MOZ, Nummer 48
Januar
1990
Verbundpolitik

Auf zu neuen Ufern

Wirtschaftsminister Wolfgang Schüssel beschert dem Verbundkonzern neve Aufgaben. Gehandelt wird konzeptlos, nicht-ökologisch und gegen den Willen der Betroffenen.

Foto: van der Straeten

Stellen wir den Strommännern neue Aufgaben!

Wasserkraftwerke können doch nicht alles gewesen sein. So ähnlich dachte wohl Wirtschaftsminister Wolfgang Schüssel und verlangte in seiner Eigenschaft als Vertreter des Mehrheitsaktionärs der Verbundgesellschaft eine Ausweitung der Unternehmensziele.

Der Verbund soll um die Bereiche Müllentsorgung, Wasserwirtschaft, Energiesparen und Tourismuseinrichtungen bei Kraftwerksanlagen reicher werden. Warum, das läßt sich wohl nur aus Schüssels aufmerksamem Studium zahlreicher Verbundpublikationen begründen, wo eindringlich und regelmäßig von Know-how und High-Tech, Engineering und Consulting, Kapitalkraft und Umweltmanagment die Rede ist.

Um die Verbundgesellschaft mit neuen Geschäftsbereichen auszustatten, bedarf es einer Änderung der Unternehmersatzung. Der Vorstand hat daher eine außerordentliche Hauptversammlung einzuberufen, auf der zumindest 75% des auf der Sitzung vertretenen Aktienkapitals seine Zustimmung leistet. Ein leichtes Spiel, bei dem die Gewinner schon im vorhinein feststehen. Die Republik verfügt trotz Privatisierung noch über 51% des Stammkapitals, für den Rest der Stimmen sorgen die Vertreter der Banken in Ausübung ihrer Depotrechte.

Planung ist Manko

Die Herren-Männer brauchen nicht einmal zu überlegen, in welchen Formen die Verbundgesellschaft ihre neuen Ziele verfolgen soll, in welche Projekte im einzelnen investiert wird. Welche Investitionsvolumina stehen für die neuen Aktivitäten zur Verfügung? Wer sind die Konkurrenten? Wie steht’s um die Umweltverträglichkeit solcher Projekte? Ist mit dem Widerstand betroffener Bevölkerung zu rechnen? Alles Powidl! Hauptsache, es gibt neue Ziele. Der größte Unternehmenskomplex Österreichs und das mächtigste Ressort sind nicht einmal in der Lage, eine Machbarkeitsstudie zu erstellen.

Planung ist das Manko der öffentlichen Hoheitsverwaltung. Wer den Apparat auf seiner Seite hat, braucht nicht zu planen, er drückt durch! In der Elektrizitätswirtschaft hat das eine lange Tradition. Im Protokoll einer Aufsichtsratsitzung der Tiroler Kraftwerke AG bezüglich der Errichtung des Speichers Durlaßboden heißt es: Es solle mit dem Bau begonnen werden — auch bei unklarer finanzieller Situation —, wenn begonnen würde, wäre es unwahrscheinlich, daß das Bauwerk nicht weitergeführt wird. Der Baubeschluß ist Formsache, wichtig ist, daß gebaut wird.

Die künftige Vereinigung der wichtigsten Vor- und Entsorgungsbereiche des täglichen Lebens in einer Megamaschinerie „Verbundkonzern“ würde eine Fortsetzung der bisherigen Maxime bedeuten: Nur keine Planung und schon gar keine Entscheidung auf demokratischem Wege! Die Legitimation dieses Vorhabens holt man sich besser über die Inszenierung einer Farce. Stromversorgung, Wasserversorgung und Müllentsorgung in den Händen eines einzigen Unternehmens: ein demokratischer Konsens wäre hier ohnehin niemals zu erreichen. Schüssel und Fremuth laden daher zur außerordentlichen Hauptversammlung ein.

Ende November wurde die Satzungsänderung offiziell abgesegnet. Rund 350 Aktionäre, davon etwa 100 kritische Aktionäre des Österreichischen Ökologie-Instituts, des Grünen Klubs, der Friends of the Earth und Müllinitiativen aus allen Bundesländern folgten der Einladung ins Wiener Konferenzzentrum. Welche Bedeutung der Minister der Veranstaltung zuordnete, war offensichtlich. Schüssel zog es vor, sich vertreten zu lassen.

„Die Hauptversammlung ist das Forum der Aktionäre“, ist in der Einladung zu lesen. Zur Klarstellung: Das Forum (lat.) oder die Agora (gr.) ist der Markt- und Versammlungsplatz der römischen und altgriechischen Städte der Antike. Hier ist der geeignete Ort für öffentliche Diskussionen und Aussprachen. Betroffene, Verantwortliche und Interessierte versammeln sich, um eine sachverständige Erörterung von Problemen oder Fragen zu garantieren.

Eine Hauptversammlung der Verbundgesellschaft ist das genaue Gegenteil. Die Antworten des Vorstands sind nichtssagend, gehen auf die angesprochenen Probleme und Bedenken nicht ein. Einer argumentativen Auseinandersetzung wird systematisch ausgewichen. Die zahlreichen, meist sachkundigen Anfragen werden nicht direkt beantwortet, sondern en bloc eingesammelt. Irgendwo hinter der Bühne sitzen die Beantwortungsbeamten. Irgendwann wird die Reihe der Wortmeldungen unterbrochen, Generaldirektor Fremuth und Stellvertreter Zach bekommen jeder einen Stoß Antwortzetterln, um sie schnellstens, effizient und monoton vorzulesen. Danach darf wieder gefragt werden und so weiter.

Die Hauptkritik der Müllinitiativen, Ökologen und grünen Parlamentarier richtet sich gegen die Müllverbrennung. Ob er denn ohne Schüssel jemals auf die Idee gekommen wäre, Müllverbrennungsanlagen zu errichten, wird Fremuth zur Rede gestellt. Er verneint, „doch der Konzern dürfe sich Innovationen nicht verschließen. Konstruktive Ideen zum Wohle des Unternehmens werde man immer prüfen“. Mit der beantragten Satzungsänderung habe man sich ausführlich beschäftigt, wird behauptet. „Wir haben die Experten unseres Konzerns zu einem Brainstorming vergattert.“

Plattheit und krasse Fehleinschätzung

Das Ergebnis ist eine interne Stellungnahme zur österreichischen Abfallsituation, derzufolge es in den Verbund-Gehirnen tatsächlich sehr stürmisch zugehen müßte. Sie beginnt mit den Worten: „Die Situation der österreichischen Abfallwirtschaft ist jener der Energiewirtschaft nicht unähnlich. Einem handfesten täglichen Müllanfall stehen kaum echte Lösungen gegenüber, weil selbsternannte Experten vor tausend Gefahren warnen, nur Lösungen propagieren, die keine sind, und so fast alles verhindern. Im Gegensatz dazu existieren in der Wirtschaft sehr wohl fundierte Konzepte zur Bewältigung dieser Probleme.“

Das Papier zeichnet sich durch Plattheit und krasse Fehleinschätzung des Müllproblems aus. Vermeidungsstrategien werden kategorisch ignoriert, die thermische Behandlung von Papier und Kunststoffen vorgeschlagen, ebenso die Verbrennung von Sonderabfallstoffen wie Klärschlamm, Altöl, PCB-imprägniertem Holz (Eisenbahnschwellen, Masten) und ölverseuchtem Erdreich. Förderungsmöglichkeiten seitens des Öko-Fonds werden in Erwägung gezogen, auf die mögliche Kombination aus Müllverbrennung und Fernwärmenutzung wird hingewiesen, eine Extraktion von Gold aus kommunalen Klärschlämmen erwähnt, Mülldeponierung als „äußerst umweltverträglich“ eingestuft, Errichtung und Betrieb von Sonderdeponien vorgeschlagen.

Man erkennt nicht, daß die Technologie des Müllverbrennens keinen Beitrag zur präventiven Müllvermeidung leisten kann, sondern aus Gründen der Wirtschaftlichkeit nur die weitere Expansion der Müllberge provoziert. Man erkennt auch nicht die enormen gesundheitlichen Gefährdungen, die mit dieser Technologie stets verbunden sind. Das konzerninterne Papier beweist vor allem eines: Das Brain-Potential der Verbundgesellschaft ist den Aufgaben der Müllentsorgung in keiner Weise gewachsen.

Befürchtungen, daß die Stromkonsumenten künftig die Müllentsorgung subventionieren müßten, werden mit dem Hinweis besänftigt, daß die neuen Aufgaben ausschließlich nach kaufmännischen Gesichtspunkten zu erfolgen hätten. Vorstand und Aufsichtsrat streiten eine Quersubventionierung innerhalb des Konzerns zu Lasten der Stromabnehmer vehement ab. Genauso, wie die einzelnen Unternehmensbereiche bisher dem Prinzip der getrennten Rechnungsweise unterlagen, habe dies auch in Zukunft zu gelten. Wahr ist vielmehr, daß der Verbundkonzern stets als große Umverteilungsmaschinerie benutzt wurde und sich daran so bald nichts ändern wird. Von den Kleinabnehmern und Steuerzahlern zur Grundstoffindustrie, zur Bauwirtschaft, zu den überzüchteten Vorständen und Aufsichtsräten im Konzern und demnächst auch zur Müllverbrennungsindustrie.

Ebenfalls Gegenstand zahlreicher Anfragen ist die beantragte Erweiterung der Satzung um „die Entwicklung und Förderung von Maßnahmen für den volkswirtschaftlich sinnvollen Einsatz von elektrischer Energie (Energiesparen) unter Bedachtnahme auf den Umweltschutz“. Hinter der schwammigen Formulierung verbirgt sich der weitere Ausbau der Stromversorgung. Es geht um Marktanteile! Alle anderen Energieträger sollen eingespart werden, und zwar mit Hilfe von Strom. Mit dem Verweis auf den Umweltschutz wird das Programm der Superelektrifizierung legitimiert.

Das weitreichende Interesse am Umweltschutz wird auf das partikularistische Interesse des Verbundkonzerns verkürzt und damit totalitär. Elektroautos statt Verkehrskonzepten, Klimaanlagen statt Baubiologie, elektrische Heizungen und Wärmepumpen statt thermischer Gebäudesanierung. In Wirklichkeit denkt die E-Wirtschaft nicht wirklich um.

Auf die Frage, warum die Geschäftsführung nicht bereit sei, die jährlichen Geschäftsberichte und penetranten Hochglanzbroschüren auf Umweltschutzpapier zu drucken, moniert Fremuth die unverantwortbare Zusatzbelastung. Eine verbundinterne Studie hätte ergeben, daß eine solche Umstellung jährliche Mehrkosten von öS 80.000 verursachen würde. Stellvertreter Zach wird sehr traurig und stöhnt ein schmerzvolles „Leider!“ ins Mikro.

Eine Nachricht, ein Kommentar?
Vorgeschaltete Moderation

Dieses Forum ist moderiert. Ihr Beitrag erscheint erst nach Freischaltung durch einen Administrator der Website.

Wer sind Sie?
Ihr Beitrag

Um einen Absatz einzufügen, lassen Sie einfach eine Zeile frei.

Hyperlink

(Wenn sich Ihr Beitrag auf einen Artikel im Internet oder auf eine Seite mit Zusatzinformationen bezieht, geben Sie hier bitte den Titel der Seite und ihre Adresse bzw. URL an.)