FORVM, No. 101
Mai
1962

Castro bleibt kompliziert

Am 26. März gab Fidel Castro ein dreieinhalbstündiges Fernsehspektakel zum besten, das wegen der hiebei geäußerten Angriffe gegen den kubanischen Kommunistenführer Anibal Escalante für einen ebenso bedeutenden Einschnitt in seiner Karriere gelten muß wie der fünfstündige Monolog, mit dem er am 2. Dezember vorigen Jahres seine Bekehrung zum „Marxismus-Leninismus“ zelebrierte. Denn das wesentlichste Problem der kubanischen Politik ist immer noch das Verhältnis zwischen Castro und den eigentlichen Kommunisten, die früher in dem „Partido Socialista Popular“ (PSP) organisiert waren.

Solange diese Partei unter ihrem eigenen Namen operiert hatte, war es verhältnismäßig einfach gewesen, ihre Führer und ihre Politik zu kontrollieren. Eine sogenannte „Fusion“ vereinigte jedoch Mitte 1961 die PSP mit Castros „Bewegung des 26. Juli“ sowie mit dem „Directorio Revolucionario“ (im wesentlichen eine Studentengruppe, die im Kampf gegen Batista aktiv war). Das neue Gebilde erhielt den Namen „Organizaciones Revolucionarias Integradas“ (ORI, Vereinigte Revolutionäre Organisationen) und gilt als Provisorium, aus dem auf einer zweiten, höheren Entwicklungsstufe ein „Partido Unido de la Revolución Socialista“ (PURS, Einheitspartei der Sozialistischen Revolution) hervorgehen soll.

Schon bald nach der Fusion wurde offenbar, daß die neue ORI nichts weiter war als die alte kommunistische PSP im vergrößerten Maßstab. Am 26. März bestätigte Castro diesen Sachverhalt mit aller Ausführlichkeit — bis dahin hatte freilich niemand gewagt, die Karikatur einer neuen Partei als solche zu bezeichnen. Castro enthüllte, daß alle Positionen in der ORI, von oben bis unten und von einem Ende des Landes bis zum andern, automatisch mit PSP-Funktionären besetzt worden waren. Escalante, Organisationssektreär der PSP, wurde Organisationssekretär der ORI, und die PSP-Sekretäre in jeder Provinz wurden einfach auf die entsprechenden Posten in der ORI verpflanzt. Castro versicherte, daß niemand ohne die richtigen Partei-Verbindungen „auch nur die leiseste Hoffnung hatte, irgend einen Posten zu bekommen, sei es in der Industrie, in den Volksfarmen, in den Genossenschaften, in den Gemeinden, in den Provinzen, in der JUCEI (Behörde für Koordination, Vollziehung und Kontrolle) oder in der staatlichen Verwaltung“.

Infolgedessen erlebten die „neuen“ Kommunisten, die aus der „Bewegung des 26. Juli“ oder aus dem „Directorio Revolucionario“ gekommen waren, plötzlich eine einschneidende Verminderung ihres Status. Ihre Macht hatte einst vor allem auf ihren Positionen in der staatlichen Verwaltung beruht; diese war in der Folge völlig der Partei untergeordnet worden, und die Partei wurde nun völlig vom Kaderpersonal der ehemaligen PSP kontrolliert. Die „Parteizellen“ in den Betrieben und anderen Organisationen übernahmen die eigentliche Vollzugsgewalt; die Verwaltungsbeamten, die oft keine PSP-Mitglieder waren, verloren ihre bisherige Autorität. Castro berichtete, daß es sogar für ein Kabinettsmitglied unmöglich geworden war, einen Beamten auszuwechseln, ohne die Erlaubnis der ORI einzuholen. Die Leiter der wichtigsten Ministerien erhielten ihre Befehle direkt von Escalante. Staatssekretäre berieten sich nicht mehr mit ihren Ministern, sondern mit ORI-Funktionären. Kein Sachgebiet, kein Problem, kein Detail — erläuterte Castro — konnte behandelt werden ohne Beiziehung des Organisationsbüros der ORI. „Es war so arg“, sagte Castro, „daß man eine Katze, die Mutter geworden war, zu der ORI bringen mußte, um herauszufinden, was mit den Jungen geschehen sollte“.

Durch diesen Übergang der wirklichen Macht in die Hände der „alten“ Kommunisten wurden die früheren Gegensätze zwischen der PSP und der „Bewegung des 26. Juli“ aufs neue geweckt. Die PSP-Funktionäre forderten für sich alle Privilegien einer unantastbaren Hierarchie einschließlich des Rechtes — wenn man Castro glauben darf —, gewählte Parteigremien nach ihrem Belieben zusammenzusetzen und ihren Verwandten Posten zu verschaffen. Den Anspruch auf solche Privilegien gründeten die PSP-Funktionäre auf die Behauptung, sie hätten im Dienste des nun zur offiziellen Ideologie aufgerückten Marxismus-Leninismus viel mehr Jahre hinter sich als die „Neulinge“ aus der „Bewegung des 26. Juli“. Diese erwiderten, daß sie schließlich die Hauptlast des Kampfes gegen Batista getragen hatten, und zwar schon, als die „alten“ Kommunisten noch mit wahltaktischen Mätzchen ihre Zeit vergeudeten.

Kommunisten unterm Bett

Castro erwähnte eine Anzahl von konkreten Fällen, die mehr oder minder unbedeutende PSP-Funktionäre betreffen. Einer von diesen hatte sich wegwerfend über vier bekannte „Fidelistas“ geäußert — ein Mann, der, wie Castro verächtlich sagte, „unter dem Bett“ war, während diese vier gegen Batista kämpften. Die Redewendung drückt trefflich aus, wie zur Zeit dieser Kämpfe die meisten „Fidelistas“ über die meisten Kommunisten dachten. Castro berichtete auch, daß mehr als hundert Offiziere, die in der Partisanenarmee gekämpft hatten, nun ihre Kommandoposten abgeben mußten, weil die ORI ihr „niedriges politisches Niveau“ bemängelte. Er knüpfte daran den bitteren Hinweis, daß mit dieser Begründung auch Camilo Cienfuegos, einer der großen Revolutionshelden, von seinem Posten hätte entfernt werden können. Und er ließ eine dunkle Anspielung folgen, daß in der Tat gegen eine Gruppe von „höchst wertvollen Genossen der Revolutionszeit in sehr hinterhältiger Weise eine bestimmte Kampagne“ unternommen worden sei.

Der einzige führende kubanische Kommunist, den Castro namentlich angriff, war Aníbal Escalante. Nachdem er ihn „einen echten, ehrlichen Kommunisten“ genannt hatte, hielt er ihm einen ganzen Katalog von „Fehlern“ und „Verbrechen“ vor — vom „Sektierertum“ bis zur Verwandlung der ORI in ein „Instrument zu persönlichen Zwecken“, in eine „Zwangsjacke“, in ein „Joch der Tyrannei“, in eine „Partei des Chaos und der Anarchie“, in eine „konterrevolutionäre Fehlgeburt“.

Castro machte völlig deutlich, daß er auf dem Umweg über Escalante auch andere treffen wollte. Er beschuldigte Escalante der Aufrichtung eines „Systems“ — aber die ganze PSP war daran beteiligt und hatte davon profitiert. In der Tat beschrieb Castro dieses System als eines, in dem „die alten militanten Marxisten als die einzigen wahren Revolutionäre galten, als die einzigen vertrauenswürdigen Genossen, als die einzigen, die einen Posten in einer Volksfarm, in einer Genossenschaft, in der staatlichen Verwaltung oder wo immer sonst bekommen konnten“.

Als Castro jenen ORI-Funktionär erwähnte, der „unter dem Bett“ war, als die Fidelisten gegen Batista kämpften, fügte er unheilverkündend hinzu, daß dies kein Einzelfall sei; er werde alle „entlarven“ und „hinwegfegen“. Die „alten“ Kommunisten seien bisher die einzigen gewesen, die ungestraft Fehler machen durften. Jene, die da glaubten, er wünsche, daß mit ihm „Personenkult“ getrieben werde, müßten an gewisse Tatsachen erinnert werden, z.B. daran, daß „wir einen Krieg geführt, daß wir ihn angeführt und daß wir ihn gewonnen haben“.

Die Aufeinanderfolge der Ereignisse bis zum offenen Zustammenstoß mit den „alten“ Kommunisten legt die Vermutung nahe, daß weder die sachlichen Streitpunkte noch seine persönliche Rolle hiebei so klar und einfach waren, wie Castro dies nun darstellen will.

Ihm zufolge brach die Führungskrise in der ORI am 1. Januar dieses Jahres aus; die Partei stand demnach zumindest sechs Monate unter der praktisch unumschränkten Kontrolle der PSP. Erst am 9. März wurde ein 25-köpfiges Parteidirektorium gebildet — die lange Verzögerung deutet auf einen außerordentlich heftigen inneren Machtkampf. Die „alten“ Kommunisten erhielten zehn Direktoratssitze; Castro konnte sich also eine arbeitsfähige Majorität sichern.

Zu diesem Zeitpunkt war der Kampf zugunsten der „neuen“ Kommunisten entschieden, aber noch waren die „alten“ nicht endgültig besiegt. Obwohl Escalante bereits im Mittelpunkt des Machtkampfes stand, wurde er ins Direktorium aufgenommen; man schien sich geeinigt zu haben, seine völlige Eliminierung zu vermeiden. In das kleinere und einflußreichere ORI-Sekretariat kam jedoch nur ein einziger Führer der PSP, deren Generalsekretär Blas Roca. Die übrigen fünf Posten wurden wie folgt besetzt: Fidel Castro, Erster Sekretär; Raúl Castro, Zweiter Sekretär; Industrieminister Ernesto (Che) Guevara; Präsident Osvaldo Dorticós; Emilio Argonés.

Schon am 13. März gab es wiederum Streit. Auf einer Universitätsfeier zu Ehren des von Batista getöteten Studentenführers José Antonio Echevarría wurde dessen „Testament“ von einem ORI-Funktionär vorgetragen, jedoch unter Auslassung von drei Zeilen, die religiösen Gefühlen Ausdruck geben. Echevarría war einer der Gründer des „Directorio Revolucionario“ und hatte weder mit Castro noch mit den Kommunisten Verbindung gehabt; er war somit Vertreter einer politischen Gruppe, an deren Gewinnung dem derzeitigen Regime viel liegt. Als sich Castro zu seiner Rede erhoben hatte, zeigte sich sehr schnell, daß er einen so geringfügigen Anlaß wie die „Zensur“ jener drei Zeilen zur Improvisation einer wütenden Anklage gegen die Übel des „Sektierertums“ benützte. Hiebei fiel zum ersten Mal der Ausdruck „Joch der Tyrannei“ zur Bezeichnung des Zustandes, in den die Revolution geraten sei. Aber er nannte noch keinen Namen, und er gab der Umbenennung der Jugendorganisation „Jóvenes Rebeldes“ (Junge Rebellen) in „Jóvenes Communistas“ (Junge Kommunisten) seinen ausdrücklichen Segen.

Dennoch wurde hiebei die Spaltung der Partei, die am 9. März überdeckt worden war, wiederum offenkundig. Castro wollte nun die endgültige Kraftprobe. Am 24. März wurde eine Umbildung der Regierung bekanntgemacht, und zwei Tage später sprach Castro bereits offen von dem „heillosen Wirrwarr“, den Escalante und die „alten“ Kommunisten angerichtet hätten. Nach den Spielregeln der „proletarischen Demokratie“ erhielt Escalante keine Gelegenheit, sich zu verteidigen. Man überredete ihn schleunigst zu einer Freifahrt nach Osteuropa — vielleicht eine Strafe, die seinem Verbrechen angemessen war.

Der angeführte Führer

Immerhin scheint Castro ungewöhnlich lange gebraucht zu haben, um sich zum Widerstand gegen die drohende Machtübernahme der PSP zu entschließen. Seine Rede vom 26. März enthielt zahlreiches Beweismaterial dafür, daß ihm seit geraumer Zeit völlig bewußt war, was da gespielt wurde, und daß er in dem Spiel, mit dem die PSP ihren Aufstieg bewerkstelligte, keine geringe Rolle innehatte. An einer Stelle gab Castro nicht nur zu, daß „wir in den Fehler des PSP-Sektierertums verfallen waren“, sondern ausdrücklich, daß „ich in diesen Fehler verfallen war, zum Teil unwissentlich ... aber natürlich sind wir alle mehr oder minder verantwortlich dafür“. Bei seinem ziemlich lahmen Versuch einer Erklärung, warum diese falsche Politik so lange geduldet wurde, bis eine so ernsthafte Situation entstanden war, machte Castro ein bezeichnendes Eingeständnis: man hätte die Fehler erst bekämpfen können, als „nicht nur die Führer, sondern die Massen selbst sich ihrer bewußt geworden waren“. Offenkundig bedurfte es des Druckes der Massen, um Castro und seinen Vertrauten klar zu machen, daß sie drastische Abhilfe schaffen mußten.

Castro trug noch das ganze Jahr 1961 hindurch zur Schaffung jener politischen Atmosphäre bei, in der die Machtübernahme der PSP möglich wurde. Er hatte sich wiederholt vor der „alten Garde“ gedemütigt, indem er mit ausführlicher Umständlichkeit deren ideologische Überlegenheit anerkannte. Noch in seiner Rede vom 2. Dezember 1961, in welcher er sich der Welt als „,Marxist-Leninist“ vorstellte, hatte er Escalante als einen jener Kommunisten bezeichnet, deren Verdienste besonderer Berücksichtigung wert wären. Zur selben Zeit schwoll bereits der Widerstand gegen Escalantes Parteimaschine, und keinen Monat später brach der Streit auch in den Führungspositionen aus.

Bezeichnenderweise befaßte sich Castro in seiner Rede vom 26. März mit keinerlei politischen Fragen, sondern fast ausschließlich mit der Kontrolle von Partei und Regierung. Er tat ausdrücklich der Gerüchte Erwähnung, daß er durch Roca oder Escalante ersetzt und auch sein Bruder Raül durch jemand anderen verdrängt werden sollte; dies sei auf „mandomania“ (Machtrausch) und „gobiernomia“ (Herrschsucht) zurückzuführen, die im Lande ausgebrochen seien.

Wenn das vergangene Jahr für Kuba gut verlaufen wäre, hätte sich vielleicht herausgestellt, daß die Machtübernahme der PSP auf keinen Widerstand gestoßen wäre, oder auch, daß ein Widerstand nicht möglich gewesen wäre. Aber die Krise der Partei ist bloß ein Teil der Krise des gesamten Regimes und teilweise auch deren Ergebnis. Die „alten“ Kommunisten hatten das Unglück oder Ungeschick, sich gerade ins Zentrum der Macht und damit auch der Unzufriedenheit des Volkes zu manövrieren, als die wirtschaftliche Lage sich außerordentlich verschlechterte. Indem sie das Land selbst regierten, statt dies anderen zu überlassen, präsentierten sie sich als die geeigneten Sündenböcke, und gerade solche brauchte das Regime, das eine Korrektur der „Parteilinie“ vollziehen wollte.

Solcherart mußte die PSP angesichts der sich gefährlich verschlechternden Lage einen schmählichen Rückzug antreten und einen ihrer hervorragendsten Funktionäre opfern. Indem sie Escalante fallen ließen, gaben die Kommunisten zu verstehen, daß sie zwei Realitäten anerkennen: sie können das Land nicht selbst regieren; und Castro ist immer noch der entscheidende Faktor ihres Rechenexempels. Castro hob hervor, daß die endgültige Entscheidung, Escalante zu entfernen, einstimmig gefaßt wurde. Es steht zu erwarten, daß Escalantes Genossen dessen Namen nun fleißig anschwärzen und mit ungezählten Beispielen dartun werden, daß er schon immer ein korrumpierendes Element und ein verräterischer Abweichler war.

Dennoch wäre es in diesem Stadium der Entwicklung eine Illusion, wenn man glaubte, daß Castro mit den Kommunisten gebrochen hätte. Trotz allen Unfreundlichkeiten, die er am 26. März gegen sie vorbrachte, gab er sich zugleich die größte Mühe, ihre bisherigen Verdienste zu würdigen und die Fortsetzung ihrer Mitarbeit in der Einheitspartei wie in der Regierung klarzustellen. Er will weder, daß die PSP alle Macht erhält, noch, daß sie alle Macht verliert. Es geht ihm um ein neues Gleichgewicht der Kräfte; das Regime will eine breitere Massenbasis, der verblichene Glanz des Fidelismus soll aufs neue erstrahlen.

Castro hat einige Kommunisten angegriffen, und nicht den Kommunismus. Im Gegenteil, er bekräftigte mit den stärksten Ausdrücken seinen Glauben an den Marxismus-Leninismus wie an den Kommunismus, und gerade seit der Rede vom 26. März benützt er die beiden Begriffe, ohne zwischen ihnen einen Unterschied zu machen. Gegen Ende jener Rede versicherte er: „Wir diskutieren heute nicht über die Vorzüge und Nachteile des Kommunismus und des Antikommunismus oder über irgendwelche ideologischen Standorte; unsere Revolution ist eindeutig eine marxistisch-leninistische, und wir vollziehen diese Selbstkritik unserer Fehler im Rahmen des Marxismus-Leninismus. Niemand möge von etwas anderem träumen oder sich irgendwelchen Illusionen hingeben.“

Solcherart ließ er die Sowjetunion wissen, daß sie sich über die grundsätzlichen Anschauungen und den zukünftigen Kurs seines Regimes keine Sorgen zu machen brauche. Castro ist immer noch ein Kommunist, aber er ist jetzt ein anderer Kommunist. Früher waren die „alten“ Kommunisten unter Führung von Roca und Escalante die befugten Interpreten des „Marxismus-Leninismus“, jetzt ist dies Castro selbst. Nach dem Sturz Escalantes präsentiert er sich als höchste Autorität betreffend „Sektierertum“, „Dogmatismus“, „Persönlichkeitskult“, „Revisionismus“, „Selbstkritik“, Beziehungen zwischen Partei und Regierung, „Dialektik“, Lenin-Texte und das ganze sonstige ideologische Arsenal. Was in Kuba Kommunismus ist, bestimmt von nun ab Castro.

Ein Kommunist wie kein Kommunist

Die Interpretation der kubanischen Ereignisse durch auswärtige Beobachter wird seit langem von deren Neigung beeinträchtigt, hiebei aus einem Extrem ins andere zu verfallen. Nach der Rede vom 2. Dezember 1961 konnte man mit einigen, aus dem Zusammenhang gerissenen Sätzen beweisen, daß Castro seit langem ein waschechter Kommunist sei. Vier Monate später konnte man mit der gleichen Methode beweisen, daß er mit den Kommunisten gebrochen habe und in Wirklichkeit niemals einer gewesen sei.

Castro repräsentiert die kubanische Variante innerhalb der als kommunistisch zu klassifizierenden Revolutionen. Wer ihn von dieser Klassifikation ausnimmt, verkennt ihn schon deshalb, weil Castro doch selbst auf dieser Klassifikation besteht. Wer ihn innerhalb dieser Klassifikation mit den anderen Varianten einfach gleichsetzt, verkennt ihn schon deshalb, weil er die komplexe Neuartigkeit der kubanischen Revolution nicht berücksichtigt.

Durch die Behauptung, daß er nie etwas anderes als ein echter Kommunist war, wird sein Bild bis zur Unkenntlichkeit simplifiziert; desgleichen durch die Behauptung, daß er niemals ein echter Kommunist werden könne.

Castro kam auf ganz anderen Wegen zur Macht und zum Kommunismus als die übrigen nationalkommunistischen Führer. Auch die andern Kommunisten können sich bei seiner Beurteilung an keine passenden Präzedenzfälle halten. Er wird sich vermutlich in Zukunft so wenig in ein Schema einordnen lassen wie bisher. In ihm mischen sich extremer Opportunismus mit opportunistischem Extremismus; er bindet sich weder an eine verlorene Sache noch an bloße Abstraktionen. Er ist ein seinem Wesen nach unbeständiges Element in einer ihrem Wesen nach unbeständigen Kombination von Kräften, und er ist eben deshalb in dieser Kombination unentbehrlich.

Obgleich er die alltäglichen Regierungsgeschäfte praktisch den „alten“ Kommunisten übergeben hat, ist es ihm durch Umstände außerhalb seiner Gewalt unmöglich, zusammen mit diesen eine „orthodoxe Linie“ einzuhalten. Castro und die kubanischen Kommunisten sind in einen Engpaß geraten, aus dem sie sich nur durch eine Serie von zeitweiligen Konzessionen und Kompromissen retten können, durch sanfte Überredungskünste anstelle von extremer Starrheit, kurz: durch ein Maximum an Manövrierraum — sogar in ihren Beziehungen zu den Vereinigten Staaten.

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