ZOOM 2/1996
März
1996

Der ideologische Charakter von Network

Meine ersten Erfahrungen mit mail art stammen ungefähr aus dem Jahr 1967, als Edgardo Antonio Vigo, Guillermo Deisler, Dámaso Ogaz und ich unsere jeweiligen Publikationen austauschten. Von diesen Publikationen ausgehend, montierten wir schließlich unsere künstlerischen Grundsätze. Offiziell begann ich mail art im Jahr 1969 zu machen , als das Magazin OVUM aus Uruguay meine Postkarten und visuellen Gedichte veröffentlichte.

1974, während der uruguayanischen Militärdiktatur, organisierte ich die erste lateinamerikanische Mail-art-Ausstellung in der Galerie U in Montevideo. Meine Edition unechter Post-Stempel verurteilte das diktatorische Regime für seine brutale Unterdrückung der Menschenrechte. Möglicherweise führte das zu meiner Einkerkerung von August 1977 bis November 1979. Aber im Oktober 1983 stellte ich meine künstlerischen Aktivitäten in der Ausstellung „1.Mai“ in Uruguay vor. Danach organisierte ich die lateinamerikanische und karibische Vereinigung der MailArtistInnen, die am 31. August 1984 in Rosario, Argentinien, gegründet wurde. Seither habe ich an Hunderten von Mail-art-Ausstellungen in aller Welt teilgenommen.

Die leicht zugängliche, unverfälschte Art des kommunikativen Austausches war für mich faszinierend. Mail art betont die Bedeutung von Kommunikation. Mail-art-Kunstwerke sind nicht für den Kunstmarkt gemacht, nicht gemacht, um konsumiert zu werden, sie sind vielmehr Produkte der Kommunikation.

Das kulturell vorherrschende System diktiert, daß nur einige privilegierte Wesen die „Erlaubnis“ haben, Kunst zu produzieren. Mail ArtistInnen sollten diese Form von falscher kultureller Übereinkunft in Frage stellen.

In der Gesellschaft ist ideologisch definiert, was „schön“ ist, und was nicht „schön“ ist, was „Kunst“ und was nicht „Kunst“ ist. Aber mail art und andere Konzeptkunst erlaubt BetrachterInnen, in direkte Interaktion mit dem Kunstwerk zu treten, wodurch jedeR BetrachterIn für sich diese Entscheidung treffen kann.

Mail art ist Kunst, und ihr Objekt ist ein Produkt menschlicher Arbeit, das soziale Beziehungen widerspiegelt. In jedem Produkt, das jemand übermitteln möchte, sind Charakteristika der Beziehungen zwischen der Gesellschaft und diesem Menschen enthalten. Daher beinhaltet es die Antagonismen und Widersprüche, die diese Beziehungen aufweisen. Mail art spiegelt diese Beziehungen wider und kann nicht umhin, die Ideologie der sozialen und politischen Realität zu bearbeiten. Es ist unmöglich, das Künstlerische zum Politischen und zum Sozialen zu reduzieren oder umgekehrt. Der politische Inhalt von Kunst ist untrennbar mit ihrem künstlerischen Inhalt verbunden. Kunst offenbart eine Form des sozialen Bewußtseins, ein Instrument des Wissens.

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