radiX, Nummer 3
Mai
2000

Der zweite Untergang Nubiens

Große Teile der historischen Landschaft Nubiens an der Grenzregion zwischen Ägypten und dem Sudan verschwand bereits 1962 unter den Fluten des Nasser-Sees. Nun sollen weitere Dammbauten wiederum riesige Gebiete Nubiens unter Wasser setzen.

Mit Unterstützung der Sowjetunien errichtete der panarabische Militärdiktator Gamal abd an-Nasser in den Sechzigerjahren den damals größten Stausee der Welt. Am Oberaluf des Ägyptischen Nils — gleich hinter Aswan — wurde mit dem Sadd al-Ali das Land von über Hunderttausend Angehörigen der nubischen Minderheit unter Wasser gesetzt. Rund 50.000 NubierInnen wurden nach „Neu-Nubien“ um die Oberägyptische Stadt Khom Ombo umgesiedelt, zehntausende sudanesische NubierInnen wurden in den Süden des Landes um Kassala an der Grenze zu Äthiopien und Eritrea umgesiedelt. Der sudanesische Militärdiktator General Abbud hatte sich jenen Teil Nubiens der durch das ägyptische Projekt auf sudanesischer Seite unter Wasser gesetzt wurde für Geld von der ägyptischen Führung ablösen lassen, Geld das v.a. in die Taschen des Diktators und seiner Günstlinge selbst wanderte.

Die Katastrophe des Sadd al-Ali

Für die Menschen, die zwischen Aswan und Abri in einer jahrtausende alten Kulturlandschaft am Nil lebten, bedeutete der Bau dieses Dammes den Untergang ihres Landes. Während der Großteil der Bevölkerung umgesiedelt wurde, konnten jene die sich widersetzten am Ufer des neuen Sees neue Siedlungen errichten. Die BewohnerInnen der Stadt Wadi Halfa wehrten sich erfolgreich gegen ihre Deportation und errichteten am Ufer des Nasser-Sees ein neues Wadi Halfa. Während die alte Stadt jedoch als eine idyllisch gelegene Kleinstadt zwischen Dattelgärten am Nil lag, bildet das neue Wadi Halfa eine trostlose Siedlung zwischen den Fluten des Sees und der Wüste. Wer die Stadt besucht sucht vergebens nach Dattelpalmen oder irgendwelchen anderen Anbauflächen. Der Übergang vom See zur Wüste ist nahtlos. Und so gibt es auf dem lokalen Suq nur dann Gemüse wenn gerade der Zug von Khartum oder das Schiff von Aswan eintrifft. An den übrigen Tagen beschränkt sich das Angebot auf Fisch und Brot.

Die nomadisierenden Ababda — eine Untergruppe der Beja — wurde beim Bau des Dammes überhaupt nicht informiert. Etwa 3.000 Menschen wurden von der plötzlichen Überflutung ihrer Weideflächen überrascht, was den Tod ihrer Herden und vielen von ihnen das Leben kostete.

Aber nicht nur für die vertriebenen Nubier und die Nomaden zwischen Nil und Rotem Meer hatte der Dammbau eine Reihe von Katastrophen mit sich gebracht. Auch jene die vom Damm vorerst profitierten bekommen nun langfristig die negativen Folgen des Monsterprojektes zu spüren. Während die jährlichen Nilfluten über Jahrtausende hinweg das Niltal mit fruchtbarem Schlamm versorgten muß nun mit Kunstdünnger die Produktivität der Böden gesichert werden. Der fruchtbare Schlamm bleibt nun im See liegen, der dadurch immer mehr verlandet. Nun noch wenige der ursprünglich in Betrieb befindlichen Turbinen des Kraftwerkes arbeiten und der Damm zeigt bereits bedenkliche Risse. Im Kriegsfalle stellt der Damm aber sowieso Ägyptens größtes Sicherheitsrisiko dar. Bei einer Sprengung des Sadd al-Ali würde eine Flutwelle das gesamte Niltal bis Kairo und ans Mittelmeer — und damit fast die gesamte bewohnte Fläche Ägyptens — vernichten.

Neue Dämme

Anstatt aus den Fehlern mit den Monsterprojekten der Sechzigerjahre zu lernen, gibt es nun seit einigen Jahren Pläne im sudanesischen Niltal weitere Groß-Dämme zu errichten. Suad Ibrahim Ahmed, eine pensionierte Akademikerin und NGO-Aktivistin machte im Mai 1998 die internationale Öffentlichkeit auf neue Bauvorhaben in Obernubien aufmerksam. Für den Kajabar-Damm in Obernubien wurde sogar schon ein Vorabkommen mit einem chinesischen Konzern abgeschlossen, der den Bau durchführen soll. Der Kajabar-Damm soll 111km nördlich der Stadt Dongola, der Hauptstadt der Nordprovinz des Sudan, am dritten Nilkatarakt errichtet werden. Während die sudanesische Militärregierung unter Umar al-Bashir behauptet, daß nur neuen Dörfer vom See hinter dem Damm überflutet werden sollen, sprechen Öko-AktivistInnen aus Nubien von einem fast 220m tiefen See, der zweihundert nubische Dörfer zwischen dem 3. Katarakt und Dongola unter Wasser setzen soll. Neben den zweihundert Dörfern werden rund fünf Millionen Dattelpalmen im See des Kajabar-Dammes untergehen, Dattelpalmen die die Lebensgrundlage der nubischen Bevölkerung darstellen.

Gegen diesen Dammbau gibt es bereits reichlichen Widerstand der lokalen nubischen Bevölkerung und von NubierInnen aus dem Ausland, die schon nach dem Bau des Aswan-Dammes vertrieben worden waren. Da oppositionelle Tätigkeiten im Sudan selbst durch die autoritäre, den Muslim-Brüdern nahestehende Militärregierung Umar al-Bashirs und Hasan al-Turabis erschwert ist, ist es insbesondere das Nubian Studies Documentation Center (NDSC) in Kairo, das seit längerem gegen diesen Dammbau arbeitet. Aber auch vor Ort wurde mit Sitzstreiks gegen die Ankunft eines chinesischen Techniker-Teams protestiert, das die Gegebenheiten für den Dammbau vor Ort auskundschaften hätte sollen. 50 Personen wurden während solch eines Sitzstreikes im Mai 1998 verhaftet.

Weiter südlich soll ein noch größeres Kraftwerk bei Hammadab entstehen. Obwohl die ökologischen Folgen dieses Monsterprojektes vielleicht insgesamt noch gravierender sind als jene des Kjabar-Dammes, ist die Region die von diesem See überflutet werden soll, geringer besiedelt und deshalb gibt es auch weniger Widerstand der lokalen Bevölkerung, die teilweise aus nur gelegentlich am Nil ansäßigen Beja-Nomaden besteht.

Beide Dämme brächten aber eine noch viel weitgehendere Zerstörung Nubiens mit sich, als dies der erste Damm bei Aswan schon getan hat, natürlich auf Kosten der lokalen Bevölkerung.

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