ZOOM 3/1998
Juni
1998
Henryk M. Broder:

Die Irren von Zion

Broder schlingert in seinem Buch zwischen „Kishon für jüngere Deutschsprachige“ und harten Bestandsaufnah­men über eine in sich gespal­tene Gesellschaft, deren Kontrahenten sich am liebsten ge­genseitig die Identität als Is­raeli absprechen würden. Am besten läßt man ihn wohl selbst zu Wort kommen: „Zur höheren Geburtenrate der Religiösen kommt noch hin­zu, daß mehr religiöse als säkuläre Juden nach Israel einwandern und daß für säkuläre Juden das Leben in einer von den Frommen dominier­ten Gesellschaft unerträglich wird, weswegen schon heute viele von Jerusalem nach Tel Aviv ziehen, was der einfach­ste Weg ist, ins Ausland zu fahren, ohne das Land zu ver­lassen.“ Insbesondere geht er auf die jüdischen Neueinwanderinnen aus den USA ein, die sich gerne als die wahren Bewahrer der Religi­on gerieren. Auch die Suche nach der „‚authentischen‘ jü­dischen Erfahrung“, wie Bro­der schreibt, zieht viele von den Jungen an, eine Sinnsu­che, für die der Staat Israel als Projektionsfläche dient. Durch Interviews und Be­schreibungen zeichnet Bro­der kleine Porträts, welche die Problemlagen und die Ir­rationalismen deutlich ma­chen in einem Land, das es wohl verdient, normal zu wer­den. Die Lage der palästi­nensischen Bevölkerung ist in seinen Schilderungen ständig präsent, genauso wie die men­talen Anspannungen und die Alltäglichkeit der Bedrohun­gen für Israelis, die einige mit viel Witz in ihr Leben inte­grieren können.

Auch für gelernte Wiene­rInnen, wie ich einer gewor­den bin, hat Broder etwas zu bieten: In einer leicht bos­haften Skizze wird auch eine österreichische Journalistin zur Kenntlichkeit entstellt, die hier in Wien in einem Brief der arabisch-österreichischen Gesellschaft an das entsprechende Magazin schon einmal als die kompe­tenteste Israel-Kennerin ab­gefeiert wurde.

Alles in allem ein unter­haltsamer und lehrreicher Reiseführer ins heutige Israel.

Henryk M. Broder, Die Irren von Zion. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 1998, 288 S., öS 291,—

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