Das Elend der Haus-Partei
Der Verkauf des EKH hat die linke Debatte wieder einmal auf die KPÖ fokussiert. Es lohnt sich die Partei, die als Zwitterwesen zwischen Staatsbegründerin und Systemoppositionelle existiert, genauer anzusehen. Kann sie oder Teile von ihr Teil einer sich stärker assoziierenden Linken sein, oder steht sie dem entgegen?
Intellektuell hat die KPÖ kaum was zu bieten und auch ihre Beteiligung an aktuellen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen ist eher vernachlässigbar. (Ich will dabei keinesfalls die Leistungen des GLB im Bereich Post oder die Initiative der Grazer KPÖ gegen den Verkauf der Gemeindewohnungen schmälern). Warum also noch über die KPÖ nachdenken und reden? Weil sie mit ihren 3000 Mitgliedern und ihren 200.000 Euro subventionsunabhängigen Jahresbudgets eine Potenz darstellt, auf die es sich lohnt, Einfluss zu nehmen und weil sie im Gegensatz zu vielen anderen politischen Formierungen ein Erinnerungsort ist, an dem sich österreichische Geschichte widerspiegelt.
„Auf zum letzten Gefecht?“ titulieren die bürgerlichen Medien hämisch die Situation der KPÖ, welche wieder einmal vor einer Zerreißprobe steht und die sich durch den Verkauf des EKH zusätzlich dramatisch zugespitzt hat. Spätestens seit 2000 sind in der Widerstands- und Staatsvertragspartei drei kaum miteinander kommunizierende Identitäten erkennbar: Ein bewegungsorientierter Flügel, der sich zuerst in die Dienste gegen Schwarzblau und dann für die Sozialforen gestellt hat, eine dazu konterkarierende stalinistische Gegenbewegung, die einem verbalen ArbeiterInnenklassekult huldigt, und eine autarke steirische Variante, die geschickt die Lücke der Sozialdemokratie und die Selbstzerfleischung der FPÖ in Wahlerfolge münzen konnte. Die Parteiführung reklamiert für sich die Position in den Bewegungen, unterscheidet sich in vielen politischen Forderungen nicht von der Grazer KPÖ (So etwa war eine Forderung auf Nulltarif für alle in den Wiener Öffis aus Rücksicht auf GLB-GewerkschafterInnen bei den Wiener Linien nicht möglich!! und wurde zur Beendigung einer situationistischen Protestperformance gegen den EKH-Verkauf im 7Stern sofort die Polizei gerufen) und handelt, wie der Verkauf des EKH zeigte, strukturell in klassisch-stalinistischer Tradition.
Die Spaltung der Partei ist de facto vollzogen, allein die Beharrlichkeit der Führung, ihre Positionen nicht aufgeben zu wollen, das Vorhandensein bescheidener Kapitalien und wahrscheinlich die Illusion den Prozess gegen die deutsche Treuhand, der in Deutschland verloren ging, in der Schweiz (dort liegt ein Großteil des Vermögens der Novum) doch noch gewinnen zu können, lässt die Trennung zu einem nicht enden wollenden Selbstzerfleischungsprozess werden.
Der stalinistische, rechte Flügel bombardiert die Parteiführung mit Anzeigen, Klagen und öffentlichen Diffamierungen und schreckt dabei auch nicht vor antisemitischen und sexistischen Formeln zurück („Das unterschlagene Geld ist längst in Tel Aviv“, als Anspielung auf einen Wohnort der ehemaligen Novum-Treuhänderin Steindling, „Ihr Mann würde sich im Grab umdrehen“, als Beschreibung des Verhaltens des Bundesvorstandsmitglieds Margit Kain oder einfach „ihr streitet euch ja nur mehr um den Strick, an dem wir euch aufknüpfen“ als Drohmail an den Pressesprecher Zach). Im weiteren möchte ich auf diesen Flügel nicht weiter eingehen, da dieser kaum mehr als links zu bezeichnen ist. Bezeichnend vielleicht noch, dass der Sprecher dieser Plattform, der Unternehmer Otto Bruckner am Jahrestag der Intifada eine Rede hielt, die die ungeteilte Unterstützung und Wiedergabe auf der Homepage der deutschen NDP findet.
In einem großen Dilemma befindet sich die steirische KPÖ. Sie hat es geschafft, zu widerlegen dass das „K“ jegliche Wahlerfolge verunmöglichen würde, sie haben sich durch beharrliche Interessenspolitik in sozialen Fragen in Graz auf über 20% hochgearbeitet und stehen auf dem Sprung in den steirischen Landtag. In der Krise der KPÖ würden sie sich am liebsten totstellen und gleichzeitig die Parteispitze, die Ihnen zu bewegungsorientiert ist, loswerden. In unpopulären Politikbereichen, wie dem Antirassismus, halten sie sich raus, unterstützen ohne viel Aufsehen MigrantInnenorganisationen, setzen sich aber nicht für die Öffnung der Gemeindebauten für deren Klientel ein. Längst haben sie sich von bundesweiten Debatten zurückgezogen, sie wollen aufgrund ihrer regionalen Popularität KPÖ sein, wünschen sich aber die anderen, ohne sich damit konfrontieren zu müssen, einfach weg.
Der bewegungsorientierte Teil der KPÖ, der vor allem in Wien, Linz, Salzburg und Kärnten verortet ist, hat sich innerhalb der Linken in den letzten Jahren eine ernstgenommene Position aufgebaut, was sich kaum in Wahlergebnissen niederschlug; ein ständiger Grund zu Häme für die erfolgreichen GrazerInnen. Die Parteispitze unterstützte diese Position und forcierte vor allem die internationale Zusammenarbeit, die z.B. zur Mitbegründung der Europäischen Linkspartei durch die KPÖ führte. Mit dem klammheimlichen Verkauf des EKH durch die Parteiführung (involviert waren gerade mal 3 bis 5 Personen!!!) hat dieser Flügel der Partei sämtliche öffentliche Reputation verloren. Der autistische, sowohl politisch als auch ökonomisch stümperhaft durchgeführte Verkauf stellt eine politische Weichenstellung dar, nämlich die Abgrenzung von der radikalen Linken, auch wenn Baier, Graber und Stiefsohn dies nicht planten und wahrhaben wollen; offensichtlich getrieben von einem beinahe religiös anmutenden Sendungsbewusstsein.
Mehr als 1000 DemonstrantInnen gingen für das EKH auf die Straße, wovon nach Befragungen 20 bis 30% KPÖ wählten. Die KPÖ hat aber nicht nur WählerInnenstimmen verloren, sondern wichtige Knotenpunkte in linken Netzwerken, sie hat nicht nur ein Haus verkauft, sondern ein spannendes Politikfeld im urbanen Raum und alle Mitglieder, die in diesen Bereichen tätig waren. Diesen Amoklauf des KP-Bundesvorstands ausschließlich mit subjektivem Fehlverhalten zu erklären, würde aber zu kurz greifen. Alle zentral Verantwortlichen der KPÖ haben eine jahrzehntelange KP-Sozialisation, was in Krisenzeiten immer bedeutet, kein Vertrauen zu den Einschätzungen der eigenen Mitglieder zu haben. Der politische Autismus wird mit großer Verantwortung umschrieben, und es wird alles versucht, den eingeschlagenen Weg als alternativlos darzustellen. Das EKH-Dilemma der KPÖ erinnert an die internationale Solidarität in der DDR. Während die Staatsführung Menschen aus befreundeten Trikontstaaten das Studium finanzierte, wurde das der Bevölkerung tunlichst verschwiegen, die wiederum rassistische Ressentiments pflegte und diskutierte, dass die Vietnamesinnen in der DDR alle Fahrräder aufkauften, um sie zu exportieren. Jahrelang förderte die KPÖ indirekt die Initiativen des EKH, ohne je einen positiven Bezug dazu herzustellen. Jetzt, da die Finanzknappheit in einem Panikverkauf einer lukrativen Immobilie mündete, wird selbstmitleidig darauf verwiesen, allerdings erneut ohne positiven politischen Bezug.
Die Forderung der Parteilinken nach Rückzug von Baier und Graber nach dem 33. Parteitag als Konsequenz des katastrophalen politischen Fehlers ging ins Leere. Wieder wird von Verantwortung für die Zukunft gesprochen, schlimmer noch, die Linken werden dafür kritisiert, weil sie diese eigenartige Verantwortung nicht mit übernehmen wollen. Die Beschlüsse des Linzer Parteitags wollen Aufbruchsstimmung suggerieren, wahrscheinlicher ist aber die Prolongierung des Elends.
Die steirische KPÖ wird wohl die gönnerhafte Einladung auf Mitwirkung weiter ignorieren, solange sie finanzielle Unterstützung für ihre Wahlkämpfe erhält, der stalinistische Flügel wird wohl weiter die Gerichte bemühen und die eingeleiteten Ausschlüsse gegen manche seiner Mitglieder agitatorisch aufblasen und wesentliche Teile der radikalen Linken in der KPÖ sind ausgetreten. Ob der neugewählte Bundesvorstand das Potential besitzt, Risiko einzugehen, um kreative Lösungen zu finden, ist zu bezweifeln. Anbieten würde sich etwa eine Vereinbarung mit der steirischen KPÖ ähnlich der CDU/CSU-Lösung in Deutschland, dynamischer wäre noch die Neugründung der KPÖ in ein bis zwei Jahren und die Überlassung des Namens für die steirischen GenossInnen, die die gewachsene, helferische, teils nationalistische, oft kleinbürgerliche Identität der KPÖ mehr als 20% der GrazerInnen schmackhaft machen konnte. Dass die Existenz zweier linken Parteien nach einer Spaltung nicht zwangsläufig ein Niedergang ist, beweisen die griechischen Synaspismos und KKE. Die Beschreibung einer der Ausgetretenen, die aktuelle KPÖ schade mehr als sie nutzt, hat durchaus Berechtigung, eine parteiförmige Neuformierung, in der auch Positionen der radikalen Linken einen Platz haben, scheint ohne Spaltung der KPÖ aber auch ohne Impulse und Initiativen von außen kaum möglich.
Solidaritätserklärung der Context XXI mit dem EKH
Die Redaktion der Zeitschrift Context XXI möchte ihre Bestürzung über den Verkauf des EKH durch die KPÖ an eine Firma mit rechtem Hintergrund zum Ausdruck bringen. Die KPÖ-Führung um Walter Baier liefert damit die Flüchtlinge und politischen Projekte des EKH an Personen aus, die die Zerschlagung einer der letzten linken Infrastrukturen in Wien betreiben werden. Auch wenn wir uns als pluralistisches Medienprojekt in der Einschätzung der Bedeutung des EKH und der politischen Ausrichtung seiner NutzerInnen nicht immer einig sind, so sind wir uns umso einiger in der Ablehnung der Zerschlagung dieses politischen Zentrums durch die KPÖ. Der Verkauf entlässt die KPÖ-Führung nicht aus ihrer politischen Verantwortung für die Unterbringung der Flüchtlinge und der politischen Projekte des EKH: den Infoladen 10, das Queer-Beisl, die VolXbibliothek, das Archiv der sozialen Bewegungen, die ATIGIF oder die TATblatt-Redaktion. Zudem ist und bleibt unklar warum die KPÖ das EKH um einen äußerst geringen Betrag an eine politisch suspekte Firma verkauft hat. Wir fordern deshalb die KPÖ dazu auf, alle Finanztransaktionen in Zusammenhang mit dem EKH offen zu legen, das Haus zurückzukaufen oder zumindest den Flüchtlingen, den BewohnerInnen des EKH und den darin befindlichen politischen Projekten ein Ersatzhaus zu schenken, in dem alle Platz finden.
im November 2004