„Die Glaubwürdigkeit des Friedensprozesses wurde damit sicher nicht grösser“
Kamilla Ibrahim Kuku Kura ist eine der Gründerinnen des „Nuba Mountains Women Comitee“, einer Basisorganisation von Frauen aus den Nuba-Bergen, die als intern vertriebene Bevölkerung in den Armenvierteln der Hauptstadt Khartoum leben. Seit dem Friedensschluss in den Nuba-Bergen können sie auch dort ihre Aktivitäten entfalten.
Kamilla Ibrahim Kuku Kura: Wir haben uns 1997 eigentlich aus einer Bibelrunde unserer Kirche heraus entwickelt als wir noch vor dem Waffenstillstand in den Nuba-Bergen zum Schluss gekommen sind, dass wir nicht nur die Bibel besprechen sollten, sondern auch etwas für uns selbst unternehmen sollten.
Damals gab es unter den intern Vertriebenen aus den Nuba-Bergen keinerlei grundlegende Leistungen des Staates. Insbesondere unter den Frauen konnte kaum jemand Lesen und Schreiben. So kamen wir auf die Idee uns selbst Alphabetisierungskurse zu organisieren. Dann beschäftigten wir uns auch mit der Situation unserer Kinder. Sie dürfen nicht vergessen, dass unsere Frauen und Männer meist früh am Tag auf Arbeitssuche gehen. Wir bekommen ja keine regelmäßige Arbeit, sondern überleben als TagelöhnerInnen. In so einer Situation kann sich niemand um seine Kinder kümmern, die den ganzen Tag sich selbst überlassen in der heißen Sonne herumspringen. Deshalb kamen wir auf die Idee einen Kindergarten zu organisieren. Mittlerweile haben wir in der Region Khartoum vier Kindergärten und zehn Bildungskurse für Frauen. Dabei wollen wir jedoch nicht nur die Alphabetisierung vorantreiben, sondern auch verschiedene frauenrelevante Themen diskutieren und den Frauen eine Bildungsmöglichkeit bieten.
Wir sind zwar aus einer christlichen Kirche entstanden, aber unser Angebot ist grundsätzlich offen für alle Frauen. Heute sind rund 500 Frauen bei uns aktiv. Diese sind fast alle christlich. Unser Service ist jedoch für alle da. Wir verzichten in unseren Bildungsangeboten zum Beispiel absichtlich auf Religionsunterricht um auch Muslimen die Teilnahme zu ermöglichen.
Ja, das ist eines der Ziele unserer Organisation. Wir legen einen starken Fokus auf die Umschulung und die Ermunterung der Frauen auch andere Erwerbsmöglichkeiten zu suchen. Das ist leider nicht gerade einfach, da unsere Frauen einfach am untersten Ende der sozialen Hierarchie in Khartoum stehen. Gerade für die Alkoholverkäuferinnen ist die herrschende Sharia-Gesetzgebung jedoch ein so großes Problem, dass wir uns immer wieder damit auseinandersetzen müssen.
Sie wandern einige Monate oder sogar über ein Jahr ins Gefängnis. Wenn sie oder ihre Verwandten niemanden bestechen können, sitzen sie sehr lange in Haft. Dabei dürfen sie nicht vergessen, dass die Haftbedingungen im Sudan nicht mit denen in Europa zu vergleichen sind.
Leider teilt der Friedensvertrag das Land so auf, dass in der Hauptstadt weiterhin die Sharia gelten wird. Zwar wird uns zugleich versprochen, dass Nichtmuslime in Zukunft anders behandelt werden sollen, allerdings gibt es bis jetzt keinerlei Anzeichen, dass dieses Versprechen eingehalten werden soll. Wir werden immer noch für Alkoholverkauf verhaftet, die Teefrauen haben Probleme und selbst die normalen Verkäufer werden ständig drangsaliert. Vielleicht hat es sich für einige gut organisierte Verkäufer etwas verbessert, etwa jene die ein eigenes kleines Geschäft besitzen. Für jene Frauen, die unter freiem Himmel ihre Waren anbieten müssen, hat sich aber überhaupt nichts zum Besseren gewendet.
Der Friedensvertrag wurde erst vor kurzem unterzeichnet. Als der SPLA-Führer John Garang dann nach Khartoum kam um neuer Vizepräsident des Sudan zu werden, waren damit schon auch für uns Hoffnungen verbunden. Nicht nur Leute aus den Nuba-Bergen, sondern der ganze Sudan setzte große Hoffnungen in diesen Schritt. Allerdings war die Enttäuschung umso bitterer, als die Leute drei Wochen später vom Tod John Garangs hörten. Das war ein wirklicher Schock für das ganze Land und viele fürchten nun wieder die Zukunft. Die NGOs und Basisorganisationen versuchen zwar weiter ihren Beitrag zum Friedensprozess zu leisten, aber der Schock sitzt immer noch tief.
Die Leute wussten schon von BBC und anderen ausländischen Medien, dass John Garang etwas geschehen war. Die Regierung ging jedoch nicht mit der Nachricht an die Öffentlichkeit. Dieser Umgang mit dem Thema führte zu einer sehr großen Verunsicherung in der Bevölkerung.
Ja, es kamen ja in der Vergangenheit auch schon andere Regimegegner auf ähnliche Weise ums Leben. Da gab es öfters schon „Unfälle“ und so dachten die Leute, dass es diesmal ähnlich wäre. Es hatten ja viele schon vorher gedacht, dass Garang in Khartoum nicht sicher sein würde. Jedenfalls glaubten deshalb tausende intern Vertriebene, dass die Regierung hinter dem Tod Garangs stehen würde. Deshalb kam es zu diesem Aufstand und den Plünderungen. Die SPLA versuchte die Leute jedoch zu beruhigen, während die Regierung letztlich vom Aufstand profitierte. Die Regierung nutzte das Chaos nämlich um Leute von zu Hause abzuholen und verschwinden zu lassen. Viele SüdsudanesInnen und Leute aus den Nuba-Bergen wurden willkürlich verhaftet oder erschossen. Auch viele Frauen, sogar schwangere wurde mitgenommen. Die Glaubwürdigkeit des Friedensprozesses wurde damit sicher nicht größer.
Wir benötigen die Unterstützung von Frauengruppen, aber auch demokratischen Männern aus Europa. Wenn in Europa eine Sensibilität für unsere Probleme entsteht, übt dies auch Druck auf die sudanesischen Verhältnisse aus.