FORVM, No. 195/I
März
1970

BH-Volksbegehren, Begründung

Die Wahlzeit mußte genutzt werden. Denn in ihr gab es gewaltige, unsere Erwartung weit übertreffende Publizität für das BH-Volksbegehren, unentbehrlicher Vorspann für unsere sehr schwachen eigenen Kräfte (vgl. die Dokumentation der Pressestimmen und Schlagzeilen in diesem und dem vorigen Heft). Um die Wahlzeit zu nützen, mußte der Gesetzentwurf rasch entworfen, diskutiert, beschlossen, unter die Leute gebracht werden; derzeit zirkulieren etwa 100.000 Antragscheine im Lande: Hinter den Grundzügen, wie sie der Gesetzentwurf enthält, ist aber auch eine ins Detail reichende Begründung nötig (gem. § 3 Volksbegehrensgesetz). Hier mein Entwurf, mit der Bitte um Kritik, Diskussion, Wünsche, Anregungen, Beschwerden.

Allgemeine Erläuterungen

zu § 1 Unbewaffnete Neutralität

Österreichs Lebensgesetz ist die Neutralität. Daher muß man alles unterlassen, was sie gefährdet, alles tun, was sie stärkt.

Das Bundesheer ist militärisch sinnlos, ökonomisch eine Last, sozialpsychologisch eine Schule der Antidemokratie. Aber es kann erst abgeschafft werden, sobald hiefür eine über jeden Zweifel erhabene völkerrechtliche Grundlage geschaffen ist.

Hiezu bedarf es eines internationalen Vertragswerkes über unbewaffnete Neutralität, wie es im Absatz (5) des § 1 skizziert wird.

Der Plan stammt von einem der bedeutendsten Gelehrten Österreichs, dem Atomphysiker und Anthropologen Univ.-Prof. Hans Thirring. Er stieß bereits auf positives internationales Echo.

In der Tat ist die weltpolitische Lage derzeit einem solchen internationalen Vorstoß Österreichs günstig. Die USA und die UdSSR haben den kalten Krieg begraben, sich auf friedliche Koexistenz geeinigt. Initiativen zur Abrüstung in bestimmten Gebieten Europas sind in den beiden Weltmächten heute willkommen.

Österreichs Abrüstung wäre ein Beitrag zur vollständigen Abrüstung in der Welt, ein Modell für andere Völker.

Das intensive Streben nach einer internationalen Konvention über unbewaffnete Neutralität würde die Außenpolitik Österreichs, die bisher wesentlich in unseren eigenen Problemen steckenblieb (Verhältnis zur EWG, Südtirol), international bedeutsam machen. Wenn wir ein solches internationales Vertragswerk erreichen, wird dies die Krönung einer aktiven Neutralitätspolitik und der historischen Mittlerfunktion Österreichs sein.

zu § 2 Übergangsbestimmungen

Bis zu diesem internationalen Vertrag wird es noch eine ganze Weile dauern. Soll man bis dahin das Bundesheer so belassen, wie es ist? Oder soll man diese Zeit nutzen, um wenigstens seine ärgsten Unsinnigkeiten zu beseitigen?

Eine Einrichtung, die ohnehin abgeschafft werden soll, wird man doch nicht erst groß reformieren und verbessern: das ist ein logisches Argument. Aber:

  1. Das Bundesheer für die Übergangszeit so zu belassen, wie es ist, wäre unmenschlich. Die jungen Bürger, die noch eingezogen werden, haben ein Recht, dort möglichst wenig Zeit zu verlieren, möglichst viel demokratischen Bewegungsraum dort vorzufinden, von militärischer Unvernunft möglichst verschont zu bleiben.

    Und wer aus Gewissensgründen überhaupt nicht hin will, muß die Möglichkeit haben, statt dessen Friedensdienst zu leisten.

  2. Das Bundesheer für die Übergangszeit so zu belassen, wie es ist, wäre unökonomisch. Der Staatsbürger hat ein Recht darauf, daß möglichst wenig Steuergelder hinausgeworfen werden, z.B. überhaupt keine für grotesk teures, schon beim Ankauf veraltetes, für österreichische Verhältnisse unbrauchbares ausländisches Kriegsspielzeug. Dies müßte speziell die österreichische Wirtschaft interessieren.
  3. Das Bundesheer für die Übergangszeit so zu belassen, wie es ist, wäre psychologisch unmöglich. Demokratie soll möglichst viele Bürger in Bewegung bringen. Daher geht es in ihr nicht nur um langfristige ideale Ziele, sondern immer auch um kurzfristige, konkret verwirklichbare Reformen. Das Volksbegehren als Werkzeug der Demokratie bietet daher gesund gemischte demokratische Kost: Auflösung des Bundesheeres als Festtagsbraten für die Stunde X; gründliche Reform des Bundesheeres als Rindfleisch für die Arbeitstage bis zu diesem großen Ziel im Dienste des Friedens, im Dienste Österreichs.

Spezielle Erläuterungen

§ 1 (1) (Verfassungsbestimmung) Das Bundesheer wird aufgelöst.

Dies bedeutet nicht nur die Auflösung einer Truppe mit dem Namen „Bundesheer“, sondern das verfassungsrechtliche Verbot jeglicher Truppe, soweit sie gemäß Organisation, Ausrüstung und Zweckbestimmung heeresähnlichen Charakter hat. Die Neutralitätsschutztruppe gemäß Absatz (3) fällt nicht unter dieses Verbot, da ihr ausdrücklich keine heeresähnlichen Zwecke zugewiesen werden, sondern bloß Sicherungsaufgaben unter Ausschluß von Kriegführung („Landesverteidigung“) und Vorbereitung auf diese. Demgemäß wird sie auch andere Organisation und insbesondere andere (einfachere) Ausrüstung haben. Vgl. unten die Erläuterungen zu Abs. (3).

§ 1 (2) (Verfassungsbestimmung) Seine Aufgaben übernehmen Bundespolizei und Bundesgendarmerie.

Die Aufgaben des Bundesheeres werden vom Bundesverfassungs-Gesetz und Wehrgesetz wie folgt festgelegt:

  1. Schutz der Grenzen der Republik (Art. 79, Abs. 1 B-VG; § 82 (1) a) Wehrgesetz);
  2. Schutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen sowie Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit im Innern überhaupt (Art. 79, Abs. 2, 1. Halbsatz B-VG; § 2 (1) b) Wehrges.);
  3. Hilfeleistung bei Elementarereignissen und Unglücksfällen außergewöhnlichen Umfanges (Art. 79, Abs. 2, 2. Halbsatz B-VG, § 2 (1) c) Wehrges.).

Von diesen drei Aufgaben sind nur zwei, nämlich a) und c) dem Bundesheer vom Verfassungsgeber ausschließlich zugewiesen. Die Aufgabe b) wird vom Bundesheer nur subsidiär wahrgenommen; es ist hiezu die ausdrückliche Anforderung von Hilfe („Assistenz“) durch jene Behörden und Organe notwendig, denen normalerweise die „allgemeine Sicherheitspolizei“ obliegt (Art. 79, Abs. 3 B-VG; § 2, Abs. 1, letzter Halbsatz sowie Abs. 2 Wehrgesetz) oder aber die Handlungsunfähigkeit solcher Behörden (Art. 79, Abs. 4, 1. Halbs. B-VG; § 2, Abs. 3 Wehrgesetz).

Im übrigen ist auch derzeit die „allgemeine Sicherheitspolizei“ nicht Aufgabe des Bundesheeres, sondern der Polizei und Gendarmerie, auf der verfassungsmäßigen Grundlage des Art. 10, Abs. 1, Ziff. 7 B-VG (Vgl. Pernthaler, Der Rechtsstaat und sein Heer, S. 131 ff., insbes. S. 140 ff.)

Durch die Bestimmung des § 1 (2) des VB-Textes werden somit an Polizei und Gendarmerie keine irgendwie erweiterten Befugnisse zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung übertragen, insbesondere keine erweiterten Befugnisse notstandsähnlichen Charakters. Der § 1 (2) überträgt an Polizei und Gendarmerie lediglich die Aufgaben des Genzschutzes (im eingeschränkten Sinn, siehe unten) sowie der Hilfeleistung bei Elementarereignissen und Unglücksfällen außergewöhnlichen Umfanges.

Bei der Wahrnehmung des Grenzschutzes wird es sich wohl weiterhin um militärische Sicherungsaufgaben handeln, nicht jedoch um Grenzschutz mittels Kriegführung. (Vgl. unten die Erläuterungen zu Abs. 3.)

Die gesetzliche Festlegung gemäß Abs. (2) bedeutet eine Übernahme von Funktionen des BH durch Polizei und Gendarmerie, nicht jedoch mit irgendwelcher Automatik die Übernahme von Personalständen. Es wird im Gegenteil sorgfältig zu prüfen sein,

  1. ob mit dem vorhandenen Personal das Auslangen gefunden werden kann,
  2. ob die Übernahme von Stammpersonal des BH verträglich ist mit der von Polizei und Gendarmerie zu fordernden besonders verläßlichen demokratischen Haltung.
§ 1 (3) Im Rahmen der Bundesgendarmerie wird eine Neutralitätsschutztruppe gebildet. Ihr obliegt die Wahrnehmung jener militärischen Pflichten eines dauernd neutralen Staates, die nicht in Kriegführung und Vorbereitung auf diese bestehen.

Die Neutralitätsschutztruppe ist keine heeresähnliche Truppe, da dies dem verfassungsgesetzlichen Verbot gemäß Abs. (1) zuwiderliefe. (Vgl. oben die Erläuterungen zu Abs. 1.)

Die Neutralitätsschutztruppe ist auch keine eigene Truppe, sondern lediglich eine Sonderabteilung im Rahmen der Bundesgendarmerie. Sie aus dieser herauszulösen und als eigene Truppe einzurichten, widerspräche obiger Bestimmung und wäre insofern gesetzwidrig; sie als heeresähnliche Truppe einzurichten, widerspräche überdies der Verfassungsbestimmung des § 1 (1) VB und wäre insofern verfassungswidrig. (Siehe die Erläuterungen zu § 1, Abs. 1.)

Die Gesetzesbestimmung des Abs. (3) besagt auch nicht, daß Personal des BH in die Neutralitätsschutztruppe überzuführen sei. Hiefür gelten vielmehr die Kriterien, die in den Erläuterungen zu Abs. (2) bereits angeführt wurden.

Die Neutralitätsschutztruppe wird in ihrer Mannschaftsstärke sowie in Quantität und Qualität ihrer Ausrüstung so zu dimensionieren sein, daß sie einerseits dem verfassungsgesetzlichen Verbot jeder heeresähnlichen Truppe gemäß Abs. (1) VB entspricht, andererseits in der Lage ist, die ihr durch den Abs. (3) zugewiesenen Pflichten wahrzunehmen.

Diese Pflichten bestimmen sich wie folgt: sie hat a) militärische Pflichten eines dauernd neutralen Staats wahrzunehmen, b) nicht jedoch Krieg zu führen oder sich hierauf vorzubereiten.

Zu a): militärische Pflichten sind solche, die nur durch eine organisierte Mehrheit von Bewaffneten wahrgenommen werden können. (Zum Begriff „militärisch“ in der österreichischen Rechtsordnung vgl. Pernthaler S. 124 f.; da die Neutralitätsschutztruppe im Rahmen der Bundesgendarmerie zu errichten ist, sei ausdrücklich auf das Gendarmeriegesetz 1895 bzw. 1919 verwiesen, gemäß welchem die Gendarmerie militärisch organisiert ist, ihr jedoch keine Aufgabe der Kriegführung bzw. „Landesverteidigung“ zugewiesen wird, Pernthaler a.a.O.)

Zu b): Kriegführung („Landesverteidigung“) sind militärische Operationen, bei denen eine solche Quantität von organisierten Bewaffneten sowie eine solche Quantität und Qualität von technischer Ausrüstung eingesetzt werden, daß dies zur massenhaften Tötung von Menschen führen kann. (Die derzeit gültigen Rechtsvorschriften fordern für den Begriff der Kriegführung überdies deren amtliche Bekanntgabe: „Der Tag, an dem die Kriegszeit beginnt, ist durch eine im Staatsgesetzblatt zu verlautbarende Kundmachung der Staatsregierung zu bestimmen. Auf dieselbe Weise ist der Tag zu bezeichnen, an dem die Kriegszeit endet.“ § 545 Anhang zum allgemeinen Strafgesetz. Sonderbestimmungen für Soldaten.)

Gemäß herrschender Lehre fordert das Völkerrecht vom dauernd Neutralen die Erfüllung der folgenden militärischen Pflichten (vor allem gemäß Haager Landkriegsordnung sowie Völkergewohnheitsrecht):

  1. Sicherung der Grenzen gegen unbefugten Übertritt von Einzelpersonen sowie Verbänden;
  2. Entwaffnung solcher Einzelpersonen und Verbände;
  3. Internierung solcher Personen oder Verbände in möglichster Grenzferne;
  4. Abwehr eines rechtswidrigen Angriffs auf das Territorium des dauernd Neutralen mit dem Mittel der Kriegführung („Landesverteidigung“),

Das Inkrafttreten der hier erläuterten Gesetzesbestimmung des Abs. (3) erfordert gemäß Abs. (5), siehe unten die Erläuterungen zu diesem, das vorgängige Inkrafttreten einer internationalen Konvention über unbewaffnete Neutralität, welche die bisherige Verpflichtung des dauernd Neutralen zur Kriegführung ausschließen wird. Die oben unter I, II, III aufgezählten Pflichten eines dauernd Neutralen wird Österreich jedoch weiterhin gewissenhaft zu erfüllen haben. Um seinen Willen hiezu auch äußerlich zu dokumentieren, wird im Rahmen der Bundesgendarmerie eine als solche ausdrücklich gekennzeichnete Neutralitätsschutztruppe gebildet.

Die militärischen Pflichten der Grenzsicherung (I), Entwaffnung (II), Internierung (III) werden jedoch dort ihre Schranke finden, wo zu ihrer Wahrnehmung militärische Operationen in der Größenordnung der Kriegführung (Definition siehe oben) nötig werden würden.

Die Festsetzung des Abs. (3) VB, daß der Neutralitätsschutztruppe die Wahrnehmung der militärischen Pflichten eines dauernd Neutralen mit Ausnahme der Kriegführung und Vorbereitung auf diese obliegt, bedeutet, daß ihr lediglich diese Pflichten obliegen. Ihre Aufgaben sind mit dieser Formulierung erschöpfend aufgezählt: Andere Aufgaben als diese sind ihr nicht zugewiesen. Sollte sie solche andere Aufgaben wahrnehmen, wäre dies gesetzwidrig, teils auch (siehe die Erläuterung zu Abs. 1) verfassungswidrig. Gesetzwidrig wäre es insbesondere, wenn sie zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung eingesetzt werden sollte.

§ 1 (4) Österreich wird einer militärischen Besetzung mit gewaltlosem Widerstand entgegentreten. Es wird seinen Bürgern die Mittel zur Verfügung stellen, sich freiwillig für diesen Zweck auszubilden.

Die Bestimmung erlegt der Bundesregierung, welcher die Vollziehung dieses Gesetzes obliegt, bzw. den von ihr zu bestimmenden Behörden die Verpflichtung auf, die Voraussetzungen für gewaltlosen Widerstand zu schaffen und die Staatsbürger für diesen Zweck auszubilden. Dies soll jedoch nicht durch staatlichen Zwang geschehen, auf administrative Weise, etwa durch Umwandlung des BMfLV in ein BMfGV (Bundesministerium für gewaltlose Verteidigung), sondern auf freiwilliger Basis. Gruppen von Bürgern (z.B. Vereine, Jugendverbände), die sich in gewaltloser Verteidigung auszubilden wünschen, müssen von den zuständigen Bundesbehörden hiezu die angemessenen Mittel erhalten. Es wird sich dabei sowohl um das Gebiet der Theorie (Information über ausländische Erfahrungen, Aufarbeitung einschlägiger Literatur) wie auch der Praxis (Übungen auf freiwilliger Basis) handeln.

Ein Übergang Österreichs zum Prinzip der gewaltlosen Verteidigung wäre durch eine einfachgesetzliche Bestimmung wie die obige an sich nicht möglich, denn das Prinzip der bewaffneten Verteidigung ergibt sich nach herrschender Lehre aus dem Neutralitätsgesetz, welches Verfassungsrang hat. Obige einfachgesetzliche Bestimmung wird jedoch gemäß § 1 (5) VB erst in Kraft treten können, sobald Österreich einen internationalen Vertrag über unbewaffnete Neutralität ünterzeichnet hat. Dieser Vertrag wird bei seiner Transformation in innerstaatliches Recht mit Verfassungsrang zu kennzeichnen sein (vgl. die Erläuterungen zu § 1, Abs. 5); daher wird zu dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der obigen einfachgesetzlichen Norm bereits eine neue verfassungsgesetzliche Norm bestehen, welche dem Neutralitätsgesetz in dem Punkte der bewaffneten Verteidigung derogiert und die verfassungsgesetzliche Grundlage für obige einfachgesetzliche Norm liefert.

§ 1 (5) Die Bestimmungen (1) bis (4) treten in Kraft, sobald Österreich einen internationalen Vertrag unterzeichnet hat, welcher den Status der unbewaffneten Neutralität mit völkerrechtlich bindender Kraft anerkennt, Angriffe gegen solche Staaten als völkerrechtswidrige Verbrechen kennzeichnet und den Unterzeichnern die Verpflichtung auferlegt, gegen solche Angriffe mit Sanktionen gemäß Art. 41 UN-Charta vorzugehen. Österreich wird ohne Verzug mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln einen solchen Vertrag anstreben.

Ein internationaler Vertrag liegt vor, sobald zwei Nationen (Staaten) einen Vertrag unterzeichnet haben; in diesem Augenblick hat er völkerrechtlich bindende Kraft (völkerrechtliche Geltung). Im speziellen Fall ist jedoch die Frage, welches die Partner des in diesem Absatz erwähnten internationalen Vertrages zu sein haben, in einem umfassenderen Sinn zu beantworten, und zwar aus dem folgenden Grund:

Österreich hat einer großen Zahl von Staaten seine Neutralität notifiziert. Durch deren ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung ist die österreichische Neutralität völkerrechtlich bindend geworden. Eine Veränderung des Charakters dieser Neutralität (unbewaffnete statt bewaffnete) könnte folglich als Bruch einer gegebenen und völkerrechtlich gültig gewordenen Zusage ausgelegt werden. Daher müssen jene Staaten, denen die österreichische Neutralität notifiziert wurde, dem erwähnten internationalen Vertrage beigetreten sein, ehe Österreich diesen unterzeichnen kann.

Sobald Österreich diesen Vertrag unterzeichnet hat, wird er im Zuge seiner Transformation in innerstaatliches Recht gemäß Art. 50 (2) B-VG ausdrücklich mit Verfassungsrang zu kennzeichnen sein. Dies ist nötig, weil auch das Neutralitätsgesetz, welches nach allgemeiner Lehre die bewaffnete Neutralität festlegt (arg.: „mit allen zu Gebote stehenden Mitteln“, also auch mit Gewalt), Verfassungsrang hat. Daher muß diesem in dem Punkte der bewaffneten Neutralität derogiert werden durch eine spätere Verfassungsnorm, welche die unbewaffnete Neutralität festlegt.

Der völkerrechtliche Status der unbewaffneten Neutralität, den Österreich anstreben soll, wird im Zusammenhalt mit den Bestimmungen des § 1 (3) und (4) VB folgenden Inhalt aufzuweisen haben:

  1. Ausschluß von Kriegführung und Vorbereitung auf diese durch den dauernd Neutralen;
  2. weitere gewissenhafte Wahrnehmung der übrigen militärischen Pflichten eines dauernd Neutralen gemäß bisherigem Völkerrecht (Grenzsicherung, Entwaffnung, Internierung, vgl. oben die Erläuterungen zu Abs. 3), es sei denn, daß zur Erfüllung dieser Aufgaben militärische Operationen in der Größenordnung von Kriegführung notwendig werden (s.o. Erläuterungen zu Abs. 3).
  3. Gewaltlose Verteidigung im Falle einer militärischen Besetzung.

Der von Österreich anzustrebende internationale Vertrag soll „solche Staaten“, d.h. solche, die den Status der unbewaffneten Neutralität erlangt haben, nicht nur dadurch schützen, daß er ihnen völkerrechtlich anerkannten Status gibt, sondern auch durch Sanktionen im Falle der Verletzung dieses Status. Die vorgesehenen Sanktionen gemäß Art. 41 UN-Charta umfassen die Wirtschafts-, Handels-, Verkehrs- und Kommunikationsblockade. Es ist dies die schärfste in der UN-Charta enthaltene Sanktion, abgesehen von den militärischen Sanktionen gemäß Art. 42. Militärische Sanktionen im Rahmen eines Vertrages über unbewaffnete Neutralität vorzusehen, scheint jedoch in sich unlogisch. Dies wäre aber auch insofern unzweckmäßig, als hierdurch der unbewaffnet Neutrale jedenfalls in militärische Operationen der Vertragsmächte verwickelt werden würde.

Die Bestimmungen des vorliegenden § 1 (5) VB, daß Österreich ohne Verzug mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln einen solchen internationalen Vertrag anzustreben habe, stellt einen Gesetzesbefehl an die Adresse der zuständigen Bundesbehörden dar. Auf außenpolitischem, diplomatischem Wege, aber auch auf sonstige, geeignet erscheinende Weise (z.B. Handelspolitik, Kulturpolitik) wird ein solcher Vertrag anzustreben bzw. zu fördern sein. Bei Verletzung dieses Gesetzesbefehls könnte der Nationalrat die Verantwortlichkeit der Bundesregierung oder des zuständigen Bundesministers gemäß Art. 74 B-VG geltend machen. Dies hätte gegebenenfalls die Amtsenthebung der Bundesregierung oder einzelner ihrer Minister zur Folge.

§ 2 (1) Im Dienstbetrieb muß unter allen Umständen die Menschenwürde des Soldaten geachtet, autoritärem Verhalten bei Vorgesetzten entgegengewirkt und der Geist demokratischer Kritik bei Untergebenen gefördert werden.

Nie staatsbürgerlichen Rechte hat der Soldat wie jeder andere Staatsbürger. Dies ist jedoch in mehrfacher Hinsicht eine bloße Fiktion:

  1. Wichtige Grund- und Freiheitsrechte sind Österreich durch den sogenannten Gesetzesvorbehalt durchlöchert. Was die verfassungsgesetzlichen Bestimmungen mit der einen Hand garantieren, nehmen sie mit der anderen Hand wieder weg, indem sie einfachgesetzliche Ausnahmebestimmungen zulassen. Auf Grund der unter b) zu schildernden Interpretationskunststücke des Verfassungsgerichtshofes haben für den Soldaten auch jene Grundrechte Löcher, die sie für die übrigen Staatsbürger nicht haben. (Vgl. Pernthaler S. 177 f.)
  2. Art. 7 (2) B-VG garantiert den BH-Angehörigen die ungeschmälerte Ausübung ihrer politischen Rechte. Was aber hier die Verfassungsurkunde gibt, nimmt der Verfassungsgerichtshof wiederum weg: in ständiger Rechtsprechung engt er den Begriff „politische Rechte“ auf das Wahlrecht ein (aktives und passives sowie Stimmrecht bei Volksabstimmungen und Volksbegehren). Im Umkehrschluß sagt er dann: da nur diese Rechte dem BH-Angehörigen ungeschmälert gewährleistet seien, können ihm alle übrigen staatsbürgerlichen Rechte geschmälert werden. Und da das Staatsgrundgesetz, in dem diese Grundrechte gewährleistet werden, nur insoweit gilt, als es durch das B-VG nicht abgeändert wurde (Art. 149, Abs. 1 B-VG), der Verfassungsgerichtshof den Art. 7 (2) B-VG aber als eine solche Abänderung interpretiert: BH-Angehörigen sind nur die „politischen Rechte“ garantiert, die übrigen staatsbürgerlichen Rechte nicht — schmuggelt das Höchstgericht auf diese raffinierte Weise einen Gesetzesvorbehalt zu Ungunsten der BH-Angehörigen in alle Grundrechte gemäß Staatsgrundgesetz, auch in jene, bei denen im Staatsgrundgesetz selbst ein solcher Vorbehalt nicht gemacht wird. Der Verfassungsgerichtshof verkehrt damit die im Art. 7 (2) B-VG niedergelegte Garantie der Grundrechte des Soldaten in eine Ermächtigung, alle anderen als die von ihm ganz eng ausgelegten „politischen Rechte“ beliebig zu beschränken durch einfache Gesetze oder auch durch darauf beruhende Verordnungen (z.B. Erk.Slg. 2311/1952; vgl. Pernthaler S. 179: „Die geltende Wehrverfassung kennt demnach keine ausdrückliche Garantie der Grund- und Freiheitsrechte für den Soldaten mehr. Wieweit diese durch das militärische Standesrecht eingeschränkt werden dürfen, ist generell nirgends festgelegt. (Daher) ist das Prinzip der Gleichheit der staatsbürgerlichen Rechte von Bürger und Soldaten ... nach der geltenden Wehrverfasstung eine reine Fiktion ...“ (S. 206: z.B. würde das Recht der freien Meinungsäußerung gegenüber militärischen Vorgesetzten ... in der Regel disziplinar- bzw. strafrechtliche Folgen nach sich ziehen („Subordinationsvergehen“) ...) Die ganze Schönheit der geltenden Rechtsauffassung zeigt sich in der folgenden Gegenüberstellung: dem Soldaten werden die „politischen Rechte“ garantiert, die er in seiner Mehrzahl! (Präsenzdiener) nicht gebrauchen kann, weil man ihm das Wahlrecht verweigert, dafür werden ihm die übrigen staatsbürgerlichen Rechte, die er sehr wohl brauchen könnte, z.B. die Meinungs- und Versammlungsfreiheit, durch einen Auslegungstrick entzogen.
  3. Der § 36 (2) Wehrgesetz behauptet zwar: „Die staatsbürgerlichen Rechte kommen dem Soldaten gemäß Art. 7 (2) B-VG im selben Umfang wie den anderen Staatsbürgern zu.“ Doch ist dies aus den oben dargelegten Gründen bloße Augenauswischerei. Ermacora-Loebenstein, Wehrrecht, S. 20, bemerken hierzu trocken: „Der Verweis auf Art. 7 (2) geht ins Leere, da im Art. 7 von staatsbürgerlichen Rechten schlechthin nicht die Rede ist ... Es können darunter nicht die Grund- und Freiheitsrechte verstanden werden.“

Eine radikale Sanierung dieser traurigen Rechtslage des Soldaten wäre nur möglich durch Rückgang auf die Bestimmung des Wehrgesetzes 1920, welche den Soldaten den „uneingeschränkten Genuß der staatsbürgerlichen Rechte“ garantierte (§ 26, Abs. 2; Pernthaler S. 179). Die Initiatoren des VB wollten jedoch in den § 2 VB, welcher bloß für die Übergangszeit bis zur Auflösung des BH gelten soll, keine Verfassungsbestimmung aufnehmen. Es wäre dies ja eine Verfassungsbestimmung, die durch eine andere Verfassungsbestimmung in ein und demselben Gesetz (§ 1, Abs. 1, Auflösung des BH) zu gegebener Zeit wieder ihre Gültigkeit verlöre.

Im übrigen kann auch durch die einfachgesetzliche Bestimmung des vorliegenden § 2 (1) VB einer Einschränkung der Grund- und Freiheitsrechte des Soldaten durch militärisches Standesrecht wirkungsvoll begegnet werden, und zwar in mehrfacher Hinsicht:

  1. Durch die neue einfachgesetzliche Bestimmung wird bisherigen einfachgesetzlichen Bestimmungen derogiert, soweit sie mit ihr im Widerspruch stehen.
  2. Auch soweit dies nicht unmittelbar der Fall ist, müssen bisherige Gesetzesbestimmungen nunmehr im Licht der neuen Gesetzesbestimmung interpretiert werden.
  3. Der § 12 Wehrgesetz enthält eine Ermächtigung an die Bundesregierung, allgemeine Dienstvorschriften zu erlassen, jedoch ohne nähere Angaben, gemäß welchen inhaltlichen Richtlinien solche Verordnungen zu erlassen wären. Eine solche bloß formalgesetzliche Delegation, welche verfassungsrechtlich bedenklich ist (Melichar zit. bei Pernthaler S. 185), erfährt durch die neue einfachgesetzliche Bestimmung eine inhaltliche Interpretation. Verordnungen, die dieser neuen gesetzlichen Richtschnur widersprechen, dürfen nicht erlassen werden. Bisherige Verordnungen, die ihr widersprechen, werden gesetzwidrig. Sie können auf dem Wege über den Verfassungsgerichtshof aus der Rechtsordnung entfernt werden.
  4. Durch die neue einfachgesetzliche Bestimmung werden Maßnahmen und Anordnungen aller Behörden und Organe, einschließlich jener des BH, gesetzwidrig, soweit sie mit dieser neuen Bestimmung im Widerspruch stehen. Ein Widerspruch zu Art. 20 B-VG, wonach Verwaltungsorgane an die Weisungen der ihnen vorgesetzten Organe gebunden sind, entsteht hierdurch nicht, denn gesetzwidrige Weisungen dürfen nicht erteilt werden (Art. 18 B-VG), also auch keine Weisungen, die der neuen gesetzlichen Bestimmung widersprechen.

Darüber hinaus stellt der § 2 (1) VB zugleich eine Aufforderung an den Nationalrat dar, dieser möge von sich aus Gesetzesbestimmungen aus der Rechtsordnung entfernen, die der neuen Bestimmung widersprechen. Dies gilt insbesondere für den größten Teil des Anhanges zum allgemeinen Strafgesetz, Sonderbestimmungen für Soldaten.

Der § 2 (1) VB stellt ferner auch eine Aufforderung an den Nationalrat dar, die Bundesregierung zu beauftragen, bisherige Verordnungen aufzuheben, die mit dieser neuen Gesetzesbestimmung im Widerspruch stehen. Dies gilt insbesondere von Teilen der Allgemeinen Dienstvorschriften.

Positiv ginge es um neue Verordnungen, in denen z.B. in möglichst weitem Umfang festzulegen wären: Soldatenversammlungen mit echten Kompetenzen; Soldatenvertreter mit echten Kompetenzen; Konkretisierung der freien politischen Betätigung der Soldaten; Wahl und Abwahl von Vorgesetzten.

§ 2 (2) Die Ausrüstung ist auf jenes Maß zu beschränken, das zur Erfüllung der einem neutralen Kleinstaat möglichen Sicherungsaufgaben ausreichend ist.

Bisher gab es für die Festsetzung des Wehrbudgets keine allgemeine Deklaration des Gesetzgebers gegenüber der Öffentlichkeit, nach welchen Richtlinien er diese Festsetzung vorzunehmen gedenke. Der Gesetzgeber verließ sich diesbezüglich insbesondere auf die Meinung der militärischen Fachleute. Demgegenüber liefert obige Gesetzesbestimmung eine prinzipielle Richtschnur mit Gesetzesrang, an welche sich die militärischen Fachleute schon bei Ausarbeitung ihrer Budgetwünsche zu halten haben.

Durch den Verweis auf die Sicherungsaufgaben als Maximum dessen, was einem neutralen Kleinstaat möglich ist, bedeutet diese Richtschnur einen Gesetzesbefehl zur Vermeidung allen unnötigen Aufwandes für hochgezüchtetes technisches Kriegsspielzeug; für Sicherungsaufgaben reicht nämlich eine quantitativ bescheidene Ausrüstung.

§ 2 (3) Durch Vermeidung allen Leerlaufs sind Mannschaftsstärke und Dienstzeit möglichst gering zu halten. Vorschläge hierüber hat der Landesverteidigungsrat (§ 5 Wehrgesetz) dem Nationalrat zu erstatten.
(4) Zur Förderung dieses Zieles wird die Dauer des Präsenzdienstes zunächst auf die Hälfte herabgesetzt.

Daß und in welchem Umfang es Leerlauf in Ausbildung und Dienstbetrieb gibt, ist in der Diskussion rund um das Volksbegehren unterdessen hinreichend klargestellt worden, darunter von höchsten Offizieren des BH (Generalmajor Spanocchi am 29.1.1970). Obige Bestimmung stellt einen konkreten Gesetzesbefehl an den Landesverteidigungsrat dar (Bundeskanzler, Vizekanzler, Ressortminister, ein Beamter des BMfLV, Generaltruppeninspektor und zwei Parteienvertreter). Der LVR muß dem Nationalrat konkrete Vorschläge bezüglich Verringerung der Mannschaftsstärke und Dienstzeit unterbreiten.

„Zur Förderung dieses Ziels“, nämlich „Vermeidung allen Leerlaufs“, soll die Dauer des ordentlichen Präsenzdienstes zunächst halbiert werden: Damit soll ein initialer Anstoß gegeben werden, der die BH-Bürokratie zwingt, in der Übergangszeit bis zu seiner Auflösung des BH auf vernünftige Weise zu reduzieren.

Das Wort „zunächst“ im Absatz (4) verweist darauf, daß diesem initialen Anstoß weitere derartige Maßnahmen folgen sollen. Während mittels der vorliegenden Gesetzesbestimmung eine Halbierung der Dienstzeit erfolgt, bleiben die weiteren, darüber hinausgehenden Maßnahmen Gegenstand einer neuerlichen Gesetzgebung des Nationalrates. Der LVR ist jedoch verpflichtet, hierfür Vorschläge auszuarbeiten.

§ 2 (5) Aus beruflichen und wichtigen familiären Gründen kann der Präsenzdienst auf Ansuchen in zwei Teilen geleistet werden.

Das geltende Wehrgesetz (§ 29, Abs. 2a) kennt nur „Ausnahmen von der Einberufung“, die von oben her, von Staats wegen zu beurteilen sind, nämlich ein Absehen aus „rücksichtswürdigen gesamtwirtschaftlichen, familienpolitischen und sonstigen öffentlichen Interessen“. Ermacora-Loebenstein, S. 127, bemerken hierzu: „Für das Absehen von der Einberufung zum ordentlichen Präsenzdienst bedarf es keines Antrages; ja, ein Antrag wird rechtlich belanglos sein, da ... die ... angeführten Gründe nicht vom einzelnen, sondern nur vom Staate hinreichend beurteilt werden können.“ Demgegenüber zielt die Bestimmung des VB-Textes gerade auf eine Berücksichtigung des Einzelnen ab (berufliche, nicht gesamtwirtschaftliche; familiäre, nicht familienpolitische Interessen); dieser soll für die Übergangszeit bis zur Auflösung des BH, wenn schon nicht vom ordentlichen Präsenzdienst befreit, so doch auf bloßen Antrag dahin gelangen, ihn in zwei Teilen ableisten zu können. Da durch § 2 (4) der Präsenzdienst auf viereinhalb Monate herabgesetzt wird, bedeutet dies auch, daß er von Studierenden in den Ferien abgeleistet werden kann.

§ 2 (6) Wahlalter und Wehrdienstalter müssen übereinstimmen.

Dies bedeutet, daß aktives Wahlreeht und Wehrpflichtalter zum selben Zeitpunkt erreicht werden.

Derzeit ist die Wahlberechtigung mit dem (vor dem 1. Jänner des Wahljahres) vollendeten 19. Lebensjahr festgesetzt. Da diese Bestimmung verfassungsgesetzlichen Rang hat, kann sie durch obige einfachgesetzliche Bestimmung nicht aufgehoben werden. Wohl aber wird durch die neue einfachgesetzliche Bestimmung die bisherige einfachgesetzliche Bestimmung der Wehrpflicht mit dem vollendeten 18. Lebensjahr (§ 14 Wehrgesetz) aufgehoben.

Für die Übergangszeit bis zur Auflösung des BH würde bei Aufrechterhaltung des gegenwärtig festgesetzten Wahlalters die Wehrpflicht mit dem 1. Jänner des auf den 19. Geburtstag folgenden Jahres beginnen.

Hierdurch kommt die verfassunggesetzliche Garantie der „politischen Rechte“ der BH-Angehörigen (Art. 7, Abs. 2 B-VG) recht eigentlich erst zum Tragen. Derzeit klingt es wie ein Hohn, wenn den BH-Angehörigen mit der einen Hand ihre politischen Rechte garantiert werden, mit der anderen Hand dem größten Teil von ihnen (den jungen Präsenzdienern) das Wahlrecht entzogen bleibt. (Vgl. oben die Erläuterungen zu § 2 (1) sowie Pernthaler, S. 177 f.)

Da die Garantie der politischen Rechte der BH-Angehörigen Verfassungsrang hat, die Festsetzung des Wahlalters, derart, daß sie diese Rechte gar nicht ausüben können, aber durch einfaches Gesetz erfolgt, ist die betreffende Bestimmung des Wehrgesetzes verfassungswidrig. Sie könnte von jedem Präsenzdiener, der seine Eintragung in die Wahlliste beantragt und dem diese verweigert wird, vor dem Verfassungsgerichtshof angefochten werden (Art. 144 B-VG: Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes). Angesichts der formalistischen, die Grundrechte meist restriktiv interpretierenden bisherigen Judikatur des VerfGH. (vgl. oben die Erläuterungen zu § 2 (1) VB) sind die Erfolgschancen jedoch gering.

Durch die vorgesehene Gesetzesbestimmung des § 2 (6) VB wird die politische Entmündigung des Präsenzdieners beseitigt. Wer für mündig gilt, Soldat zu sein, ist auch mündig, wählen zu gehen.

§ 2 (7) Gegen sein Gewissen darf niemand gezwungen werden, Wehrdienst oder Waffenübungen zu leisten.
(8) Der unter (7) angeführte Grund kann jederzeit bei der Einberufungsbehörde oder beim Truppenkörper geltend gemacht werden. Hierzu ist eine schriftliche Erklärung nötig. Eine hierüber hinausgehende Prüfung ist nicht zulässig.

Zum Unterschied von einer Zahl zivilisierter Staaten kennt Österreich keine echte Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen. Es gibt nur Waffendienstverweigerung, d.h. Freistellung vom Wehrdienst mit der Waffe auf Grund eines relativ komplizierten Beweisverfahrens (§§ 25 bis 27 Wehrgesetz), sodann Dienst bei der Truppe ohne Waffe, und zwar 12 statt 9 Monate (§ 28, Abs. 4 Wehrgesetz), „praktisch eine gewisse Strafwirkung“ (Pernthaler S. 187). Personen, denen es gelingt, als Waffendienstverweigerer anerkannt zu werden, sind sodann in einer Umgebung, die ein dem ihren entgegengesetztes Wertsystem vertritt, in der Regel Verspottung, Beleidigung und Schikanen ausgesetzt. Sie sind zu 12 Monaten Sinnlosigkeit verurteilt, statt daß sie, ihrem moralischen Antrieb entsprechend, gesellschaftlich nützliche Aufgaben erfüllen können.

Ähnliches gilt von Bürgern, die den Wehrdienst aus Überzeugungsgründen ablehnen, denen aber auf Grund des eng gefaßten Gesetzestextes die Anerkennung als Waffendienstverweigerer gar nicht gelingt.

Der § 2 (8) VB sieht daher eine umfassende, einfache, von allen Schikanen befreite Willenserklärung vor, durch welche jeder Staatsbürger sein Grundrecht auf Gewissensfreiheit geltend machen und statt Wehrdienst Friedensdienst leisten kann.

§ 2 (9) Wer den Wehrdienst verweigert, hat Friedensdienst zu leisten. Als Friedensdienst gelten alle Sozialdienste, Katastrophendienste, Entwicklungshilfsdienst sowie Ausbildung hierfür. Der Friedensdienst darf nicht kürzer und braucht nicht länger zu sein als der Wehrdienst einschließlich Waffenübungen.

Dies bedeutet, daß mit der Ableistung des Friedensdienstes in der Dauer des gesamten Wehrdienstes (Präsenzdienst und Waffenübungen, falls solche als Pflicht normiert werden, was gegenwärtig nicht der Fall ist) jegliche Wehrpflicht entfällt.

Unter Friedensdienst in den oben aufgezählten Formen ist nicht ein Dienst zu verstehen, der von Staats wegen neben dem Bundesheer zu organisieren wäre. Es soll sich vielmehr um Tätigkeit in freien gesellschaftlichen Gruppen handeln (z.B. Vereine, Jugendverbände), die sich die Organisierung von Friedensdienst in den oben erwähnten Formen zur Aufgabe setzen. Dem Staatsbürger soll auf diese Weise eine von staatlicher Bevormundung freie, vielfältige, seinen Neigungen möglichst entsprechende und von ihm selbst auszuwählende Art der Ableistung von Friedensdienst offenstehen.

§ 3 Schlußbestimmungen. Die Vollziehung dieses Gesetzes obliegt der Bundesregierung.
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