ZOOM 6/1997
Oktober
1997
Kid Möchel:

Der geheime Krieg der Agenten

Spionagedrehscheibe Wien

Verspricht die Einleitung auf der Höhe des derzeitigen Wis­senstandes über Aktivitäten und Strukturen der Geheim­dienste, der österreichischen Zustände und des offiziellen und inoffiziellen politischen Verlaufes des kalten Krieges zu sein, so bleibt davon in der Folge wenig übrig. Bereits die Inhaltsangabe zeigt, daß es sich hier nur um eine halbe Drehscheibe handelt.

Der Autor führt in vielen furchterregenden Beispielen die Machenschaften des KGB und der Geheimdienste der sonstigen ehemals kommuni­stischen Länder Osteuropas an. Österreich erscheint prak­tisch als ein den Sowjets und ihren Verbündeten hilflos und willenlos ausgeliefertes Land, das ohnmächtig zuse­hen muß, wie die kommunistischen Geheimdienste und deren heutige Nachfolger hier Räuber und Gendarm mit den westlichen Geheimdien­sten spielen. Über die westli­chen Geheimdienste erfährt man nur, wenn sie Opfer der hinterhältigen Intrigen derer aus dem Osten werden. Ab und zu taucht auch der BND auf, und da räumt der Autor dann doch ein, daß dieser ehemals westdeutsche Ge­heimdienst Österreich „schon aus Tradition“ so betrachte­te, „als wäre es ein weiteres Bundesland“. Ich nehme an, er tut es weiterhin. Aber auch den anderen westlichen Ge­heimdiensten war Österreich gern gefällig. Zitat: „... der österreichische Staat, schon damals strikt und ‚immer­während neutral‘, opferte oft und gerne seine Souveränität den Wünschen der westli­chen Staatsvertrags-Signatar­staaten.“ Na geh! Aber das war es dann schon, kaum Bei­spiele von Aktionen westli­cher Geheimdienste, nur all­gemeine Feststellungen, dafür ein Meer an solchen der öst­lichen, in dem man schön langsam ertrinkt.

Denn es fehlen die Analy­se und die historische Ein­bettung der Ziele und Aktio­nen der Geheimdienste, es werden keine Strukturen und Kontinuitäten vermittelt, kei­ne Zusammenhänge von ge­heimdienstlichen Aktivitäten und politischen Veränderun­gen aufgezeigt. Agentinnen tauchen auf und verschwin­den wieder, was einen spannenden Roman ergeben könnte, hier aber durch das Immergleiche langweilt. Eine konzise Darstellung der öster­reichischen Politik gegenüber dem Geheimdienstkrieg auf neutralem Boden wäre inter­essanter gewesen.

Der geheime Krieg der Agenten: Spionagedreh­scheibe Wien. Kid Möchel, Rasch und Rohring, Hamburg 1997, 470 S., öS 321,—

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