FORVM, No. 197/I
Mai
1970

Brasilien: Am Rand der Revolution

Miguel Arraes: Die Erfolge der Stadtguerillas

Vorstellung und Empfindung sind zutiefst berührt von den detaillierten Berichten über Brutalität und Gewalt an Hunderten Brasilianern. Ungleich mehr Folterungen und Morde bleiben anonym: jene durch Hunger, Armut, Unterdrückung, Ausplünderung. Dies sind einfach andere Formen des politischen Mordes. Alle erfolgen aus den gleichen Ursachen: als Folge des Systems der Ausbeutung in Brasilien wie in den meisten anderen lateinamerikanischen Ländern.

Von der brasilianischen Demokratie wurde gesagt, daß sie sich an den modernen Demokratien inspiriert. Aber sie war nie mehr als eine Fiktion zur Verschleierung der Herrschaft einer privilegierten Minderheit über die riesige Mehrheit. 1961 führte eine Strukturkrise zur Rezession in der brasilianischen Wirtschaft; von da an konnte die privilegierte Minderheit sich nicht länger unter der Maske der Demokratie verbergen. Es erfolgte der Übergang zur offenen Diktatur.

Zwei Wege gab es für die herrschende Klasse: die Durchführung ökonomischer und sozialer Reformen, das hätte den nationalen Kapitalismus fester verwurzelt; oder Stabilisierungspolitik, mit der Folge einer Konzentration des Kapitals in den großen Unternehmungen, die ihrerseits vom internationalen Kapitalismus beherrscht werden.

Genau das geschah. Konfrontiert mit der wachsenden Wirtschaftskrise, bürdete die brasilianische Bourgeoisie, verbündet mit den großen internationalen Monopolen, dem Land eine Stabilisierungspolitik auf. Sie beruht auf Lohnsenkung für alle Lohnempfänger. Dies führte zum Verschwinden vieler kleiner Unternehmungen, andererseits zur Ertragserhöhung der großen ökonomischen Einheiten. Um diese Politik durchzuhalten, war ein starkes Regime notwendig; nur so konnte die Empörung der Bevölkerung gezügelt und die Minderheit an der Macht gehalten werden.

Arbeiter- und Studentenorganisationen wurden verboten. Eine Serie von Verhaftungen, Folterungen, Morden begann. Haß, Denunziation und Terror kamen an die Tagesordnung.

Die Diktatur wollte zunächst bestimmte Institutionen der Formaldemokratie aufrechterhalten, um legalen Anstrich zu haben, das Image im Ausland zu wahren, im Land Illusionen zu nähren. Die Unterdrückungspolitik wurde zunächst auf die aktivsten Oppositionellen beschränkt. Aber bald mußte man auch gegen treuherzige Liberale vorgehen, die Zensur verschärfen und jenes Parlament reprimieren, das vom Regime selbst geschaffen worden war. Die oft empfohlene gleichzeitige Praxis von Unterdrückung und Scheindemokratie geriet in Schwierigkeiten.

Wachsende Aggressivität der großen Wirtschaftskonzerne, dauernde Senkung des Lebensstandards, die ständige Einengung der Freizeit führten zur totalen Isolierung des Militärregimes. Es sieht sich allein mit der ganzen Bevölkerung konfrontiert.

Marighela, einer der aktivsten Führer des demokratischen Widerstandes, wurde vom Regime getötet. Die Diktatur hält dies für einen Erfolg. Aber sein Tod führte zur Vereinigung aller oppositionellen Kräfte. Es geht nicht länger um bloße Gesten der Solidarität mit den Opfern des Regimes, es geht um aktiven Kampf gegen dieses. Das zeigten die Dominikanerpatres, als sie wegen Unterstützung Marighelas verfolgt wurden.

Jedesmal, wenn die Diktatur ihr wahres Gesicht zeigt, ergreift die Opposition neue Schichten der Bevölkerung.

Durch eine Serie von Erfolgen hat der bewaffnete Untergrund wachsendes Prestige gewonnen und die Bewußtseinsbildung der Bevölkerung gefördert. Die Formen der Aktion des Untergrunds erschweren freilich Unterstützung und direkte Teilnahme von seiten der Bevölkerung.

Heute braucht man eine globale Strategie aller Oppositionellen: Arbeiter, Bauern, Studenten, Priester, Christen und Marxisten liefern den Beweis, wie tief verwurzelt die Bewegung ist.

Alexander Craig: Die Brutalität der Generäle

Die gegenwärtige Welle von Menschenraub, Flugzeugentführungen, Banküberfällen und anderen Guerillaaktionen in den Städten Brasiliens hat die Entschlossenheit der Militärs, sich an der Macht zu halten, noch nicht erschüttert. Erst vor wenigen Tagen erklärte der Präsident, General Garrastazu Medici, in Rio, er würde „jegliche Friedensstörung“ mit Gewalt unterdrücken, und er betonte dabei wieder einmal, daß die brasilianischen Streitkräfte, solange sie es als nötig erachten, an der Macht bleiben wollen (was natürlich bedeutet: solange sie dazu imstande sind).

Bis vor wenigen Jahren war Brasilien eines der gemütlichsten und friedlichsten Länder Lateinamerikas; jetzt lebt es unter einer der repressivsten Regierungen der Welt — das zeigen die sich ständig mehrenden Berichte über die unmenschlichen Folterungen von Untersuchungshäftlingen, darunter Nonnen und Kinder. Die Methoden der Repression haben „eine phantastische Technifizierung erfahren, wir leben in einem permanenten Kriegszustand“, sagte der Chef der Militärpolizei Anfäng März und machte klar, daß die Revolution im Keim erstickt werden müßte, „soll Brasilien nicht zu einem zweiten Vietnam werden“.

Die von der Regierung erlassenen und kürzlich von Amnesty International veröffentlichten „Verordnungen zur besseren Orientierung des Volkes“ vermitteln sehr genau die Atmosphäre einer Nation im Bürgerkrieg. Nach einer verläßlichen Schätzung gibt es gegenwärtig mindestens 15.000 politische Häftlinge. Oppositionspolitiker und fortschrittliche Priester wurden auf diese oder andere Weise mundtot gemacht; Universitätsprofessoren, die zuviel protestierten, wurden ohne Verfahren für drei bis fünf Jahre suspendiert.

Die Todesstrafe, zuletzt vor 114 Jahren angewendet, wurde nach der Entführung des amerikanischen Gesandten im vorigen September wieder eingeführt, mit Rückwirkung auf einige Tage vor der Entführung. Sie gilt für „subversive und negative psychologische Kriegsführung“. Sie hatte vorübergehend auch während des Zweiten Weltkrieges (in dem Brasilien auf seiten der Alliierten kämpfte) Geltung — was formal bezeichnend ist für den Glauben der Militärs, sie befänden sich heute in einem vergleichbaren Kriegszustand.

Diesmal aber ist es ein Krieg gegen ihre Mitbürger. Die Militärs haben ihn seit ihrer Machtübernahme im Jahre 1964 weitgehend selbst verschuldet. Die nationale Parole auf der brasilianischen Fahne lautet: „Ordem e Progresso“; um den Fortschritt, wie sie ihn meinen, zu beschleunigen, erzwingen die Generäle rücksichtslos die Ordnung, wie sie sie meinen.

Zu den Kritikern der brasilianischen Generäle gehören heute schon so einflußreiche Amerikaner wie Senator Frank Church, Vorsitzender des Senatsunterausschusses für die westliche Hemisphäre. Church beanstandete die Höhe der von Nixon für 1970 vorgesehenen Hilfeleistungen an Brasilien mit den Worten, er wolle nicht, daß die USA als „Freund und wirtschaftliche Stütze des gegenwärtigen brasilianischen Regimes“ gelten, weil dieses sich ausschließlich in Händen von Militärs befinde.

Natürlich hat deren arroganter Machtmißbrauch eine weitverbreitete Opposition erzeugt, deren Verbitterung und Entschlossenheit ständig zunimmt. Während des letzten Jahres wurden mehr als 200 Überfälle auf Kasernen und Banken verübt, um Waffen und Geld für die städtische Guerillabewegung zu erbeuten. Die von der Regierung immer wieder aufgestellte Behauptung, die Bewegung sei zerschlagen, ist nichts als Wunschvorstellung.

Im Nordosten des Landes, einer der ärmsten und elendsten Regionen der Welt, kam es im März in einigen Städten zu ernsten Hungeraufständen. Die Abwanderung der Bauern in die Städte verschärft die Arbeitslosigkeit. Die Wirtschaft, an Inflation krankend, wächst nicht schnell genug. Der jährliche Bevölkerungszuwachs beträgt mehr als drei Prozent.

Die Repression basiert auf Furcht der Militärs vor dem „Kommunismus“, womit sie die Volksrevolution meinen. Die Furcht erzeugt Unsicherheit und Unentschlossenheit. Ein konservativer Deputierter kritisierte zum Beispiel, daß in fünf Jahren drei Präsidenten der gleichen politischen Linie drei verschiedene Verfassungen einbrachten; Aktionen gegen die Revolutionäre würden von jeder der drei Waffengattungen separat betrieben, unter Anleitung ihres jeweiligen Geheimdienstes; die „Jagd auf den Feind, rücksichtslos und ohne Kontrolle“, werde von neun verschiedenen offiziellen Körperschaften praktiziert.

Rechtsgerichtete paramilitärische Gruppen verstümmelten und ermordeten von ihnen als Revolutionäre verdächtigte Personen, darunter den Priester, der als Sekretär des Erzbischofs Helder Camara von Recife diente.

Sogenannte „Todesverbände“ von Polizisten veranstalten in ihrer Freizeit Rachezüge, in deren Verlauf manchmal bis zu einem Dutzend „Verbrecher“ getötet werden. Im heutigen Brasilien gilt jeder Linke als „Verbrecher“.

Gerichte und Massenmedien stehen unter Kontrolle der Generäle, so daß aus dieser Richtung keine Abhilfe zu erwarten ist.

Brasilien ist ein Land mit enormem Potential, das eines Tages reicher sein könnte als die USA. Es bildet einen halben Kontinent mit einer Bevölkerung von fast hundert Millionen, behaftet mit all den typischen Problemen der dritten Welt. Es ist, geographisch und bevölkerungsmäßig, das größte katholische Land der Erde. Dem Vatikan liegen Berichte vor, denen zufolge nur 15 der 245 katholischen Bischöfe des Landes fest hinter der Regierung stehen. Mindestens 40 haben sich an der Seite Helder Camaras offen in Opposition begeben.

Die internationale öffentliche Meinung müßte den brasilianischen Generälen die Notwendigkeit einer tiefgreifenden Kursänderung und Reform eindringlich vor Augen führen. Sonst kommt die blutige Revolution.

J.-P. Sartre: Brasilien heute, Europa morgen

Wir sind nicht berufen, jene zu bemitleiden, die in Brasilien eingekerkert und gefoltert werden. Sie verlangen nicht unser Mitleid, sondern daß wir uns ihrem Kampf anschließen. Zu gern wird geglaubt, daß die gegenwärtige Situation bloß das Ergebnis eines Staatsstreiches ist, eine Gegenbewegung gegen zuviel Reform; einfach eine etwas stürmische Zeit für die brasilianische Demokratie ... Tatsächlich liegt das Problem ganz anders. Was jetzt in Brasilien geschieht, zeigt das mögliche Schicksal — ich würde sogar meinen: das wahrscheinliche Schicksal — vieler europäischer Länder.

Seit Jahren spielte die brasilianische kommunistische Partei die Karte der „nationalistischen Unternehmer“, der „nationalistischen Bourgeoisie“. Sie sagte: „Die nationalistische Bourgeoisie wünscht sich eine gänzlich autonome Wirtschaft. Sie braucht unsere Unterstützung in ihren Bemühungen, sich gegen den Imperialismus zu stellen. Später werden wir auf die Probleme des Klassenkampfes zurückkommen.“

Aber es ist nicht so, daß es eine „gute“ Bourgeoisie gibt, nämlich die „nationalistische“, und eine „böse“, die Parteigängerin des Imperialismus. Es gibt nur eine Bourgeoisie, das ist alles. Wenn ihre Interessen es verlangen, wird sie sich nationalistisch geben; wenn ihre Interessen anderswo liegen, wird sie ihre Haltung eben ändern und dem Imperialismus dienen.

Der nationalistische Teil der brasilianischen Bourgeoisie hat tatsächlich versucht, an Stelle des Imperialismus den heimischen Markt zu übernehmen, indem er heimische Konsumgüter an die Stelle von Importgütern aus dem Ausland setzte. Da er aber die heimische Industrialisierung durch Lohnsenkung finanzierte, erzeugte er auf diese Weise zugleich Verarmung und steigende Not. Hierdurch geriet er selbst in Schwierigkeiten und mußte selbst den Weg öffnen für die heutige, neuerliche Invasion Brasiliens durch den Imperialismus.

Zuerst war die Bourgeoisie im Bund mit den großen Feudalherren des Nordostens, die Schuld tragen an der Hungersnot der Bauern, weil sie Lebensmittel exportierten, während die Bourgeoisie mit den erzielten Devisenerlösen maschinelle Ausrüstung für ihre Fabriken einführte. Um die Handelsbilanz ausgeglichen zu erhalten und Devisen anzusammeln, war es notwendig, die Feudalherren bei Stimmung zu halten, welche sich jeder Landaufteilung widersetzten. Von Zeit zu Zeit sprach die Bourgeoisie von ihrem Wunsch nach Landreform, führte sie aber niemals durch.

Eine große Masse Arbeitsloser ermöglicht, die allerniedrigsten Löhne zu zahlen. Deshalb kümmerte sich die Bourgeoisie auch wenig um steigende Produktivität durch Beistellung adäquater technologischer Mittel, solange sie auf unterbezahlte Arbeitskräfte zurückgreifen konnte. Die Folge war, daß der brasilianische Kapitalismus, obwohl sich ausweitend, doch sehr anfällig war und späterhin leicht ausgestochen werden konnte durch ausländische Konkurrenten.

Die Wirtschaftskrise war die notwendige Folge ständig steigender Preise und tendenziell sinkender Löhne. Diese sanken in Guanabara von 100 Indexpunkten auf 75 binnen sieben Jahren, in Rio von 100 auf 95, während gleichzeitig die Preise zu unglaublichen Höhen schossen. Die ökonomische Stagnation setzte ein in den Jahren 1961 bis 1964. Damals wurde klar, daß die nationalistische Bourgeoisie, die sich niemals aufs Volk gestützt, sondern dessen Armut ausgebeutet hatte, dennoch nicht imstande war, ihre Expansion aufrechtzuerhalten. Genau in dieser Situation sah der andere Teil der brasilianischen Bourgeoisie, der mit dem Imperialismus verbündet war, seine Chance.

Seit 1945 war ein Kampf zwischen dem nationalistischen und proimperialistischen Teil der brasilianischen Bourgeoisie im Gange; der Militärcoup des Jahres 1964 brachte den Sieg der proimperialistischen Fraktion. Er kam von langer Hand. Schon 1945 war Getulio Varga, der die nationalistische Bourgeoisie repräsentierte, entmachtet und von den Militärs zum Selbstmord getrieben worden. 1955 versuchten die Militärs, diesmal fruchtlos, zu verhindern, daß Kubitschek an die Macht kam. 1961 erzwangen die Militärs den Rücktritt von Quadros.

Während dieser Periode stiegen die ausländischen Investitionen von 220 Mill. Dollar in den Jahren 1946 bis 1950 auf 743 Mill. Dollar 1955 bis 1960. Von 66 Unternehmungen mit einem Kapital von mehr als einer Million Cruzeiros, die insgesamt das halbe Kapital aller Kapitalgesellschaften in Brasilien repräsentieren, waren 32 mit insgesamt 34 Prozent des erwähnten Kapitals in ausländischem Besitz.

Durch die Gleichzeitigkeit der Stagnation der Geschäfte der nationalistischen Bourgeoisie und des Ansteigens der ausländischen Investitionen entstand eine besonders günstige Gelegenheit für den Militärcoup. Proimperialistische Armeeoffiziere nahmen den Vorteil wahr; mit dem Segen der Vereinigten Staaten, vielleicht auch einiger zusätzlicher Hilfe von diesen, hielten sie Abrechnung mit der nationalistischen Bourgeoisie. Krediteinschränkungen waren eine der ersten Maßnahmen der Militärregierung. Von da an verkauften sich die nationalistisch-bourgeoisen Unternehmer, ihrer Kreditquellen beraubt, an die amerikanischen Kapitalisten; bestenfalls reduzierten sie ihren Nationalismus auf ein Bündnis mit dem europäischen Kapitalismus gegen den amerikanischen. Später kam es, ganz natürlich, zur Versöhnung zwischen den zwei Fraktionen der Bourgeoisie, was beweist, daß diese in Wahrheit stets ein Ganzes war.

An diesem Punkt angelangt, unterzeichnete die Militärregierung ein Abkommen, das ausländischen Investoren weitgehende Garantien bietet. Jedes ausländische Unternehmen in Brasilien kann die Regierung um Schutz ersuchen; falls es zu irgendwelchen Zwischenfällen, bei denen das Unternehmen Schaden erleidet, kommt, kann es seine Verluste selbst einschätzen. Die brasilianische Regierung muß den Schaden bezahlen. Auf diese Weise werden aus Brasilien jedes Jahr zwei- bis dreimal soviel amerikanische Dollar ausgeführt, als dorthin eingeführt werden.

Um solche Zustände aufrechtzuerhalten, bedarf es dauernder Repression. Das gesellschaftliche und das politische Leben kommen nicht zur Deckung; in den vergangenen Jahren gingen nie mehr als 20 Prozent der Bevölkerung zu den Wahlen.

1969 besuchte Rockefeller im Auftrag Nixons Lateinamerika. In seinem Bericht findet sich der Satz: „In Lateinamerika gibt es demokratische und militärische Regimes. Wir sollten die militärischen Regimes nicht nach ihrer Ideologie einschätzen, sondern nach ihrer Haltung gegenüber den Vereinigten Staaten.“ Rockefeller empfahl, solchen Diktaturen mehr moderne Waffen zu liefern, damit sie ihr Land besser verteidigen können. Gegen wen?

Brasilianische Soldaten werden in Panama trainiert, auch in den USA. Brasilien wird weder von der Sowjetunion noch von China angegriffen werden. So lehren die Amerikaner die brasilianischen Soldaten, wie man Aufstände niederkämpft, das heißt auf die eigene Bevölkerung schießt.

Vor 1964 schloß die brasilianische Linke ein Bündnis mit dem bourgeoisen Nationalismus, um den Imperialismus gemeinsam zu bekämpfen. In der Folge wurde sie von der Bourgeoisie betrogen und ist seither der blutigen, bewaffneten Unterdrückung ausgesetzt. Nun hat die Linke begriffen, daß es keinen anderen Kampf gegen den Imperialismus und gegen die von ihm bezahlte Armee mehr gibt als den bewaffneten Aufstand. Das war eine unvermeidliche Schlußfolgerung; friedliche Demonstrationen in brasilianischen Städten hatten kein anderes Resultat, als daß die Demonstrierenden niedergeschossen wurden. Massenkampf durch große Demonstrationen war noch vor ein paar Jahren in Brasilien allgemein möglich; nun ist er unmöglich. Marighela sagte: „In den Straßen demonstrieren heißt getötet werden, ohne die Möglichkeit, zurückzuschlagen.“

Spontan entstanden bewaffnete Widerstandsgruppen. Sie waren allerdings zunächst entzweit. Das schwächte sie. Marighela arbeitete für ihre Einheit. Nachdem der amerikanische Gesandte entführt worden war, verlangte er, daß die Gefangenen, die im Austausch freigegeben werden sollten, solche der verschiedensten Richtungen sind. Er wollte die kontinentale Einheit der Guerillas. Als er in einem Interview gefragt wurde: „Sehen Sie die Vereinheitlichung lediglich im Rahmen Brasiliens?“, antwortete er: „Nein, der globale Plan des amerikanischen Imperialismus muß durch einen globalen lateinamerikanischen Plan bekämpft werden.“

Es gibt einen Feind, also muß es eine Antwort geben. Ein gewisser Monroe sagte: „Amerika den Amerikanern!“ — Heute heißt das: „Südamerika den Nordamerikanern.“

In diesem Punkt muß der heldenhafte Kampf der Lateinamerikaner uns dazu bringen, unsere eigene Situation zu überdenken. Auch wir haben in Europa eine nationale Bourgeoisie und amerikanische Investitionen. Jeden Tag können wir lesen, daß eine weitere Unternehmung amerikanisch geworden ist. Ich glaube, daß im Falle eines Falles auch in Europa genügend Generäle oder Obristen gefunden werden könnten, die jenen den nötigen Rückhalt geben, die die amerikanische Karte spielen wollen. Das Schicksal der Brasilianer ist vielleicht morgen unser eigenes. Daher ist es nicht nur unsere Pflicht, sondern unser direktes Interesse, uns dem brasilianischen Kampf anzuschließen mit allen uns möglichen Mitteln. Wir brauchen die Einheit von vier Kontinenten statt dreien — gegen den planetaren Feind, den der Imperialismus heute darstellt.

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