohol ist ein Suchtgift (allein in Westdeutschland gibt es zirka 600.000 Alkoholsüchtige). Alkohol schädigt die Gehirnzellen, macht bei größeren, längere Zeit hindurch eingenommenen Dosen süchtig, und ist nicht einmal besonders lustig. Bei Opiaten bekommt man wenigstens eine richtige Euphorie mit, beim Alkohol ist man zuerst animiert, dann blödelt man einige Zeit, bis einem bei höherer Dosis sauschlecht wird, weil sich der Körper gegen die Vergiftung wehrt. Auch Scheiße.

Gewöhnungsdrogen. Die regelmäßigen Kaffeesaufereien in den Büros und Geschäften bringen auch ganz schöne Abhängigkeiten zustande („jetz brauch i an kaffee“) und durchlöchern den Magen.

Amphetamine („speed“) können einem vielleicht über eine Prüfung hinweghelfen, aber wenn man sich daran gewöhnt, dann gehts bergab. „Speed kills!“ Süchtig wird man zwar nicht, aber man lehnt sich an. Nimmt mans einmal nicht, geht man runter wie ein löchriger Ballon, und alle Probleme hocken vor einem auf dem Tisch.

Der „speed freak“ rast durch das Leben, er hat das Gefühl, daß er auftauchende Probleme in einem Strudel von (blinder) Aktivität überspringt. Tatsächlich tut er nichts anderes, als daß er seine körperliche Substanz aufbraucht. Speed freaks sind abgemagerte, immer hektische, dauernd fuchtelnde, pausenlos brabbelnde Gestalten. Sie überziehen ihr Gesundheitskonto solange, bis sie eingehen.

„Speeds“ schlucken regulär, auch die Straights in den gestärkten Hemden der Leistungsgesellschaft, die damit den ganzen Krempel zu bewältigen hoffen. Ein solcher leistet mehr als der Nachbar, aber am Abend muß er einen Tranquillizer schlucken, um den rauchenden Schädel abzuschalten, und fällt in eine halbe Ohnmacht. Das ist schon ziemlich üblich geworden unter Erfolgsmenschen, und wohin das bringt, kann sich jeder ausmalen.

Wenn sich einer sein Leben mit Beruhigungsmitteln richten will, dann wird er schön einschaun, da könnte er gleich O fixen. Man fühlt sich zwar nicht unwohl, aber von Glück kann keine Rede sein (der Ausdruck „Glückspillen“ ist einfach falsch). Speed ist die Flucht nach vorn, Tranquillizer die Flucht nach hinten. Die Wickel werden bloß beiseitegeschoben. Die Ärzte verschreiben das Zeug immer mehr, weil es die billigste Art ist, sich mit Patienten nicht auseinanderzusetzen zu müssen und doch zufriedene Kunden zu haben. Am schlimmsten ist es in den sogenannten psychiatrischen Kliniken, wo man die Opfer auf diese Weise stumm macht.

Halluzinogene. Die Halluzinogene sind „bewußtseinserweiternde“, „psychodelische“, „ekstatische“ Drogen, das heißt, sie sind die einzigen, die ekstatische Wirkungen erzeugen. Sie heißen Haschisch, LSD, Meskalin, Psilocybin, STP, DMT usw.

Haschisch und Marihuana (Stoff, shit bzw. grass, pot) sind im Grunde dasselbe. Haschisch ist das Harz des indischen Hanfes, Marihuana oder Kiff bezeichnet die harzigen Blätter desselben. Wird meist geraucht, aber auch gegessen. Der indische Hanf ist der wirksamste. Wenn einer aber eine österreichische Hanfstaude aus dem Burgenland in seine Pfeife stopft, ist auch was los, er muß halt viel mehr rauchen. Hanf wird schon seit 5000 Jahren verwendet, und heute benutzen ihn geschätzte 400.000.000 Menschen. Hasch ist also ein ziemlich alter Hut und bis heute konnte, trotz emsiger Bemühungen gerade in letzter Zei, keine gesundheitsschädigende Wirkung nachgewiesen werden.

„Einrauchen“ muß man lernen. Bei längerem Gebrauch nimmt die erforderliche Dosis nach und nach ab. Die Anfänger sagen meist, daß sie nichts oder fast nichts bemerkten, aber allmählich geht ihnen schon ein Licht auf.

Was passiert eigentlich? Das Auffallendste ist eine Steigerung der sinnlichen Wahrnehmung. Vor allem Sehen und Hören, auch Fühlen, Schmecken und Riechen werden intensiviert. Man hört Musik wie nie zuvor, sieht Dinge und Details in solcher Deutlichkeit, daß man vermeint, man sähe sie zum ersten Male wirklich.

Haschisch ist nützlich für alle, die sich für sich und die Welt interessieren. Anstelle des eindimensionalen (zielgerichteten) Denkens treten verblüffende Gedankenfolgen. Diese Erfahrungen gehen auch später nicht verloren; man kann dann auch ohne Droge dieselben psychischen Felder wieder betreten.

Georg Dvorak, 24, Fürsorger

Alles, was bei Hasch andeutungsweise auftaucht, kommt bei LSD (acid, „Säure“) mit unbezwingbarer Gewalt über einen. Man macht Erfahrungen, die für das „Normalbewußtsein“ erschütternd neu sind. Am Anfang (etwa eine Stunde nach Einwerfen) steigt ein warmer Knödel innen auf, beginnt im Brustraum zu strahlen wie eine Sonne, und man entfaltet sich oben wie eine Blume. Dann treten die Müsterchen auf den diversen Oberflächen hervor, sie beginnen zu oszillieren, Wände und Gegenstände scheinen zu atmen. Alles wird wirklicher, heller, strahlender. Die Assoziationstätigkeit entzündet sich anhand des Eindrucksmaterials zu ungeheuren Steigerungen.

Man erlebt keine Träume und Schäume, sondern nur das, was sowieso da ist, das aber neu. Geräusch ist Musik, Musik ist Farbe, Farbe ist Gefühl, und alles bewegt sich und verklingt im Kosmos, aus dem es auch wieder zurückkommt. Man pulsiert mit dem Bewußtsein durch den Kosmos, den man in seiner ganzen Ausdehnung durchdringt. Wenn ich im Trip einen Baum umarme, spüre ich, wie er lebt und fühle mich ihm nahe verwandt, im Sinne des evolutionsgeschichtlichen, unbewußt phylogenetisch mitgeschleppten Zusammenhangs.

Vögeln unter LSD gehört zu den überwältigendsten Erfahrungen, die man machen kann. Galaxien explodieren. Eine Berührung ist nicht nur ein Kontakt der Oberflächen, man kommt unter die Haut, es passiert sehr viel gleichzeitig: Unsere Gliedmaßen sind achtlos über die Liegestatt verstreut. Jede Andeutung von Zärtlichkeit durchwogt in fassungslosem Staunen einen Körper, der sich erst neu begreifen lernt. Ich spüre das Skelett der Hand, die mich berührt, sehe die Evolution dieser streichelnden Hand vom Quastenflosser bis zur Mädchenhand. Hebel, Baukran, Chitinhülse, gotischer Bogen, Knochenmark, Blutschlauch, Amazonas, Zelle, Atom, Klaue, Pranke, Architektur ... Farbwellen durchwolken mich, glühendweiße Energienebel dispergieren in Kristalluniversen, zerfließen in den Tiefen von Farbozeanen ...

Das Rollenspiel von Mann und Frau wird vollkommen aufgehoben, jeder ist beides gleichzeitig, der Unterschied wird bedeutungslos. Diese Frau hier ist für mich jede Frau (wie ich für sie jeder Mann), jede Frau, die je gelebt hat, und jedes weibliche Tier, das es gibt und je gab. Der Orgasmus ist nicht das übliche Abreaktionsspiel, es ist ein Ereignis, das sich jeder sprachlichen Beschreibung entzieht. Ein lustvolles Verströmen, man gibt riesige Energien ab und kriegt sie gleichzeitig (elastisch) zurückgeschaukelt, es ist eine Doppelsternsupernovaexplosionszerstrahlung, von Wischnus kosmischem Gelächter begleitet.

Acid ist ein erstklassiges Mittel zur Befreiung von sexuellen Obsessionen. Es kann passieren, daß er einem endlos steht, aber auch, daß er sich nicht rührt. LSD ist kein Okasa. Jegliches Leistungsprinzip, imponieren, einidrahn, existiert nicht, wäre nicht einmal lächerlich.

Das Denken unter LSD ist assoziativ, es vollzieht sich über die Grenzen der Logik hinweg, und das ist auch die Schwierigkeit der Vermittlung in einer nach den Gesetzen der Logik gebauten Sprache. Diejenigen Komplexe, die mit den sinnlich erfahrbaren Dingen gedanklich verknüpft sind, erscheinen alle auf einmal, und zwar sehr groß, und stehen alle in Beziehung untereinander, die Zusammenhänge beginnen gleichzeitig aufzuleuchten, sie durchdringen einen gefühlsmäßig, man hat greifbar das Empfinden des Allzusammenhangs und des Alleinseins.

Der Ordnungsraster, unter dem man sonst lebt, fällt weg, und es kommt zu einer neuen Form des Wahrnehmens und Denkens. Über dieses kann man eigentlich kaum etwas aussagen, außer daß es weniger gebunden, genormt und begrenzt ist als das Denken im sogenannten Normalzustand. Man kann einen Gedanken nicht mehr beliebig hin- und herwälzen, sondern er geht unbeirrbar seinen Weg bis in die letzte Konsequenz. Da ist eine Ähnlichkeit mit dem Traum, nur daß die Aufhellung viel stärker ist, man ist eben „wach“.

Soziale Relevanz: Gesellschaftliche Organisationsstrukturen werden durchschaut und verlieren ihren Autoritätscharakter. Man durchblickt jedes beliebige System; so können auch unbetamte Hippies zu Gesellschaftskritikern werden. Das gilt aber nicht allgemein und durchwegs. Durchschauen tuts jeder, die Reaktionen hängen vom Milieu ab: ob der Betreffende in einer gut gepolsterten und permissiven Umgebung lebt, oder ob man ihm dauernd auf die Zehen tritt. So allgemein kann man gegenwärtig noch nichts sagen (da läßt die „ernste Wissenschaft“ aus: sie hat sich noch nicht damit beschäftigt). In der Kleingruppe hingegen kann der einzelne manche Beobachtung machen.

LSD wirkt als Wahrheitsdroge, es ist nicht möglich, dem anderen oder sich selbst etwas vorzumachen. Wenn Leute zusammen tripen, bröckeln ihre Fassaden ab, die seelischen Trennwände werden durchsichtig, man kommt einander nahe, eben weil man sich nichts vormachen muß und kann. Jeder Ansatz zu einer Täuschung wird von allen durchschaut und schlägt auf den Täuschenden zurück. Das Sein im Wahrheitsraum des Trips ist die Basis für eine starke Zuneigung, für Liebe untereinander und ein allgemeines Wohlwollen zu den Menschen und Dingen überhaupt.

Einiges über Stabilität der Tripgemeinschaft, trip setting, Ausflippen und schlechte trips:

Darüber kann man Nähers bei Leary, Huxley und Steckel nachlesen. Trotzdem einige Hinweise. Ein Trip ist keine Vergnügungsreise. Wenn man dasitzt, durchleuchtet bis auf die Knochen, so ist das unter Umständen (eigentlich meistens) eine zutiefst ernsthafte Sache. Man kann den intensivsten seelischen Schmerz ebenso empfinden wie Lust; Schmerz und Lust sind aber gleichwertig. Man empfindet das tatsächlich so. Der schlechte Trip (Horrortrip) mit den Begleiterscheinungen Entsetzen, namenlose Angst, Verfolgungswahn usw. kommt entweder aus einer neurotischen Disposition oder aus unbewußten zentralen Konflikten, die im Trip plötzlich aufbrechen. Der bad Trip ist aber selten.

Die Tripgesellschaft soll sich in einer ungestörten Umgebung etablieren und den latenten Hang zu Paranoia verstärkenden Einflüssen meiden (Polizei, Nachbarn usw.). Der einzelne soll keine Extratouren machen, mit denen er die anderen in unangenehmer Weise beschäftigt. Anfänger sollten nicht allein, sondern mit Guide tripen. Diese und andere Regeln sind kein Dogma, sie haben sich aber als vorteilhaft erwiesen.

Bei Meskalin erlebt man Farben intensiver als bei LSD, während die psychodynamischen Wirkungen leichter steuerbar sind. Meskalin ist „milder“. In der ersten halben Stunde kann vorübergehend leichte Übelkeit auftreten (das gilt auch für Psilocybin).

V. Vibrationen

Ekstatisches Leben ist das Ziel, und zwar mit und ohne acid. Wer durch die Schule des LSD gegangen ist, lebt ekstatisch „beyond acid“ (Ken Kesey). Ekstase ist das irrsinnig angenehme Gefühl, Vibrationen und auch Einsichten nachzugeben, die einen aus dem Ego herauszischen. Das „Selbst“ ist im großen und ganzen nicht mehr als eine chronische neuromuskulare Verkrampfung, ein gewohnheitsmäßiger Widerstand gegen das Pulsieren des Lebens. Darum schauen ekstaselose Menschen so angespannt, verkrampft und verkniffen aus. Sie sind ein einziger seelischer Krampf, zusammengehalten durch Mieder und Krawatten. Freud nannte sie anal-retentive Typen, meistens impotent oder frigid, haben eine Scheißangst, sich richtig gehen zu lassen („Das tut man nicht!“, „Benimm dich richtig ...“), Angst, sich reinfallen zu lassen in die spontan sprudelnden Rhythmen der Natur. Sie halten den Menschen für etwas außerhalb der Natur oder gar gegen die Natur („Die Natur bezwingen“, „Im Kampf mit den Naturgewalten“); und Zivilisation für eine Architektur des Widerstands gegen die Spontaneität. Statt mitzuvibrieren, erfanden sie die Moral und solchen Mist.

Ich schreibe aber auch nicht für eine Gesellschaft von Lotusfressern, die auf dicken Diwans liegen und fette Weiber abschmusen. Ekstase ist viel weiter draußen, weiter als herkömmliche „Vergnügen“. Ekstase ist wie segeln. Nicht den Vibrationen, Pulsationen, dem Rhythmus sich widersetzen — „mit dem Wind“, wie der Seemann. Wissen, wie man die Segel setzt, und man kann hingelangen, wo immer man hin will, den Wind benutzen, sich durchblicken. Navigation.

Ekstase ist jenseits des Lustprinzips. Zur Ekstase kann man durch das Blau und Grün der Lust oder durch das Rot und Orange des Schmerzes gelangen. Ekstase wird durch asketische Selbstmarter und durch die vielen Arten sadomasochistischer Sexualität erreicht, oder durch Tätigkeiten, die liebevoll und lebensbestärkend sind. Daher ist Ekstase auch immer ein Lust-Schmerz-Erlebnis, wie wenn jemand vor Freude weint, oder wenn Schmerz im Orgasmus ist.

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